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Fleisch und Bein annehmen sehen und die Wärme seines Blutes und seiner Kraft fühlen können.

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-Eine herrliche Illustration für den deutschen Parla mentarismus bildet die Thatsache, daß es den sozialistischen Abgeordneten durch Polizeiverbote unmöglich gemacht ist, ihren Wählern mündlichen Bericht über ihre parlamentarische Thätig­keit zu erstatten. Vor kurzem verbot die Amtshauptmannschaft Leipzig eine Versammlung, in welcher Gen. Liebknecht über seine Thätigkeit im letzten sächsischen Landtag sprechen wollte. Ein gleiches Verbot ist schon wiederholt gegen Gen. Bebel von der Dresdener Polizei erlassen worden. Infolge dessen sah sich Bebel genöthigt, seinen Wählern schriftlichen Bericht zu erstatten, der indessen zweifellos ebenfalls verboten werden wird. Kritisirt er doch nicht nur schneidend die Thätigkeit des abgelaufenen Reichstags mit seinen Ausnahme-, Militär-, Steuer- und andern volksfeindlichen Gesetzen, sondern kennnzeichnet auch die herr­schenden Verhältnisse in maßvoller aber schlagender Weise. Daß ein Volksvertreter nicht mehr zu seinen Wählern frei sprechen darf, daß man ihn und seine Wähler, ohne richterlichen Spruch, nur durch Polizeigewalt mundtodt machen kann, das charakterisirt die Situation, das ist ein Zeichen von der Erbärmlichkeit und Nichtsnußigkeit unserer Zustände, die so faul und traurig sind, daß sie keine offene freie Kritik mehr vertragen können. Ein Staatswesen, das nur noch durch Ausnahmegeseße gegen seine Bürger leben kann, trägt den Keim der Zerrüttung und des Unterganges in sich. Und ein Blick auf die gesetzgebenden Faktoren zeigt allerdings, daß man mit seiner Weisheit zu Ende ist. Die ganze moderne Re­gierungskunst besteht in der Hauptsache nur noch im Beschneiden des letzten Restes von Volksfreiheiten, im Zurückrevidiren unserer fozialen Gesetzgebung und in der Belastung des Volkes mit neuen oder erhöhten alten Steuern zur Verstärkung unserer be­reits ins riesenhafte gewachsenen Militärlast." Dieser volksfeind­lichen Thätigkeit des deutschen Heichstags gegenüber schildert Bebel dann die wahren Aufgaben einer Volksvertretung in fol gender Weise: Es gilt nicht die Fortschritte, welche die Mensch­heit gemacht, zurückschrauben, sondern sie Allen zugänglich zu machen. Maschinen, verbesserte Technik, Anwendung und Ver­werthung der Naturkräfte im Dienste des Menschen, alle diese modernen Errungenschaften sind Gemeingut der Menschen. Und wenn alle diese Errungenschaften einem großen Theile unserer Mitmenschen zum Schaden gereichen, so sind daran nicht diese Errungenschaften, sondern die gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen schuld, welche den Reicheren und Stärkeren ihre Anwendung und Ausnutzung auf Kosten des Aermeren und Schwächeren ermöglichen. Schaffen wir also nicht Gesetze, welche den Fortschritt hemmen, sondern seine Ausnüßung Allen als Gemeingut zugänglich machen. Hindern uns daran unsere poli­tischen und sozialen Einrichtungen, so haben wir diese zu besei­tigen und durch vernünftige, dem allgemeinen Volksbedürfniß wirklich entsprechende Einrichtungen zu ersetzen. Keine Einrichtung darf uns heilig" sein, wenn sie das Wohlsein Aller verhindert." Und zum Schluß charakterisirt Bebel das Reich" und die Stellung der Sozialisten zu ihm in folgender treffenden Weise: " Das Reich ist ein Reich der Klassen- und Säbelherrschaft, da ist kein Platz für Gerechtigkeit. Thoren sind die, welche positive Maßregeln zum Wohle der Arbeiter noch hoffen. Man kann von den Dornen nicht Trauben, von den Disteln nicht Feigen Lesen," so steht es wohl irgendwo in der Bibel und das gilt auch vom heutigen Klassenstaat. Er ist faul bis ins Mark hinein! Kann ich nun als Einzelner, wie im Verein mit meinen wenigen Parteifreunden vorläufig auch Das nicht erreichen, was wir zum Wohlsein Aller für nothwendig halten, weil unsere Kräfte noch zu schwach sind, so dürfen wir doch keinen Augenblick in der energischen Bekämpfung alles dessen erlahmen, was wir als falsch, unheilvoll und verderblich ansehen. Als falsch, unheilvoll und verderblich sehe ich aber die Bahnen an, in denen unser öffentliches Leben steuert, und darum Widerstand und Opposition auf's Aeußerste gegen die Mächte, welche es regieren und leiten...."

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Dieser Rechenschaftsbericht wurde am 1. August morgens zwischen 7 und 9 von vierhundert Mann in 30,000 Exemplaren durch alle Straßen Dresdens verbreitet, noch ehe die Polizei ein Verbot zu erlassen im Stande war ein Beweis ebensosehr von der Ohnmacht der Polizei gegen: über den zielbewußten Arbeitern, als von der vortrefflichen Organisation unserer Dresdener Genossen. Mögen sich die Partei­genossen allerorts die Dresdener zum Vorbild nehmen!

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Die deutsche Polizei sucht, mangels anderen erreich: baren Materials, die( neulich gemeldete) Dresdener Plakat: angelegenheit zu einer Haupt- und Staats- Aktion aufzu puffen. Man will den Angeklagten wegen der Flugschrift An das deutsche Volt", welche schon in vielen Tausenden von Blättern in ganz Deutschland verbreitet wurde, einen Hochver­rathsprozeß machen, und sollen deshalb die Akten bereits an das Reichsgericht gegangen sein. Indessen ist, wie selbst die Bourgeoispreffe meldet, sehr zu bezweifeln, daß die Regierung damit Erfolg hat. Trotzdem werden die Gen. Kayser, Petzold, Paschty und ein vierter, dessen Namen wir nirgends finden, in­famer Weise in der Untersuchungshaft festgehalten.

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Die famose Bannbruchs- Geschichte ist nun endlich es thut erlebigt. Die Abgeordneten Fritzsche und Hasselmann wurden uns leid, die Namen zusammen nennen zu müssen auf Antrag des Staatsanwalts selbst freigesprochen. Der Reichstag braucht sich auf diesen Sieg" freilich nicht zu viel einbilden, wenn er für Bismarck auch immerhin eine Nieder­Lage ist.

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In Berlin wurden abermals zwei neue Auswei­fungen verfügt: die des Tischlers Weiß und des Drechsler­meisters Scheidig.

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Dresden , 26. Juli. Seit Sonnabend früh befindet sich die Dresdener Polizei in einem Zustande des politischen Deliriums, welcher zu ernsten Besorgnissen für ihre Heilbarkeit Anlaß giebt, und den Sonnen­stein mit Uebervölkerung bedroht. Den Anlaß zu dieser Geisteskrankheit gab ein Jur einiger hiesiger Sozialisten, welche die bekannten aus Berlin bezogenen Plakate An das deutsche Volk" über die städtischen Hunde­

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plakate klebten. Kaum hatten die ersten Nachtwächter ihre Leseübungen beendet, so erging Mittheilung an die Polizei, die Sozialisten kleben Aufruhr- Plakate an, sie wollen nächsten Montag früh neun Uhr Revolu­tion machen!" Nun wurde die Meute losgelassen und jagte durch die Straßen. Die erste Beute der Ordnungswächter war ein friedlicher Spießbürger, der kopfschüttelnd ein solches Plakat gelesen hatte und es abzureißen versuchte. Seine Bemühungen waren noch erfolglos gewesen, als er schon als Ankleber beim Kragen gepackt und später nach langer Mühe erst wieder losgelassen wurde. Einige Sozialisten, welche von der Polizei verfolgt wurden, warfen ihr den Kleiſtertops hin, und während sie sich auf dieses corpus delicti stürzte, entkamen die Verfolger. Ueberaus komisch wirkte ein Polizist in der Neustadt, welcher mit Bleistift ein so Plakat in sein Notizbuch abschrieb, während 12 Stunden lang lange brauchte er zu dieser Herkulesarbeit- fortwährend Leute ihn um­drängten, welche die Kundgebung lasen. Als er mit den Schreiben fertig war, strich er mit Bleistift das Plakat aus, und als man es nun trotz­dem las, stellte er sich mit dem breiten Polizeirücken davor, und scheuchte fortwährend mit beiden Armen die Kinder weg, welche sich an die Plakat­säule herandrängten. Ein Schauspiel für Götter! Endlich kam die Patrouille und belehrte den Mann, daß man solch' ein Plakat ja abreißen könne. Leider fielen der Polizei doch zwei Opfer in die Hände, der Parteigenosse Fischhändler Paschky und ein Tischler. Beide sind als der Plakatanklebung verdächtig verhaftet und am hellen Tage mit dem Strick gebunden nach dem Gericht abgeliefert worden, wo sie noch heute sitzen, obgleich das Plakat noch gar nicht verboten war und sie somit nur wegen der leichten Uebertretung der polizeilichen Anklebe- Verordnung bestraft werden könnten. Solcher Uebertretungen wegen ist keine Untersuchungshaft üblich. Die Inhaftirung der Beiden ist also ein unbefugter Racheakt der Behörden. Damit war aber der Zorn der gefoppten Polizei- Götter noch keineswegs versöhnt. Die Polizei verfügte noch end­gültig, daß Paschky seinen Laden Abends 10 Uhr schließen solle, eine Verfügung, die feinen andern Fuchhändler hier trifft und einer willfür­lichen Vermögensschädigung gleichkommt. Doch das Schlimmste tommt nun er st. Paschky, als Gefangener, konnte doch seiner Frau, welche das Geschäft weiter führt, die polizeiliche Verfügung nicht mit­theilen und Frau Paschky ließ wie gewöhnlich um 10 Uhr das Geschäft offen. Die Polizei bemerkte dies auch und sagte vorläufig nichts. Als aber etwa um 12 Uhr eine Anzahl Sozialisten, darunter der Reichstags sich daselbst Fische Abgeordnete Kayser, das Lokal betraten und fauften, erschienen zwei Polizisten und fragten kategorisch, ob Frau Baschky schließen wolle. Nein", war die Antwort, aber wenn sie es verantworten können, schließen Sie selbst." Damit reichte sie die Laden­schlüssel hin. Die Polizisten stürmten fort, erschienen aber plötzlich mit einer ganzen Rotte von ihresgleichen und Nachtwächtern, drangen ins Lokal und erklärten im frechsten Tone alle Anwesenden für ver­haftet. Frau Paschky, welche im hochschwangeren Zustande ist, fiel um und bekam einen Krampfanfall, während die Gäste, gegen zwölf Mann, welche thatsächlich nichts weiter gesagt und gethan, als in einem offenen Geschäfte Fischwaaren zum sofortigen Genusse gekauft hatten, je drei Manu nach der Polizeiwache abgeführt wurden. Hier ging es beispiellos roh und gemein zu. Die Verhafteten wurden angeschnauzt, mußten stundenlang stehen und als Einer bat, wegen eines Bedürfnisses hinaus­geführt zu werden, wurde ihm grob geantwortet: S... t in die Stube!" In Dresdener Polizeiwachtstuben ist es also üblich, daß man der Sitte und Reinlichkeit zum Hohn seine Bedürfnisse in der Stube verrichtet und obendrein Andere zu dieser Schweinerei von Amtswegen kommandirt! Pfui Teufel! Nach mehrstündigem Verhör wurden die Verhafteten mit Ausnahme von Zweien freigegeben, und die zwei in Haft Behaltenen abgeführt, aber nicht etwa, weil sie irgendwie weniger unschuldig waren, als die Uebrigen, o nein, sondern ihrer Personen wegen; es betraf nämlich den Reichstagsabgeordneten Kayser und den Redakteur Pezold. Ein deutscher Volks­vertreter verhaftet, weil er in einem polizeilich gemaßregelten Geschäft eine Delsardine kaufte! Beide Verhaftete fißen jetzt, zweimal vierund­zwanzig Stunden nach der Affaire, noch im Gefängniß, Pezold wurde sogar gestern, Sonntag, mit Stricken gebunden durch die Stadt trans­portirt, was ungeheure Entrüftung hervorries. Gleichzeitig fanden wieder eine Anzahl Haussuchungen statt, bei welchem u. A. ein Packet Tabat Waaren, welche dem Genoffen Kayfer gehörten und zum Versandt bestimmt waren, aufgerissen und der Schnupftabat, wie die Zigarren auf verbotene Schriften untersucht wurden. Aehnliche dumme Streiche der wüthenden Potizei geschehen noch stündlich. Daher wahrscheinlich bald Fortsetzung folgt!

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Vom Rhein und Maingau, 18. Juli. Wenn die Partei­genossen des Rhein - und Maingaues bisher wenig von sich hören ließen, so wäre es doch unrecht, daraus zu schließen, daß dort die sozialistische Partei nicht mehr auf dem Posten sei. Die Genossen halten noch tapfer zur Fahne, wenn auch seit dem Ausnahmegesetz manche Zwietrachtsäer aufgetreten sind. Es ist leider wahr, daß an vielen Orten Streitigkeiten entstanden sind, welche durch Personen angefacht wurden, die entweder früher niemals zur Partei gehörten, oder, wenn solches der Fall, sich in den letzten Jahren vor dem infamen Gesetz" unmöglich gemacht hatten. Was solche Personen früher nicht zu Stande brachten, das wird von ihnen infamer Weise jetzt, wo ein öffentliches Auftreten der Partei unmöglich ist, in Szene gesetzt. Jedoch wird diese Krisis zur Frende aller ehrlichen Genossen bald überstanden sein, indem die zahllosen Verdäch­tigungen, welche von solchen Elementen, insbesondere in Bezug auf Geld­angelegenheiten, ausgestreut wurden, sich alsbald als das, was sie waren, entpuppt haben. Und wie sich Jeder, welcher bisher noch zweifelte, vom Ober- Denunziant Hasselmann losfagen wird, durch dessen neueste Schur ferei unzweideutig aufgeklärt, so wird es alsbald überall kommen, und die schmutzigen Sonderbestrebungen einzelner Kliquen werden von der Einigkeit der zielbewußten Partei hinweggefegt werden. Mögen die Ge­nossen sich wieder allerorts bewußt werden, was sie wollen und ihr Parteiorgan eifrig lesen und verbreiten, so wird alsbald aus dieser Dis­kussion der Verdächtigungen und Verleumdungen eine sachliche und er­sprießliche Diskussion über Prinzip und Taktik hervorgehen, und die Partei wird mit einem Wort nach dieser Läuterungszeit wieder voll und ganz in die alten Fußtapfen eintreten und für ihre Prinzipien neue Stämpfer werben, wodurch alle Närgeleien von selbst verstummen.

Was die Herren in London anbetrifft, welche von der Ferne aus in Deutschland eine Organisation schaffen wollten, so sind die bewährten Genossen einig, daß von einem solch lächerlichen Gebahren sich Niemand irre machen läßt. Das Vorgehen der londoner Schreier erinnert uns sehr lebhaft an die Zeiten, wean in Oesterreich unter der Regierung der bekannten Maria Theresia vom grünen Tisch in Wien aus die Schlachten lenken zu können glaubte. Der tapfere Feldherr, den man in London gerne spielen will, gehört zu seiner Armee und müßte erst durch die That beweisen, daß er der rechte Mann am rechten Plazze ist. Die Phrasen in der Freiheit" haben sehr viel von der liberalen Manier angenommen, die bei jeder Gelegenheit von gewissen Helden sprechen, welche aber niemals sich dorthin gewagt haben, wo die Kugeln sausten, sondern immer hübsch in der Ferne blieben. Wie viele Genossen sind wohl schon durch die in der Freiheit" enthaltenen Majestäts­beleidigungen zu schweren Strafen verurtheilt worden, welche doch gar feinen Zweck hatten, sondern weiter nichts waren, als die Schimpfereien eines Ohnmächtigen, der dadurch seinen Muth(?) beweisen will. Würden die deutschen Sozialdemokraten, die sich bisher so ein­sichtig und brav verhielten, den Weg eingeschlagen haben, wie man ihn in London fordert, so wären jett hunderte und tausende der bewährtesten Sozialisten hinter Schloß und Riegel, und den Reaktionären wäre es zentnerschwer von der Brust gefallen, wenn der Polizei dieses Kunststück gelungen wäre. Das Vor­gehen des Herrn Most wäre nur dann ein richtiges, wenn er, gleich Herrn Hasselmann, im Dienste Bismarcks stünde. Wir wollen niemand Unrecht thun und Dinge bestimmt behaupten, welche wir nicht beweisen fönnen. Wenn wir aber bedenken, daß das ganze Londoner Vorgehen

wenn als ehrliche Ueberzeugung aufgefaßt für jeden einsichtsvollen So­zialdemokraten so unvernünftig ist, daß man es gesunden Sinnen kaum zu­trauen fann; wenn man sieht, wie dasselbe nur im Interesse der Reaktion, unserer Feinde ist; wenn man sodann daran denkt, daß auch Herrn Hasselmann früher viele nichts schlimmes zugetraut haben, während er sich jetzt als Verräther entpuppt hat: wenn man das alles überlegt, dann kommen einem allerlei Gedanken. Und vielleicht ist es gut, sich bei Zeiten an den Gedanken zu gewöhnen, daß unser auch von dort noch manche absonderliche Enthüllung erwartet. Es ist freilich schmerzlich für jeden Genossen, sich sagen zu müssen, daß Männer, die so lange in der Be­

wegung gewirkt und manches für die Partei gelitten haben, zu Hand­langern der Reaktion geworden sind. Aber es ist jetzt für die Partei eine Zeit der Prüfung und Läuterung gekommen; nun gut, wir wollen den bittren Kelch bis zur Neige leeren. Sorgen wir, daß auch der letzte Tropfen des Unreinen entfernt werde, dann wird dieser unerquickliche, aber nothwendige Prozeß überaus heilsam wirken und es wird auch uns in Bälde ein Engel erscheinen, der den Stein vom Grabe des Schein­todten wälzt. Und die deutsche Sozialdemokratie wird dann in neuem Glanze und neuer Macht hervortreten vor die Welt, die Hoffnung aller F. T. Unterdrückten, der Schrecken aller Feinde!

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? Augsburg , im Juli. Die Wittelsbacher Stiftung" hat nun auch hier ihren Betteltanz gefeiert; von Haus zu Haus liefen die liberalen Mameluken, die Distriktsvorsteher, mit den Proskriptionslisten des Patrio­tismus in der Hand. Und das Resultat? Ein jämmerliches Schandmal für die Charakterlosigkeit der Bourgeoisie. Bei Festen und Saufgelagen wedeln sie wie die Hunde vor der Büste des allerdurchlauchtigsten Lan­desvaters" und toben wie besessen gegen das vaterlandslose Arbeiter­gesindel" und nun hat in der reichen Stadt Augsburg die im Auf­trag und Namen des Königs verübte räuberische Erpressung die lächer­liche Summe von 8983 Mf. 65 Pf. ergeben. Und so wie hier im ganzen Lande. Optimistische Organe rechnen das Ergebniß des ganzen Landes auf 8-900,000 M.! Und damit soll dem ganzen bayerischen Handel und Gewerbe aufgeholfen werden! Ob dem thatenlosen Träumer am Starn­ berger See nicht selbst ein Gefühl der Scham aufsteigt, wenn er an die Noth des Landes, an diese Summe und an die vielen Millionen denkt, die er seit Jahren in wahnsinniger Verschwendung für Schlösser und Bauten à la Versailles und Trianon vergeudet hat, so daß selbst der Familienrath des königl. Hauses sich vor kurzem unter Vorsitz des Prinzen Luitpold über die Curatelfrage schlüssig gemacht haben soll? Und wann wird das Volk sich den Werth eines solchen Königthums vor­rechnen?- Apropos! Weil ich gerade bei der Wittelsbacher - Schenkung bin, will ich noch kurz nachtragen, daß die Völk- Schenkung nach Berichten ihren offiziellen Ausdruck darin fand, daß ein Freß- und Saufgelage ab­gehalten wurde, wobei die Komite- Mitglieder Bürgermeister Fischer und Schutzzollagitator Haßler dem sauberen Völk zu seiner politischen Charakter­losigkeit gratulirten, während Dr. Völk( schmeichelnder oder boshafter Weise? die römischen Auguren lachten sich auch ins Gesicht, wenn sie unter vier Augen waren!) dieses Lob auf Bürgermeister Fischer übertrug, der ja auch zum Renegaten an seinem früheren liberalen volksfreundlichen Streben geworden. Ein hübsches Nachspiel hat die Komödie dadurch er­halten, daß in der ganzen Stadt das Gerücht zirkulirt, das Hrn. Völk geschenkte Raspacher'sche Haus habe bisher nur 50,000 Mt. gekostet und sei auch dafür vom Komite gekauft worden, während das Komite 68,000 Mt. verrechnete und der Verkauf in dieser Summe publizirt worden, also 18,000 Mt. in die eigene weite Tasche steckte. Wir sind nicht dabei gewesen und haben mit den Herren vom Komite keine Fühlung, um vertraute Nachfragen zu halten; aber gesagt wird es allgemein und zu verwundern wäre es auch nicht: es ist nur oft geübte liberale Gründer­praris! Was sie an ihren Arbeitern jahraus jahrein thun, können sie auch einmal gegenseitig an sich selbst üben! Dr. Völk lacht sich auf jeden Noch ein Beispiel für Völks Mannhaftigkeit! Fall ins Fäustchen. Jüngst starb ein Sohn von Dr. Völk- nebenbei gesagt, von der Schule an ein vollendeter Taugenichts. Als es mälig zu Ende ging, wurde ein katholischer Pfaffe geholt, der ihm die Sterbesakramente reichte! Und der alt katholische Führer Völk dankte dem römisch- katho­lischen Pfaffen dafür und ließ seinen Sohn nach römisch- katholischem Ritus begraben! Als die extremen Pfäfflein dies erfuhren, wetterten sie im Kasino gegen den Domgeistlichen, der dies gethan, ohne offenen Widerruf zu verlangen! Schade, daß dieser dem alten Schwätzer mit dem schwäbischen Maut" erspart blieb!

Oesterreich- Angarn.

* In Wien spielen sich seit mehreren Wochen wieder eine Anzahl von Skandalprozessen ab, in welchen sich die Bourgeoisgesellschaft in ihrer ganzen Glorie zeigt. Da war zuerst der Monftreprozeß des sogen. Kadettenwucherers Seliger, der wegen Erpressung und Betrugs angeklagt war. Eigentlich hatte der Mann weder einen Betrug, noch eine Erpressung im gesetz­lichen Sinne begangen, sondern einfach immens hohe Zinsen ge­fordert und bei Eintreibung seiner gesetzlich unantastbaren Schuldforderungen Drohungen gebraucht, wodurch er hunderte junger Menschen zu Grunde richtete. War das aber wirklich ein Verbrechen, nun so müßten vernünftigerweise jene Zivilgerichte, welche immer die Vollstreckung der Schuldurtheile vollzogen haben, eigentlich seine Komplizen sein. Der Mann, der da als Ange­flagter vor den Geschworenen stand, hatte nicht ganz unrecht, als er sagte: Geld ist eine Waare und ich gebe diese so theuer als möglich." Vom Standpunkte der heutigen Bourgeoismoral und der heute maßgebenden kapitalistischen Wirthschaft hatte er damit vollkommen recht, umsomehr, da die bestehenden Gesetze den Wucher nicht verbieten. Wenn die Geschworenen den Hals­abschneider trotzdem zu mehreren Jahren Zuchthaus verurtheilten, so macht das wohl ihrem natürlichen Rechtsgefühl alle Ehre, aber das Verbrechen des Wuchers wird dadurch in keiner Weise beseitigt oder auch nur eingedämmt. Dann wurde ein Armen­rath der Stadt Wien , ein sehr angesehener Mann", wegen Unterschlagung zahlreicher für die Armen bestimmter Summen abgeurtheilt; die Armen wurden natürlich um die spärlichen ihnen von der öffentlichen Wohlthätigkeits"-Pflege ausgeworfenen Gelber geprellt. Und schließlich nahm auf der Anklagebank ein Beamter des Hauses Rothschild und seine Helfer Play, welche den Geldfürsten um einige Hunderttausende betrogen hatten. Das Interessanteste in dem Prozeß waren einige Briefe des mitangeklagten Kanit, eines Haupt- ,, Geschäftsmannes", in welchen derselbe dem Hauptangeklagten praktische Bourgeoiswirth­schaft lehrte. Ich muß auf dem Rücken meines Schuldners rücksichtslos arbeiten, ich muß demselben die Haut abziehen. Ein Banquier muß grausam sein..." Und: Der Weg zu großem Reichthum ist kein normaler, reich wird man nicht auf geradem Weg..." Enthalten diese Säße des Angeklagten nicht eine ver­nichtende Anklage gegen unsere ganze Gesellschaftsordnung, aus deren Herenkessel immer und alltäglich tausende und abertausende solcher giftiger, stinkender Blasen aufsteigen müssen?!..

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Belgien .

* Die belgische sozialistische Arbeiterpartei rüstet sich augen­blicklich zu der auf dem jüngsten Brüsseler Wahlrechts- Kongreß beschlossenen Massenkundgebung zur Agitation für das allgemeine Wahlrecht. Wie uns belgische Genossen mittheilen, verspricht diese Kundgebung, welche am 15. August in Brüssel stattfinden wird, wahrhaftig großartige Ausmaße an­zunehmen und der Wahlrechtsbewegung einen neuen Aufschwung zu geben.

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Brüssel , 28. Juli. Aufgepaßt! Der Schuft Lehmann wir meinen nicht den Berliner, sondern den Polizeispion gleichen Namens in Paris , handgreiflichen Angedenkens scheint von dem Denkzettel, den ihm s. 3. die Pariser Genossen als Belohnung für seine eifrige Amtsthätigkeit zugedacht, wieder hergestellt zu sein. Durch die glänzende Genugthuung, welche ihm die französische Polizei durch die Ausweisung mehr als eines halben Hunderts deutscher und sonstiger ausländischer Sozialisten gab, für seinen persönlichen Schaden getröstet, geht er frisch