es hauptsächlich abgesehen war er kandidirte in Chemnit wurde bis nach der Wahl festgehalten!
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Der Transport der so schmachvoll Gefesselten erregte natür lich große Erbitterung, und es bedürfte der ganzen trefflichen Disziplin unserer Genossen, um einen Konflift zu verhüten, der wahrscheinlich mit einem Massakre geendet hätte.
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Trotz dieses abscheulichen Polizeistreichs. für den Herr Siebdraht nicht bloß im Land- und Reichstag , sondern auch vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden wird, besorgten aber die Chemnitzer Genossen die Wahlarbeiten: Austragen der Flugblätter und Stimmzeddel mit bewunderungswürdiger Promptheit- es ist aber leicht erklärlich, daß am Wahltag gar Mancher, der sonst für Bahlteich gestimmt hätte, von der Wahlurne wegblieb. Die Organisation bewährte sich durchweg vortrefflich. Am Sonnabend Abend wuste noch Niemand außer den Eingeweihten ob wir uns überhaupt an der Wahl betheiligen würden; am Sonntag früh aber schwärmten plößlich aus den verschiedenen Zentren Hunderte von Genossen, gleich Bienenschwärmen aus, und am Sonntag Abend hatte jeder Wähler seinen sozialdemo kratischen Aufruf mit Stimmzeddel. In einigen Wahlkreisen wurde am Montag ein zweiter Aufruf vertheilt. Und Alles klappte. Es hat sich bei dieser Gelegenheit so recht deutlich gezeigt, wie wirksam die private Organisation von Mann zu Mann, auf die wir jetzt angewiesen sind, gemacht werden
fann.
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Die Reaktionäre, die zum Glück nichts gelernt und nichts ver gessen haben und überhaupt auch nie etwas lernen werden, schreien nun nach Erhöhung des Zensus, Abschaffung der Bestimmung, daß, wo drei Kandidaten aufgestellt sind, die relative Mehrheit zur Wahl genügt, und vor Allem nach einer Verschärfung des Sozialistengesetzes. Nnn, Ihr mögt's probiren wir sind es nicht, die den Schaden haben werden!
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Zur Lage in Desterreich.
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Ss. Von der Donau . Freudig wird auch bei uns der„ Sozialdemokrat" begrüßt. Wir, die wir jedes Parteiorgan willkommen heißen, das in einem Lande erscheint, in dem noch wirkliche Breßfreiheit herrscht, wir begrüßen ihn nicht nur als eine Waffe gegen die Gewaltherrscher Deutschlands , welche mit seltener Unverfrorenheiit dem Volke am hellichtem Tage die Freiheit geraubt haben, sondern auch als Waffe gegen die Tyrannen Oesterreichs , welche uns das Bischen sogenannter Freiheit heimlich gestohlen haben, ohne daß man es in weiteren Kreisen gemerkt hat.
Es gab naive Menschen, welche vom Ministerium Taaffe eine Verbesserung unserer freiheitlichen Zustände erwarteten, welche vor allem glaubten, es werde, um den„ Liberalen " den Boden unter den Füßen wegzuziehen, das allgemeine Wahlrecht gewähren. Heute erwartet dieß wenigstens in unsern Reihen wohl Niemand mehr von dem Milchbruder des Kaisers von Oesterreich , obgleich man zugestehen muß, daß es uns dermalen eben auch nicht schlechter geht, als unter dem liberalen" Regiment. Es ist so ziemlich vollkommen gleichgültig, ob so oder so regiert wird.
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Unser bisheriges Zentralorgan, der Sozialist", wäre eingegangen, auch wenn das Ministerium Auersperg fortgewirthschaftet hätte. Wohl hätte der Sozialist" noch weiter leben können; die materiellen Grundlagen seines Bestandes waren noch vorhanden, aber man war es müde geworden, blos für den Staatsanwalt zu schreiben und Stempelsteuer zu zahlen für Blätter, welche die Abonnenten nicht erhielten und bei jedem Preßprozeß 200-500 Gulden dem hohen Aerar in den Rachen zu stecken.
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Um dem zu entgehen, hatte man die Absicht, an Stelle des zweimal in der Woche erscheinenden Sozialist" zwei in Zwischenräumen von je 14 Tagen erscheinende Blätter herauszugeben, welche keine Stempelsteuer zu zahlen brauchten und auch vom Erlag einer Kaution befreit gewesen wären. Aber der Mensch denkt und die Polizeidirektion lenkt. Die beiden Blätter, die " Freiheit" und der Proletarier", wurden von derselben als ein Blatt betrachtet, welches nur verschiedene Titel hätte, um sich dem Erlag einer Raution zu entziehen, und daher bis zur Erlegung einer solchen verboten. Die Kaution bietet eben die sicherste Handhabe zum finanziellen Ruin der Partei. In Folge einer Beschwerde bei der Statthalterei wurde zwar dieses ungeheuerliche Erkenntniß ausgehoben, aber nur insoweit, daß eines der beiden Blätter uns bewilligt wurde. Die Freiheit" darf also in Desterreich forteristiren der Proletarier" bleibt unterdrückt. Wie gesichert aber die Existenz der Freiheit" in Desterreich ist, geht daraus hervor, daß schon die erste Nummer derselben konfiszirt wurde und daß soweit geht die Unverschämtheit unserer Behörden eine zweite Auflage nicht einmal mit Hinweglaffung der konfiszirten Artikel gestattet wurde.
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So haben wir denn nur mehr ein vierzehntägiges Parteiorgan in Wien und auch das haben wir gewöhnlich nicht. Was das Resultat dieser Entziehung unserer geistigen Nahrung ist, bedenken allerdings die Behörden in ihrer bodenlosen Beschränktheit nicht: es ist das der Import ausländischer Zeitungen! Ganz natürlich! Der sozialistische Arbeiter kann sich unmöglich mit einem 14tägigen unter der, jeden freien Gedanken im Keime erstickenden Herrschaft unserer Preßpolizei erscheinenden Blatte be gnügen und er sucht daher einen Ersatz im Ausland, wenn er im Inland keinen findet, wobei er noch den Vortheil hat, die unverfälschte Wahrheit zu Gesicht zu bekommen, während die inländischen Zeitungen einer freiwilligen Zensur sich unter: werfen müssen, wenn sie überhaupt auch nur die Hoffnung haben sollen, zu erscheinen.
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Aus diesem Grunde begrüßen wir das neue Schweizer Parteiorgan auch als Mittkämpfer in der österreichischen Arbeiterbewegung. Denn wir erwarten vom Sozialdemokrat", daß er die Gesezesüberschreitungen der österreichischen Behörden ebenso brandmarken wird, als die Gesetzes fabrikation der deutschen Parlamentsmameluten.*)
Jene sind der letzteren vollkommen würdig. Daß die Preßund Religionsfreiheit, die Oeffentlichkeit der Gerichte und andere durch die Staatsgrundgeseze jedem Desterreicher gewährleistete Freiheiten für die Sozialdemokraten nicht eristiren, ist uns zu wohl bekannt, als daß wir darüber noch erstaunen könnten. Was aber bis jetzt noch nicht vorgekommen war, das ist die Verlegung des Briefgeheimnisses wenigstens der Oeffentlichkeit gegenüber, denn die geheime Briefstieberei wird bei uns auch betrieben, *) Selbstverständlich.
D. Red.
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wenngleich vielleicht auch nicht ganz so schwunghaft, als im Reiche der Gottesfurcht und frommen Sitte. Aber in letzterer Zeit wird es Mode, wenn man einen verdächtigen" Brief wittert, dem Briefträger, der ihn überbringt, gleich einen Detektive mitzugeben, der dem Empfänger das Schreiben in demselben Augenblick abnimmt, als es in seine Hände niedergelegt wird und sich nicht scheut, es selbst zu erbrechen, wenn der Adressat sich weigert, es zu thun!
Wahrlich! Auch das blödeste Auge muß da zur Einsicht gelangen, daß die Gesetze in Desterreich nicht Schranken sind für die Willtür der Behörden, sondern blos Schranken für Diejenigen, welche sich einbilden, in einem Rechtsstaate zu leben und glauben, ungestört gegen die Korruption ankämpfen zu dürfen, sobald sie sich an die Bestimmungen des Gesetzes halten. Zum Glück wird die Zahl derjenigen naiven Seelen immer seltener, welche den Wahn hegen, auf lediglich konstitutionellen und parlamentarischem Wege für die Regeneration des Staates wirken zu können in einem Gemeinwesen, in welchem ein bigotter Hof, ein verzopftes und entmenschtes Säbelregiment und ein korruptes Großkapital sich in die Herrschaft theilen. Diese Mächte können keinen Fortschritt dulden, weil das ihr Untergang wäre; sie dürfen keine Aufklärung dulden, weil ein denkendes Volk sie keinen Tag länger regieren ließe. Mit allen gesetzlichen" und ungesetzlichen Mitteln kämpfen sie gegen alle wahren Freunde des Volkes; alle Stätten, in denen zum Volke gesprochen werden kann, suchen sie zu korrumpiren und unzugänglich zu machen für charakterfeste Männer. Sie haben das Parlamentshaus zu einer Komödiantenbude herabgewürdigt, die Wissenschaft zu einer feilen Dirne, die Presse zu einer Banditenhöhle gemacht.
Das österreichische Volk weiß das recht wohl und auch der= jenige Theil desselben, der außer unserer Partei steht, beginnt allmälich zur Erkenntniß zu kommen. Die geringe Betheiligung bei den letzten Parlamentswahlen bewies am besten, wie gleichgültig ihm eine Verfassung wird, welche nichts ist als eine große Lüge. Es kommt immer mehr zur Erkenntniß, daß das Parlament und die Presse nicht Waffen sind, um es zu schützen, sondern um es zu knechten, weil seine Ausbeuter sich derselben ganz bemächtigt haben. Nicht nur in industriellen Arbeiterkreisen, nein gerade unter dem Landvolke greift die Gährung um sich, unter dem verzweifelnden Bauernproletariat in Böhmen , Mähren , Niederöster= reich, Steiermark , vor dessen elender Lage nur Diejenigen sich eine Vorstellung machen können, die sie selbst gesehen.
Eine solche Bewegung kann weder von einer Partei gemacht, noch gehindert werden, unsere Pflicht ist es aber, dahin zu wirken, daß diese Bewegung vom Volke benutzt werde zu seinem Besten, daß sie nicht auf das Anzünden der Fabriken und Erschlagen der Juden hinauslaufe- gegen diese beiden richtet sich hauptsächlich die Wuth der Bauern sondern, daß sie etwas Besseres an Stelle des Bestehenden setze. Das Volk aufzuklären, seinen revolutionären Drang nicht niederzuhalten, sondern auf die richtige Bahn zu leiten, ist unsere Pflicht in Oesterreich und wer uns darin unterstützt, dem reichen wir die Bruderhand.
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Sozialpolitische Rundschau.
- Die deutsche Regierung ist über die wiederholten, einander schnell folgenden Erfolge der Sozialdemokratie, namentlich über den ihr vollkommen unerwarteten Ausfall der sächsischen Landtagswahlen außer sich. Statt sich aber diese, beunruhigende" Erscheinung in richtiger Weise dahin zu erklären, daß sie selbst durch Erlaß des drückenden und dadurch Gegendruck erzeugenden Ausnahmegesetzes, sowie durch die stets vermehrte Belastung des Volkes die Hauptschuld daran trägt, und demnach ihre Maßnahmen zu treffen, statt dessen glaubt sie im Gegentheil, die Schuld liege daran, daß die gegen die Sozialdemokratie angewandten Unterdrückungsmaßregeln noch nicht scharf genug seien. Es ist deshalb an eine Aufhebung oder auch nur Milderung der Ausnahmebestimmungen in keiner Weise zu denken, vielmehr steht angesichts des entschiedenen Willens der Regierung und der Erbärmlichkeit der Parlamentshelden schon jetzt fest, daß das Sozialistengesetz über den 31. Oktober 1881 hinaus verlängert wird. Vielleicht geschehen bis dahin Dinge, welche der Regierung sogar die angeblich jetzt abgelehnte Verschärfung des Ausnahmegesetzes als eine Nothwendigkeit erscheinen lassen. Nun unsertwegen; wir haben nichts dagegen, wenn uns die Regierung in unserer Arbeit hilft.
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Daß schließlich der Weg nach Canossa doch noch eingeschlagen wird, wird immer wahrscheinlicher. Die Verhand lungen, welche Bismarck in Gastein mit dem päpstlichen Nuntius Jacobini führte, sollen zwar noch zu keinem definitiven Resultat gediehen sein. Indessen sprechen gutunterrichtete Blätter doch bereits von gewissen Vereinbarungen", welche erfolgt feien und die Grundlagen zu weiteren Verhandlungen bilden sollen. Damit harmonirt vollständig das den Ultramontanen gefällige Vorgehen des stets die Religion und die nothwendige Zusammenwirkung von Staat und Kirche" auf den Lippen tragenden neuen Kultusministers, vor allem aber ein neuerdings publizirter, Aufsehen erregender und der Regierung ersichtlich äußerst unangenehmer Brief des verunglückten Kulturkampf- Feldmarschalls Falk, in welchem derselbe sagt: Bismard werde wohl nicht nach Ca nossa gehen- wenn er es vermeiden könne! Dies letztere aber ist mit Rücksicht auf die dermalige Parteigruppirung und die sonstige Lage eben mehr als zweifelhaft.
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Uebrigens braucht man die zunehmenden Aussichten der Pfaffen nicht allzusehr zu fürchten, denn auf ein bischen Rückschritt mehr oder weniger kann's in Deutschland nicht mehr ankommen und es geht dann auf Eine Zeche.
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Die deutschen Staatsanwälte, welche schon bisher ganz Erkleckliches im Rechtsverdrehen zum Zweck ausgiebigster Sozialistenverfolgung geleistet haben, fangen nachgerade an ihre Muster, die Staatsprokuratoren des Dezember- Kaiserreichs, weit hinter sich zu lassen. Zuerst haben zwei dieser Biedermänner in Berlin und Dresden versucht, Sammlungen zur Unterstützung von infolge von Ausweisung oder sonstiger Verfolgung ihrer Ernährer nothleidender Familien als eine durch das Ausnahmegesetz verpönte gemeingefährliche" Handlung hinzustellen, sind aber mit dieser perfiden Gefeßesinterpretation bei den betreffenden Gerichten beide Male abgeblißt. Insbesondere hat das Dresdner Bezirksgericht nach einer vernichtenden Kritik des Ausnahmegesetzes und der noch infameren Auslegung desselben durch Polizei und Staats
anwälte durch den Rechtsanwalt Bernhard Freytag( den Bruder des bekannten sozialistischen sächsischen Landtagsabgeordneten) sein für die angeklagten Sozialisten freisprechendes Urtheil in einer Weise motivirt, welche die wohlwollenden Absichten der Regierung nach dieser Nichtung wohl ein für allemal zu Nichte macht.*)
Dann kam ein strebsamer Kollege Tessendorfs in Berlin und erhob eine Anklage gegen den sozialistischen Reichstagsabgeordneten Fritzsche wegen dessen pflichtgemäßer Anwesenheit im letzten Reichstag, resp. wegen ,, unerlaubten Betretens der Stadt Berlin ". Die Ungeheuerlichkeit dieser Anklage ist wohl am schlagendsten schon dadurch dargethan, daß der edle Fabrikant des Ausnahmegesetzes, der„ hohe" Reichstag selbst über die erste Anklage gegen Fritsche und Hasselmann in Unwillen ausbrach und die Geneh migung zur Verfolgung der beiden Abgeordneten fast einstimmig versagte. Daß es nun ein öffentlicher Ankläger wagen darf, trotz dieser Entscheidung und der darangefügten Gesetzes- Interpetation durch den würdigen Gesetzgeber seine Klage vor Gericht zu wiederholen, ist überaus bezeichnend für den Grad von Macht uno Achtung, welchen die„ Volksvertretung" in Deutschland genießt. Man darf in der That begierig auf den Ausgang des Prozesses sein, da einerseits die Ablehnung der Klage für die Regierung äußerst blamabel wäre, während anderseits die Ver urtheilung Fritzsche's den geradezu wahnwißigen Grundsatz sta tuiren würde, daß die Ausübung des Volksvertretermandats der sozialistischen Abgeordneten durch einen einfachen Polizeiukas ver boten, resp. zum Verbrechen gemacht werden kann!
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Noch verrückter aber und alle bisherigen Tollheiten und Frech heiten der Reaktion übertreffend ist die Anklagerede, welche ein Breslauer Staatsanwalt in der am 16. September stattgefunde nen Verhandlung gegen den Sozialdemokraten Kräfer wegen verbotener Sammlung von Wahlgeldern hielt. Daß darin den Sozialdemokraten das Sammeln von Geldern zur Bestreitung der Ausgaben für eine Reichstagswahl als Verbrechen ausgelegt wird, darüber wollen wir kein Wort verlieren; das„ Gesetz" ist ja eben zur gänzlichen Entrechtung und Unterdrückung der Sozialdemokratie gemacht worden, und die Regierung wie die Mitglieder der Neichstagsmajorität glieder der Reichstagsmajorität soweit sie nicht dümmer als erlaubt gewesen find beabsichtigten eine solche Ausnützung des Gesetzes auch von vorneherein. Anders aber verhält es sich mit den weitern Deduktionen des Breslauer Staatsanwaltes. Krä ter hatte nämlich nach erfolgter Konfiskation der gesammelten Wahlgelder zuerst beim Oberstaatsanwalt, dann beim Justizminister Beschwerde eingelegt und die Rückerstattung der Gelder gefordert. Der vielversprechende öffentliche Ankläger behauptete nun, die bloße Rüdforderung des tonfiszirten Gel des vom Oberstaatsanwalt resp. Minister sei schon eine versuchte Einsammlung vom Ausnahmegeset verbotener Beiträge!!
Aber es kommt noch besser. Offenbar durch die Thatsache, daß sein Vortrag nach jener Kraftleistung durch kein unauslöschliches Gelächter unterbrochen worden war, ermuthigt, schlußfolgerte der Mann in seiner Art weiter und kam dabei zu folgendem großartigen Resultat: Da die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten einen Zustand herbeiführen wollen, der nur durch Umsturz des Bestehenden möglich ist, so ist jede auf die Wahl solcher Personen gerichtete Thätigkeit als eine auf den Umsturz der bestehenden Staatsund Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebung aufzufassen und daher durch das Ausnahmegeset berboten!!
Welch bewunderungswürdige Logit! Es wäre wirklich ein schreiendes Unrecht, wenn es der famose Breslauer Staatsanwalt nicht noch zu etwas Bedeutendem brächte, denn in ihm steckt zweifelsohne ein staatsmännisches Talent von immenser Bedeutung. Wie leicht ließe sich nach seinem Rezept die aus den Fugen gegangene Welt wieder einrenken, und die alte Eintracht, Zufriedenheit und Einfalt wieder herstellen! Denn wenn erst keine sozialdemokratischen Abgeordneten mehr in der Berliner Reichs- Schwatzbude sitzen, dann ist auch die Sozialdemokratie selbst mausetodt, das ist so klar, daß es nicht nur einem pfiffigen Staatsanwalt, sondern selbst dem dümmsten Spießbürger einleuchtet. Die Reichsregenten mögen sich also das neuerstandene Genie nicht entgehen lassen, schon um ihm ein linderndes Pflaster auf die Wunde zu kleben, welche ihm das Breslauer Gericht dadurch geschlagen, daß es seine famosen Ausführungen empörender Weise gänzlich unberücksichtigt ließ und den Angeklagten furzweg freisprach.
Wenn das schon am grünen Holz geschieht, wenn die heute im deutschen Reich allmächtigen Polizeikünfte oft sogar bei den deutschen Gerichten( denen gewiß Niemand sonderliche Schwäche für Freiheit und Sozialdemokratie nachsagen kann) selbst nichts
*) Das interessante Aktenstück lautet( unter Weglaffung des Einganges) folgendermaßen:
Weil nach Ansicht des Königlichen Bezirksgerichts in der gegenseitigen Unterstützung von Angehörigen der sozialdemokratischen Partei und deren Familien eine Förderung von sozialdemokratischen Bestrebungen der§ 16 des Reichsgesetzes vom 21. Oftober 1878 gedachten Art schon an und für sich und ohne Weiteres nicht gefunden werden kann, hiers zu vielmehr noch erforderlich sein würde, daß die betreffenden Unterstüßungsbeiträge eine den Bestrebungen der Sozialdemokratie, soweit dieselben speziell den Umsturz der best henden Staats- und Gesellschaftsordnung bezwecken, entsprechende Verwendung zu finden bestimmt seien, die Wirkung aber, welche die gegenseitige Unterstützung der Parteigenossen auf die numerische Stärke der Partei zu äußern geeignet ist, abgesehen davon, daß sie uur als eine mittelbare Folge sich darstellt, mit einer Förderung jener speziellen Parteizwecke nicht identifizirt wer den kann, dafür aber, daß bei der erfolgten Annahme und Weiter beförderung der gegenwärtig in Frage stehenden Gelder Seiten Ko= bitzsch's derselbe weitere, und über die bloße Unterstützung der Parteigenossen zur Friftung ihres und des Lebens ihrer Familienmitglieder hinausgehende Zwecke der Sozialdemokratie der vorgedachten Art verfolgt habe, geniger der Anhalt nicht gegeben ist, so ist es bei dem nun gedachten Bescheide, durch welchen Eduard Ferdinand Moritz Kobizzich auf Grund§§ 16 und 20 des Gesetzes vom 21. Oftober 1878 in Verbindung mit der Bekanntmachung der hiesigen Königlichen Polizeidirektion vom 19 November 1878 zu einer Geldbuße von Einhundert Fünfzig Mart sowie zur Bezahlung der erwachsenen Untersuchungs. foften, ingleichen zu Abführung der gesammelten, für verfallen erklärten Gelder an die hiesige Ortsarmenkasse verurtheilt worden ist. auf den dawider erhobenen Einspruch nicht zu laffen, es ist vielmehr Robitsch des ihm Beigemessenen halber flag und beziehentlich straffrei zu sprechen, auch mit Abforderung der durch die Untersuchung erwachsenen Gerichtskosten zu verschonen, und sind diese vielmehr als Last der Gerichtsbarkeit auf die Staatskasse zu übernehmen. Dresden , den 2. September 1879.
Das Königliche Bezirksgericht: Dr. Müller. Dr. Frante. Dr. Flügel.