Nr. 190.

Berlin , Sonntag den 23. December 1866.

Bweiter Jahrgang.

Social- Demokrat.

Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends Abends.

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Organ der social- demokratischen Partei.

Rebigirt von J. B. v. Hofstetten und J. B. v. Schweißer.

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Redaction und Expedition: Berlin ,

Alte Jakobstraße Nr. 67.

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Agentur für England, die Colonieen und die überseeischen Länder: Mr. Bender, 8. Little New- Port- Street, Leicester- Square W. C. London . Agentur für Frankreich : G. A. Alexandre, Strassbourg , 5. Rue Brulée; Paris , 2. Cour du Commerce Saint- André- des- Arts.

Leitstern der deutschen Arbeiterpartei sein.-

Die nächste Nummer( für kommenden schmettern und der Name Lassalles, seine Grund­Mittwoch) fällt der Feiertage wegen aus. fäße, feine Organisation werden auch fürder ber Die Nummer, welche( für Freitag) am Don­nerstag Abend zu erscheinen hätte, wird aus Rücksicht auf die in Erfurt stattfindende General- Versammlung des Allg. deutsch . Arb.- Vereins am Freitag Abend ausgegeben.

Die General- Versammlung des Allgemeinen deutschen Arbeiter- Vereins findet am 27. d. zu Erfurt statt. Sie sindet statt in einem Augenblick, wo die politische Bewegung höher gebt, wo zum ersten Male seit dem Jahre 1848 bas eigentliche Volk an die Wahlurne zu treten berufen ist.

Politischer Theil.

Berlin , 22. Dezember.

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bemittelte Arbeiterklasse rein illusorisch machen- einen verkappten Census von der ungeheuersten Bedeutung

einschmuggeln und die Ausschließung der Staats­beamten eine große Anzahl von unzweifelhaft in jenen Kreisen vorhandenen Intelligenzen des Rechtes berauben, sich selbstthätig an der staatlichen und nationalen Entwickelung zu betheiligen.

Das Eine wäre so unrecht wie das Andere und eine faisung des Norddeutschen Bundes , so Brincips, daß wir ein gerechtes Bedenken iragen Befürchtungen über die endgültige Ver- so ungeheuerliche Verlegung des in Frage stehenden weit dieselbe durch die Provinzial- Correspondenz" zu müssen glauben, sie bei einer Regierung vor­und durch Zeitungs- Nachrichten von mehr oder auszufezen, der, wie der preußischen, das Verdienst minder öfficiösem Ursprunge bekannt geworden, gebührt, aus eigener Initiative eines der wichtigsten tauchen mehr und mehr auf, Befürchtungen, deren aller Volksrechte- ja die nothwendige Voraussetzung Tragweite besonders von demokratischer Seite nicht aller übrigen das allgemeine direkte Wahlrecht, übersehen werden darf. wiederhergestellt zu haben.

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Untersuchen wir also, wie es sich damit verhält! Der fragliche Artikel der Prov. Correfp."*) ist sehr allgemein gehalten und läßt weiter nicht Die von Ferd. Lassalle gegründete deutsche viel mehr flar werden, als daß man im Wesent­Arbeiterpartei hat zu zeigen, daß sie ihres großen lichen an den Grundzügen vom 10. Juni d. J., Meisters würdig ist. Wenn jemals, so tritt in jedoch mit denjenigen Aenderungen festhalten will, diesem Augenblick an sie die Anforderung heran, zu welchen man seit dem Tage von Königsgräß mit Anspannung aller Kräfte sich zu erheben. durch den Prager Friedens- Vertrag die Macht Ein zwiefaces Kleinod ist es, das Ferdinand Lassalle der deutschen Arbeiterpartei hinterlassen: Es sind jene erstaunlichen Werke, in denen die Gedankenperlen seines Geistes, jene tiefen, gewal­tigen Forschungen für das Wohl der Enterbten zu deren dauerndem Eigenthum niedergelegt sind;

es ist nicht minder die vortreffliche Organisa­tion, welche durch ganz Deutschland die Arbeiter­partei als ein einheitliches Ganzes, fampfgerüstet und fampffähig, hingestellt.

Diese Kleinodien müssen wir hoch halten; wir sind es dem Andenken des dahingegangenen Mei­sters, wir sind es uns selbst und unserer Sache schuldig.

Möge auf der bevorstehenden General- Verfamm­lung des Allg. deutsch . Arb.- Vereins ein jeder von dieser Erkenntniß tief durchdrungen sein, auf daß wir in veller Einheit, mitt aller Kraft der Ueber­zeugung und des gestählten Willens, erneut den Kampf aufnehmen gegen unsere vielnamigen Gegner. Festhalten an unseren Grundfäßen Festhalten an unserer Organisation das sei die Parole!

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hat und gegenüber der nationalen Aufgabe, die Einzelsouverainetäten zu brechen auch berechtigt ist. Ueber die in Aussicht genommene endgültige National- Vertretung des Bundes erfährt man aus der ,, Prov. Correfp." nur, daß sie ,, aus allgemeinen Volkswahlen hervorgehen" soll.

Sehr ,, dunkel" gesprochen, in der That! Weshalb so dunkel? Wozu diese Unbestimmtheit? Jedes Wahlrecht zerfällt bekanntlich in zwei Theile: in das Recht zu wählen und in das, ge­wählt zu werden.

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Und deshalb möchte es uns denn auch fast be­dünten, als ob diese Gerüchte ihre Entstehung und Verbreitung lediglich jenen Kreisen zu verdanken hätten, deren geheimen Herzenswunsch sie ausdrücken und von denen auch nach einer viel verbreiteten und wohl nicht mit Unrecht gehegten Ansicht- bei Feststellung des vorläufig zur Anwendung kom­menden Wahlgesetzes die erste Anregung zu dem Gedanken ausgegangen sein soll: Keine Diäten.

Ein unbestreitbares Recht des Volkes ist das Verlangen, daß, wie unlängst in der preußischen Kam­mer der Minister des Innern gefordert hat, der Staat seine Diener in den Stand setze, anständig zu leben und ihren Platz auszufüllen."

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Diejenigen aber, welche das Bolt mit der Auf­gabe betraut, seine Gesetze zu machen und seine Geschicke zu berathen, stehen im öffentlichen Dienste, dienen dem Staate und müssen, insofern nur ein verschwindend fleiner Bruchtheil derselben aus Soll bei dem für das ,, Norddeutsche Parlament" reichen/ Leuten bestehen wird, es sei denn, man oder den Norddeutschen Reichstag" endgültigen balte nur den Geldsack" für den einzig berechtigten Wahlrecht auch Jedermann gewählt werden Volksvertreter ebenso gut für die Dauer ihres können, der den Anforderungen genügt, welche das öffentlichen Dienstes besoldet werden, wie der ge­entspre bend abgeänderte 49 er Reichswahlgefeß wöhnliche Staatsbeamte. festsetzt, also Jedermann, der auf Grund des allge= meinen gleichen und directen Wahlrechts wählbar ist? Und welches sind jene Abänderungen? ,, Das ist hier die Frage", auf welche eine baldigste officielle Antwort zu erhalten man dringend wünschen muß.

Dieser Wunsch ist aber um so mehr berechtigt, als Gerüchte verschiedener Art im Umlauf sind, welche leider zum Theil nicht ganz unglaubwürdig flingen.

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Und doppelt mahnen wir die Arbeiter zu dieser Parole in einem Augenblicke, wo, wie wir wissen und in Erfahrung gebracht haben, von einer Seite her, welcher der Name Lassalle von jeher ein Dorn So heißt es z. B.: Die Mitglieder jenes Reichs­im Auge war, bei Gelegenheit der Wahlen Intri- tages" sollen keine Tagegelder erhalten, und guen sollen eingefädelt werden, welche gegen die Staats Beamte von der Wählbarkeit ausge­Schöpfung Lassalles gerichtet sind. Es werden schlossen sein. Leute auftreten, welche in Verbindung mit schwarz- Beide Maßregeln widersprächen höchlichst dem gelben Agenten und mittel- staatlichen Bartikularisten Princip des allgemeinen gleichen Wahlrechts. versuchen werden, den in stolzer einheitlicher Kraft Die Verweigerung von Tagegeldern würde das dastehenden Körper der von Lassalle gegründeten Recht der Wählbarkeit ganz besonders für die un­Arbeiterpartei zu spalten und zu zerklüften.

Wir aber werden solche Bestrebungen zu Boden*) S. denselben in unserer neuesten Rundschau.

Denn das Volk fann weder wollen, daß die mit seinem Vertrauen beehrten Männer durch ihre Armuth gezwungen sind, sein Mandat abzulehnen, noch daß sie sich auf andere Art für die Versa gung der Besoldung schadlos zu halten suchen.

Es bliebe somit dem armen Manne wieder nichts übrig, als einen reichen zu seinem Vertreter zu wählen, was, um uns eines sprichwörtlichen Aus­druces zu bedienen, in den meisten Fällen genau soviel sagen will, als den Bod zum Gärtner ,, den machen."

Daß das Volk zu einem auf solcher Grundlage gewählten Parlamente nicht das geringste Ver­trauen haben könnte, ist eine Sache, die sich von selbst versteht:

Das bedenke man bei Gelegenheit aller Be­rathungen über die Bundesverfassung!

Doch, wie gefagt, wir geben uns der Erwar­tung hin, daß die ausgesprochenen Befürchtungen der Begründung entbehren.