1
1
: 1
9
Erscheint
wöchentlich einmal
in
Verlag
N: M: 17.
Der Sozialdemokrat
Internationales Organ
Sonntag, 25. April.
Avis au die korrespondenten und Da der Sozialdemokrat" sowohl in Deutschland als auch in Oesterreich verboten ist, bezw verfolgt wird und die dortigen Behörden sich alle Mühe geben, unsere Berbindungen nach jenen Ländern möglichst zu erschweren, resp. Briefe von dort an uns und unsere Zeitungs- und sonstigen Sendungen nach dort abzufangen, so ist die äußerste Vorsicht im Postverkehr nothwendig und darf teine Vorsichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarder über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt der Sendungen zu täuschen, und lettere dadurch zu schützen. Haupterforderniß ist hiezu einerseits, daß unsere Freunde so selten
Zur Berathung des Sozialistengesetzes.
Am 17. ds. hat die zweite Lesung über die in der Kommission burchberathene und mit einigen kleinen Abänderungen versehene Sozialistenvorlage begonnen, und werden die Berathungen über biese nächst dem mit ihr zusammenhängenden Militärgesez wichtigste Gesetzesvorlage dieser Reichstagssession voraussichtlich im Laufe dieser Woche zu Ende geführt. Das Ergebniß dieser Berhandlungen kennen wir schon im Voraus: die Verlängerung des Sozialistengesetzes auf vorläufig vier Jahre wird angenommen und dadurch das bisher„ provisorische" Ausnahmegesetz, die gewalt ſame Unterbrückung der Sozialdemokratie, zu einer dauernten Regierungseinrichtung gemacht werden.
Daß es so tommen wird, so kommen muß, darüber konnte bei Klarblickenden seit 1878 so wenig ein Zweifel bestehen, wie über die daraus nothwendig erwachsenden Folgen. Ebensowenig brauchen wir heute nochmals unsere Stellung zu der Verlänge: rung des Sozialistengesetzes darzulegen: sie hat ihren bestimmten Ausdruck in dem Aufruf an die Partei in Nr. 9 des Parteiorgans gefunden. Was etwa später noch zu sagen ist, wird zu seiner Zeit gesagt werden, und vor allem wird unsere Antwort durch die That nicht auf sich warten lassen.
Stimmen der Warnung und des tiefernsten Hinweises auf die Heute aber halten wir es für nüglich, einige gegnerische unausbleiblichen Folgen der Fortsetzung des jetzigen Unterdrückungssystems zum Ausdruck zu bringen. Nicht etwa, als ob wir da burch
zu können hofften; denn wen das Schicksal verderben will, dem nimmt es erst den Verstand, und mit Verständnißunfähigen verliert kein Vernünftiger seine Worte. Aber es fann nicht start
genug
wiegende Verantwortung unsere Feinde durch die Entscheidung übernehmen, welche sie jetzt leichten Herzens zu treffen sich anschicken, und wie sie für die aus ihr entstehenden Folgen einzustehen haben werden. Bei ihnen steht die Wahl der Wege, auf denen die nahe bevorstehende, ja richtiger schon begonnene Umwälzung aller gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse vor fich gehen soll: Stimmzettel oder Schwert! Mögen sie nach Be lieben wählen- wir nehmen beides an und sind auf beides eingerichtet; aber auf ihr Haupt die Verantwortung! Sozial:
H
"
.
Abonnenten des„ Sozialdemokrat".
Abonnements
werden nur beim Verlag und dessen bekannten Agenten ent gegengenommen und zwar zum voraus zahlbaren Vierteljahrspreis vou:
Fr. 2. für die Schweiz ( Kreuzband) Mt. 3. für Deutschland ( Couvert) fl. 1. 70 für Oesterreich( Couvert) Fr. 2. 50 für alle übrigen Länder des Weltpoftvereins( Kreuzband).
Inserate
Die dreigespaltene Petitzeile 25 Gts.
20 Pfg.
1880.
als möglich an den Sozialdemokrat", resp. dessen Verlag selbst adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige Adresse außerhalb Deutschlands und Oesterreichs wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung setzt; anderseits aber, daß auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Retommandirung. Soviel an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch Kosten scheuen, um trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten den Sozialdemokrat" unsern Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern.
"
Die Gegner des Sozialistengesetzes warnten seiner Zeit vor der Entfesselung einer großartigen geheimen Agitation, die durch kein Gesetz zu treffen sei und diese geheime Agitation ist heute im großartigsten Maßstabe da..." Es ist eitel Illusion, an einen Niedergang der Sozialdemokratie unter der Herrschaft des Sozialistengesetzes zu denken, im Gegentheil ist sie gewachsen" schreibt der Staatssozialist".„ Man muß zugestehen, die Partei ist von einer Opferwilligkeit und Hingabe beseelt, wie sie sich keine andere politische Partei zu rühmen hat und wie man Aehnliches nur bei religiösen Bewegungen zu spüren bekam. In jeder Nummer dieser Blätter findet man zahl
-
reiche Korrespondenzen aus allen Gegenden Deutschlands , fühlt
man den regen Pulsschlag eines enggeschlossenen und einheitlichen Zusammenhaltens. Mögen die Polizeiorgane noch so sehr ihre Pflicht thun, eine halbe Million Männer, in den Verkehrszentren zusammengedrängt, sind einfach nicht zu kontroliren. Es ist unausbleiblich, daß diese Propaganda und Machtentfaltung den Muth und die Hoffnung auf einen baldigen großen Umschwung der Dinge aufs Höchste belebt trotz aller Repreffivmaßregeln. Die
Sozialdemokratie steht den ihr unerträglichen Druck vielmehr als das bis an den Rand gefüllte Maß an, zu dessen Ueberlaufen es nur noch weniger Tropfen bedarf. Sie tröstet ihre Anhänger mit dem bekannten Sat, daß die Extreme sich nahe zu berühren
pflegen. Nicht also trots, sondern gerade wegen der einseitigen Repressivmaßregeln erſtarkt fie.... Das Gesch wird nights
Repressivmaßregeln erstarkt ste.... Das Gesez wird nichts weniger als enttäuschte sozialdemokratische Massen finden...." Und nachdem das Blatt die im Werk befindliche Umgestaltung unserer Organisation, die Flugschriftenpropaganda, die geheime Korrespondenz, kurz, die im Parteiaufruf dargelegten Absichten und Pläne besprochen, fährt es fort:" Das Alles ist die Antwort auf die Verlängerung des Sozialistengesetzes. Es klingt wie das Hohngelächter des Zauberers, auf welches der klingt wie das Hohngelächter des Zauberers, auf welches der Riese mit wilden Keulenschlägen losschlägt ohne den Lacher selbst erblicken zu können...."
Was aber das Ende von alledem sein wird, sein muß, das findet sich in einigen Organen der gegnerischen Presse ver
ſchiedener Parteien so unumwunden ausgesprochen, als es nur
ein sozialistisches Blatt thun könnte; ja es wird nicht selten die ganze Verantwortung für das Kommende nicht uns, sondern der
Verblendung der herrschenden Klaſſe zugeschrieben, wobei freilich
nicht verschwiegen werden darf, daß solche lichte Momente bei der Mehrzahl nicht lange bauern und darum jebes Einſluſſes auf Mehrzahl nicht lange dauern und darum jedes Einflusses auf die Gestaltung der Dinge entbehren. So schreibt die volkspartei: liche„ Frankf. 3tg.":" Welche Summe von Haß und Nachſucht liche„ Franks. 3tg.":" Welche Summe von Haß und Nachsucht im Gefolge des Ausnahmezustandes erwacht, läßt uns die Rede Bebels( über den Berliner Belagerungszustand) schaudernd ahnen, wir erhalten den unheimlichen Eindrud geheimer Gefahren,
ben Frieben ber Nation mehr bebrohen, als bieg je bie
dies
demokratie, der vor einiger Zeit ein sozialistenfeindliches Buch über„ Die Ursachen der Entstehung der Sozialdemokratie" schrieb, hat den Muth, in einem Mit Gott für Kaiser und Reich" überschriebenen und im Staatssozialist" veröffentlichten Artikel offen gegen die Verlängerung des Sozialistengesetzes einzutreten und sich folgendermaßen auszusprechen:„ Die Ausnahmegesetze verbittern, verschärfen die Gegensäße, konsolidiren alle unzufriebenen Elemente, und erweden so sicher als die Flüsse zwar an die Schrecken des Nihilismus, die uns der Abgeordnete Wir stehen vielleicht vor der allerernstesten Ent seemärts fließen, auch bei uns den Nihilismus. hält aber bie Zunahme der Berbitterung der Arbeiterklaſſe für scheidung, die seit der Gründung des neuen beut: unausbleiblich. Sie zeigt, wie viel revolutionärer Zündstoff anschen Reichs vor uns trat. Wir sind überzeugt, daß jetzt gehäuft ist; das schon genannte chriftlich- soziale Organ aber ver
"
erste Funke in Brand seßen kann. Gegen die Gefahr solcher Er: plosionen schüßt auf die Dauer kein Löschapparat von Polizeimaßregeln, seht es hinzu, sondern nur eiu die natürlich nicht
und daß vielleicht von der bedingungslosen Anein Wendepunkt zum Guten oder zum Schlimmeren gegeben ist nahme des Sozialistengesezes die akute Revolution zu batiren sein wird!" Der hochkonservative Verfasser nennt das Ausnahmegesetz ein parteiliches"," einseitiges"," frivoles" Organismus durchgreifender Reformen"- die natürlich nicht
Reformen im Sinne der gerechten Forderungen des Proletariats „ der Revolution machtlos gegenüber steht"!
auch in Deutschland nicht in nebelgraue Ferne gerückt. Sechs Jahre( die ursprünglich geplante Dauer der Verlängerung des Sozialistengesetzes; jetzt werdens bekanntlich" nur" vier, was aber
-
Ständen von Tag zu Tag zunimmt, in den unteren dagegen das Proletariat und der Pauperismus täglich eine breiter anschwellende Strömung werden; wenn die Sorglosigkeit und das dumme Vertrauen auf Hinterlader und Pallasche stets üppiger fich geberdet; wenn die Kirche sich noch immer nicht zur Entfaltung einer sozialen Thätigkeit im großen Stile aufraffen kann, wenn sie nicht mit gewaltiger Stimme ihr Zeugniß gegen alle Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit erhebt; wenn die Regierungen im Grunde der sozialen Sphinx rathlos gegenüber stehen, auch nicht einmal erst die Gefahren derselben zu erkennen vermögen; wenn die liberalen Parteien sich zersetzen und in den Haaren
liegen, die konservativen dagegen doch nur nothgebrungen und
-
oberflächlich mit der sozialen Frage sich beschäftigen, nur mit Stopfnadeln und Flicklappen an sie herantreten: wo in aller Welt, liegt dann der Anker der Hoffnung? Worauf wollen wir uns verlassen? Auf den lieben Gott"? Sehr gut, aber wenn dieser liebe Gott" nun auch die Heiligkeit und Gerechtigkeit iſt, und es für heilsam erkennt, daß ein großes internationales Gewitter die Luft reinige, was dann? Vielleicht« Après nous le déluge?»*) JIn der That scheint dies der letzte Trost jener mark und energielosen Gesellschaftsbestandtheile zu sein, welche von keiner ernſten Reform, weder an sich selbst noch am Ganzen, etwas wissen wollen, weil dieselbe sie in ihrer Behaglichkeit stört und Opfer fordert.... Wenn nicht ein schnelles, energievolles Erwachen im konservativen Lager und in den Kabineten zu versöhnenden Reformen erfolgt, der einzigen Möglichkeit, diesem täglich stärker werdenden Feinde erfolgreich entgegenzutreten, dann werden allerdings die 80er Jahre uns Ereignisse bringen, welche den deutschen Michel vollständig außer dem Häuschen sehen. Es fragt sich nur, wo die elektrische Batterie zuerst losgeht. Das Ueb: rige findet sich dann von selbst...." Wir haben diesen gegnerischen Bekenntnissen nichts hinzuzufügen. Discite, moniti!**)
Die Landfrage in England.
In meinem letzten Briefe berichtete ich über die agrarische
Bewegung in Irland . In diesem Lande geht die Bewegung
sehr lahm vor sich. Das Feldgeschrei: die Ersetzung der Pächterwirthschaft durch bäuerlichen Grundbesitz, ist aufgekommen ohne jegliche Absicht, die Bewegung zu ihrem einzig möglichen und logischen Abschlusse, einer sozialen und politischen Revolution, zu führen. Die Folge davon ist, daß die Bewegung sich in zaghafter Weise in die Länge zieht, und man kann nicht zweifeln, daß ste enden wird, wie so manche andere Bewegung, die auf falscher Grundlage beruhte, und ihre einzige Folge wird die sein, daß die so
allgemeine Aufmerksamkeit auf die soziale Lage gelentt und ſo
eine radikalere und daher auch mehr revolutionäre Erhebung vorbereitet wird.
So gut wie Jrland besitzt aber auch England eine Grundund Bodenfrage. Aber auch hier wie dort ist Alles, was man anstrebt, ein Kompromiß. Auch die englische Bewegung beruht
auf keinen richtigen Prinzipien, denn ihr Endziel ist eine bloge Modifikation der bestehenden Uebel, nicht ihre Beseitigung. In der That scheinen die Führer der englischen Bewegung ganz un fähig zu sein, das einzige Prinzip zu begreifen, nach dem die Landfrage gelöst werden kann: die Nationalisation.***) Gleich allen andern Bewegungen in England, mögen sie nun politischer oder sozialer Natur sein, ist alles, worauf man hinzielt, eine bloße Modifikation- und noch dazu eine unbedeutende- der grauenhaften Uebel, welche das englische Volk seit Generationen heim
Daß das Sozialistengeset diese für die herrschende Klasse be denklichen Folgen und eine bedeutende Verstärkung der Sozial- für uns vollkommen gleichgültig ist) sechs Jahre sind lang suchen. Ich kann keinen besseren Beweis dafür beibringen, als
genug, um positive, versöhnende Reformen einzuführen, aber zu
zum Theil schon erzeugt hat, wird von nüchternen und auf- lang für das schleichende Gift der geheimen Agitation und für die Ansammlung des Erplosionsstoffes Man wird immer größere schweife zugestanden. So läßt sich die fortschrittliche Berliner Geschicklichkeit in der geheimen Organisation erhalten, die sozialdemo ,, Volkszeitung" also vernehmen:„ Die auf Grund des Ausnahme: fratische Agitation, in der Findigkeit mit jedem Tage wachsend und zu üben sich gezwungen sehend, wird auch die Schlupflöcher im befördern, fo berg afregeln waren geeigran get ung jenes Baum ausfindig machen, durch welche sie die noch intakten Kreiſe qui Das fortwährende Anwagjen ver Soglaubemotate iſt wesentlich fünf neue fünf Jahre hinzuzufügen, bis der Moment gez auf Ursachen zurückzuführen, die durch das Ausnahmegeset gar nicht kommen, auf den die Sozialisten aller Länder liftengesetz zur Verminderung der Ursachen zur Unzufriedenheit aufrecht, nicht diejenige auf Beendigung des beigetragen worden ist oder doch beigetragen werden kann, so Ausnahmegesezes, sondern die auf den baldigen
.. Fragen wir uns nun, ob durch das Sozia
jener in weiten Voltskreisen verbreiteten Stimmung gleichsam zur gefahrlosen Ableitung dienten, sind durch die ausnahmegesetzlichen
infizirt, und es wird nichts Anderes übrig bleiben, als den alten
warten.... Eine Hoffnung hält die Sozialisten
herum!..."
-
,, Und werden denn fragt das konservative Blatt weiter-
"
-
Maßregeln verstopft worden, und wer heute hineinhört alle diese Hindeutungen und Vertröstungen auf eine nahe bevor: in die Arbeiterkreise und die Stimmung derselben stehende soziale Revolution etwa durch die vortreffliche Verfassung erforscht, der findet, daß der alte Haß gegen die unserer bestehenden Zustände lächerlich gemacht und Lügen ges Bourgeoisie und den heutigen Staat nur noch hef straft? Sind dieselben derartig, daß sie den Gedanken an die
gehalten am 9. Februar zu St. James Hall in London . Der Präsidentenstuhl war von Herrn Ch. Bradlaugh, dem revolutionären Bilderstürmer" früherer Jahre, eingenommen, und eine beträchtliche Zahl von Vereinen war durch Delegirte vertreten; auch hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden. Nachdem eine Reihe von Schriftstücken verleſen worden, die sich mehr over
19
weniger auf das Thema bezogen, legte der Präsident eine Reihe von zehn Anträgen vor, die von der Versammlung als Ganzes entweder angenommen oder verworfen werden sollten. Das Eine wie das Andere war unbillig. Aber der Präsident, welcher hofft, die nächsten allgemeinen Wahlen würden ihn wieder in's Parlament bringen+), fürchtete, die Landreform- Bewegung könne zu einer auf Verstaatlichung des Grund und Bodens hinauslaufenden sich gestalten und er würde dann im Hause der Gemeinen als ein revolutionärer Enthusiast" ausgezischt. Aber warum fürchtete sich der einst so ungestüme Bilderstürmer in dieser Angelegenheit?
"
*) Nach uns die Sintfluth.
**) Lernt, ihr seid gewarnt.
***) Das heißt leberführung des Grund und Bodens aus dem Privat †) Ist mittlerweile bereits geschehen.
Versuch gemacht worden ist, das Proletariat mund: beklemmungen und agitatorischen Kunststücke verweisen dürfen? Eigenthum in das Eigenthum der Nation, d. h. der Allgemeinheit. tobt zu machen.... Nirgend zeigt sich die Partei geschwächt. Wenn der theoretische und praktische Materialismus in den oberen
D. R.