Erscheint wöchentlich einmal
in
Verlag
N: 9.
Der Sozialdemokrat
Internationales Organ
Sonntag, 29. Februar.
Avis an die Korrespondenten und Abonnenten des Sozialdemokrat".
Da der Sozialdemokrat" sowohl in Deutschland als auch in Oesterreich verboten ist, bezwo verfolgt wird und die dortigen Behörden fich alle Mühe geben, unsere Berbindungen nach jenen Ländern möglichst zu erschweren, resp. Briefe von dort an uns und unsere Zeitungs- und sonstigen Gendungen mag bort abzufangen, so ist die äußerste Vorsicht im Postverkehr nothwendig und barf keine Vorsichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarder über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt der Sendungen zu täuschen, und letztere dadurch zu schüßen. Haupterforderniß ist hiezu einerseits, daß unsere Freunde so selten
Mehrere Berichte und Einsendungen, sowie eine Anzahl Artikel und das Feuilleton mussten Raummangels wegen auch diesmal wieder zurückgestellt werden. Wir haben indess die Einrichtung getroffen, dass von nun an und namentlich während der Dauer des Reichstags, welche unsern Raum bedeutend in Anspruch nimmt, ein grosser Theil des Blattes in kleiner Schrift gedruckt wird, womit wir zum Theil bereits in dieser Nummer begonnen haben. Auf diese Weise wird Raum für den vermehrten Materialandrang geschaffen und hoffen wir, unliebsame Stauungen desselben in Zukunft vermeiden zu können.
Flugschriften- Fonds.
Bum Zweck der massenhaften Herstellung und unentgeltlichen Verbreitung bon aufklärenden und propagandistischen Flugschriften im deutschen Volke ( fiehe den ersten Leitartikel dieser Nummer) find beim„ ,, Sozialdemokrat“ folgende Beiträge eingelaufen:
Drauf! D. R. , Hambg. 6,-; S., Leipzig 4,-; Kautski, Zürich 10,-; Au., Dresden 3,-; drei Sozialisten, London 5,-; Wthr., Zürich 2, eine Freundin aus dem Often-, 80; T., Zürich -, 80; Ph. , Cöln 3,50; Troß alledem, Berlin 10,-; 11., 3ürich-, 40; W., Breslau 1,50; M.Club Berlin 7,-; x. N. 10,-; zusammen Genossen! Betheiligt Euch an diesem wichtigen Werk mit Eifer durch freiwillige Beiträge und Bestellung zur Verbreitung!
Wahlfonds
für die
Mt. 64,-
Machwahl im 17. fächs. und 2. Berliner Wahlkreis. Beim ,, Sozialdemokrat" find weiter folgende Gelder eingegangen: G. Schiele, Bern 8,-; 2. S., Altdorf für den 17. sächs. Wahlkreis 1,60; Brüffeler Genossen 15,40; Voriges 250,65; zuſammen Mit. 275,65
Abonnements
werden nur beim Berlag und dessen bekannten Agenten entgegengenommen und zwar zum voraus zahlbaren Bierteljahrspreis von:
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fl. 1. 70 für Oesterreich( Couvert)
Fr. 2. 50 für alle übrigen Länder des Weltpoftvereins( Kreuzband).
Juferate
Die dreigespaltene Petitzeile 25@ts.= 20 Pfg.
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1880.
als möglich an den Sozialdemokrat", resp. dessen Verlag selbst adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige Adresse außerhalb Deutschlands und Oesterreichs wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung setzt; anderseits aber, daß auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Rekommandirung. Soviel an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch kosten scheuen, um trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten den, Sozialdemokrat unsern Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern.
Als das Sozialistengesetz vom 21. Oftober 1878 in Geltung trat, entschied man sich aus triftigen Gründen dafür, erst den ersten, wüthendsten Ansturm der Reaktion vorübergehen zu lassen und sich einstweilen auf den passiven Widerstand, die möglichste Abschwächung der gegen unsere Barteiunternehmungen und Barteigenoffen geführten Schläge, sowie die Erhaltung der vorhandenen Verbindungen zu beschränken. Und diese Taktik hat sich vollkommen bewährt. Das Volt hat sich überzeugt, daß wir nicht die Schreckens: gestalten sind, als welche die Einpeitscher des Sozialistengeſetzes uns darstellten; der Attentatswahn, die Furcht vor dem rothen Gespenst, sie sind in der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes verschwunden und die Sozialdemokratie hat den Sturm des Jahres 1878 nicht nur verwunden, sondern hat, wie die Regierung nach langem Lügen und Betrügen endlich selbst auf's förmlichste zugestehen muß, größere Ausdehnung, größeren Einfluß denn vorher gewonnen.
Jetzt aber ist unsere Lage eine wesentlich andere als bei Beginn des Sozialistengesetzes. Die Rücksichten, welche uns damals zur Zurückhaltung zwangen, bestehen heute nicht mehr. Im Gegen theil alle Umstände empfehlen uns eine rege energische Parteithätigkeit, ja machen sie zur Nothwendigkeit.
Der Boden ist günstiger und empfänglicher denn je zur Aufnahme der sozialistischen Saat; denn das Volk seufzt unter Noth und Elend, Steuer- und Militärlast, Bedrückung, Polizeischikanen und Rückschritt auf allen Gebieten, und tiefe Unzufriedenheit herrscht allüberall in deutschen Landen. Und alle anderen Lehren und Parteien haben sich als unfähig zur Rettung erwiesen. Fehlt es sonach ar günstigem Erdreich nicht, so ist an Saatgut noch weniger Mangel; denn der Samen des Sozialismus erweist sich triebkräftig und gesegnet, wo immer er auf guten Boden fällt, wo immer er von geschickten und hingebenden Arbeitern ausgebreitet und in die Tiefen des gesellschaftlichen Lebens, in das bedrückte Volk gepflanzt wird. Das wichtigste sind also die Säemänner, die Propagandisten und Agitatoren, die Männer, welche mit Hingebung und Opfermuth die Befreiungslehre des Sozialismus hinaus in das empfängliche Volk, auf den Markt des täglichen Verkehrs, in die Werkstatt und in die letzte Hütte tragen. Aber auch ihrer haben wir genug, die erfahren und bewährt in diesem Amt sind; und nicht weniger sind zahlreiche andere von Liebe und Begeisterung für die große Sache der Befreiung des arbeitenden Volkes und von Haß gegen die staatliche und gesellschaftliche Unterdrückung erfüllte Männer als dankbare Schüler und Jünger zur Hand.
gethan werden, sondern es muß auch gethan werden, sollen die
So ist dem Werk alles günstig. Aber es kann nicht nur
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Ueber die Organisation zu sprechen, ist natürlich hier nicht der Ort; die Genossen mögen sich nur mit sicheren Adressen ins Einvernehmen seßen, worauf das Weitere erfolgen wird.
Ueber die wirksame Gestaltung der Propaganda, sowohl der mündlichen als der schriftlichen, wird das Weitere ebenfalls auf privatem Wege zu veranlassen sein. Hier nur ein Wort hinsichtlich der Agitation durch Flugschriften. An Agitationsschriften fehlt es uns wahrlich nicht; aber dieselben sind größtentheils ausschließlich für Parteigenossen oder doch sich bereits für unsere Sache Intereffirende geschrieben. Für die weitern, uns noch fernstehenden Volkskreise aber ist wenig vorhanden und außerdem müssen solche zur weitesten Verbreitung geeigneten Schriften unentgeltlich sein, was die vorhandenen ihres Umfangs wegen nicht sein können.
Um nun diese Lücke auszufüllen und die für die Erreichung unserer Ziele unumgängliche Aufklärung der Massen in gebührender Weise fördern zu können, haben wir einen eigenen Flugschriften- Fonds gebildet, der aus freiwilligen Beiträgen unterhalten werden und dazu dienen soll, kurze volksthümlich geschriebene Flugblätter über die wichtigsten Fragen der Zeit vollkommen unentgeltlich zu Zehn- und Hunderttausenden ins Volk zu schleudern. Die Parteigenossen werden dadurch in den Stand gefeßt, gegen bloße Vergütung der Postgebühren derartige„ Brandschriften" in zahlreichen Exemplaren zu beziehen, um fie trotz Sozialistengesetz und Polizei über das Land zu verbreiten, sie in die Häuser, Werkstätten und Fabriken zu legen, dem Nachbar in die Tasche zu stecken oder durch die Post zu senden, auf die Straße zu werfen, nächtlich an die Ecken zu fleben oder hinter die Läden zu stecken, im Eisenbahn - oder Tramwagen zu hinterlassen und in hundert andern Formen an den Mann zu bringen. Mit geringer Mühe, fast gar keinen Kosten und bei nur einiger Vorsicht auch mit wenig Gefahr kann auf diese Art jeder Genosse zur Ausbreitung unserer Grundsäße und zur allmäligen Zerbröckelung des Fundaments aller Tyrannei, der geistigen Beschränktheit der Massen, wirksam beitragen, und erwarten wir demnach, daß alle wackeren Genossen sich sowohl an der Unterhaltung des Flugschriften- Fonds durch freiwillige Beiträge und seien es noch so kleine Beträge- als durch eifrige Bestellung und Verbreitung der Flugblätter mit allem Nachdruck betheiligen werden.
Für das erste Flugblatt ist( wie aus obiger Quittung ersichtlich) bereits von einigen mit der Sache bekannten Genossen ein ansehnlicher Betrag eingegangen, der sich hoffentlich bald mehren wird. Das erste Flugblatt wird in Bälde er: scheinen und fordern wir die Genossen hiemit zu baldiger Bestellung beim Sozialdemokrat" auf; jedoch müssen solche Bestellungen stets von Vertrauensmännern gegen gezeichnet sein. An Portokosten wird 1 Pfg. für das Stück Wenn aber noch etwas gefehlt hätte, uns zu einer eifrigeren berechnet, doch werden für diesen Preis nicht unter 25 Exempl.
wider ihren Willen feiernden Arbeiter nicht mißmuthig werden und der Boden nicht verrotten und eine Beute des Unkrautes
werden.
Freunde und Gesinnungsgenossen! Die preußische Regierung hat beim Bundesrath die Ver längerung des Ausnahmegesezes gegen die Sozial demokratie bis zum Jahre 1886 beantragt. Der aus Ver tretern der reaktionären Regierungen zusammengesetzte Bundesrath hat diesen Antrag selbstverständlich angenommen. Dem Reichstag aber fehlt es erfahrungsgemäß ebensosehr an Rechtsgefühl und Ginſicht als an Selbstständigkeit, als daß er es über sich gewinnen Thätigkeit als je anzuspornen, so ist es die im Werk begriffene gesandt. tönnte, die Vorlage des Bundesrathes abzulehnen. Die geforderte Verlängerung des infamen Ausnahmegesezes wird also besten Umwandlung der gegen uns geschaffenen Ausnahmezustände in Fauftrechtes zur regelrechten Regierungsform gibt es für uns nur
falls mit einer kleinen Aenderung
"
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binnen wenigen Wochen
hinzugeben. Wir haben daher mit der Verlängerung des gegen unsere Partei gerichteten Ausnahmezustandes, ober richtiger bezeichnet, mit der Umwandlung ber bisher blos ausnahmsweisen Maßregel in eine dauernde bleibende Regierungseinrichtung schon jetzt als mit einer vollendeten Thatsache zu rechnen. Worüber gleich bei der Fabrikation des berüchtigten Gesetzes" gegen die Sozialdemokratie der Weiter:
Geſetz" ſein; es wäre mehr als lächerlich, sich hierüber Juluſionen
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Bernünftigdenkenden offenbar geworden.
Eine Antwort:
Wir dürfen uns nicht mehr, wie in der ersten Zeit des So
zialistengeſetzes, hauptsächlich mit der Erhaltung ber vorhandenen Verbindungen begnügen, sondern wir müssen unsere auf
die Revolutionirung des Volksgeistes und die gründliche Umgestaltung der herrschenden staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung" abzielende Agitation, nach den Verhältnissen verändert, aber
eifriger benn je entfalten, fie immer tiefer ing
Volk hineintragen, immer weitere Volkskreise in den Bann unseres Einflusses ziehen und zugleich
Und nun ans Werk, Freunde und Gesinnungsgenossen! Bleibe Keiner zurück, wo es sich darum handelt, zur Untergrabung der dem Umsturz geweihten heutigen Staats- und Gesellschaftsordnung beizutragen. Nehmt Euch an der Organisation unserer Feinde ein Beispiel, die durch diese allein das Volk zu beherrschen vermögen - organisirt Euch! Und erlahmt nicht in der Propaganda unserer Ideen, sondern agitirt unausgesetzt und mit allen Euch zu Gebote stehenden Mitteln! Dann werden alle Anschläge unserer Feinde vergeblich sein und die Zeit ihres schmählichen Sturzes und unseres Sieges wird nicht ferne sein. Deutschland , Ende Februar 1880.
Die neuen Sozialistenvorlagen.
II.
Ferner ist dem Reichstage seitens des preußischen StaatsDurch kreuzung aller von der Reaktion gegen die ministeriums eine Darlegung zugegangen, welche eine„ RechtUmgegend verhängten kleinen Belagerungszustands gibt. Es heißt:
lichen" und ungeseßlichen Schurkenstreiche unsere
Die reaktionäre Regierung hat von allem Anfang an nicht an tine blos vorübergehende Maßregel gebacht, sondern ihr Bestreben zur höchsten Nuzbarmachung unserer propagan war auf eine bleibende enorme Vermehrung ihrer Machtmittel bistischen Arbeit, sowie zum Zweck der wirksamen zum Zweck der brutalen Unterdrückung jeder energischen und folgerichtigen Oppoſition und der Ausdehnung ihrer Willkür Freiheit und den Sozialismus geplanten gefet fertigung“ der Verlängerung des über Berlin und herrschaft gerichtet. Deshalb wird sie auch dieſe Machtmittel, nachlichen" und ungefeßlichen Schurkenstreiche unsere bem fie dieſelben durch den Sozialistenhaß, die Sozialistenfurcht Organisation ben veränderten Verhältnissen vollund die Kurzsichtigkeit des„ liberalen" Bürgerthums einmal in tommen anpassien und sie aus der bisherigen für die Gewalt bekommen hat, freiwillig nie mehr – natür verhältnißmäßig friedliche Beiten geschaffenen den Händen geben. Im Gegentheil wird fie, je mehr sie haltung der auf die Befreiung des Volkes aus den deſſeln po: litiſcher und ökonomischer Knechtung gerichteten Bestrebungen nicht husreichen und ihre wachsende Ausbreitung im Bolf nicht zu
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Umstände zwedentſprechende Kriegsformation
Umstände zweckentsprechende Kriegsformation umschaffen. Denn wir leben in einem Zustand des erbittertsten
Krieges, den uns unsere Feinde aufgezwungen, und von Friedlichkeit und Gefeßlichkeit schweige man uns. Von„ Necht " kann heute nicht mehr die Rebe ſein; es handelt sich um nichts mehr heute nicht mehr die Rede sein; es handelt sich um nichts mehr als die pure Gewalt. Die Partei- ,, Geseze" verbinden uns keinen
neue und schrankenloſere Befugnisse von dem widerstandsunfähigen Augenblick; fie existiren für uns nur, um sie zu umgehen, ihren Reichstag zu fordern und sich selbst zu schaffen. Und diese Lawine Maschen zu entschlüpfen und das erwachende Volk uns in der Reaktion wird, kann nicht einhalten, bis sie nicht auf un übersteiglichen Widerstand stößt, der ihre Kraft bricht und sie macht der Sozialdemokratie die Wahl des zu be:
bernichtet.
die Arme zu treiben. Die jetzige Willkürherrschaft schreitenden Weges leicht und schneidet jeden
Welche Stellung haben nun wir, hat unsere Partei, die deutsche Streit darüber kurz ab; sie wird der kommenden Umwäl Sozialdemokratie, dieser Lage der Dinge gegenüber einzunehmen? zung ihre Gestalt geben
Durch die am 28. November 1878 getroffenen Maßregeln und durch die Anwendung der übrigen auf dem Gesetze vom 21. Oftober 1878 beruhenden Befugnisse war es gelungen, die sozialdemokratische Agitation in Berlin und dessen Umgegend in gewissen Schranken zu halten und äußerliche Nuhe herzustellen. Allein unter der Oberfläche dauerte die Bewegung fort und aus zuverlässigen Wahrnehmungen ergab sich, daß Berlin einer der hauptsächlisten Heerde der sozialdemokratischen Bestrebungen geblieben und durch dieselben fortgesetzt mit Gefahr für die öffentliche Sicherheit
bedroht ist.
Bis in die letzte Zeit der Wirksamkeit der Anordnungen vom 28. November 1878 hatten auf Grund des§ 28 Nr. 3 gegen Sozialdemokraten, und nur gegen solche, Aufenthaltsverbote in nicht unbeträchtlicher Zahl ausgesprochen werden müssen. Wurden hierdurch die Leiter der Agitation und die eifrigsten Förderer der