etwas Praktisches, ihrem unmittelbarsten Interesse Dienendes haben. Natürlich stimmt ihr naives Verlangen mit unsern Anfichten durchaus nicht überein, ist vielmehr diesen diametral entgegengesett; allein wenn sich die Leute auch bezüglich des einzuschlagenden Weges noch irren, haben sie doch wenigstens instinktiv geahnt, daß eine wirkliche Verbesserung unserer gesellschaftlichen und staatlichen Uebelstände ganz wo anders als in dem unfruchtbaren Kammergezänk der herrschenden Parteien zu suchen ist. Verbreitet sich nur erst diese Meinung immer weiter und besonders auch in den reinen Ackerbaudistrikten, dann ist schon biel gewonnen.
Schließlich mag noch einer Thatsache erwähnt werden, welche zeigt, wie sehr die Wahlen durch das preußische Dreiklassenwahl= system zu einer albernen Komödie herabgewürdigt werden. In vielen Urwahlbezirken war die erste höchstbesteuerte Abtheilung. nur durch einen einzigen Urwähler vertreten, welcher einen, reip. zwei Wahlmänner zu wählen hatte. Vielfach ist es nun vor: gekommen, daß diese glücklich Situirten gar nicht zur Wahl er: schienen, so daß die erste Abtheilung unvertreten blieb. In an deren Bezirken dagegen erschien der eine Urwähler und wählte als Wahlmann sich selbst. Noch komischer gestaltete sich die Sache in einem Urwahlbezirk Berlin's , in welchem zwei Urwähler einen Wahimann zu wählen hatten. Sowohl beim ersten Wahlgang als in der Stichwahl" wählte jeder der Beiden sich selbst, so daß schließlich das Loos zwischen den beiden Ehrenmännein entscheiden mußte.
-
H
Und solche Affenpossen wagt man dann Volksvertreter"-Wahlen zu nennen und gibt es Leute, welche da glauben, daß von ihnen Wohl und Wehe des Vaterlandes abhänge und durch sie die herrschgewaltige Reaktion aus dem Feld geschlagen werden könne!
-
"
In Deutschland wird gegenwärtig wieder in verbächtiger Weise in Arbeiterfreundlichkeit" gemacht. So läßt die Regie: rung offiziös verkündigen, daß seitens des Landwirthschaftsministers Dr. Lucius eine Erhebung über die Frage der Ausdehnung des Haftpflichtgesetzes auf die landwirthschaftlichen Gewerbe in Aussicht genommen sei. Vorbereitet sei die Enquete schon von dem früheren Landwirthschaftsminister Dr. Friedenthal, welcher sich im Prinzip" für die projektirte Ausdehnung der Haftpflicht ausgesprochen habe. In letzter Zeit hätten sich nun wieder eine größere Anzahl von Unfällen durch landwirthschaftliche Maschinen, welche durch Schutzvorrichtungen notorisch hätten vermieden werden können, ereignet, so daß man der Frage der Ausdehnung der Haftpflicht ernstlich näher zu treten gedenke. Wir gestehen, daß wir sehr wenig Hoffnung in diese Nachricht setzen, denn von der deutschen Regierung ist bis jetzt in dieser Beziehung ebenso wenig wie in irgend einer andern viel Gutes für die Arbeiter gekommen. Und selbst das Wenige, was für sie geschehen ist, haben die Arbeiter nicht dem Gerechtigkeits: gefühl der Regierung und Bourgeoisie, sondern den augenblick: lichen politischen Verhältnissen, besonders aber der von den verschie= denen Parteien empfundenen Nothwendigkeit, durch geheuchelte Arbeiterfreundlichkeit sich selbst zu nüßen und dem Gegner zu schaden, zu verdecken. Man muß daher wohl oder übel auch gelegentlich der obigen Nachricht wieder an Aehnliches denken. Auf alle Fälle ist schon allein nach den Veröffentlichungen des preußischen statistische Bureau über die Häufigkeit der Verunglückungen in verschiedenen Gewerbebetrieben, auch in der Landwirthschaft, schwer zu begreifen, warum es erst noch einer Enquete bedürfen soll. So äußerst bescheiden nun aber auch die Arbeiterfreundlichkeit" der Regierung auftritt, so genügt das doch schon, die ebenfalls um das Wohl der Arbeiter erschrecklich besorgte Bourgeoisie eifersüchtig zu machen und sie zu einer Uebertrumpfung der Regierung aufzumuntern. Diesen Gründen verdankt wohl ein Artikel seine Entstehung, der sich dieser Tage in mehreren größeren liberalen Zeitungen, u. a. in der„ Magdeburger Zeitung", herumtrieb. Derselbe nimmt sich die unlängst im schweizerischen Handelsdepartement ausgearbeitete Vollziehungsverordnung zum schweize rischen Fabrikgesetz( deren wichtigste Bestimmungen wir jüngst mittheilten) zum Vorwurt. Statt aber, wie wohl jeder unserer Leser vermuthen wird, gegen die, im großen Ganzen ihres ersichtlich redlichen Strebens zur Beseitigung der schreiendsten Uebelstände des Fabrifwesens wegen lobenswerthen Vorschläge anzufän pfen, sind dieselben dem Voublutsbourgeois der Magd. Ztg. und ähnlicher Organe plötzlich noch lange nicht weitgehend genug! Wian höre nur, wie sich der Artikel über die Frauenarbeit ausläßt:
"
,, Tie übermäßige und frühzeitige Anstrengung der Kinder hat tort( in der Schweiz ) wesentlich nachgelassen, auf das weib liche Geschlecht wird jedoch noch immer selten die gebührende Rücksicht genommen. Meist widerstreben die Frauen selbst, u. A. weil sie in der Zeit ihrer Schwangerschaft den Arbeitsverdienst nicht entbehren können. Und wahrlich, wir haben kein Recht, ihnen daraus ein Vorwurf zu macheu. So lange nicht der Frau etwa 3-4 Wochen vor und 2-3 Wochen nach der Niederkunft der volle Lohn auch ohne Arbeit gesichert ist, entweder von den Fabrikherren freiwillig, wie z. B. bei Dollfus in Mülhausen , oder durch gesetzliche Bestimmung, ist diese Stelle als die schwächste unserer Gewerbegesetzgebung und Fabrikpraxis anzu: sehen. Hoffen wir, daß schon die nächsten Jahre kräftig an der Tilgung dieser alten Schuld arbeiten werden."
Man greift sich unwillkürlich an den Kopf, ob man nicht träume und diese( ja an sich ganz richtigen) Zeilen in der That nicht in einem sozialistischen 2 latt, sondern in einem liberalen Manchefterorgan stehen. Wenn diese Herren in Wahrheit ein so brennendes Bedürfniß nach Verbesserung des Arbeitei looies haben und der Gesetzgebung zu diesem Behuf die ausgedehntesten Be fugnisse zugestehen, warum haben sie denn dann bei ihrer Macht ihre Worte nicht längst in Thaten umgesetzt? Warum haben sie nicht insbesondere, als die sozialistischen Reichstagsabgeordneten das bekannte Arbeiterschutzgesetz vorlegten, dasselbe eifrigst unter: stützt, statt es aufs erbittertſte anzugreifen und als den Umsturz aller staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung unvermeidlich nach sich ziehend darzustellen?! Warum feinden sie denn dann noch jest jede Bestrebung der Arbeiter zu Verbesserung ihres Looses so grimmig an und wissen die Vorkämpfer der Arbeiterklasse nicht rücksichtslos genug zu verfolgen? Die Antwort ist einfach: weil die Herren elende Heuchler und gewissenlose Schwindler sind, denen es mit ihren Humanitäts- und Rechts" phrasen keinen Augenblick ernst ist, sondern welche die Arbeiter nur zur Errei chung von Sonderzwecken kirren wollen. Glücklicherweise aber
"
find die Arbeiter Deutschlands im Allgemeinen aufgeklärt genug, um sich weder von den schönen Versprechungen der Regierung, noch von den süßen Worten der Bourgeoisie übertölpeln zu lassen, und um zu wissen, daß sie alle ihre Hoffnungen nur auf sich selbst und ihre eigene Kraft zu setzen haben!
Ein prächtiges Gegenstück zu der neulich von uns erzählten Manövergeschichte bildet eine solche, welche dieser Tage vor einem deutschen Kriegsgerichte ihren vorläufigen Abschluß erhalten hat. Ein Husar hatte im letzten Manöver einen Kameraden, der wegen eines Dienstvergehens an einen Baum stramm gedunden worden war(!), aus Mitleid die Banden etwas gelockert. Der Wachtmeister der Eskadron, der dies beobachtet hatte, eilte herbei und gab dem Husaren in Ueberschreitung und Mißbrau chung seiner Tienstgewalt ein paar Ohrfeigen. Der in seiner Ehre gekränkte Husar aber vergalt im Zorn Gleiches mit Gleichen, wurde festgenommen und schließlich zu- fünf Jahren Festung verurtheilt! Ein Kommentar zu diesem Schand, urtheil" ist natürlich vollkommen überflüssig.
Zu diesem Fall paßt übrigens ein anderer, über den ein fränfisches Blatt derichtet. Im Jahre 1870 wurde im deutsch - französischen Kriege ein bayerischer Reiter, Namens M. Schlosser, Sohn vermögender Eltern aus Augsburg , kriegsgerichtlich zum Tode verurtheilt, weil er im Rausch einen ebenfalls betrunkenen Unterofffzier geohrfeigt hatte. Diese Strafe wurde auf dem ,, Gnadenweg" in eine vieljährige Gefängnißstrafe umgewandelt, so daß Schlosser nun bereits über 9 Jahre wegen dieses im bürgerlichen Leben wenig beachteten Vergehens verbüßt. Die chargitten Ohrfeigenaustheiler und Soldatenschinder dagegen gehen meist straffrei aus und kommen im schlimmsten Fall mit kurzen, meist noch durch Gnade" nachgelassenen Arreststraße weg. Ist's da nicht eine Lust, Soldat zu sein?
"
Eine für Frankreich überaus beschämende Enthüllung durchläuft gegenwärtig die französische Presse und ruft die lebhaftesten Angriffe der Opposition hervor. Während nämlich das offizielle Frankreich bei jeder passenden und unpassenden Gelegen: heit von Humanitätsphrasen förmlich überfließt, soll in einem Theile des Landes, nämlich in der Senegal - Kolonie, noch die Skla verei, wenn auch nicht offiziell, so doch ganz öffentlich fortbestehen. Zwar gestatte man in den Hauptorten Saint- Louis, Goma, Dakar nicht mehr die Sklavenmärkte, aber in allen anheren Ortschaften würden die aus dem Innern herbeigeführten Gefangenen verkauft, um dann zu den Nomadenvölkern der Sa hara , von Maroffo, von Algier (!) und selbst bis nach Egypten verschickt zu werden. Die Behörden ergriffen die Partei der Sklavenhändler gegen die menschliche Waare und als im Jahre 1877 ein edelherziger Offizier, der Befehlshaber der Stadt und des Kantons Dagara, aus eigener Machtvollkommenheit einen Sklaventransport abfing, sei ihm von oben herab befohlen worden, die Sklaven ihren Eigenthümern wieder auszufolgen. Wenn mißhandelte Sklaven der Nachbarländer sich nach der SenegalKolonie flüchten, in der Hoffnung, auf französischem Boden Schutz und Freiheit zu finden, so erleichtern es die Behörden in jeder Weise den Besitzern, ih er wieder habhaft zu werden. Taß an diesen Enthüllungen etwas Wabres ist, beweist schon die Verlegenheit der Regierungspresse, welche sonst mit entrüsteten Tementis schnell bei der Hand ist, diesmal aber nur zu sagen weiß, daß die umlaufenden Gerüchte übertrieben" seien. Hoffentlich bringt die für die ersten Tage der wiederzusammen tretenden Kammer projektirte Interpellation an den Marineminister Klarheit und auch Abhilfe.
"
-
To standalös übrigens diese Geschichte und so sehr es Pflicht aller Rechtlichdenkenden ist, diesem Rest der Negersklaverei ein schleuniges Ende zu machen, so ist doch die Mahnung am Play, daß man über der Sklaverei der Senegalneger nicht die der weißen Arbeiter gänzlich vergeffe. Diese aber sind in gewisser Hinsicht nicht viel freier als jene.
"
So ist das republikanische Frankreich fast das einzige Land, in welchem die Verweigerung der vollen Unterwerfung der Arbeiter unter den Willen der Arbeitgeber und insbesondere Arbeitss einstellungen an sich schon als ein gemeines Vergehen be trachtet und empfindlich bestraft werden. Man erinnert sich wohl noch der zahlreichen militärischen und gerichtlichen Interventionen, welche im Laufe der letzten 5 Jahre zu Gunsten der Kapitalisten und zur Unterwerfung der freien" Arbeiter in Frankreich unternommen wurden. Mit militärischen Exekutionen ist nun die jetige Regierung zwar nicht ganz so freigebig, als die Mac Ma hon 'sche; aber von einer Aufgabe des Sklavenhalter- Prinzipes, daß die Arbeiter ihrem Brodherrn" unbedingten Gehorsam" zu leisten haben und für jeden, wenn auch passiven Widerstand gezüchtigt werden müssen, ist deßhalb doch keine Rede. Gegen märtig striken die Pariser Zimmerleute und Ofensetzer. Mehrere der Strikenden nun, in welchen die Behörden Rädelsführer" erblickte, sind dieser Tage verhaftet und dem Richter vorgeführt worden. Unter diesen Verhafteten befinden sich Ausländer, die über die Grenze gebracht werden sollen. Wenn der Arbeiter nicht einmal die Arbeit einstellen darf, sobald er dadurch sein Interesse zu fördern glaubt und wenn sich nicht einmal mehrere Arbeiter zur Erzielung befferer Lebensbedingungen in friedlicher, übrigens vollkommen gefeßmäßiger Weise verbinden dürfen: was ist das für eine Freiheit"?
-
"
Kommenden Dezember wird die amerikanische sozialistische Arbeiterpartei ihre Nation alkonvention abhalten und wird dieselbe wahrscheinlich in Cleveland ( Chio) tagen. Auf derselben soll 11. A. definitiv Veichluß gefaßt werden über die Nominirung eines so zialistischen Präsidentschaftskandidaten. In Aussicht hiezu ist genommen John Ewinton, welcher s. 3. so beredt die Kommune vor den Newyorker Volksversammlungen vertheidigt hat.
-
-
Aus Columbien, einer der kleinen amerikanischen Repu bliken, in denen Revolutionen" oder um diesen Namer nicht zu verschimpfiren besser Aufstände und Emeuten, von Ehrgeizigen, Habgierigen und Gewaltthätigen veranlaßt, etwas Alltägliches find, bringt der Telegraph die überraschende Nachricht von einem ,, communistischen" Aufstand. Eine erst fürzlich in New- York eingetroffene Zeitung aus Panama meldet nämlich:„ In Bucara manga( Columbia) erregten die Kommunisten am 9. September einen Aufstand; sie besetzten die Stadt durch vier Tage, plün derten die Kaufläden und tödteten drei Kanfleute, darunter zwei Deutsche . Auch der deutsche Konsul wurde verwundet. Schließlich
"
wurden die Aufständischen mit Verlust mehrerer Todten geschlagen und gefangen."
Selbstverständlich wird diese Nachricht dem Philister und namentlich dem leichtgläubigsten von allen, dem Deutschen auf's neue einen panischen Schrecken vor den schrecklichen Allerweltsverwüstern von Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten einjagen. Uns aber läßt sie sehr kalt. Denn wir wissen, daß die Plünderer von Bucaramanga einfach schon deßhalb keine Kommunisten gewesen sein können, weil es in dem politisch und sozialistisch unentwickelten Columbien gar keine solche gibt, ja man dort überhaupt kaum wissen dürfte, was das für schreckliche Thiere sind. Die so benannten Leute sind entweder Parteigänger oder die Wahrheit der Nachricht vorausgesetzt ganz gewöhnliche Räuber gewesen. Aber das klingt dem sensationsbedürftigen Mob nicht romantisch und gruselig genug und so gibt man dem sonst stets mit Vorliebe auf dem Weg des Rückganges", ja des Aussterbens betroffenen Kommunismus und Sozialismus plötzlich eine niegeahnte räumliche Ausdehnung bis nach Colum bien . Es wundert uns nur, daß man nicht auch die gegenwärtig auf dem Kriegspfad befindlichen, mordenden und brennenden Utah - Indianer zu Kommunisten gemacht hat; roth genug wären sie ja dazu.
-
Berichte.
-
Zürich , 10. Oktober. Es war vorauszusehen, daß das Erscheinen des, Sozialdemokrat" in den weitesten Kreisen, namentlich Deutschlands , Aufsehen erregen würde und ist dies auch im vollsten Maße geschehen.
Was die Auslassungen der Presse betrifft, so wollen wir unsere Leser mit deren Reproduktion oder auch nur Aufzählung und Kennzeichnung verschonen, obwohl fich interessante Betrachtungen über Charakter und Verständniß der deutschen Presse und der deutschen Parteien daran knapfen ließen. Nur eines wollen wir als bezeichnend für die, schon im ersten Leitartikel der letzten Nummer betonnte unglaubliche Ignoranz der Presse in Bezug auf den Sozialismus anführen. In zahlreichen 3Zeitungen der Schweiz , Dents.hlands und auch Desterreichs findet sich nämlich die geistreiche Nachricht, daß der Sozialdemokrat" im großen Style" redigirt werden solle und ,, zu dem Ende vielfache Beziehungen mit den Koryphäen des Kathedersozialismus angeknüpft" habe. Sozialdemokratie und Kathedersozialismus sind demnach für diesen Theil der Presse synonyme oder doch mindestens einander eng verwandte und sympathische Begriffe! Und von solchen Ignoranten wird ,, öffentliche Meinung" gemacht! Und das gebildete" Bürgerthum lauscht gläubig ihren Worten und sieht geringschäßig auf die ,, rohen" Arbeiter herab, welche in der That zehn Wal mehr politische Bildung und Einsicht als jene haben!
"
-
In welcher Weise die deutsche Regierung Stellung zu uns genommen hat, haben wir schon Eingangs dieses Blattes erwähnt und bleibt uns nur noch hinzuzufügen, daß dem, das Verbot des Sozialdemokrat" erlassenden Berliner Polizeipräsidium in der Hiße des Eifers der Schuizer passirte nicht nur unsere Probenummer, sondern auch gleich ,, das weitere Erscheinen derselben" zu verbieten. Daß ,, das weitere Erscheinen" einer Probenummer an sich schon ein gelinder Unsinn ist, wollen wir nur im Vorbeigehen bemerken; das Interessanteste an dem Erlaß des Berliner Polizeipräsidiums ist aber die Gefeßesunkenntniß, mit welcher es eine im Ausland erscheinende Beitung wie eine deutsche behandelt und ihr, wie es gegenüber einer solchen das Recht und die Macht hat, das Forterscheinen verbieten will. Das famose Verbot mußte denn auch auf andere Leute als auf uns einen ledi glich fomischen Eindruck machen; denn selbstverständlich find wir so frei, uns auf dem freien Boden der Schweiz um die Ukase der Berliner Machtverdammt haber mögen fie nun Madai, Bismarck oder sonstwie heißen wenig zu fümmern.- Indessen hat der amtseifrige Berliner Polizeipräsident offenbar vom Ministerium eine kleine Andeutung erhalten, denn es hat sich beeilt, einige Tage nachher das Verbot des weitern Erscheinens wieder aufzuheben, was aber lediglich eine Form sache ist.
-
-
-
Denn unter den dermaligen Verhältnissen in Deutschland hat unsere Stellung zur deutschen Regierung selbstverständlich mit dem Recht" sehr wenig zu thun, sondern ist eine reine Machtfrage. Die deutsche Regierung betrachtet den Sozialdemokrat" als einen gefährlichen Feind und sucht ihn durch alle zulässigen und unzulässigen Mittel dem deutschen Reich möglichst fern zu halten. Wir unsererseits find dagegen der Ansicht, daß der ,, Sozialdemokrat" den Deutschen sehr nöthig und ersprießlich ist, und werden deßhalb alles aufbieten, ihn in die weitesten Kreise des deutschen Volkes zu verbreiten. Indem wir das thun, stehen wir auf vollkommen gefeßlichen Boden, denn die Gefeße der Schweiz verbieten keinem ihrer Bürger, in der Schweiz nicht verbotene Druckschriften nach dem Ausland zu senden. Mit dem Recht wird uns also die deutsche Regierung schwerlich beikommen können. Es bleibt ihr demnach nur die Macht, das brutale Recht des Stärkeren, der in unserem ungleichen Rampfe scheinbar sie ist. Ob sie - sowohl was das von ihr verbotene und jedenfalls eifrigst bekämpfte Eindringen des Sozialdemokrat", als was die Verbreitung und Frucht. barmachung der von ihm verfochtenen Idee betrifft- wirklich ist, muß fich erst noch zeigen. Wir wollen es getrost darauf ankommen lassen!
es
-
* Zürich , 7. Oktober. Der ,, Scotsman", eine schottische liberale Zeitung, brachte in seiner Nummer vom 28. Auguft einen Der Sozialismus in Teutschland" betitel.en, angeblich von einem gelegentlichen Korrespondenten" herrührenden Brief, in welchem fich u. A. folgende Stellen finden:„ Mein Aufenthalt in den Tagen, in Leipzig legten im Hauptquartier des Sozialismus, und meine Besprechungen mit den Häuptern der Partei in Teutschland überzeugen mich, daß ich mit meinen Aeußerungen über die politischen Aussichten der Sozialisten( welche ich vor einigen Monaten in Ihrem Blatte zum Ausdruck brachte) vollkommen Recht hatte. Swei Umstände baben hierzu hauptsächlich beigetragen: Eistens hat das ,, Ausnahmegeseg", wie es genannt wird, dem Sozialismus, anstatt ihn auszurotten, unberechenbaren Nugen gebracht. Die Verfügungen dieses Geseßes, schon an sich scharf genug, find mit einer Schärfe durchgeführt worden, die wie ein reinigendes Feuer wirken mußte. Die schwächeren Elemente der Partei, der Bodensaß, zu welchem die extremeren, heftigeren Glieder gerech net werden müssen, sind ausgeschieden worden durch Einkerkerung, Ausweisung und freiwillige Aufgabe ihrer Prinzipien; Diejenigen, welche tzurückblieben, sind die festen, klarköpfigen, welche, obgleich ihrem Ideal reu, praktisch genug sind, die Mittel ihrem Zwecke anzupassen, und derenr Wille start genug ist, den gefährlichen und unfruchtbaren Eifer einiger ihren Anhänger im Baum zu halten. Wie Bebel mir versichert, liegen die Hoffnungen seiner Partei in der endlichen Vereinigung mit der Bourgeoisie der Mittelklasse und gerade in dieser Rich: ung ist er im Ganzen wohl zufrieden mit dem Fortschritt der letzten 2 Monate. Er sagt:„ Wir haben dem Bürger( ,, the bourgeois") gezeigt, daß wir verläßlich, daß wir im Ernste sind; und die Ueberzeugung beginnt in seinem Geiste Wurzel zu fassen, daß er eine substantielle Verbesserung seiner Verhältnisse nur von unserer Partei allein erwarten darf. Andererseits beginnt unsere Mäßigung die Furcht vor dem rothen Gespenst", welche die Regierungspartei so emfiglich zu verbreiten suchte zu zerstreuen." In der That ist, was Bebel, Liebknecht und Andere vor sich haben, allerdings eine Revolution der Erstere scheint zu denken, es könnten die Dinge kaum noch 10 Jahre so fort gehen allein eine Revolution, deren Mittel uns berechtigen würden, sie mit dem qualifizirten Namen Reform zu belegen."- Obgleich nun die ganze Vergangenheit und öffentliche Wirksamkeit der genannten Genossen genügende Garantie für ihre Gesinnung leisten könnten, um dieselbe über jedes Reportergeschwäß erhaben erscheinen zu lassen, hat der Bericht des„ Sc. tsman" doch einiges Aufsehen erregt, namentlich in England selbst. Auf indirekte und direkte Beitungsaufforderungen zur Widerlegung der ihnen in den Mund gelegten Aeußerungen fonnten sich die genannten Genoffen in Hinblick auf die ungehörige Form sowohl als den unlouteren 3weck der offenbar von llebelwollen und Skandalsucht diktirten " Aufforderungen" nicht zu einer Antwort veranlaßt sehen. Als indessen jüngst eine angemessene Anfrage an Bebel und Liebknecht erging, haben dieselben, wie billig, nicht gezögert, eine entsprechende Antwort zu geben. Wir halten es für ersprießlich, aus dem diesbezüglid en, uns zur Verfügung gestellten Briefwechsel die prägnantesten Stellen nachfolgend mitzutheilen.
-