Sammlungen verhaftet! Dieser unerhörte Gewaltstreich hat| denn doch selbst einen Theil der gegnerischen Presse zur Miß­billigung gezwungen; übrigens gesteht selbst die lettere, daß das angeblich auf einen zarten Wink" von Berlin   her. zurückzu führende Vorgehen der Polizei den Sozialisten bei der Bevöl ferung nur genützt hat, da die Empörung über eine solche Unter­drückung allgemein ist. Die Verhafteten wurden mittlerweile wieder freigelassen, ihnen aber bedeutet, daß ihre vereinte Thätigkeit nicht geduldet werden könne"! Freie Wahl! Auch im nahen Ottensen   find acht Sozialisten verhaftet worden; sie sollen zu einer gemeinschaftlichen Kasse beigesteuert und diese zu Partei­zwecken verwendet haben, während es sich lediglich um eine so genannte Vergnügungskasse handeln soll.

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Der Byzantinismus hat in Deutschland   ein sicheres Zeichen hochgradiger Fäulniß- bereits einen Grad erreicht, wo eine wesentliche Steigerung nicht mehr gut möglich ist, will man nicht zur Verehrung der Ercremente des Dalai Lama   kommen. Welche Worte der ungemessensten Bewunderung und Anbetung dem größten Mann des Jahrhunderts", dem Herkules der Neuzeit" 2c. 2c. schon alle gewidmet worden sind, ist gar nicht aufzuzählen. So Großartiges aber auch in dieser Richtung schon geleistet worden ist, so sind doch ein paar neue Leistungen deutscher " liberaler" Blätter erwähnenswerth. Zum jüngsten Geburtstag Bismarcks schrieb die Nationalzeitung":" Die Schatten, die als menschliches Loos mit den Werken des Größten wie des Mindesten untrennbar verbunden sind, weichen zurüd vor der Leuchtkraft seiner Thaten". Die Magdeb. Zeitg." aber übertraf ihre Berliner   Kollegin noch um ein Ansehnliches, indem sie vom Reichskanzler rühmte, daß er mit den Augen eines Geiers und der Sicherheit eines Nachtwandlers sein Ziel verfolge." An­gesichts solcher, dem Hausmeier gestreuten Rauchopfer kann man natürlich auch den alten Merowinger nicht ganz leer ausgehen lassen. Die Volkswirthschaftl. Korresp." benüßt die einfache Gelegenheit, daß der deutsche Kaiser gelegentlich seines Geburts­tages den Generälen gegenüber die alte, den Fürsten geläufige und von ihnen schon tausendmal Lügen gestrafte Phrase: daß er -um in unübertroffener die Erhaltung des Friedens hoffe, Lobredekunst einen spaltenlangen Panegyricus auf König und Königthum loszulassen. Wie ein Phöbus Apollo  "- besingt die Korrespondenz das simple, Hoffnungs" wort Wilhelms zeigt fich die glänzende und milde Gestalt unseres Kaisers im Sonnen­wagen weithin leuchtender Friedensverkündigungen. Und wie die Erde aufthaut, wenn Helios seine Strahlen aussendet, so thauen die eingefrorenen Friedenshoffnungen der Völker auf, neues Leben und neue Freuden spendend(???). Solche wahrhaft königliche Thaten und Angstbefreiungen empfehlen das Königthum wirk samer und widerlegen die republikanische Propaganda mächtiger, als es die geiftvollsten theoretischen Abhandlungen zu thun ver möchten. Die große Masse der Menschen empfindet das König­thum in seiner geheimnißvollen Macht immer nur unter den überwältigenden Eindrücken großer, königlicher Thaten... Noch heute schmachtet die Volksphantasie nach übermenschlichen Thaten feiner Könige.... Zwei Kaiser waren es, welche sich dieses Erlösungsbedürfnisses annahmen und den Verächtern des Königs thums wieder einmal in leuchtender Gestalt die uralte, aber auch heute noch nicht veraltete Mission des Königthums vor das zweifelnde, umnachtete Auge führten. Beide Kaiser haben solche übermenschliche Thaten, welche man in vorhistorischen Zeiten den Halbgöttern zuzuschreiben pflegte, nicht zum ersten Male in ihrem glorreichen Leben verrichtet, und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Male. Kaiser Alexander( der milde" Zar!) glänzt in der Geschichte als der Halbgott, welcher die Leibeigenschaft ab­schaffte, und Kaiser Wilhelm   als der Halbgott, der das neue Deutschland   begründete." Geier, Nachtwandler, Phöbus, über­man sicht, daß von allem, nur von menschlich, Halbgott feinem vernünftigen Menschen die Rede ist. Und das mit Fug und Recht; denn man kann die Thaten von Gewaltherrschern gleichwie die ganze Institution des Gewaltherrscherthums göttlich oder viehisch finden Menschliches wird man wenig in ihnen entdecken. Die zum Bewußtsein ihrer Menschenwürde gelangten Menschen von heute aber wollen ihre Geschicke nur von gleich­berechtigten Menschen mitbestimmen lassen; Götter gibt es für fie teine mehr, Bestien aber müssen, wenn sie sich über die Menschen erheben und ihnen zur Last fallen, gebändigt, wenn sie gefährlich werden, aus dem Weg geschafft werden....

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Moderne Landsknechte. Bei dem am 14. April stattgehabten Jubiläumsfeste des preußischen Ziethen'schen Husaren Regiments, das natürlich durch die Anwesenheit allerhöchster Gäste geehrt wurde", leistete sich der Regimentskommandeur von Rosenberg heißt der Mann einen Prolog, der für die in jenen Kreisen des höhern Ehrgefühls" herrschende Gesin­nung überaus bezeichnend ist. Nachdem der Herr Oberstlieutenant  nämlich ausgerufen hat:

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,, Ein Ziethen'scher Husar gibt viel zu wenig, Der für den König nur das Leben läßt" wahrscheinlich muß er für den König noch einen extra feier: lichen Tod sterben, sich extra rädern, braten oder todtererzieren laffen fährt er fort:

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,, Die Schwerter stecken in der Scheide,

Es gibt nirgends etwas dreinzuhau'n, Drum mußten wir zu unserm großen Leide Den Kampfplatz in der Reitbahn bau'n."

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O, daß es doch bald etwas breinzuhauen gäbe; was, ist ganz egal! Ob Ruffen, Franzosen, Desterreicher oder auch deutsche Sozialisten vollständig gleichgültig. Wenn nur die armen Offiziere des Ziethenschen Husaren Regiments nicht zu ihrem großen Leide" den Kampfplatz in der Reitbahn bau'n" müssen! Pfui der Schande! Und nicht Einer von der hohen gottesfürchtigen Gesellschaft, die zugegen war, stand auf und ging empört hinaus. Ja, wie hieß es doch? Die Religion, fie muß dem Volt erhalten werden!"

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Ein Kaiserwort. Auf dem oben genannten Feste hat es auch an dem üblichen, Kaiserwort" nicht gefehlt. In höchster, unterthänigst ersterbender Begeisterung theilt es der Bericht­erstatter der B. B.- 3tg." mit: Ich aber kann diese Skizze nicht schließen, ohne eines echten Kaiserwortes zu gedenken, bas nicht nur das Ziethen- Husaren- Regiment ehrt, sondern auch beherzigenswerth für unser öffentliches und pri bates Leben ist, das Wort, das er bei seinem Abschied von

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Rathenow   zu einem der Festkomitémitglieder sprach und das da lautet: Ja, wenn Mann und Pferd gehorsam sind, geht's gut in den Feind hinein!" Allerdings sehr beherzigenswerth für unser öffentliches und privates Leben, dieses Kaiserwort! Drei­mal beglücktes Land, das einen so weisen Re- porter besitzt.

In einem großen Theil der Presse und zwar bezeichnender Weise gerade in demjenigen, welcher erst kürzlich zu berichten wußte, daß an Brace's Krankheit in Braunschweig   kein Mensch glaube", wurde neulich das Gerücht vom Tode unseres Genossen Bracke verbreitet und verschiedene Blätter brachten lange Nekrologe. Die Nachricht war jedoch glücklicherweise falsch; denn Bracke ist allerdings seit 14 Tagen aufs neue erkrankt, doch ist zu hoffen, daß er die Krankheit überwinden wird, und ist in der That bereits eine erfreuliche Besserung eingetreten. Bei den Urhebern jenes Gerüchtes mag wohl der Wunsch der Vater des Gedankens sein. Wir wünschen von Herzen, daß das Sprüch­lein, welches den Todtgesagten gerade recht langes Leben ver­heißt, sich auch bei unserem verdienten Genossen bewähre!

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Im Lauf der vorletzten Woche wurde unserm unvergeßlichen Genossen August Geib   in Hamburg   aus dem hiefür ſeit langem gesammelten Fonds ein bescheidenes Grabdenkmal errichtet. Das­felbe wurde am vorletzten Sonntag enthüllt, zu welcher Feierlich keit eine große Anzahl Genossen erschienen waren und Grab und Denkmal mit reichen Blumen- und Kranzspenden bedeckten.

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Berlin  , 16. April. Die Wahl ist vorüber und sie ist nicht günstig für die Sozialdemokratie ausgefallen. Freilich haben auch die andern Parteien eine wesentliche Einbuße an Stimmen erlitten und zwar weil die Wahlbetheiligung im Ganzen eine äußerst geringe war; es ist aber unbestreitbar, daß unsere Partei mit am meisten eingebüßt hat. Während die Fortschrittspartei von 15731 auf 8150, die Konservativen von 5036 auf 2725 Stimmen sank, sank die Sozialdemokratie von 7583 auf 1852. Der Belagerungszustand hat seine Schuldigkeit gethan" so ruft triumphirend die erzinfame liberale" hiesige Tribüne" aus, und wer will bezweifeln, daß die Maßregelungen, die der Belagerungszustand schon über unsere Genossen brachte und weiter bringen wird, die Ursache dieses ,, Rückgangs" sind? Wenn das Damoklesschwert der Ausweisung und der Existenzvernichtung über Jeden hängt, der sozialdemokratische Flug blätter zu verbreiten wagt; wenn Tage lang vor der Wahl, sobald die Polizei merkte, daß Flugblätter verbreitet werden sollten, massenhaft Haus­suchungen stattfanden und alles weggenommen wurde, was sich auf die Wahl bezog nicht nur Flugblätter, sondern sogar Wahlzettel so begreift es sich leicht, wenn die Zahl derer, die unter solchen Um­ständen offen den Kampf aufzunehmen wagten, nur eine geringe ist. Die Verbreitung der Flugblätter wurde auch dadurch zum größten Theil un­möglich gemacht, daß durch die Ungeschicklichkeit einzelner Genossen diese zu frühzeitig in die Hände der Polizei fielen, ehe die allgemeine Verthei­lung stattfand, und nun die Polizei die Möglichkeit besaß, die Flugblätter auf Grund des Sozialistengesetzes zu verbieten. Dahingegen war die Vertheilung der Stimmzettel an den Wahlurnen gut organisirt und wurde prompt besorgt; aber diese konnte den Mangel einer direkten Auf­forderung zur Betheiligung an der Wahl, wie sie durch die massenhafte Ver­breitung der Flugblätter geschehen sollte und konnte, nicht ausgleichen und so blieben Tausende der Stimmurne fern.- Es ist ferner nicht zu bestreiten, daß ein Theil Derjenigen, die der Wahlurne fern blieben, prinzipiell der Wahl sich enthalten haben, weil sie der Ansicht sind, daß unter einem System, wie es jetzt in Berlin   herrscht, unmöglich etwas zu erreichen sei. Wenn hiermit sich die Wahlenthaltung und geringe Stimmenzahl der Sozialdemokratie erklärt, so erklärt sich damit aber nicht die geringe Wahlbetheiligung der anderen Parteien. Die nationalliberalen Blätter sind zwar rasch mit dem Urtheil fertig, indem sie behaupten, die Person des fortschrittlichen Kandidaten Prof. Virchow  - trage die Schuld, indem diese Kandidatur den mehr nach rechts stehenden Wähler Mangels eines geeigneten Kandidaten abgehalten habe, an der Wahlurne zu erscheinen. Allein dieser Grund ist falsch. Die konservative Partei hatte ihren Kandidaten und sie hat sehr eifrig dafür agitirt, und die National- 3tg." hat sogar in letzter Stunde ihre Gesinnungsgenossen auf­gefordert, für den konservativen Kandidaten zu stimmen. Ebenso hat es die Fortschrittspartei an Agitation nicht fehlen lassen und ihr Kandidat war unzweifelhaft die populärste Persönlichkeit, welche sie auftreiben konnte. Wenn dennoch der Liebe Mühe nicht besser belohnt wurde, so ist der Grund für diese Erscheinung tiefer zu suchen. Es ist die all­gemein zunehmende Hoffnungslosigkeit, daß auf dem par­lamentarischen Wege noch eine Besserung unserer trau rigen Zustände möglich sei, welche in dieser schwachen Be­

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theiligung sich ausdrückt. Man sieht, daß trotz unserer Ueberfülle an Parlamentarismus und unserer massen= haften Gesetzesfabrikation die Zustände immer schlechter werden und man fängt an, in allen Parteien sich zu fra  gen, wozu der heutige Parlamentismus noch nütze ist, wenn er absolut nichts zu verbessern vermag. Naturgemäß mußte diese Stimmung der Sozialdemokratie zu Gute kommen und es fann feinem Zweifel unterliegen, daß dies geschieht. Wenn indeß diese Stimmung sich nicht in der Stimmenzahl für den sozialdemokra tischen Kandidaten ausdrückt, so ist das ebenfalls ganz natürlich; die Träger dieser Stimmung sagen sich: wozu Einen noch weiter wählen, da dieser Eine doch auch nichts ändern kann. Man mag diese Stimmung für falsch erklären, man mag fie verurtheilen; allein damit ist nichts

geändert, sie ist vorhanden und man muß mit ihr rechnen. In den herrschenden Kreisen freut man sich, daß diese politische Indifferenz das Regieren erleichtert, allein diese Frage dürfte eines Tages sehr in das Gegentheil umschlagen. Die heutigen Regierungen müssen mit dem Par­lamentarismus regieren, weil sie ohne ihn nicht existiren können, denn er erleichtert ihnen das Regieren. Die Regierungen und die herrschenden Klassen sind aber in ihrer Herrschafts­stellung bedroht, sobald das Volk den Glauben an die Macht des Parlamentarismus verliert. Der In­differentismus gegen das herrschende System entspringt dem Mangel an Glauben und Vertrauen in die Macht und den guten Willen der herr­schenden Mächte; dieser Indifferentismus ist aber die erste Etage zum Revolutionarismus. Die fortdauernden schlechten Zustände reizen schließ­lich den Geduldigsten auf und es bedarf nur des äußeren Anstoßes, um diese aus Mißmuth und Vertrauensmangel zur Gleichgültigkeit Getrie benen derjenigen Partei in die Arme zu werfen, die ihnen Aussicht auf Besserung durch gründliche Umgestaltung des Bestehenden macht. Man sei versichert, daß aus der Klasse, die jetzt dem politischen Indifferentis­mus verfällt, eines Tages der Sozialdemokratie ihre zahlreichsten und grimmigsten Streiter entstehen. Wenn also auch der Indifferentismus unserer Kampfnatur nicht entspricht, so haben wir auch keine Ursache, uns die Wirkung auf die außer unserm Kreise stehenden Massen fast unmöglich gemacht ist, auf ihn mit Mißmuth zu blicken.

00 Crimmischau, 13. April. Jm hiesigen Industriebezirk macht sich jetzt ein Aufschwung bemerkbar, aber nicht etwa im Steigen der Arbeitslöhne, sondern in einer stetigen Verlängerung der Arbeits­zeit. Die Schinderei übersteigt alles Maaß und die Ausbeutergesellschaft fann ihr Handwerk um so ungestörter treiben, als durch die Mundtodt­machung der Sozialdemokratie Niemand mehr da ist, der diese Schin­derei öffentlich brandmarkt. Dieser trostlose Zustand der Dinge bringt zweierlei Strömungen hervor. Die Einen fühlen sich niedergedrückt und verzweifeln an sich und der Zukunft, die Andern sind erfüllt von Zorn und Grimm und sehen mit Ungeduld der Zeit entgegen, wo sie Abrech nung und Vergeltung üben können! Wem seine Verhältnisse es erlauben, der packt das Bündel und zieht über das große Wasser nach Amerika  . Auch in unserm Nachbarbezirk Glauchau- Meerane wandert aus, wer irgend kann. Die Meisten aber sind zu arm, um dies bewerkstelligen zu können, und sollte es sich bewahrheiten, was die Zeitungen berichten, nämlich, daß künftig jeder Erwachsene, der eine Auswanderungserlaubniß verlangt, den Nachweis führen muß, daß er wenigstens 240 Mark und für jedes Kind 180-215 Mark besißt, so wird es noch weit wenigeven möglich

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werden, die Heimath und ihre entsetzlichen Zustände zu verlassen. Unsern Regierungen dürfte dies freilich wenig nützen, denn sie behalten die Un­zufriedenheit im Lande, und jeder Unzufriedene schafft immer neue Unzu­friedene. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wohin das schließlich führen wird und führen muß! Der allgemeine Wunsch ist nur, daß der Zeit­punkt recht bald heran komme, wo diesen nichtswürdigen Zuständen so oder so ein wohlverdientes Ende bereitet wird! Um auf unsere lokalen Zustände hier zurückzukommen, theile ich mit, daß in Folge der heran­nahenden Leipziger Messe in einigen mechanischen Webereien von früh 6 Uhr bis Abends 8 Uhr gearbeitet wird, einzig mit Unterbrechung einer Stunde Mittag. Sonnabends wird häufig bis Nachts 12 Uhr gearbeitet, in manchen Fabriken auch Sonntag Vormittags! Auch die Kinderausbeutung steht bei uns in schönster Blüthe; Kinderblut verwan delt sich in den Taschen unserer Fabrikanten in rothes Gold. Möchten sie doch daran ersticken!

J? Zwickau  , 14. April. Freitag den 9. und Sonnabend den 10. d. M. wurde seitens der Polizeibehörde bei allen Personen, welche derselben als Sozialdemokraten bekannt sind, abermals eine Haussuchung nach verbo­tenen Schriften vorgenommen. Es haben sich in Zwickau   überhaupt die Leute, welche trotz alledem ihre Gesinnung nicht ändern und ihrem sozia listischen Glaubensbekenntniß treu bleiben wollen, einer besonderen Auf­merksamkeit der Polizei zu erfreuen. Die diesmalige Aussuchung unter­scheidet sich von der anderen nur dadurch, daß man jetzt auch zu Leuten, welche weit davon entfernt sind, Sozialdemokrat zu sein, gekommen ist, sowie daß man alles viel genauer und gründlicher als früher durchsucht hat. Freilich sind wir diese Dinge schon viel zu sehr gewöhnt, um noch viel Aufhebens davon zu machen; aber daß die Frauen über derartigen Besuch nicht allemal gerade sonderlich erfreut sind, läßt sich wohl leicht denken, denn wenn eine Hausfrau die Betten erst rein überzogen und die Wäsche frisch gewaschen in den Kasten gelegt hat, und es kommen dann auf einmal vier ungerufene Herren in die Wohnung, durchstöbern die Betten bis in das Innerste des Strohsacks hinein und reißen jedes Stück Wäsche auseinander, ob sich nicht irgendwo Dynamit oder Sozialdemo frat", Lassalle  'sche Schriften, Petroleum und sonst etwas Staatsgefährliches, das dem starken Reich" sein kostbares Lebenslicht ausblasen könnte, findet,-so darf man es nicht verargen, wenn dadurch unter den Frauen eine wahre Erbitterung hervorgerufen wird, deren agitatorischer Werth nicht zu unterschätzen ist. Bemerkt sei nur noch, daß natürlich auch dies­mal wiederum das traditionelle Nichts gefunden wurde. Ob die arme Polizei nicht bald ihre vergebliche Arbeit aufgeben wird?

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Vom Thüringer Wald  , 12. April. Wenn wir heute den Raum unseres Organes mit einigen Zeilen in Anspruch nehmen, geschieht es in der Voraussetzung, daß es die Genossen intereffiren wird, zu hören, wie es um unsere Sachen auf den Bergen des Thüringer Waldes   bestellt ist. Mit Freude können wir Ihnen versichern, daß die sich schon zu wieder­holten Malen bewährte Standhaftigkeit der Genossen hiesiger Gegend trotz der Wucht des Ausnahmegesetzes und der Hungerpeitsche der Ausbeuter­Bourgeois nicht die geringste Einbuße erlitten, sondern sich gerade aus diesen Gründen zur Erbitterung der Ausbeuter- Tiger gestählt hat, und der Klassenkampf unverzagt fortgeführt wird. Wie in allen industriellen Gebirgsgegenden ist auch in den Hochthälern des Thüringer   Waldes der Hunger der ständige Begleiter des Winters; die schamlose Ausbeuter­gesellschaft entblödet sich aber nicht, gestärkt durch diesen Bundesgenossen, die Löhne der Arbeiter auf ein Minimum herabzusetzen, das den Löhnen unsrer sächsischen Genossen im Erzgebirge   wohl wenig oder nichts nach­giebt. Der ausschließliche Erwerbszweig ist die gesundheitsgefährliche Fabrikation d der Kinderspielwaaren, und ist es besonders die Arbeiter­bevölkerung der Stadt und des Kreises Sonnenberg, die oft dem bittersten Mangel ausgesetzt ist. Für einen in die Verhältnisse nicht näher Ein­geweihten ist es in der That unglaublich, daß eine 5-6 Köpfe starke Familie bei einem Wochenlohn von 10, höchstens 12 Mark zu eristiren vermag. Und doch wäre bei uns Jeder froh, beständig für diesen Lohn Beschäftigung zu haben, denn oft gibts wochen und monatelang keinen Schlag Arbeit. Daß unter derartigen Verhältnissen an einen Waffenstill­stand mit dem Kapitalismus nicht gedacht wird, ist selbstverständlich; es wird muthig weiter gekämpft in der Ueberzeugung, daß die Stunde der Erlösung nicht mehr ferne sein kann.

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A- s.

Hpt. Constanz, 15. April. Wenn die deutsche Reaktion so fortfährt, wird sie bald an der Lächerlichkeit zu Grunde gehen! Vergangenen Montag wurde dahier ein auf der Messe feilhaltender Zuckerbäcker aus St. Gallen  verhaftet, weil er seine Waffeln und sonstigen Zuckerwaaren in alte Tagwacht" Makulatur verpackt hatte! Dadurch sollte er sich des Ver­brechens der Verbreitung verbotener Schriften schuldig gemacht haben! Aller vernünftigen Erklärung und des Hinweises auf den geschäftlichen Schaden, der ihm durch seine Wegführung inmitten der Messe entstehe, ungeachtet, wurde der Mann den Tag und die Nacht im Gefängniß fest­gehalten und erst nächsten Tags gegen eine Bürgschaft von 1000 Mark vorläufig entlassen. Der staatsgefährliche Zuckerbäcker darfnun tagsüber, beständig von drei Polizisten bewacht, auf der Messe seinen Verkaufsgeschäften nachgehen, während er die Nächte im Käfig zubringen muß. Infolge dieser gruslichen Geschichte ist nun in die ausländischen Messebesucher ein gewaltiger Schreck gefahren, und man sieht die Leute heimlich ihren ganzen Papiervorrath durchwühlen und alle Schweizerischen   Zeitungen, selbst der reaktionärsten Sorte, ängstlich ausmustern und entfernen, um nicht ähnlichen Annehm­lichkeiten, wie jener St. Galler   Lebensversüßer, ausgesetzt zu sein. Wir sind nur begierig, ob die hohe Polizei nicht demnächst auch noch eine umfassende und eingehende Durchsuchung der Abtritte vornehmen wird, um nachzuforschen, ob sich nicht unter dem dort befindlichen Papier eben­falls Staatsgefährlichkeiten befinden. Vielleicht erleben wir dann außer diesbezüglichen Prozessen auch noch eine Verordnung, wonach zu solch verschwiegenen Zwecken lediglich die Regierungsorgane für würdig erklärt werden. Die fremden Geschäftsleute aber werden an die hiesige Messe denken und zweifelsohne gewaltige Freunde des herrlichen deutschen Reiches werden, das so mächtig ist, daß es sich- von einem Stück Makulatur bedroht fühlt!- Auch sonst läßt der Eifer der hiesigen Polizei in Punkto Sozialistenhezze nichts zu wünschen übrig und ist es nur bedauerlich, daß die erzielten Erfolge so wenig im Verhältniß zur aufgewandten. Mühe stehen. So haben schon verschiedene Haussuchungen stattgefunden( u. A. erst jüngst wieder), aber jedesmal mit dem bekannten negativen Erfolg. Ein ganz besonderes Unglück ist der unermüdlichen Wächterin der heiligen Ordnung aber neulich begegnet. Es war ihr von außen her gemeldet worden, daß sich ein ganz besonders gefährlicher sozialdemokratischer Agitator" unterwegs befinde und mit dem und dem Zug nach Constanz  kommen werde, wo man sich seiner versichern solle. Als besonderes Erkennungs­zeichen des Gefährlichen" war angegeben, daß er einen hellbrauen Habit anhabe. Natürlich stürzte sich allsogleich die ganze Polizeimacht auf den Bahnhof, um den arglosen Agitator in Empfang zu nehmen. Vermuthlich hatte man auch gleich Ketten mitgebracht, um den schrecklichen Menschen unschädlich zu machen, denn einer der zum Empfang anwesenden Kerle rappelte immer mit der einen Hand in seiner hinteren Tasche herum, während er den Daumen der anderen in das linke leere Knopfloch steckte, um es für einen gehörigen Piepvogel für den gelungenen Fang herzu­richten. Und richtig: als der Zug ankam, war einer der ersten Aus­steigenden ein Mann im hellgrauen Habit. Aber da hätten Sie unsere Spürhunde sehen müssen! Mit einer wahrhaft affenartigen Geschwindigkeit über den Hellgrauen herfallen und ihn aus der Mitte der erstaunten Reisenden ins Kühle bringen war das Werk eines Augenblicks. Aber ach, bald stellte sich heraus, daß der Verhaftete keineswegs ein Agitator", sondern ein einfacher Kürschnergeselle war, der aus Straßburg   fam, um sich hier ansäßig zu machen; daß man demnach den Falschen erwischt habe und der Gefährliche während der Verhaftung des Letzteren gemüthlich seine Reise vollenden und sein ruchloses Handwerk fortsetzen konnte! Nun gab's selbstverständlich statt Orden und Belohnung gewaltige Nasen, die unsere Polizei so in Aufregung gebracht haben, daß sie noch ganz rapplig ist, eine Geistesverfassung, die bekanntlich erst recht zur Begehung von wohlbestellten Dummheiten geeignet ist. Es leben die folgenden und die Weisheit unserer Feinde!

Altona  , 16. April. Seit der großen Hetze, die am 18. Februar stattfand, hat es neuerdings schon wieder verschiedene andere gegeben. So wurden am 26. und 27. März in Hamburg   und Altona   gegen 40 Haussuchungen abgehalten und verschiedene Personen zur Polizei sistirt, jedoch bald wieder entlassen, weil nirgends etwas Verdächtiges gefundea werden konnte; es handelte sich wieder um verbotene Schriften, auch da die Hamburger- Wahl schon ihren Schlagschatten wirft- um angeb