den des Oktobergesetzes) rechtfertigenden Grund wurde der§ in Wirk­samkeit gesezt, und anfangs etwa 60 der Gefährlichsten" ausgewiesen, denen dann im Laufe der verflossenen 9 Monate sich noch so mancher andere hinzugefellt hat. Haussuchung folgte auf Haussuchung und in ihrer Gefolgschaft eine Ausweisung der andern, in einer Weise, daß jeder, der sich irgend im Parteiinteresse hervorzuthun wagte, ein gleiches Schicksal früher oder später zu gewärtigen hatte. So ist der neulichen Ausweisung der vier Genossen erst dieser Tage wieder eine gefolgt, die des Schneidermeisters Tiede.- Wenn man sich zu alledem noch vor stellt, in welch' umfangreichem Maße die Berliner   politische Geheimpolizei ihre Netze über die Stadt ausbreitet und jeden, der nur im Geringsten mit dem Begriff Sozialdemokratie" in Verbindung steht, mit der un­getheiltesten Aufmerksamkeit beehrt, dann wird man begreifen, unter welch' enormen Schwierigkeiten nur es den hiesigen Genossen möglich ist, ihre frühere Wirksamkeit fortzusetzen. Gleichwohl aber fönnen wir allen Freunden und Genossen außerhalb Berlins   die beruhigende Versicherung geben, daß die Maßregelungen hierorts ven wesentlichem Einfluß auf der Gang der hiesigen Bewegungen nicht gewesen sind. Im Gegen theil hat sich die Bewegung in sich selbst start genug erwiesen, um auch ohne die äußeren Bindemittel von Organisation und Presse den inne ren Halt nicht zu verlieren.

Ueberschwemmung in Murcia  . Der Fluß Segura trat aus und| Belagerungszustand Rath schaffen. Ohne jeden( auch nur auf dem Bo segte das ganze reich kultivirte, mit Städten und Dörfern be= säete Thalbecken unter Wasser. Die Eisenbahn zwischen Ali­ cante  , Kartagena und Murcia   ist mehrfach unterbrochen. Die Städte Orihuela  , Crevillente, Torreguera, Beniajan und Murcia­Vorstadt sind unter Waffer. Die Fluth wuchs plöglich um mehrere Meter. Zahlreiche Verluste an Menschenleben fanden statt und der materielle Schaden wird vorläufig auf fünfzehn Millionen Besetas geschäßt. Gleiche Verwüstungen werden aus Andalusien   gemeldet. Details fehlen noch, da seit dem 16. Abends fast sämmtliche Telegraphenverbindungen zwischen Ma­ drid   und den südlichen Provinzen unterbrochen sind. Nach einer Madrider   Depesche ist das Dorf Monduermas unter dem Gewässer verschwunden, Tausende von Familien sind vollstän­dig hülf- und mittellos. Am 16. Okt. Abends hatte man schon 100 Leichen aus dem Wasser gezogen. Der bis jetzt Der bis jetzt eruirte Gesammtverlust an Menschenleben beträgt über 500, der Verlust an Eigenthum, gering gerechnet 30 Millionen Pesetas( circa 32/2 Million Franken).

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Aus Rußland   find lange keine Nachrichten über nihi­listische Verschwörungen und Gewaltthaten in die Oeffentlichkeit gedrungen, woraus ein großer Theil der Bourgeoisiepreffe in gewohnter Oberflächlichkeit den Schluß zieht, daß die dußend mal wiederholten Versicherungen der zarischen Henker in der That wahr und der Nihilismus bis auf wenige ungefährliche Epuren ausgerottet sei. Daß dem aber keineswegs so ist und daß die Nihilisten, wenn auch nicht mehr so geräuschvoll und offenkundig, in ihrer untergrabenden" Thätigkeit fortfahren, dafür sind zahlreiche Anzeichen vorhanden. So wurde vor Kurzem, nachdem angeblich sämmtliche geheimen Druckereien längst unterdrückt worden waren, abermals eine solche und zwar mitten in Petersburg   entdeckt. Am meisten aber macht die Flucht des in die Attentatsprozesse verwickelten Lieutenants Fomin von der Wilna  'schen Citadelle Aufsehen, welche nur durch mächtige Beihilfe in's Werk gesezt werden konnte.

Bekanntlich sollte Fomin schon im nächsten Monat in Peters­ burg   vor Gericht gestellt werden und zwar im Verein mit Michailow, der Theilnahme am Attentate des General­Adjutanten Mesenz off angeklagt; Mirsky, der angeklagt wird, das Attentat auf den General  - Adjutanten Drentelen im März 1. J. verübt zu haben; Dr. Weymar, einem reich begüterten und angesehenen Arzt, und Lieutenant Bogda­nowsky, welche beide in dem Prozeß gegen Szolowjeff als Zeugen zu fungiren gezwungen waren, schon während des Pro­zeffes in Haft genommen wurden und nun der Theilnahme am Attentate gegen den Czar angeklagt find. Außerdem werden noch prozessirt: Klemenz, einer von den 193", der aus Rußland   geflohen war, endlich noch zwei Frauen, Feodorowa und Malionowska, die des bewaffneten Widerstandes gegen Gendarmen angeklagt find.

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Die Regierung fürchtet das beste Zeugniß für die Un­wahrheit der Behauptung von der totalen Unterdrückung und Vernichtung der Nihilisten, daß diese Prozesse große Auf­regung und möglicherweise sogar Unruhen hervorrufen werden. Sie hat nicht nur die Polizeimannschaft aufs neue vermehrt, sondern derselben auch das Recht ertheilt, ihre Waffen nicht mehr nur, wie bisher, blos zur Abwehr unmittelbarer persön­licher Gefahr, sondern auch dann anzuwenden, wenn Volks= haufen eine feindliche Absicht" zeigen. Welche neuen Barbareien diese Verordnung hervorrufen wird, kann man sich leicht vor­stellen. Trozdem wird auch diese Maßregel, ebensowenig wie alle ähnlichen, den im Werk begriffenen Umschwung der öffent­lichen Meinung und die ihr folgende endliche, gründliche Um­gestaltung keinen Augenblick aufzuhalten vermögen.

Wie weit dieser Umschwung der Ansichten schon gediehen ist und bis in welche Kreise er sich erstreckt, zeigt der ungemeines Aufsehen erregende Fall des Kommandanten der Citadelle zu Chartow, Oberst Lissowitsch. Dieser Offizier, dem die Oberaufsicht über die dort verwahrten Staatsgefangenen anber= traut war, war erst vor faum zwei Wochen auf diesen Posten berufen worden. Er hielt es aber nicht lange in der düstern Kerkerluft aus, sondern jagte sich, vor der Unmöglichkeit, den Widerstreit von Pflicht und Gewissen zu lösen, stehend, eine Kugel durch den Kopf. In einem unmittelbar vor seinem Tode verfaßten Schreiben gab er Mitleid für die Leiden der im Gefängniß Schmachtenden und die moralische Pein, ihnen nicht helfen zu können", als Motive des Selbstmordes an. Wenn einmal die sonst willenlosen Werkzeuge der Gewalt menschlich zu denken und menschlich zu fühlen anfangen, dann hat diese allerdings Ursache, für die Dauer ihrer Herrschaft besorgt zu werden.

Berichte.

* Zürich  , 23. Oktober. Nach dem Berliner   Polizeipräsidenten hat uns nun auch der Reichskanzler selbst durch ein Verbot des Sozial. demokrat" geehrt, welche Auszeichnung unsere Leser und Genossen gleich uns gebührend zu schäßen wissen werden.

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-g. Berlin  , 20. Oktober. Als vor nunmehr Jahresfrist die herein brechende Reaktion den ersten ihrer plumpen Schläge gegen ihren ge. fährlichsten Feind, die Sozialdemokratie, führte jest beginnt sie ja bereits den Efel zu schlagen, welchen sie wirklich meinte, als sie den Sad mit ihren liebenswürdigen Maßregeleien bedachte- als sie da mals mit Hülfe der verblendeten Thoren von Liberalismus   das famose Ausnahmegesetz zu Stande gebracht, da sah Jedermann und vor allen Dingen sahen unsere Genossen hierorts selbst mit Bestimmtheit voraus, daß hier in unserer Stadt die Maßregelungen am entschiedensten und nachhaltigsten würden durchgeführt werden. Seit Jahren schon hatten jene Herren mit steigender Besorgniß dem stets gewaltigeren Anwachsen der sozialdemokratischen Partei in der Residenz des Reiches zugeschaut, während die Genossen außerhalb Berlins   mit stets angespannterem In­teresse ihren Blick auf die hiesige Bewegung richteten und bald unsere Stadt als einen der ersten Vororte der Partei, als Vorkämpferin der sozialdemokratischen Idee betrachteten. Hatte doch ein ganz ansehnlicher Kreis der vortrefflichsten, taktisch geübten Parteiführer Berlin   zu ihrem Wirkungsgebiete erwählt, hatten doch die hochgehenden Wogen der hie figen Bewegung aus sich selbst heraus eine respektable Anzahl von Kräften an die Oberfläche der Bewegung geführt, die mit bewunderungswürdiger Energie eine agitatorische Thätigkeit entfalteten, mie sie in dem Maße und mit so durchschlagendem Erfolge wohl nur selten gesehen worden ist. Hier also war ein Hauptheerd der Partei, hier mußte ein Hauptschlag geführt, hier der immer drohenderen Gefahr" ein Damm entgegengesett werden. Allein die einfache Handhabung des neugebackenen Gesetzes schien teine genügende Wirkung zu versprechen, alle Maßnahmen schienen illusorisch, so lange der Zusammenhang der Masse mit den Führern und Agitatoren nicht gebrochen war. Das Wespenneft" mußte aus genommen werden und hiefür konnte nur§ 28 des Gesetzes, der kleine"

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So betrachteten es die Sozialdemokraten Berlins   als ihre nächste Ehren­pflicht, für die zurückgebliebenen Angehörigen ihrer ausgewiesenen Freunde und Kampfesgenossen zu sorgen und sie wurden zunächst dieser Pflicht in anerkennenswerther Weise gerecht. Ferner ist es uns gelungen,

selbst den äußeren Zusammenhang unter den umfangreichen Arbeiter.

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freisen, wie er sich im Lauf der Jahre entwickelt hatte, in hohem Maße zu erhalten; er ist nach wie vor in schönster Weise vorhanden und be fundet sich bald hier, bald da, bald so, bald so, soweit es sich immer lizei entzieht. Schließlich ist und bleibt auch im Uebrigen der geistige auf eine gute Manier bewerkstelligen läßt, die sich den Augen der Po und gemüthliche Verkehr unter den hiesigen Genossen außerordentlich rege. Mit großem Interesse so weit sie ein solches verdient wird die allgemeine politische Lage verfolgt und rege Aufmerksamkeit wird vor allen Dingen auch dem geringsten Vorgange innerhalb der Partei selbst zugewendet. Mit Jubel wurden die Breslauer Wahlerfolge auf­genommen, mit Bewunderung die großartige Demonstration der Ham burger Genossen am Grabe Geibs. Mit einem Worte, der Stand der Bewegung hierselbst ist mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Ver hältnisse ein ganz vortrefflicher zu nennen. Angaben im Einzelnen entziehen sich selbstverständlich der Besprechung an dieser Stelle.

Was nun von allem, das etwa hätte noch geschehen können, seither noch unterblieben ist, das wird sicherlich jetzt geschehen, so hoffen wir bestimmt, jetzt, wo die Sozialdemokratie mit dem Inslebentreten des auch hier freudigst begrüßten Sozialdemokrat" den offenen Kampf gegen ihre Feinde wieder aufgenommen hat, und dann vollends wird Berlin   nach wie vor in der Gesammtbewegung einen der ersten Bläge einnehmen!

--tt- München  , 20. Oft. Ein artiges Polizeistückchen ist jüngst einem Künstler, Herrn Hildt, passtrt, der sich Studien halber in sarathen aufhielt. Derselbe hatte nämlich einen Bruder in Wien  , der als Sozialist bekannt ist, und an den er nicht nur öfters schrieb, sondern auch einmal Geld schickte. Das schien nun der wachsamen Polizei im höchsten Grad verdächtig. Eines schönen Tages ward unser Runstjünger plöglich von Häschern auf. gehoben, ins Polizeigefängniß gefeßt und nach 17 daselbst verlebten Tagen wegen Verbreitung verbotener Schriften hochnothpeinlich angeklagt. Von dem Gericht wurde er dann zwar in 1. und 2. Instanz freigesprochen, troßdem aber( nach zwölftägigem Aufenthalt im Staatsgefängniß) aus Bayern   aus­gewiesen. Da er fich indessen eines Unrechts nicht bemußt war, so glaubte er, später nach München   wieder zurückkehren zu dürfen, was er auch in so gutem Glauben that, daß er sich sogar bei der Polizei meldete. Diese faste die Rückkehr indessen als einen Hohn auf sich auf und sperrte Hildt aber­mals ein; nach einer Haft von 8 Tagen und nachdem er seine Verurtheilung wegen unerlaubter Rückkehr zu 6 Tagen abgesessen, wurde er von Neuem über die Grenze gebracht. Es ist mithin für einen Künstler heutzutage in Deutschland   ganz gefährlich, einen Sozialisten zum Bruder zu haben.

D. Ns. Haag, 18. Oft. Die Arbeiterbewegung in Holland   ist gegenwärtig im Stadium des Ueberganges zum Sozialismus begriffen. ursprünglich auf Schulze- Delitzsch  'schem Boden entsprossen, wurde die Pflanze durch den Kathedersozialismus mittelbar geschützt und gefördert, um jetzt von sozialistischen   Ideen getränkt und dadurch erst zu ihrer wahren Entfaltung gebracht zu werden. In allen Ländern, wie ver­schieden die Verhälnisse und Zustände auch sind, schwebt eber der So. zialismus in der Luft und keine Polizei nech Ausnahmegesetze können feine Entwicklung hemmen. Kann mau nicht speziell in Betracht auf Deutschland   allen Regierungen zurufen: les gens que vous tuez, se portent très- bien?

Der Allgemeine Arbeiterverein will nicht sozialistisch und kann nicht nichtsozialistisch sein. Darum blüht er nicht. Die besten Kräfte sind im Lager der Sozialisten, und darum gehört auch die Zukunft dem Sozialdemokratischen Verein in Amsterdam  . Burch öffentliche Versamm lungen und durch Schriften wirkt er mit Eifer an der Propaganda der Sache. Uebrigens wirken Alle zusammen für das allgemeine direkte Wahlrecht, den Eckstein jeder künftigen Reform. Aber in einem pluto fratischen Staate wie Holland  , wo der König   Geld absolut herrscht, ohne Verfassung, und wo der Konstitutionalismus nur ein verkappter Ab­solutismus ist, finden solche Reformen eine kräftige Oppofition. Doch werden sich die holländischen Sozialisten hiedurch keineswegs abhalten laffen, denn sie wissen, daß diese Reform die nothwendigste von allen ist, an der Alle mit vereinten Kräften wirken müssen.

J. Lj. Kopenhagen, 19. Oft. Die dänische Sozialdemokratie hat wieder einen Verlust erlitten, indem sich der Redakteur des ,, Sozialdemo traten", S. W. Wiegell, um sich den zahlreichen, von der Regierung gegen ihn angestrengten Preßprozessen, resp. ganz unverhältnißmäßig hohen " Strafen" zu entziehen, nach Amerika   flüchten mußte. Ein bewährter Ge­noffe, H. Björnstrup, ist sein Nachfolger in der Redaktion.

Wie Sie vielleicht schon wissen, ist das lange geplante sozialistische Ber­ſammlungsgebäude dieses Frühjahr vollendet worden, so daß wir jeßt nicht mehr von den verschiedenen Lokaleigenthümern abhängig sind, sondern unter unserem eigenen Dach zusammenkommen können. Hoffentlich wird dieser Umstand dazu beitragen, der Bewegung einen neuen Schwung zu geben und die schwachen Seelen davon zu überzeugen, daß die Arbeiter troß ihrer Ar­muth etwas durchführen können, wenn Sie es nur recht ernstlich wollen und einträchtig zusammenwirken. Das neue Haus ist auf die ansehnliche Summe von 200,000 Kronen tagirt.

Unser hiesiger Freidenkerverein hat eine Sonntagsschule gegründet, in welcher die Kinder einen vernünftigen Unterricht bekommen, ohne mit Religion und Bourgeoismoral geplagt zu werden.

Am 15. November wird ein verdienter Borkämpfer unserer Sache, Ha­rald Brig, aus einer dreijährigen Gefängnißhaft entlassen, wahrscheinlich mit zerrütteter Gesundheit. Er war der erste Redakteur unseres Partei­organes, als dieses im Jahre 1871 gegründet ward, und hat von den acht Jahren, welche seit dem Anfang der Bewegung verflossen sind, nicht weniger als sechs Jahre im Gefängniß zugebracht Sozialistenloos!

Von dem Verräther Bio, welcher der dänischen Sozialdemokratie im Verein mit Geleff so schwere Wunden geschlagen, ist eine interessante Nachricht zu unserer Kenntniß gekommen. Derselbe ist nämlich jeẞt fromm geworden und redigirt ein amerikanisches methodistisches Blatt, in welches er sehr schöne und fromme Artikel schreibt und so, wie ein hiesiges Blatt neulich bemerkte, an das alte französische   Sprichwort erinnert: " Quand le diable devient vieux

Il se fait religieux."*)

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Er macht seinen Gönnern   von der Bourgeoisie alle Ehre. Der dänische Reichstag ist am 6. ds. eröffnet worden. Die ,, vereinigte Linke" wie sich unsere Fortschrittspartei nennt hat diesmal nur eine 3weidrittelsmehrheit im Folkething, während sie früher über drei Viertel der Stimmen verfügte. Dieser Rückgang ist allein der wackligen, schwäch. lichen Haltung der Partei zuzuschreiben, indem fie die Wähler durch ihre stete Nachgiebigkeit gegen die Regierung einerseits und durch die endlosen Bänkereien innerhalb der Partei( dieselbe ist nämlich in eine gemäßigte" und in eine radikale" Fraktion getheilt), wodurch alle nüßlichen Reform­fragen in den Hintergrund geschoben wurden, verdrießlich machten, wodurch der vorher sehr niedergeschlagenen konservativen Partei wieder Muth ein­geflößt wurde, so daß diese bei den letzten Wahlen eine großartige Agitation

*) Wenn der Teufel alt wird, wird er religiös. Ungefähr dem deutschen   Junge Huren, alte Betschwestern" entsprechend. Leute wie Pio und Geleff sind ja ebenfalls Prostituirte und zwar solche schlimmster Sorte.

entfaltete und ihren Gegnern eine Anzahl Size abgewann. Indessen werden sich die Herren Bourgeois von der Opposition dadurch nicht wißigen lassen, sondern in ihrer Schwäche fortfahren, und dadurch die Wähler mit der Zeit, wenn auch noch nicht morgen, noch zu der Einsicht bringen, daß die sozialdemokratische Partet die einzige konsequente, charakterfeste und wirklich reformatorische iſt.

tz. Budapest  , 20. Oktober. Sobald es dem gemeinsamen Feind", dem Sozialismus gilt, sind gewöhnlich nicht nur die sonstigen Partei­unterschiede der herrschenden Klassen verwischt, sondern selbst die einge­fleischtesten Passionen werden da schnell vergessen und die geliebtesten Steckenpferde eiligst in den Winkel gestellt. Man weiß ja, wie eifer­süchtig die hypernationalen Magyaren sonst auf die unabhängigkeit und Macht Ungarns   sind und besonders jede Gelegenheit benutzen, ja fie vom Zaun brechen, die Zuständigkeit der magyarischen Behörden selbst in den unbedeutendsten Fällen zu wahren und auszudehnen. Neulich kam nan der hiesige Gerichtshof in die Lage, seine angegriffene Zuständigkeit in wirklich vollberechtigter Weise aufrecht zu erhalten. Am 10. de. wurde nämlich auf Requisition des Agramer Gerichtes der deutsche Sozialist Friedr. L. Reusche wegen eines in der Agramer Presse" erschienenen, angeblich Aufruhr" predigenden Artikels dabier verhaftet. Reusche war nämlich hierher übergefiedelt, weil ihm die Agramer Stadthauptmann­schaft bedeutet hatte, daß, wenn die Agramer Jury ihn diesmal auch freisprechen sollte( wie dies bereits öfter geschehen), so werde sie ihn dennoch per Schub bis an die deutsche Grenze befördern, eine Eventua lität, der sich Reusche um jeden Preis entziehen wollte, da er vor meh­reren Jahren durch die deutschen Gerichte zu fünt Jahren Kerkers ver­urtheilt wurde. Nach seiner Verhaftung durch die hiesige Polizei ver­langte Reusche dem hiesigen Gerichtshofe übergeben zu werden, und sein Vertheidiger beantragte, der Requisition des kroatischen Gerichtes möge nicht Folge geleistet werden, da sein Klient die Wohlthaten des ungarischen Gesetzes in Anspruch nehme, welches in Preßvergehen feine Präventivhaft tenue. Der urmagyarische Staatsanwalt am hiesigem Gerichtshof beantragte jedoch unerwarteter Weise und blos, um einem Sozialisten eine Rechtswohlthat" zu verkümmern, daß R. ausgeliefert werden solle, welchem Antrag das löbliche Gericht denn auch entsprach. Indeffen gehen die Akten noch an das Justizministerium, da Reusche natürlich alle gefeßlich zulässigen Mittel zur Abwehr des gegen ihn ge planten Unrechtes anwendet. Ob es ihm viel nützen wird, ist trotz seines offenbaren Rechtes aber noch sehr fraglich, da für den Sozialisten die Gesetze zumeist eben nur dann existiren, wenn sie ihm schädlich, nicht aber, wenn sie ihm nüßlich sind.

* Soeben, nach Schluß der Redaktion, erhalten wir noch fol­genden wichtigen Bericht:

F. Berlin  , 21. Oftober. Die biefige Polizei arbeitet wie­der mit Hochdruck. Den jüngsten Ausweisungen sind foeben wieder neun neue gefolgt. Anfangs glaubte man, die= selben seien anläßlich des Besuches erfolgt, den Hasen clever vor mehreren Wochen seinen hiesigen Verwandten in Familien­angelegenheiten gemacht. Dem ist aber nicht so. Die meisten der Ausgewiesenen haben mit Hasenclever gar nicht verkehrt. Auch Verlegungen des Sozialistengesezes oder irgend eines anderen Gesezes können den Grund nicht abgegeben haben, denn solche Verlegungen liegen nicht vor, und lägen sie vor, so würde die Polizei die Uebelthäter nicht ausgewiesen, sondern eingezogen haben. Eben so wenig fann der Zwed gewesen sein, die Berliner   Genoffen einzuschüchtern. Die Polizei weiß sehr genau, daß fie nach dieser Richtung hin machtlos ist. Das Motiv muß also ein anderes gewesen sein, und, wenn wir uns der Thatsache erinnern, daß der kleine Belagerungs­zustand bloß auf ein Jahr verhängt werden konnte, und daß dies Jahr in einigen Wochen rum ist, dann ist das Motiv mit Händen zu greifen. Die Polizei braucht Recht­fertigungsmaterial für die Verlängerung des Belagerungszustandes. Das ist Alles. Da gilt es denn, das Publikum zu alarmiren, den Kaiser zu ängstigen -wie nach den Attentaten und die öffentliche Meinung" durch Vorspiegelung erlogener Gefahren dem fest beschlossenen Willtüraft geneigt zu stimmen. Die Ausweisungen sind nun der erste Att dieser infamen Staatskomödie. Wir müssen uns auf Weiteres gefaßt machen. Unter der Armee von" Spigeln", welche Fürst Bismard in majorem gloriam seiner herrlichen Schöpfung aufgeboten hat, befinden sich Subjekte, die jedes Schurkenstreichs fähig sind.

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Von einer sehr verlässigen und sehr wohl informirten Seite geht mir die Aufforderung zu, die Parteigenossen zur größten Vorsicht gegenüber nicht ganz genau bekannten Personen zu ermahnen; man hat in ge= wissen Kreisen beschlossen, in nächster Zeit um jeden Preis eine sozialdemokratische Verschwörung zu entdecken und wo möglich auch ein kleines Attentätchen zu insceniren. Der Mann, von dem diese Warnung kommt, zeigte sich vorigen Sommer bei mehreren fritischen Gelegenheiten auf's Genaueste von den Plänen der Polizei unterrichtet und er ist es auch jezt.

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Unsere Polizei ist unzufrieden mit der Polizei in einigen andern Nestern des Sozialismus". Namentlich in Hamburg  und Leipzig  . Wie ich aus sicherster Quelle weiß, sind einige Dußend" Geheime" von hier aus in die beiden genannten Städte beordert worden, mit der doppelten Mission, die dor tige Polizei und die dortigen Sozialdemokraten zu über­wachen. wachen. Man sehe den Herren, die meist an ihren konfiszirten Gesichtern zu erkennen sind, auf die Finger und sei auf der Hut!

Im unterzeichneten Verlag erscheint demnächst:

Rechenschaftsbericht

der

socialdemokratischen Mitglieder

des deutschen   Reichstages. über ihre parlamentarische Thätigkeit während des Jahres 1878-79.

Separatabdruck aus dem ,, Sozialdemokrat." Bestellungen auf dieses, für die Kenntniss der politischen Geschichte Deutschlands   und der Stellung und Entwicklung der deutschen   Sozialdemokratie seit den Attentaten sehr wichtige Aktenstück werden schon jetzt entgegengenommen und zwar ausser beim Verleger bei allen bekannten Agenten des ,, Sozialdemokrat", sowie bei der Schweizerischen Volks­buchhandlung in Hottingen  - Zürich  .

A. HERTER, Industriehalle, Riesbach  - Zürich  . Schweizerische Vereinsbuchdruckerei, Hottingen  - Zürich  .