Stun, wir haben nie an die Wunderkraft des parlamentarischen Schwätzens geglaubt und, seit wir politisch thätig sind, vor derartigen Illusionen gewarnt; umgekehrt hat keiner eifriger, als Herr Hasselmann es in seiner agitatorischen Wirksamkeit seit 13 Jahren gethan, diesen Glauben an den Parlamentarismus geYehrt, hat keiner eifriger als er die gesetzliche Lösung der sozialen Frage durch das allgemeine Stimmrecht"
vertreten.
Es ist hier nicht der Platz, die Frage der Parteitaktik des Näheren zu erörtern. Wir verweisen die Genossen auf unsere Reden im Reichstag und auf den vorjährigen Rechenschaftsbericht. In unserem Rechenschaftsbericht über die letzte Session werden wir uns darüber weiter aussprechen.
Wenn nun Herr Hasselmann nachträglich zu der Erkenntniß gekommen ist, daß auf dem parlamentarischen Weg das Heil nicht zu finden ist, so ist das für ihn ein Fortschritt; aber eitel Geflunker ist es, wenn er erklärt: Die Zeit parlamentarischen Schwäßens ist vorüber, die Zeit der Thaten beginnt".
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Herr Hasselmann ist nicht gewillt, nach Art der russischen Nihilisten mit Dolch und Revolver zu attentaten, oder nach Art der französischen Sozialisten in die Straße zu steigen" für das Eine, wie für das Andere fehlt ihm das Nothwendigste der Muth. Man sei unbesorgt: Herr Hasselmann wird Herr Hasselmann bleiben, und wer Thaten von ihm erhofft oder befürchtet, hat seine Rechnung ohne Herrn Hasselmann gemacht und kennt diesen Herrn schlecht. Eine Erklärung, wie Herr Hasselmann sie am 4. Mai d. J. im Reichstag abgegeben, gibt ein Mann nur in dem Moment ab, wo er entschlossen ist, sofort zur ultima ratio: zur Gewalt sans phrase seine Zuflucht zu nehmen und, des„ parlamentarischen Schwätzens" satt, mit der Flinte zu kämpfen.
Wer nach einer solchen Erklärung nicht losschlägt, dokumentirt sich selbst dadurch als einen parlamentarischen Schwätzer der schlimmsten Sorte.
Wollte oder konnte Herr Hasselmann nicht„ Thaten" im anarchistischnihilistischen Sinne ausüben, so mußte er doch mindestens das thun, was die Logik als das Geringste und Selbstverständlichste von ihm forderte: d. h. er mußte unmittelbar nach seiner Erklärung das Mandat niederlegen. Indem Herr Hasselmann nach dieser Rede sein Mandat behielt, hat er für den Blödesten mit Händen greifbar bewiesen, daß es ihm lediglich um„ eine Aufsehen machende Reichstagsrede" zu thun war, also um einen demagogischen Schauspielerkoup, von dem Niemand Nutzen hat, als die Polizei.
Kuriositätshalber sei erwähut, daß Herr Hasselmann, nachdem er die rothe Fahne im Reichstag so tapfer geschwenkt hatte, sie beim Verlassen des Reichstagsgebäudes vorsichtig in die Tasche steckte und nicht einmal die Kourage hatte, seine„ Thaten"-Rede in seinem eigenen Blatte abzudrucken. Er hat sie darin bis zur Unkenntlichkeit entstellt; er hat sie schuöde kastrirt! Das war die erste„ That".
Den Zeitungsredakteur Hasselmann deckt leider nicht das Mandat des Abgeordneten Hasselmann.
Genug. Wir haben keine Lust mehr, mit einem solchen Menschen auch nur in der entferntesten Gemeinschaft zu stehen.
Wir weisen hiermit offen und rückhaltslos jede Zusammengehörigkeit mit Herrn Hasselmann von uns und erwarten, daß die Parteigenossen, welche sich an einzelnen Orten durch die Ränke des Herrn Hasselmann haben bethören lassen und über seinen Charakter und seine Ziele noch nicht zur Klarheit gelangt sind, nach dieser streng wahrheitsgetreuen Darlegung jede Verbindung mit ihm abbrechen werden. Wer gegen die sozialistische Arbeiterpartei ist, der trenne sich von ihr! Wir verlangen reine Bahn. Wer nicht für uns ist, ist wider un 8.
Zum Schluß noch einige Worte bezüglich unserer Stellung zu Herrn Mo st. Nachdem Most aus Plötzensee entlassen worden war, hatte er anfänglich die Absicht auszuwandern, er änderte jedoch bald seinen Plan und wollte in Deutschland bleiben, um nach wie vor im Rahmen der Partei zu wirken. Er war sogar entschlossen, gleich Denjenigen, welche er jetzt in seinem Blatt mit dem Schimpfwort„ Geschäftssozialisten" bezeichnet, eines der„ farblosen Blätter" zu redigiren, die seitdem so sehr seinen Grimm erregt haben. Zu diesem Zweck hatte er in Hamburg bereits einen Brief an Bracke aufgesetzt, als ihm mitgetheilt wurde, daß die Polizei ihn suche, wahrscheinlich wegen seines Elberfelder Prozesses. Nun rief an Brace hielt es that win in Teuta, la echt tusz, te nicht ab, sondern entschloß sich sofort, nach Amerika auszuwandern was ihm, im Vorbeigehen bemerkt, nicht als Feigheit angerechnet werden soll.
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In London angekommen, änderte er abermals seinen Entschluß und blieb dort. Er bekam den Redakteurposten an der vom Londoner Arbeiter bildungsverein herausgegebenen Freiheit". Von der Gründung dieses Blattes, das doch wesentlich auf Deutschland berechnet war, erfuhren wir erst, als sie bereits vollendete Thatsache war; kein Wort der Verständigung, keine Aufforderung, für das Unternehmen thätig zu sein, wurde an uns oder andere bekannte Genossen gerichtet eine Rücksichtslosigkeit, für die wir ausschließlich Herrn Most verantwortlich machen.
Nicht lange, so benutzte Herr Most die ihm eingeräumte Stellung zu den gehässigsten Angriffen auf unsere parlamentarische Thätigkeit und erging sich in Schimpfereien auf unsere Personen. Das sei seiner hoch gradigen Nervosität gern verziehen.
Die ungewohnte Sicherheit vor Polizei und Staatsanwalt, in der Herr Most sich in London hübsch weit vom Schuß" befand, verleitete ihn aber auch zur Annahme einer Haltung und zur Befürwortung einer Taktik, deren Befolgung seitens unserer Partei in Deutschland zum offenbaren Schaden der sozialdemokratischen Sache und zum Triumph der Reaktion hätte ausschlagen müssen.
Herr Most hat in London nicht wie ein seiner Verantwortlichkeit bewußter Parteimann gehandelt, sondern wie ein schwacher, unbesonnener Mensch, der jeder Laune nachgibt, jeder Leidenschaft die Zügel schießen läßt.
Wenn nun derselbe Herr Most, der für die bisherige Thätigkeit der Partei bei Wahlen, zuletzt bei der Hamburger Wahl, nichts als Spott und Hohn hatte, neuerdings sich bereit erklärt hat, eine Kandidatur für den Reichstag anzunehmen, die ihm von einigen, durch den Belagerungszustand zu extremen Einfällen gebrachten Sozialisten des fünften Berliner Wahlkreises offerirt wurde, so ist dieser komische Widerspruch auf Moft's eigenthümliche Geistesverfassung zurückzuführen, die ihm nicht erlaubt, logisch zu sein, und noch weniger eine Gelegenheit zur Hervor drängung seiner Person vorübergehen zu lassen. Wir haben nicht erst nöthig, zu versichern, daß diese Kandidatur uns fremd ist.
Wir stehen den Most' schen Tollheiten und Inkonse quenzen gleich fern, wie den demagogischen Intriguen und Heßereien des Herrn Hasselmann.
Zum Schluß sei noch auf die Thatsache aufmerksam gemacht, daß die reaktionäre sozialistenfeindliche Presse aller Schattirungen mit Einmüthig feit für die Herren Hasselmann und Most Partei ergreift. Das sollte doch wahrlich jedem Parteigenossen, der etwa noch schwankte, den letzten Zweifel
benehmen.
Genug. Unsere Genossen wissen nun, woran sie sind.
Wir stehen einfach auf dem Boden des alten Parteiprogramms, und werden unentwegt auf der Bahn weiterschreiten, welche die Pflicht und das Parteiinteresse uns vorzeichnen Mit sozialdemokratischem Gruß! Anfang Juni. J. Auer.
ihrer ganzen Masse aufs äußerste auf. Und die gemachte Andeu-| tung, Beaconsfield sei unentbehrlich für den Frieden in Europa , erregte sogar noch in vielen seiner Freunde ein Gefühl von Widerwillen. So war der Sturz Beaconsfield's unvermeidlich. Ich komme nun zu den Wahlen. Indem ich die drei großen Abtheilungen der Parteien beibehalte, finde ich, daß ihr Resultat folgendes war: Wahlen von 1874
England und Wales Schottland
Irland
Liberale Konservative Home Rulers
196
292
42
18
I
11
33
59
249
343
59
Wahlen von 1880
285
204
53
7
13 351
25 236
England und Wales Schottland Irland
65 65
Die Ueberzahl der Liberalen über die Konservativen beträgt 115, über die Konservativen und Home Rulers zusammen 50.
Die Liberalen haben also eine zuverlässige Majorität von wenigstens
50 Stimmen.
Ich will hier eine kurze Stelle aus dem„ Standard", einem entschieden konservativen Blatte, über das Ergebniß der Wahlen zitiren. Er schreibt unterm 16. April:„ Wenn je ein Ministerium sich rühmen fann, zu seinem Amte und seiner Macht durch die Stimmen des Volkes gelangt zu sein, so kann es dasjenige, welches berufen ist, binnen Kurzem das Kabinet Beaconsfield zu crsetzen. Seine Verantwortlichkeit wird im gleichen Maße groß sein. Man erwartet von ihm, daß es sowohl in inneren wie äußeren Angelegenheiten die gerechten Erwartungen erfüllen werde, welche das englische Volk hegt, ohne dessen Vorurtheile zu verletzen." Das war eine wichtige Ankündigung von einem leitenden konservativen Organ ersten Ranges.
Betrachten wir nun, welches die wahrscheinliche Politik des neuen Ministeriums sein wird. Was dürfen wir angesichts seiner zuverlässigen Majorität, die es von den Home Rulers unabhängig macht, von der neuen liberalen Regierung erwarten? Erwägen wir vor Allem die auswärtige Politit. Es ist wohl bekannt, daß sich Gladstone nur wenig um die türkische Herrschaft in Europa kümmert. Seine Sympathien gehören in ausgedehntem Maße den Völkern der Balkanhalbinsel . Aber noch besteht der Berliner Vertrag als eine internationale Abmachung zu Recht. Und Gladstone hat nicht den moralischen Muth, diesen Vertrag wegen seiner zahlreichen Fehler zu verurtheilen; er besitzt nicht den Muth und die erforderliche Kühnheit, diesen Vertrag im Namen der Gerechtigkeit zu verwerfen, mit den großen Militärdespotien des Kontinents zu brechen und den Krieg für die Befreiung der Unterdrückten, ohne Rücksicht auf Glauben und Rasse, zu erklären. Anderseits kann er weder Deftereich noch Rußland die Hand reichen und ihrem Anwachsen ruhig zusehen. Er muß daher versuchen, einen Mittelweg einzuschlagen zwischen den Ertremen der Militärdespotien einerseits und dem der Freiheit, Einheit und Unabhängigkeit der unterdrückten Völker anderseits. Seine Politik wird also eine Kompromißpolitik sein. Sie wird sich durch die Verhältnisse, nicht durch die Prinzipien bestimmen lapsen. Sie wird auf eine Maßigung der Tyrannet hinzielen, nicht auf Herstellung freiheitlicher, auf Gerechtigkeit beruhender Zustände. Eine solche Politik kann unmöglich eine glückliche sein. Sie wird die Despoten beunruhigen, ohne die Völker zu befriedigen. Sie wird die Hoffnungen der Unterdrückten wachrufen, ohne sie zu erfüllen.
Blicken wir aber auf die Zusammensetzung des neuen Unterhauses, so erkennen wir leicht, daß die Regierung nur Kompromißpolitik treiben kann. Im neuen Hause sind Armee und Flotte durch 130 Mitglieder vertreten, der Beamtenstand durch 135, die Advokaten durch 118, das Gewerbe durch 18, die Kaufleute durch 64, das Großkapital durch 115, die Richter durch 6, die Lohnarbeiter durch 4, indeß 40 Söhne von Peers( Oberhaus mitglieder) des Königreichs Size im neuen Parlament haben. Es wäre eine Thorheit, eine andere als eine opportunistische Politik von einem solchen Parlament zu erwarten.
Sehen wir uns die Maßregeln an, die man bereits ins Werk gefeßt, so ist nicht eine darunter, die auf irgend einem Prinzip beruhte. Die Bill zur Amendirung der Spielgefeße ist z. B. einer der schmählichsten Kompromisse. Da man nicht den nöthigen Muth besitzt, sie ganz abzuschaffen, führt man einen Gesetzbau nur halb auf, in der Hoffnung, er werde schon eine Weile stehen bleiben und man werde bankbar für den bewerkstelligten Fortschritt sein. Dasselbe kann von der Begräbnißbill gesagt werden, die man im Oberhause eingebracht hat. Auch sie ist blos ein Kompromiß und nicht eine Lösung der Frage.
Das Haftpflichtgefet( Employers Liabilities Bill) gehört ebenfalls in diese Gattung. Es ist nichts als ein Tappen im Finstern( a steps in the night direction). Es ist eine oppor tunistische Maßregel und noch dazu eine sehr erbärmliche, welche nur eingebracht wurde, weil die Gesetzgebung sich ihr nicht länger verschließen konnte. Aber nicht einmal in ihrer jetzigen verkümmerten Gestalt wird man sie annehmen. So schwächlich der Gefeßent: wurf ist, so hat er doch die Befürchtungen und die Opposition der Unternehmer im ganzen Königreiche hervorgerufen, indeß er nicht weit genug geht, um die arbeitenden Klassen zu befriedigen. Aber erbärmlich und unbefriedigend, wie er ist, wird er noch weitere Abschwächungen erfahren, bevor er zum Gesetz wird, es sei denn, daß die arbeitenden Klassen einmal eine entschiedene Miene machen und ihren festen Entschluß kundgeben, eine bessere
A. Bebel. F. W. Fritzsche. W. Hasenclever. M. Kayser. Maßregel haben zu wollen, als die gegenwärtige Bill, welche W. Liebknecht . J. Vahlteich. Ph. Wiemer.
Unser Kollege Hartmann verurtheilt gleich uns die letzte Rede Hasselmanns, hat aber seine Unterschrift nicht gegeben, weil er die Erklärung für unzeitgemäß hält.
Die Obigen.
nur dazu dienen würde, künftigen Fortschritten einen Riegel vorzuschieben.
In Zusammenhang mit dieser Maßregel finden wir, daß eine zahlreiche und einflußreiche(?) Deputation der vereinigten Arbeitgebergesellschaften beim Premierminister Audienz nahm, um sich dem weiteren Fortschreiten der Bill zu widersetzen. Das erste Mitglied der Deputation, welches sprach, war Herr R. Barter,
Die letzten Wahlen in England und ihr welcher die Bergwerks- Affoziation von Großbritanien vertrat. Er voraussichtliches Ergebniß.
( Schluß.)
Auf die Auflösung folgte Lord Beaconsfields Manifest, welches ein weiterer großer Fehler war. In der Erwartung, in England und Schottland eine feindliche Gesinnung gegen das zertretene Volf in Irland zu erwecken, reizte er die irische Bevölkerung in
sprach für die Bergwerks- Assoziation von Süd- Yorkshire, welche eine jährliche Produktion im Werthe von 68,000.000 Pf. St. repräsentirt und 500.000 Mann beschäftigt. Er konstatirt, daß im Durchschnitte innerhalb 12 Monaten von fünf Mann je einen ein Unglücksfall treffe, das heißt, daß bei einer einzigen Branche und in einem einzigen Distrikt in einem Jahre 100.000 Mann von Unfällen betroffen werden. Kann es etwas scheußlicheres
geben, als einen solchen Stand der Dinge? 100.000 Menschen erleiden Unfälle bei der Erzeugung eines Reichthums von 68,000.000 Pfd. St., und man verweigert ihnen jede Entschä= dig ung!!
Ohne Zweifel wird man noch viele ,, Reformen" ins Leben rufen, alles aufs Geradewohl, ohne irgend eine Frage zu lösen, da man in jedem Falle sich nach der Opportunität und nicht nach Prinzipien richten wird. Man wird sich bemühen, ganze und gerechte Maßregeln zu hindern und sich mit einer leichten Milderung der bestehenden Uebel begnügen, in der Hoffnung, das Volk damit auf eine Weile zufrieden zu stellen.
Aber diese Art der Gesetzgebung übt einen schädlichen Einfluß auf alle Klassen der Gesellschaft. Sie verhindert diese, die Erkenntniß von Grundsäßen zu erlangen und führt sie dazu, Ansichten und Grundsäße zu verwechseln. Sie verhindert jedes Streben nach Gerechtigkeit, lähmt alle Bemühungen zur Verbesserung der Lage des gesammten Landes. Das Wohl der Menschheit erscheint ihnen dann als eine Angelegenheit von untergeordneter Bedeutung, die außerhalb ihrer Erwägungen liegt. nicht und sind verwundert darüber, daß es ein Volk geben soll, Eine Handlung, welche auf dem Pflichtgefühl beruht, kennen sie welches eine größere Freiheit verlangt als die, deren sie sich selbst im glücklichen" England erfreuen.
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Jm Ganzen und Großen kann ich nichts Gutes für die arbeitenden Klassen vom neuen liberalen Ministerium erwarten, weder in politischer, noch in sozialer Beziehung. Die Regierung kann und wagt es nicht, weder in der inneren, noch in der äußeren Politik, sich auf die Höhe eines großen Prinzips zu erheben. Und das Volk, aufgewachsen inmitten von elenden Kompromissen, erzogen in der Gemeinheit der Opportunität, strebt nichts an, als bloße Modifikationen der Tyrannei. Aber ein bloßer Wechsel in der Person des Tyrannen macht den Sklaven nicht frei. Nicht ein bloßer Formenwechsel, nein, nur die völlige Vernichtung der Tyrannei kann allein die den Reichthum erzeugenden Klassen zu der Stellung in der Gesellschaft erheben, zu der sie ein Anrecht haben und nach der sie unablässig streben sollten.
J. Sketchley.
Die Tschigiriner Affäre.
Der Bauernverein„ Tainaja Druschina"( Geheime Gesellschaft .) Versuch einer revolutionären Organisation im Volke.
( Fortsetzung.)
Von Petersburg zurückkehrend, sollte ich den Bauern vorlegen: 1) ,, Eine geheime allerhöchste Urkunde" und Statuten des Bauernvereins: Tainaja Druschina". Die Urkunde enthielt einen Aufruf, richtiger einen Befehl im Namen des Zaren an die Bauern: geheime Verbindungen einzugehen zum Zwecke der Erhebung gegen den Adel( die Gutsbesitzer). Folgender Gedanke wurde in ihr entwickelt: Der Zar habe von Beginn seiner Regierung an für das Wohl der Bauernschaft gesorgt, aber immer harts näckigen Widerstand von Seiten des Adels gefunden. Durch das Manifeſt vom 19. Februar 1861 habe er den Bauern nicht nur die persönliche Freiheit, sondern auch alle Ländereien zu persönlicher Nutznießung geschenkt, allen Volksklassen einen gleichen Antheil zuweisend( die Meiereien der Adeligen gehören ihnen meint das Volk). Aber die Herren( Banp) verhinderten die Verwirklichung des zarischen Willen seinem vollen Umfange nach und wußten es durch alle möglichen Intriguen und Betrügereien dahin zu bringen, daß die Bauern nahezu in der alten Lage blieben. Sogar in seiner Familie keine Gesinnungsgenossen zählend( der Kronprinz sei für die Adeligen) und überall von Feinden umgeben, sei endlich der Zar zur Ueberzeugung seiner absoluten Machtlosigkeit, zu Gunsten der Bauern allein etwas thun zu können, gekommen und schlage deshalb den Bauern vor, selbst für ihre Interessen zu kämpfen, zu welchem Zweck er der Bauernschaft befehle, geheime Verbindungen,„ Tainija Druschiny" genannt, einzugehen und Streitkräfte vorzubereiten zum bewaffneten Aufstand gegen den Kronprinzen, gegen die Großfürsten, det Adel, die Bureaukratie und die Pfaffen. Die geheimen Gesellschaften müßten nach dem vom Zaren genehmigten Statut organisirt werden. An der Spitze einer bestimmten Zahl von geheimen Gesellschaften stehen Kommisjäre, die das Zentrum der revolutionären Verwaltung ausmachen „ der Rath der Kommissäre". Der Zar gebiete, auch nach seinem Ableben die Sache der Bauern fortzusetzen und zu Ende zu führen. Hauptinhalt der„ Allerhöchsten geheimen Urkunde". Gedruckt war dieselbe auf einem großen Bogen Bristol Papier mit dem goldenen Siegel: " Imperator Alexander II".
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Das ist der
Das Statut der„ Tainaja Druschina" enthielt sechs Paragraphen. In Auszug ist ihr Inhalt folgender: 1) Die Pflichten der Kommis säre bestehen in der Leitung und Beaufsichtigung der Vereinsangelegen heiten( eines bestimmten Kreises), in der Herbeischaffung von Geldern, in der Herausgabe von Statutenergänzungen, die zusammen mit der Starostei auszuarbeiten sind. 2) Die Pflichten jeden Mitgliedes. Jedes eintretende Mitglied leistet einen Eid der Treue und wird nur unter Bürgschaft aufgenommen. Die Vereinsmitglieder sind verpflichtet, einander in der Noth beizustehen; jeder muß eine Lanze haben, dieselbe bis zur Moment des Aufstandes aufzubewahren, allmonatlich 5 Kopeken( zirka 10 Cts.) in die Vereinskasse entrichten und unermüdet neue Mitglieder zu werben suchen. 25 Mitglieder bilden eine Starostei und wählen einen Aeltesten( Starosta ) aus ihrer Mitte. 3) Die Pflichten des Starosta . Derselbe beaufsichtigt die laufenden Angelegenheiten seiner Starostei, sammelt die Beiträge, vereidigt die neu eintretenden Mitglieder, sorgt für die strengste Geheimhaltung des Vereins; er wird auf drei Monate gewählt. 4) Die Rada. Zwanzig Starosteien bilden eine Hettmannschaft; alle Starosteien oder Hettmannschaften bilden eine Zentralverwaltung ober Raba. 5) Die Pflichten bes Hettmann. Aus den ältesten ( Starosty) wählt die Rada den Hettmann, welcher eine vermittelnde Person zwischen dem Verein und dem Komissar ist. Der Hettmann ist, so zu sagen, die Executivgewalt, die Rada die gesetzgebende Körperschaft. 6) Der Kassirer, gewählt wie Voriger, verwaltet die Vereinsgelder, Am Ende des Statuts befindet sich die Eidformel und die Formel der Ableistung derselben:„ Vor dem Bilde des Heilands, dem Evangelium, einer brennenden Kerze und zweier kreuzförmig zusammengelegter Lanzen oder Meffer ( Dolche)." In der Mehrzahl der Exemplare war vor dem Statut die Urkunde abgedruckt. Auf jedem Statut war das Petschaft des Rathes der Kommissäre aufgedrückt, deren Wappen eine Lanze und eine Art, in gegenseitiger Kreuzung, darstellte. Der Text des Eides war separat abgedruckt. Schon im Juni 76 war ein Schreiben von mir. nach dem Dorfe
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Schabelnici gesandt worden, dahin lautend, daß der Ausgang meiner Mission günstig sei und daß ich überaus wichtige Dokumente mitbringe*). Dieses Schreiben wurde von den Dorfgenossen auch den Kijewern mitgetheilt. Die Erwartung steigerte sich in hohem Grade und als ich, leider erst im November 76, aus Petersburg nach Kijew kam, begrüßten mich die Bauern mit großen Freuden. Bei der Zusammenkunft( 9 Personen waren da, die übrigen kehrten schon nach Hause zurück) erklärte ich, den Kaiser gesprochen und von ihm ein Dokument erhalten zu haben, welches ich aber nur dann vorlesen würde, wenn mir das Versprechen gegeben werde, daß sie Alles geheim halten werden. Bereitwilligst gingen die Vauern darauf ein. Hierauf entfaltete ich die Urkunde, las sie vor, erklärte jeden Satz und forderte dann die Anwesenden auf, sich zu organi firen, zum Zwecke des Aufstandes, zur Errichtung des Gewünschter Augenscheinlich erwarteten die Bauern nicht derartiges und gaben mir teine Antwort. Erst am folgenden Tage erklärten sich 3 bereit, sofort
*) Das Schreiben war der Frau L. gebracht. Die Parzellianer bemerkten, daß ein Mensch zu der Frau tam und ein Papier( Brief) vorlas; nach einigen Minuten erschienen die Bezirksbeamten, aber schon zu spät. Weder Person, noch Schreiben war zu finden.