zeugen, welche die Niederlagen des Proletariats von 1871 nicht zugleich mit den 30,000 unferer Brüder in die Gruft senken fonnten... Es giebt eine Doktrin, welche unter dem Namen des Sozialismus die Tradition der Revolution forfseßen und die Ge sellschaft auf rationellen und wissenschaftlichen Grundlagen auf­bauen will. Diese Doktrin, welche die Bewegungen von 1832, 1848 und 1871 hervorgerufen hat, bewegt von Millionen menschlicher Wesen aller Klassen, vor allem aber von der Arbeiter­klasse bekannt gegenwärtig die Geister, erregt die Gefühle und erhebt sich in der Verneinung der Regierungen und Auto­ritäten, wie in den Bejahungen der Wissenschaft gegen die alte

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Welt und die alten Ideen: gegen die Autorität, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die Monopolistrung des Ar­beitsertrags durch die, welche nicht arbeiten, die finanzielle Erpres fung, die intellektuelle, ökonomische und politische Anarchie, das Joch der Klassen, die Ungleichheit der Stellung, die Unsolidarität der Interessen und die Selbstsucht der Herrschenden! Ihr Zweck ist, den Menschen, ganz in Uebereinstimmung mit der Forderung des Rechts und der Gerechtigkeit, wieder in einen harmonischen Zustand zu verseßen und ein soziales Gebäude aufzurichten, unter welchem der Arbeiter Zuflucht findet vor der Unwissenheit, der Unsicherheit von heute auf morgen und dem Elend unter allen seinen Gestalten.

Die vereinigte Arbeit einiger Denker und der Proletarier selbst hat die gerechten und vernünftigen Forderungen der Arbeiterklaffe formulirt und aus jener Doktrin eine Wissenschaft geschaffen. Mögen uns die Gelehrten der Bourgois- Politik doch nicht mit der Ausrede kommen, daß diese soziale Wissenschaft unbegreiflich und unbeweisbar sei, daß sie unter den Händen der Kritik ver gehe, daß ste utopistisch und widersinnig sei. Wer sie so beurtheilt, kennt sie einfach nicht. Im ersten Augenblick möchte es scheinen,

als ob die soziale Wissenschaft oder der Sozialismus( denn beide Worte decken sich) unnüß wäre in dem Kampf, welchen wir zur Behauptung unserer Rechte unternehmen. Das wäre aber ein schwerer Irrthum, und ein einziger Blick auf die gegen­wärtige Gesellschaft genügt, um uns von ihm zu überzeugen... Wenn die Regierungen nicht jedesmal, so oft das Proletariat sein Loos verbessern will, alle möglichen Hindernisse schaffen würden, wäre bie Lage des Proletariats ohne Zweifel( den heutigen öko­nomischen Gesetzen gemäß) ebenfalls eine schlimme; aber sie würde sich nach dem Grad der Entwicklung der Ereignisse modifiziren. So aber kann das nicht geschehen. Sowie das Proletariat einen Schritt vorwärts thun will, fnebeln es die Regierungen, lösen seine Kongresse auf, beunruhigen seine Syndikatskammern und Gewerkschaften, fesseln seine Vereine, beargwohnen seine Zusammen fünfte und legen sich für das herrschende politische und ökono mische System dergestalt ins Zeug, daß dem Proletariat jede befreiende That unmöglich ist, ohne daß alle obrigkeitlichen Ge­walten: die Armee, die Gerichte, die Pfaffen, die Verwaltung und alle Gefängnisse sich gegen es erheben. Deßhalb müssen wir auf den Trümmern der heutigen herrschenden Klassen eine neue soziale Organifation errichten, in welcher wir unsere Kräfte entfalten und für unsere politischen und ökonomischen Bestrebungen fräftig eintreten können. Einen organisirten Arbeiter: stand zu schaffen, das muß unser Hauptaugenmerk sein; der vierte Stand muß sich befreien und an die Stelle des bis heute allmächtigen dritten Staats treten....

en ewigwinwiguen der Weganquang einer von auen   uorigen politischen Parteien vollständig getrennten und alle, nach einer tiefgehenden Umgestaltung der Lage ihrer Klasse ringenden, Arbeiter umfassenden Arbeiterpartei ist somit erwiesen. Der Arbeiter: kongreß von Marseille   würde sich an dem ganzen Proletariat schwer vergehen, wenn aus seinen aus seinen Studien nicht die Arbeiterpartei hervorginge! Alles will, alles fordert die Organisation dieser Arbeiterpartei, welche ein Bedürfniß der Zeit ist und eine Nothwendigkeit für das Proletariat, das sich wieder und definitiv gegen den alten Zu­stand der Dinge erheben und ihn stürzen muß Ihr, Bürger, könnt durch Eure Arbeiten der Arbeiterklasse den Weg bahnen, auf welchem sie den Fesseln, die sie bedrücken, entgehen kann. Aber Ihr müßt ein einheitliches Programm unse er noth­wendigen Forderungen ausstellen, sonst wird die Arbeiterklasse bleiben, was sie jetzt ist: schwach, ohne Selbstbewußtsein und Zusammenhang! Tas tönnt Ihr aber vermeiden. Schon zu lange find wir von den falschen Aposteln der Freiheit, von den fahrenden Rittern der Politik, den Herrschenden aller Art und den Regierungen jeder Sorte betrogen worden, als daß wir uns um fleiner Meinungsverschiedenheiten spalten sollten. Sehen wir von unsern persönlichen Liebhabereien ab und lassen wir aus dem Marseiller   Arbeiterkongreß eine greifbare Jdee hervor gehen, dann wird sich das Proletariat, das sein Blut auf allen Schlachtfeldern des Tespotismus vergossen hat, siegreich erheben und den Anbruch der Herrschaft des Rechtes und der Gerechtig feit herbeiführen, welche der Ausdruck der sozialdemokra tischen Republik sind, die zu errichten unser Endziel ist!"

Dieser treffliche Bericht wurde oft von lebhaftem Beifall unter­brochen und am Schluß von stürmischen, nicht enden wollenden Beifallssalven überschüttet. Und zum Zeugniß, daß der Kongreß die sozialistischen   Gesinnungen Lombards   theile, wurde auf des letzteren Antrag sofort einstimmig beschlossen, den Kongreß Sozialistischen Kongreß von Frankreich  " zu nennen. Hierauf gab Bürger Moullet einen Bericht über den Stand der Kooperativgenossenschaften und Syndikatskammern, welchem wir natürlich nicht genauer folgen können. Wir konstatiren nur, daß diesem Bericht zufolge in Frankreich   mehr( politisch bisher allerdings nicht ins Gewicht fallende) Arbeiter- Organisationen, welches gute Kadres für eine kommende Arbeiterpartei geben

fönnen, eristiren, als man bisher auswärts annahm. So hat Mar­ seille   35 Syndikatskammern und eine Anzahl Vereine Sozialer Studien", Bordeaur 14, Toulouse   14, Bienne 12, Lyon   45, dazu mehrere Soz. Stud.- Vereine, Paris   87 Synd.- Kammern, 24 Probuftions und 25 Konsumvereine, eine sozialistische Biblio­ther, 3 Soz. Stud. Vereine, einen Frauenrechtsverein, eine allge meine Arbeiterunion( welche den» Prolétaire« herausgibt) c Der Redner schließt mit dem Hinweis, daß die vorgebrachten unvoll­kommenen Zahlen doch das Eine beweisen, daß das Proletariat, welches so lange unter einer moralischen Erstarrung gelegen habe, allmälig aus seiner Lethargie erwache und durch Wort und That zeige, daß es bereit ist zu einer friedlichen, aber gewaltigen so­zialen Revolution, welche es in, das ersehnte Land der Emanzi pation der Arbeiterklasse führen werde.

Nachdem nun Begrüßungsadressen aus Bukarest  , Neapel   und von ruthenischen Sozialisten in Genf   verlesen worden, wurde zur Wahl der Ausschüsse geschritten uno hierauf die Sißung geschloffen.

Sozialpolitische Rundschau.

Das von uns neulich charakterisirte diplomatische Spiel luftig fortgesezt und treibt seine giftigen Blüthen in den ver­mit dem deutsch  - österreichischen Bündniß wird noch immer rücktesten chauvinistischen Kombinationen der großen" Presse Unsicherheit   und Verschärfung der verderblichen Nationalgegen und der dadurch hervorgerufenen allgemeinen Vertrauenslosigkeit, säge. Interessant und bezeichnend für die rapiden Fortschritte, welche die, durch den Revolutionär wider Willen Bismard glücklich eingeleitete Vernichtung der fürstlichen Legitimitat in Deutschland   und anderwärts gemacht hat, ist die neuerliche Deutschland   und anderwärts gemacht hat, ist die neuerliche Enthüllung der Vorgeschichte des Wiener   Besuches. Darnach wollte Kaiser Wilhelm   durchaus nicht von seinem Erbfreund, dem Väterchen an der Newa   lassen, wurde indeffen von Bis­mard hiezu gezwungen. Dieser machte nämlich mit seinem Freund" Andrassy   in Wien   die neue Wendung in der Politik sozusagen privatim ab und schickte dann den Graf Stollberg

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zum Kaiser, um diesen wie schon verschiedene Male­kurzweg vor die Alternative zu stellen: entweder Bismarck   den Willen zu thun oder ihm sofort seine Entlassung zu geben. Da der Kanzler nun der Fürst des Erfolges ist und er über­dies vortrefflich verstanden hat, alles von sich in Abhängigkeit zu bringen und die Geschäfte so vollständig zu verwirren, daß fie nicht so gleich ein anderer übernehmen kann, so konnte der Ausgang der Stollberg  'schen Mission natürlich nicht zweifel­haft sein. Der Kaiser und Herr" gab nach und verbürgte sich,

wenn auch mit schwerem Herzen", durch Unterzeichnung des neuen Bündnisses mit seinem Wort für dessen ewige" Ein­haltung. Wer ist nun da der Herr"? Indeß, was geht's uns anhan wir doch unsre Freud daran!

Da übrigens gerade wieder viel von Fürstenworten die Sprache ist und das ganze Vertrauen auf die segensreiche" Wirksamkeit des neuen Bündnisses eigentlich zunächst auf ihnen

beruht, so dürfte es doch an der Zeit sein, einen flenten, aber interessanten Beitrag zu diesem Kapitel größeren Kreisen zu­gänglich zu machen. In einer jüngst erschienenen, über engere Kreise wenig hinausgedrungenen Schrift des Urmelfen" und intimen Freundes des braunschweigischen Hofes, Obergerichts­advokat Dr. Dedekind in Wolfenbüttel  ( Erörterungen über die Thronfolge im Herzogthum Braunschweig   und Streiflichter über Erfüllung des sogen. göttlichen Berufes für Deutschlund durch Preußen"), findet sich folgende hübsche Geschichte;

Bekanntlich hatte man in den Revolutionstagen des Jahres 1848 in Berlin   sogar die Grundbesigungen des damaligen Kronprinzen von Preußen für Nationaleigenthum rklärt, ja der hohe Herr mußte, seines Lebens in Berlin  nicht mehr sicher, vor der Volkswuth flüchten. Ernst August  , der alte König von Hannover  , nahm ihn in seinem Palais zu Herrenhausen gaftlich auf und verbarg ihn hier gegen 14 Tage lang, bis er sich von dort sicher weiter nach England flüchten fonnte. Bei seinem Abschied von Herren­hausen sprach der damalige Kronprinz, jeßige König von Preußen, gegen den alten König feinen Dant mit den ergreifenden Worten aus: Ich weiß es in der That nicht, wie ich Dir je dafür danken soll, daß Du mir so das Leben gerettet haft" worauf ihm der edle Greis einfach erwiderte: Nimm Dich nach meinem Tode meines blinden Sohnes an." Ein fester Händedrud sagte die Erfüllung dieses Wunsches zu und so schieden die beiden Herren von einander. Dieses Zwiegespräch weiß ich aus ganz sicherer Quelle. Das selbe läßt sich noch heutigen Tages vollkommen fonstatiren."

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Damit nun der Historie auch ihr moralisch Ende nicht fehle, wollen wir nur hinzufügen, daß der blinde Sohn" der spä­tere König Georg von Hannover, der fürstliche Flüchtling von 1848 aber der jezige deutsche   Kaiser ist und daß bekanntlich der lettere den ersteren 1866 entthronte und sein Land der Krone Preußen einverleibte. Wie wohlthuend ist nicht die unverbrüchliche Festigkeit und Verlässigkeit fürstlicher Worte in der Verhältnisse ewigem Wandel und wie sicher sind Friede und Glück der Völker auf sie gebaut!

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Dem guten deutschen   Volf beginnen über die Seg­nungen der famosen Bismarckischen, Wirthschaftsreform" bereits die Augen nicht nur auf-, sondern auch übergehen. Als durch den neuen Zolltarif dem Volt ganz unerhörte indi­rekte Auflagen gemacht wurden, b rtröstete es die Regierung theils auf die unter dem neuen ,, nationalen Wirthschaftssystem" ficher eintretende ökonomische Prosperität und Lohnsteigerung, theils auf den projektirten Wegfall bisheriger direkter Staats steuern oder wenigstens deren Ueberweisung an die Gemeinden. Von all diesen Versprechungen aber hat sich bis jetzt keine ein­zige bewahrheitet und konnte sich auch nach Lage der Sache nicht bewahrheiten. Von der verheißenen Periode wirthschaft­licher Prosperität ist noch kaum das Morgengrauen zu erblicken und die Arbeitslosigkeit ist eben so groß, als die Löhne klein geblieben sind. An eine Aufhebung der Steuern denkt im Ernst fein Mensch mehr; dafür aber ist die Einführung neuer Steuern zu den bisherigen und den indirekten des Zolltarifs desto sicherer. In Bayern   ist der Malzaufschlag verdoppelt und dadurch eines der landesüblich wichtigsten Lebensmittel erheblich ver­theuert worden. Trotzdem aber ist das vorhandene Defizit noch nicht im entferntesten gedeckt, und wird eifrig nach neuen Ein­nahme, d. H. Steuerquellen gesucht. Sogar die Einführung Der anerkannt unmoralischen und verderblichen Staatslotterie in Bayern   wurde bereits in Aussicht genommen. Wer weiß, ob man, da die Finanzkünstler in Bezug auf die Herkunft der in den Staatssäckel fließenden Gelder bereits jeden Scrupel verloren haben, nicht auch noch zu einer Besteuerung der Pro­stitution und ähnlicher reinlicher Einkommenquellen greifen wird. In Preußen trägt man sich mit der Einführung einer Schantstättensteuer, welche nicht weniger als 100 Mark jährlich pro Wirthschaft betragen soll, welcher Betrag natürlich entweder den Wirth ruiniren oder aber auf die Konsumenten abgewälzt werden muß.

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Dazu kommt noch die Vertheuerung des Brodes durch die bereits in Voraussicht der Einführung der Getreidezölle eintre= tende stetige Steigerung der Getreidepreise. Und diese Steige

rung vollzieht sich zu gleicher Zeit, während in Paris   durch reichliche amerikanische   Einfuhr der Preis des Brodes von 95 Cts. auf 90 Cts. pro 4 Pfund zurückgegangen ist und allein An­scheine nach durch weitere Einfuhren bald auf 80 Cts. herunter­gehen wird. Es sind deßhalb auch zahlreiche Gesuche von Bürgern und Korporationen an die Regierung eingelaufen, welche mit Rücksicht auf die schlechte deutsche Ernte und die Nothwendigkeit reichlicher Einfuhr die Ausseßung der Einfüh­rung der Zölle auf Getreide, Hülsenfrüchte und Futterstoffe fordern. Die Regierung aber will von der Einführung nicht Spekulation sei und daß durch eine Hinausschiebung des abgehen, indem sie behauptet, daß ein Mangel an Getreide nicht existire, daß die Preissteigerung nur ein Produkt der Einführungstermins viele Intereſſenten, welche bereits Liefe= rungen auf Grund der neuen Zölle abgeschloffen hätten, ge­schädigt würden". Damit also- zugegeben nämlich, daß dies die wirklichen Gründe der Regierung find nicht einige Spe= merliches Stück Brod noch mehr beschnitten werden! Wahrlich, fulanten Schaden leiden, muß lieber Hunderttausenden ihr füm=

treffender kann der heutige Klaffenstaat in seiner ganzen In­famie und Gemeinschädlichkeit nicht charakterisirt werden, als er fich hier ſelbſt zeichnet!

Die fortdauernde Verdienstlosigkeit im Verein mit der bedeu= tenden Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel und der

schlechten Ernte haben denn auch bereits in ve ſchiedenen Gegenden

Hungerseuchen hervorgerufen. Im Braunschweigischen und neuer­In ersterem sucht sich die Seuche ihre Opfer hauptsächlich unter dings in Thüringen   ist der Hungertyphus ausgebrochen. den fahrenden Handwerksburschen und Bettlern, von denen viele hilflos auf der Straße sterben. Im Thüringer Wald   aber Tagen schon über 30 Opfer erlegen. Jetzt freilich, da die sind bereits zwei ganze Ortschaften ergriffen und in wenigen

Besißenden der möglichen Ansteckung wegen für ihre eigene Haut zu fürchten beginnen, werden mit großet Haft alle Mittel aufgeboten, um den bösen Feind niederzutreten, und dabei auch- freilich zum geringften Theil aus ächter Humanität, zum größten aus purem Egoismus- ein Stüid Geld zur Beschaffung der gescheut. Von vorneherein aber durch gerechte und vernünftige nöthigsten Nahrungsmittel und zur Pflege der Erkrankten nicht Gesellschafts- und Staatseinrichtungen dafür zu sorgen, daß eine denkt in den Regierungen und herrschenden Klaffen niemand, solche Kalamität gar nicht erft entstehen fann- daran und wenn es Andere thun und dementsprechend handeln, werden fie als verbrecherische Wahnsinnige" behandelt und bis auf's Blut verfolgt!

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In Angarn herricht in vielen Gegenden infolge der schlechten Ernte, welche dem kleinen Grundbefizer vielfach nicht einmal sobiel gebracht hat, als er zur Aussaat bedarf, ein ents jeglicher Nothstand, der durch die rücksichtslose Eintreibung der Steuern noch bedeutend verschärft wird. Ja in einigen Theilen Oberungarns, den an Galizien   grenzenden Komitaten sind bereits Fälle von Hungertod vorgekommen. Im Sa­roser Romitat find allein mehr als dreihundert Gemeinden voll­fommen brodlos und zur Fristung ihres Lebens ausschließlich auf Kartoffeln angewiesen, welche ihnen die Wohlthätigkeit Die Regierung benachbarter Gutsbesizer zukommen ließ. Die aber sieht diesem Elend thatenlos zu und verinag sich nur zu einigen phrasen und im hochsten Fall zu einigen, ihrer Geringfügigkeit wegen lächerlichen Bettelpfennigen aufzuschwingen. Die ganze Staatshilfe" soll nach den Erklärungen des Mi­nisterpräsidenten darin bestehen, daß die Steuereretution sp­weit thunlich" vorläufig eingestellt und das dringenste Bedürfniß nach Samen einstweilen durch die Verwaltung befriedigt wird. Wovon die Leute aber leben sollen, darum fümmert sich die Regierung natürlich nichts. Indessen sollen selbst wegen dieser fleinlichen Maßnahmen erst noch die Berichte und Vorschläge der Obergespäne eingeholt werden. Natürlich hatte die Mehr­heit des Abgeordnetenhauses, dem die Regierung diese ihre Ansichten über den Nothstand vortrug, gegen dieselbe durchaus nichts einzuwenden. Wie gering das Interesse dieser jatten Leute an dem Hunger des armen Volkes ist, zeigt zur Genüge die lakonische Meldung des Telegraphen, daß die Debatte über die Erklärung des Ministers hinsichtlich des Nothstandes kurz und belanglos" gewesen.

Nur die äußerste Linke hat sich um die Sache angenommen, indem sie die Pflicht des Staates zur Unterfügung der Noth­leidenden betonte und, um die Abschwächung und Beschönigung des Nothstandes seitens der herrschenden Partei zu vereiteln, einen offenen Aufruf erließ, ihrem Ausschuß zuverlässige Daten über den Umfang des Elends mitzutheilen. Natürlich sind die am Ruder sigenden Herren über diese Nothstandsheze" höchlich erbost und leugnen direkt, daß ein. Nothstand im sirengen Sinne des Wortes" vorhanden oder gar Hungersfälle borge­kommen oder möglich seien. Die Lage einzelner Gegenden sei eine heitle"; das sei traurig, aber daran lasse sich nichts ändern. Ergo mögen die Armen immerzu hungern und ver­hungern das ist so kapitalistische Logik!

Mit Recht schließt unsere ungarische Genossin, die Budap  . . Chron.", ihre neueren Mittheilungen über den Nothstand mit dem Ausruf: Wäre unsere Gesellschaftsordnung wenn auch keine solch' herrliche, für welche sie von den Machthabern sondern nur eine halbwegs gerechte, ausgegeben wird

so dürfte und könnte es nicht vorkommen, daß Mitglieder dieser Gesellschaft den Hungertod stürben. Wenn sich nun Männer, von edlen, erhabenen Gefühlen geleitet, gegen die heutige Ge= sellschaftsordnung auflehnen, mögen sie wohl von den begüterten Klaffen verdammt und verfolgt werden, was aber nicht beweist, daß die bestehende Gesellschaftsordnung, wie obige Fälle zeigen, etwa teine ungerechte, unmenschliche und demnach zu beseitigende " Ordnung" ist!-

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Daß für die Bourgeoisie beim Geldbeutel nicht nur die Gemüthlichkeit, sondern auch der sonst zur Düpirung des dum­men Voltes so oftentativ betonte Batriotismus aufhört, für diese bekannte Thatsache hat jüngst ein schweizer Bourgeois ein neues schlagendes Beispiel geliefert. Noch ist bekanntlich der projektirte Simplondurchstich nicht sichergestellt und schon beginnt ihm ein Montblanctunnel- Projekt gefährliche Konkurrenz zu machen. Um nun dieser zu begegnen, erließ der technische Di= rektor der Simplonbahn, Lommel  , eine Denkschrift, in welcher er die günstigen Aussichten des Simplondurchstiches gegenüber dem des Montblanc   darzuthun sucht und sich dabei nicht scheut,