Nr. 169.

Berlin , Sonntag den 4. November 1866.

Zweiter Jahrgang.

Social- Demokrat.

Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends Abends.

M

Organ der social- demokratischen Partei.

Redigirt von J. B. v. Hofstetten und J. B. v. Schweizer .

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Redaction und Expedition: Berlin ,

Alte Jakobstraße Nr. 67.

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Agentur für England, die Colonieen und die überseeischen Länder: Mr. Bender, 8. Little New- Port- Street, Leicester- Square W. C. London . Agentur für Frankreich : G. A. Alexandre, Strassbourg , 5. Rue Brulée; Paris . 2. Cour du Commerce Saint- André- des- Arts.

Politischer Theil.

Berlin , 3. November.

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Ein Artikel der Volks- Zeitung" über die Vorträge in Arnim's Hotel zwingt uns zu einer Entgegnung. Anknüpfend an das Referat über den letzten Vortrag nimmt der Referent Ge­legenheit, sich über den Socialismus überhaupt und insbesondere über die Lassalle 'sche Richtung auszu­sprechen. Wir setzen zunächst die ganze Ausfüb­rung hierher, um dann auch unsererseits das Wort zu ergreifen. Der Referent der Volks- 3tg." schreibt:

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Socialismus Hilfe von einer gegenwärtigen Regierung ferner Recht, vom Standpunkte der Bourgeoisie und nicht vom Volksstaat verlangen. Von der Regierung natürlich nur Recht, wenn sie versichert, daß der eines gegenwärtigen Staates, trotz allgemeinen gleichen Socialismus unter feinen Umständen, bei feiner Wahlrechts und Parlaments, darf wohl ein Wagener Staatsform durchführbar sei und wenn sie hierbei Hilfe fordern, nicht aber ein wirklicher Socialist. den Nachdruck auf die freie Concurrenz, das Lebens­Die Arbeiterbataillone, welche Lassalle und Herr

v. Soweißer und mit ihnen Herr Wagener in den princip der bürgerlichen Gesellschaft, legt; die Auf­gegenwärtigen Staat wie einen Seil einschieben wollen, fassung der Redaktion ist eine correcte vom Stand­würden marschiren müffen, im Diensie der jeweiligen punkte der Bourgeoisie und dieser Standpunkt felbst Staatsgewalt, die ihnen Brod giebt felbft gegen die ist ein einheitlicher, in thatsächlichen Verhältnissen Freibeit. Nur was sich in der Freiheit entwickelt, bat wohl begründeter; der Referent der Volks- 3tg." Bestand und Gedeihen. Dadurch, daß man voreilig mit aber hat gar keinen Standpunkt; er hat die Grund­Gewaltmitteln politische oder fecialistische Einbeitsstaaten anschauung der Bourgeoisie so wenig begriffen wie berstellen wil, verhindert man allerdings nicht die welt die Grundanschauung des Socialismus. geschichtliche Entwickelung zur Freibeit, aber man bält Nicht also sie auf, und Hunger, Blut und Thränen bilden die Mark steine solcher Eingriffe in den rubigen und allmäligen Gang der natürlichen Bölferentwickelung. Nur in dem gemeinsamen Streben nach politischer Freiheit finden Alle in gleicher Weise ihre Rechnung, der enragirteste Einbeits staatler wie der Freihandelsmann und der Socialist. Hierzu bemerkt in einer Nachschrift die Redak­tion cer Volks- 3tg.":

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wir widerholen es

mit der

Redaktion der Volks- 3tg." haben wir zu thun; denn diese hat von ihrem Standpunkte fachlich rich­tig und sie hat ferner ohne Gehässigkeit gesprochen; mit wem wir es zu thun haben, daß ist ihr Refe rent, der nicht nur Unwissenheit und Gedankenver wirrung, sondern auch und dies gerade nöthigt uns zur Entgegnung Gehässigkeit und Denun­ciationskunst an den Tag gelegt hat.

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Wir sind den Schweitzer'schen Vorträgen bis zum Schluß gefolgt und anerkennen die ruhige Objektivi tät derselben, welche Laffalle, den Meister des Hrn. v. Schweiger, so wenig eigen war. Ob Hr. v. Schweitzer aber dem Socialismus deshalb mehr genützt hat, möchten wir bezweifeln. Für die letzten Ziele des Socialismus, die Abschaffung des Zinses, des Kapitalgewinnes und so gar des Geldes, als vermittelndes Tauschobjekt, gebt unserer Gegenwart noch das Verständniß ab. Diese Ziele der Gegenwart zu agitatorischen Zwecken als er firebenswerth hinzustellen, um den socialistischen Ideen dadurch Anhänger zu verschaffen, ist eine verfeblte Taftif. Gleichwohl steht Referent dem Socialismus nicht so fern, um die befruchtenden Ideen desselben auch für die Gegen wart zu verkennen. Aber nur dem freien Staate, und nur diesem, gesteht Referent für die materielle Entwicke­lung seiner Bürger mehr als eine blos passive, nur auf Beseitigung von Verkehrshindernissen gerichtete Rolle zu Die Doktrin des ,, laisser aller" ist nach Ansicht des Zuvörderst haben wir hier zu bemerken, daß Referenten weniger in dem reinen Begriffe der Staats­idee begründet, als sie ein Ausfluß und ein Rüglichkeits- wir es bei dem nachfolgenden Tadel nicht mit der prinzip der gegenwärtigen Staatsgestaltung ist. Und Redaktion der Belts 3tg." zu thun baben, son als solches Nützlichkeitsprinzip für den gegenwärtigen dern mit deren Referenten. Die Volks Ztg." bat Staat erachten wir diese Dottrin als nothwendig. Wir sich wie schon jüngst von social demokratischer Bei Gelegenheit der Begriffsbestimmung von sagten schon zu Anfang, daß jeder Versuch unter dem Seite hervorgehoben wurde von allen fortschritt- unproductiver Consumtion" hatte der Vortragende gegenwärtigen Gesellschaftszustande die socialistische Theorie lichen Blättern dem Absolutismus gegenüber als das in Arnim's Hotel als Beispiel u. A. gesagt: Wenn ber Staatshilfe praktisch in Anwendung bringen zu confequenteste erwiesen; wir müssen hinzufügen, daß das Holz im Ofen des Wohnzimmers verbrannt wollen, unzweifelhaft zur politischen Reaktion führen würde. Wir sehen davon ab, daß bei diesem Versuche von einer sie auch der Arbeitersache, dem Socialismus gegen wird, wird es unproductiv consumirt( d. b. als sich deckenden Produktion- Konsumtion, den jetzigen gesell- über, Consequenz an den Tag legt. Man kann den Genußgegenstand); wenn es in der Küche für das schaftlichen Zusammenhängen gegenüber, nicht die Rede Standtpunkt, den die Redaktion der Beifs 3tg." Kochen der Speisen verbrannt wird, so wird es sein fann; das Risiko würde vielmehr in vollem Maße in ihrer Nachschrift einnimmt, als unrichtig erfen- productiv consumirt( d. b. als Mittel zur Produc­bestehen bleiben. Wir sehen davon ab, daß bei einer nen und dies thun wir gewiß; allein man muß zuion). Der Referent der Volks Ztg." versichert, Kreditoperation, wenn Zinsen und erborgtes Rapital ab- geben, daß die Anschauung Sinn und Verstand ries Beispiel sei falsch, in beiden Fällen liege pro­getragen und die Produktiv- Assoziationen für immer neu hat, daß sie eine durchdachte, eine in sich conse- ductive Consumtion vor( d. h. da er den Begriff hinzutretende Arbeiter erweitert werden sollen, an eine quente ist. von productiver Consumtion nicht fennt, so meint

Wir sind in so fern nicht ganz der Ansicht unseres Referenten, als wir das, was die jetzigen Agitatoren des Wir sagen: Unwissenheit und Gedankenverwir Socialismus als Ideal der von ihnen angestrebten Zurung. Begründen wir zunächst dieses harte Urtheil! stände binstellen, in feinem, auch in dem freiheitlichst Von einem Mann, der über national- ökono gestaltenden Staate nicht für ausfibrbar balten und außerdem die Doktrin des laisser aller" für mehr als mische Vorträge fritische Berichte schreibt, muß man den Ausfluß des Nützlichkeitsprinzip halten. Die Trieb vorausseßen, daß er mit den Elementarbegriffen feder der Industrie und der Einzelthätigkeit ist die konkur- der Defonomie im Reinen sei. Es kann nun nicht renz und die Aussicht auf die Beschaffung von erhöhten unsere Absicht sein, dem Herrn Referenten die vielen Genußmitteln, die dem Einzelnen als Lohn seiner Thä- Unrichtigkeiten nachzuweisen, die sich in seinen Be­tigkeit werden. richten finden; allein wir wollen einen der hand­greiflichsten Punkte hervorheben, was genügend sein wird, die Berechtigung dieses Referenten, über ökonomische Dinge mitzusprechen, in gebühren des Licht zu setzen.

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Lohnsteigerung vorläufig schwerlich zu denken sein würde. Ja, die Redaktion hat Recht, wenn sie hervor er, es komme nur darauf an, daß etwas nicht nut­Wir sehen davon ab, daß, wenn beute 100 Millionen

aus der Erde gestampft und morgen plötzlich als wirkendes hebt, daß die Doktrin des laisser aller"" mehr los zerstört werde und dann sei immer productive Kapital auf den Markt geworfen werden, diese Staats- als Ausfluß des Nüßlichkeitsprincips" ist; denn Consumtion vorhanden). Wer die Elementarjäge produktiv- Affoziationen, da bis morgen Nachfrage und allerdings ist die von der Bourgeoisie aufgestellte der Dekonomie fennt, der weiß, daß ein Student, Bedürfniß nicht auf einen Gud um 100 Millionen wachsen, Idee des Staats, wornach dieser bloß für die der im Examen über den Begriff von productiver in blutige Konkurrenz mit dem Privatkapital treten müffen, Rechtssicherheit zu sorgen hat, diese Staatsidee der nnd unproductiver Consumtion im Unflaren iſt, wobei entweder die Staatsproduktiv- Affoziation oder die Bourgeoisie, welche sie für die Staatsidee schlecht- als ein verlorener Mann betrachtet muß, d. h. im konkurirenden Privatunternehmer Bankerott geben müssen, hin, für die absolute Staatsidee ausgiebt, aus dem Examen durchfällt. Kritische Berichte über natio­und wenn lettere, nicht etwa mit 100 Millionen, sondern Wesen der bürgerlichen Verhältnisse mit innerer nal- ökonomische Vorträge aber glaubt man schreiten vielleicht mit dem Doppelten; und während so 500,000 Ar­beiter Nothwendigkeit hervorgegangen und dieser Staats- zu können, auch wenn man die Elementarbegriffe von Staatswegen Brod erhalten, würden 1,000,000 Arbeiter brodlos werden. Wir sehen endlich idee ist das laisser faire" wesentlich, und nicht nicht fennt.

ab davon, daß es als ein Abfall von der reinen Lehre des ist dasselbe, wie sehr oberflächlich der Referent Dies genüge zur Kennzeichnung des ökonomi Socialismus zu bezeichnen ist, wenn Anhänger des meint, bloß Nüglichkeitsfrage. Die Redaktion hat schen Wissens des Herrn Referenten der Volks­

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