bedauern sie und suchen mit allen Kräften ihre Lage zu mildern; aber über sie hinweg wollen wir zur Vergeltung schreiten, um endlich den Sieg und die Erlösung aus politischen und namentlich ökonomischen Feffeln mit erringen zu helfen. Und gerade jetzt, wo der Kongreß wieder eine Organisation geschaffen hat, jetzt, da wir uns wieder einig und stark fühlen, jetzt wollen wir doppelt eifrig am Orte arbeiten. Mögen nur auch die alten Freunde, die die Zwietracht der letzten Monate von uns theilweise getrennt, das bedenken und sich der früheren Zeiten entsinnen, da wir von persönlichem Streite unberührt, Schulter an Schulter fämpften. Nur innerhalb der Partei ist der Ort der Auseinandersetzung! Der Kongreß hat den Streit geschlichtet, stellen auch wir ihn ein und vereinigen wir unsere Waffen gegen den gemeinsamen Feind Staat und Kapital! Das wird uns auch stark machen! Wir haben uns früher nicht gefürchtet warum jetzt? Nein, wir fürchten uns nicht! Das beweisen die Opfer, die wir hier aufbringen trotz der lokalen Anforderungen und trotz der erschrecklichen Noth, in die viele unserer besten Genossen durch die Krisis und dadurch bedingte Arbeitslosigkeit gerathen sind, die so gerne ihre Parteibeiträge leisten würden. Und wie groß die soziale Noth hier in Augsburg , wo die Bourgeoisie und der kleine Theil des von ihr korrumpirten Arbeiterthums jüngst wahre Bachanalien der Servilität und des Mordspatriotismus feierten, schon seit Langem ist und wie schändlich die Fabrikanten diese Noth ausbeuten, das will ich in einem nächsten Briefe behandeln! Thun darum wir, die wir noch Opfer bringen können, unsere Schuldigkeit dann wird es auch gehen! Und wir werden sie thun, und mögen uns darin alle deutschen Genossen nachfolgen!
Oesterreich- Angarn.
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In der letzten Nummer des Wiener Arbeiterblattes„ Zukunft" findet sich auffallender Weise ein von Verdrehungen und Verleumbungen auf die deutsche Sozialdemokratie stroßzender, ganz in Londoner Manier geschriebener Artikel über den wydener Kongreß. Wir sagen: er findet sich auffälliger Weise; denn die „ Zut." ist unserer Partei stets sympathisch gesinnt gewesen und ihr Redakteur hat in derselben früher eine hervorragende Stellung eingenommen. Die Sache wird indeß erklärlich, wenn man weiß, daß der Redakteur nicht in Wien ist und die Zusammenstellung des Blattes von der Expedition abhängig ist, die, wenn sie ihre Befugniß überschreiten will, vom Redakteur gesandtes Manuskript zurückbehalten und anderes von ihm gar nicht gesehenes zum Druck befördern kann. Offenbar auf solche unehrliche Weise ist der betreffende Artikel in die Zut." gekommen. Er ist entweder direkt in London geschrieben oder es ist Londoner Inspirationen auf dem Weg verwandtschaftlicher Verbindungen in Wien die äußere Gestalt gegeben worden. Das Ganze ist daher zu betrachten, als ob es im Londoner Blatt selbst stünde. Was aber die„ Zuk." betrifft, so wird entweder der Redakteur die Urheber der Unterschiebung zur Rechenschaft ziehen oder er wird nicht weiter an einem Blatt mitarbeiten, an welchem derartige Geschäftspraktiken möglich sind. In letzterem Fall werden wir dann aller dings noch verschiedene ähnliche Auslassungen in ihm finden; allein sein Schicksal dürfte dann auch besiegelt sein.
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* Ein paar anarchistische Organe machen ein großes Aufhebens von einem„ belgischen sozial revolutionären Kongreß", der am 19. September in Brüssel stattgefunden haben soll. Wie wir nun den belgischen Parteiblättern entnehmen, war der Kongreß nichts als eine Zusammenkunft der wenig be: deutenden anarchistischen» Cercles réunis», auf welcher sechs Gesinnungsgenossen von auswärts anwesend waren. Die Macher könnten aus diesem riesigen Fiasko die Lehre ziehen, daß ihre seit langem betriebenen Versuche, unter den belgischen Sozialisten eine Spaltung hervorzubringen, ebensowenig Aussicht auf Erfolg haben, als die ihrer Bestrebungsgenossen in Deutschland . Ob sie sich aber wirklich belehren lassen werden?
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* Der Opportunismus, der Allmächtige des Tages, will, nachdem er Verwaltung, Justiz, Heer in seine Hand gebracht hat, auch die Arbeiter in seine Gewalt bringen: er will einen Sozialismus für seinen Gebrauch haben, so gut als Bonaparte den ſeinigen hatte. Und Dank der Beschränktheit eines Theils der Arbeiter und noch mehr Dank dem mächtigen Hülfsmittel Geld, das man nicht scheute, ist der Plan auch gelungen, allerdings nur zum Theil. Man erinnert sich, daß der letzte sozialistische Kongreß in Marseille als nächsten Kongreßort Havre bestimmte und der dortigen Arbeiterschaft die Organisirung des Kongresses übertrug. Den Ränken der Bourgeoisie ist es nun gelungen, den Organisationsausschuß bahin zu beeinflussen, daß derselbe in Ueberschreitung seiner Befugnisse dic Tagesordnung und vor allem die Bedingungen über die Ernennung der Vertreter in einer Weise festsetzte, daß die Sozialisten zum großen Theil ausgeschlossen worden wären, während die von den Gemeinde und Kreisräthen ernannten Arbeitervertreter" Zutritt erhalten hätten.
Die französischen Arbeiter und ihre Brüder in allen Ländern können dem Vorgehen der französischen Bourgeoiste eine treffliche Lehre entnehmen. Der Schritt, welcher die Bourgeoisie in Frank reich am meisten verwirrt hat, ist der Eintritt der Arbeiterpartei in den Wahlkampf. Diese Politiker, welche gewohnt waren, leichte Siege über politisch mehr oder weniger fortgeschrittene Kandidaten zu erringen, haben sofort die Schwierigkeit erkannt, ihre parlamentarische Komödie noch länger ungestört fortzuspielen und ein Programm sozialer Rückforderungen erfolgreich zu bekämpfen. Sie sind deshalb auf die Finesse verfallen, durch ihre Lohnschreiber von der Arbeiterpolizei ein falsches soziales Programm machen zu lassen, und nun wollen sie dies Programm durch den PseudoKongreß zu Havre annehmen lassen, den sie vermittelst des Geldes der regierung und der von den Gemeinderäthen bezahlten Delegirten organisiren. Es ist zweifellos: solange die sozialistische Partei sich nur auf die Theorie beschränkte, be fümmerte man sich höheren Ortes wenig um sie; aber von dem Augenblick an, wo sie ihre Rückforderungen vor die Massen brachte, wo sie beschlossen hat, an der Wahlhandlung theilzunehmen, von diesem Augenblick an griffen die Herrschenden ein und suchten die sozialistische Propaganda hinterrücks zu vereiteln und ihre Erfolge vorwegzunehmen. Alle von den sozialistischen Kongreffen gefaßten Beschlüsse über das Eigenthum, das Lohnwesen, den Unterricht 2c. haben die Bourgeoisie vollkommen ruhig ge lassen, denn sie wußte ganz genau, daß sie mit einem Heere von 300,000, ia wenn nöthig 1,200,000 Mann stets recht behalten werde. Die Sozialisten aber versetzten sie in die Unmöglich keit, ihre Macht anzuwenden, um sie auszurotten, und ließen ihr als einzige Waffe die Hinterlist. Auf diesem Gebiet aber werden die Sozialisten so start sein, als ihre Feinde.
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muß man wissen, daß die Republik ihren Bürgern noch immer kein Vereins- und Versammlungsgesetz gegeben hat, daß die Arbeiter mithin noch nicht in der Lage waren, sich politisch organisiren zu können. Diese wird jetzt in allerwirksamster Weise durch die Streifversammlungen ersetzt. Es gibt in Frankreich keine soziale Frage" hat Leon Gambetta vor einiger Zeit von der Deputirten- Kammer in das Land hinein trompetet. Nun, die Herren Bourgeois sollten sich nach einem andern Fleck Erde umsehen, hier in Frankreich dürfte ihre Herrlichkeit bald zu Ende sein!
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Um nicht in die gelegte Falle zu gehen, fordert die Arbeiter: schaft oder richtiger der Bundesverband der Gruppen, Gesellschaften und Gewerkschaften der sozialistischen Arbeiter Frankreichs , aus dem die endgiltige Parteibildung hervorgehen soll- die Sozialisten auf, an dem Havrer Kongreß nicht theilzunehmen und ihren Kongreß für sich zu organisiren, fern den Bourgeoisränken und in Achtung der Beschlüsse des letzten sozialistischen Landeskongresses und indem sie nur freie und unabhängige Vertreter des Proletariats zuläßt. Dieser Kongreß wird wahrscheinlich in Reims stattfinden. Man werde also an dem Fortgange der sozialistischen Sache in Frankreich nicht irre. Man lese die energischen Erklärungen und Aufrufe der Sozialisten von Reims , Der Bericht der berliner Kongreß- Delegirten nach der Troyes , Dijon , Cette, Marseille , Lyon , Roanne , Elboeuf und anderer Orte und man wird sehen, daß unter den sozialistischen Arbeitern ein guter Geist herrscht. Freilich ist kein Augenblick zu versäumen zur Vereinigung aller Elemente, zur Organisation des Kongresses und zur Vorbereitung der kommenden Wahlen, die beweisen sollen, daß die französischen Arbeiter aus soviel ruhmreichen Niederlagen und unzähligen Opfern gelernt haben.
- Das neue Ministerium ist gebildet. Dasselbe ist geradezu ein Schlag ins Gesicht des Proletariats. Zum Marineminister hat man den Admiral Cloué genommen, einen Mann, welcher der größte Feind der Republik ist und an dem Staatsstreichkomplott des 16. Mai betheiligt war. Minister des Aeußern aber ist niemand anderer geworden, als Barthélemy SaintHilaire, der Busenfreund und Spießgeselle des Kommuneschlächters Thiers, derselbe, der während des Bestehens und Kampfes der Kommune alle die offiziellen Lügen über sie ersann und durch die europäische Bourgeoispresse verbreitete, der intellektuelle Urheber der Ermordung Ferré's. Und dieser Mann erklärt bei seinem Amtsantritt, daß er genau die Politik seines, erhabenen Meisters und Freundes" einhalten werde. Es kann wohl keine vernichtendere Charakteristik der Herrschenden„ Republikaner " und ihrer angeblichen„ Versöhnlichkeit" gegen das Proletariat geben! - Das wiederholt erwähnte anarchistische Organ» La Révolution Sociale« Teugnet in seiner letzten Nummer, daß sein verantwortlicher Redakteur( gérant) den in unserer Nr. 38 erwähnten Brief an uns geschrieben habe. Wir bemerken hierauf, daß der in Rede stehende Brief, der zugleich mit einer Anzahl Abonnements- Einladungen auf die» Rév. Soc.« von Paris an unsern Verlag gesandt wurde, sich in unseren Händen befindet. Wir werden denselben einem pariser Freund übersenden, mit dem Ersuchen, daß letzterer sich mit einem Zeugen in die Redaktion ber» Rév. Soc.« begebe und dort die Echtheit des Briefes feststelle.
So wenig wir übrigens dieser Untersuchung vorgreifen möchten müssen wir doch bemerken, daß der Brief alle Zeichen der Echtheit trägt. Eine Ableugnungwider besseres Wissen ist aber recht wohl, von einem Blatte zu erwarten, welches in seinen Mittel so wenig wählerisch ist, daß es gegen die nichtanarchistischen Sozialisten den ganzen Schimpfwörterlerikon seines londoner Vorbildes anwendet. Ja es geht noch weiter, indem es die Ehrennamen, mit denen es die Sozialdemokraten belegt für seinen Geschmack
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recht bezeichnend recht bezeichnend auf einem Gebiete sucht, das man selbst bei den schmutzigsten Bourgeoisblättern nur im Inseratentheil ( Nath und Hilfe allen Männern, Geschlechtsleiden 2c.) kultivirt sieht und von dem sich jeder gesittete Mensch mit Ekel abwendet. In Nachahmung des Herrn Dühring, der s. 3. den für die Wissenschaft so fruchtbringenden literarischen Verkehr Marr' und Engels' aus ohnmächtiger Wuth über die gründliche Abführung seitens des letzteren als geistige Tribadie" bezeichnete, nennt die» Rév. Soc.« die nicht anarchistischen und nichtsozialrevolutionären" Sozialisten» les masturbateurs de Socialisme et de la Révolution.«( Die beiden Ausdrücke sind schlage ein beliebiges Wörterbuch nach.) uns zu schmutzig, als daß wir sie verdeutschen möchten; man
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seiner Unbedeutendheit, selbstverständlich nicht weiter befassen. Mit einem solchen Gegner werden wir uns, abgesehen von
LX Paris, 20. Sept. Unser Parteiorgan beschäftigt sich jetzt immer so viel mit politischen Vorkommnissen, daß es wohl einmal der Mühe verlohnt, auf die sozialen Kämpfe der Gegenwart zu sprechen zu kommen. Anlaß dazu soll der seit einiger Zeit tobende Kampf der Kunsttischler ( ébénistes) von hier geben, weil derselbe so recht geeignet ist, die Bourgeoisie, da wo dieselbe im Vollbesitz aller Macht ist, in ihrem rechten Lichte zu zeigen. Es ist im Soz.- Dem." schon des öfteren hervorgehoben worden, daß die Bourgeoisie feig und brutal ist, welche Charaktereigenthümlichkeit Hinterlist und Grausamkeit im Gefolge hat. Diese Eigenschaften hat die französische Bourgeoisie bei dem Lohnkampf der Kunsttischler auf's neue entwickelt, und will ich in Kürze den Thatbestand vorführen. Im Juli fanden mehrere Versammlungen der Kunsttischler statt, in welchen beschlossen wurde, eine Lohnerhöhung von 25-30 Proz. zu verlangen und die Durchschnittsarbeitszeit auf 10 Stunden festzustellen. Man kam überein, diese Forderung den Arbeitgebern gleichzeitig zuzustellen, mit der Durchführung derselben aber partiell vorzugehen. Die Genossen werden wohl wissen, daß in Paris der Zentralpunkt der Möbelindustrie ist, daß hier gewissermaßen diese Industrie auf den höchsten Gipfelpunkt gebracht und tonangebend für die ganze Möbelindustrie überhaupt ist. So sind denn gegen 40,000 Kunſttischler hier beschäftigt, abgerechnet diejenigen Arbeiter, welche die bessere Bauarbeit verfertigen, welche ebenfalls sonst überall von den Möbeltischlern hergestellt wird. Das Vorgehen des Erekutiv- Komite's der Arbeiter war vom Glück begünstigt. Da die Arbeit flott geht, sahen sich innerhalb drei Wochen gegen 100 Arbeitgeber veranlaßt, die Forderung der Arbeiter anzunehmen und dem Programm der Arbeiter ihre Unterschrift zu geben, was bei manchem Arbeitgeber ohne Streik geschah, bei andern dauerte es nur einige Tage. Einige der größten Häuser, welche bis zu 400-500 Arbeiter beschäftigten, hatten ebenfalls akzeptirt, daneben noch eine ganze Anzahl kleiner Meister. Soweit ging die Sache gut, bis gestern Sonnabend von den Arbeitgebern in einer Versammlung, welche von morgens 7 Uhr bis gegen Abend dauerte, beschlossen wurde, dem weiteren Vorgehen des ErekutivComite's durch Schließung der sämmtlichen Werkstätten zu begegnen, und 38,000 Kunsttischler derart auf die Straße zu werfen, während die anderen Arbeiter, welche nur Beschäftigung haben, wenn die Kunsttischler ebenfalls arbeiten, gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen sind. Man denke: dieser Beschluß ist gefaßt worden von denselben Herren, welche einige Stunden, einige Tage oder einige Wochen vorher dem Programm des Arbeiter- Exekutiv- Komite's ihre Zustimmung durch Unterschrift gegeben haben!
Aber die meisten dieser Herren haben die Rechnung ohne den Wirth gemacht, das heißt, sie müssen sie theuer bezahlen. Dadurch nämlich, daß die Herren ihre Unterschrift dem Programm gegeben haben, sind sie gesetzlich verpflichtet, die darauf angefangenen Arbeiten fertig stellen zu lassen oder auszuzahlen. In der heute stattgefundenen Versammlung der Arbeiter ist beschlossen worden, daß jeder einzelne Arbeiter seinen Meister vor das Gewerbegericht( Conseil des Proudhommes) laden soll, um so eine Entscheidung des Richters herbeizuführen, welche allemal zu Gunsten des Arbeiters ausfallen muß. Zu der Feigheit und Brutalität der Bourgeoisie gesellt sich also in würdiger Weise noch die Dummheit. Aber politische. Dadurch nämlich, daß der Lohnkampf in solcher heftiger Weise die ganze Angelegenheit hat noch eine andere Seite und zwar eine hoch
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entbrannt ist, sind die Arbeiter aufgerüttelt, und die Versammlungen, welche regelmäßig stattfinden, werden zu wahren Demonstrationen. Nun
Streitfache.
„ Freiheit".*)
Das genannte Blatt enthält in seiner Nr. 38 ein Referat über den Bericht, welchen die berliner Kongreß- Delegirten ihren Mandatgebern erstattet haben sollen, der, wenn er auf Wahrheit beruht, die Verwunderung aller auf dem Kongreß anwesend gewesenen Genossen hervorrufen und die beiden berliner Delegirten in ein sehr eigenthümliches Licht stellen dürfte. Da die große Mehrzahl der Leser des„ S.-D." die " Freih." nicht zu Gesicht bekommt, so sind wir genöthigt, die wichtigsten Sätze jenes Berichtes hier abzudrucken; wir werden dann daran anknüpfend dem Leser beweisen, bis zu welchen Grade von Verdrehung und Doppelzüngigkeit es ,, Genossen" zu bringen im Stande sind.
In dem erwähnten Bericht wird ausgeführt, daß die berliner Vertrauensmänner, 24 an der Zahl, sich nur mit einer Stimme Majorität für die Beschickung des Kongresses ausgesprochen, daß die beiden Delegirten der sozial- revolutionären" Richtung angehörten, darunter Herr Most, gehöriger, Vertreter gewählt wurde. Diese zwei Delegirte", heißt es dann und daß, nachdem letzterer abgelehnt, ein anderer, derselben Richtung Anwörtlich ,,, erhielten bestimmte Aufträge, so unter anderen denjenigen, den Kongreß sofort zu verlassen, falls Unregelmäßigkeiten vorkämen, und sie kamen diesem Auftrage nur deshalb nicht nach, weil der eine der zwei Delegirten mit den präzisirten Verhaltungsmaßregeln viel zu spät in der Schweiz ankam, was hier allgemein als ein hinterlistiger Coup gegen die Opposition angesehen wird." Weiter heißt es mit Bezug darauf:„ Der eine der berliner Deligirten kam, wie schon erwähnt, zwei Tage zu spät zum ,, Kongreß ", obwohl die zürcher Herren wußten, wohin man ihn benachrichtigen sollte; allerdings wußten sie auch, daß er einer ihnen feindlichen Richtung angehört."
Diesem Lügengewebe gegenüber sei folgendes zur Steuer der Wahrheit konstatirt: Wochenlang vor dem Kongreß kamen eine Anzahl berliner Genossen, darunter der eine der Kongreßvertreter, und zwar von Seiten der berliner Vertrauensmänner gewählt, mit verschiedenen Führern" zusammen, um sich neben anderen Fragen auch über die Beschickung des Kongresses zu verständigen. In dieser Zusammenkunft erklärten sämmtliche an= wesende Berliner , inklusive des späteren Kongreßdelegirten, auf ausdrückliches Befragen, daß sie die Einberufer des Kon= gresses für dessen Einberufung autorisirt erachteten, daß sie für die Beschickung des Kongresses wirken würden und daß sie bereit seien, den„ Soz. Dem." als einziges offizielles Organ der Partei anzuerkennen. Auf Grund dieser Versicherungen erklärte man sich auf der anderen Seite bereit, in Rücksicht auf die Lage Berlins , die Hälfte der Kongreßfoften aus Parteimitteln zu schaffen, und entsprechend diesem Uebereinkommen wurden von den 290 Mt. betragenden Vertretungskosten für Berlin nicht weniger als 215 Mt. aus Parteimitteln gezahlt, also weit mehr als die Hälfte, trotzdem man wußte, welcher Richtung die Gewählten angehörten.
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Diese Thatsachen strafen die Behauptung Lügen, als habe man sich Seitens der Kongreßeinberufer vor den berliner Delegirten„ gefürchtet". Die berliner Delegirten waren auf dem Kongreß ganz überraschend zahm, sie zeigten eine solche Scheu, die von ihnen eingebrachten Anträge auch nur zu motiviren, daß es wiederholter Aufforderungen des Präsidiums und der energischen zurechtweisung mehrerer Redner über ein solches Benehmen bedurfte, nicht um ihnen die allerdürftigste Motivirung zu entlocken, sondern die Erklärung, daß sie dieselben nicht zu motiviren vermöchten; sie haben auch für die meisten ihrer Anträge nicht einmal gestimmt.
Und was die Beschuldigung anlangt, der zweite berliner Delegirte sei durch einen hinterlistigen Coup der zürcher Herren" verhindert worden, erst nach zwei Tagen zu erscheinen, so sei folgendes angeführt: Ein berliner Ausgewiesener hatte die kaum glaubliche Naivität, Namens des berliner Komites das Verlangen zu stellen, man solle dem ursprünglichen zweiten berliner Delegirten, Herrn Most, die Vertretungskosten nach London schicken. Dieses Verlangen wurde selbstverständlich kurzer Hand zurückgewiesen und so mußte man sich bequemen, an Stelle des Herrn Most einen Anderen zu wählen. Diese Wahl fand aber so spät statt, daß eine Benachrichtigung von derselben nicht mehr nach Zürich gelangte. Obgleich der Delegirte sofort von Berlin abreiste, kam er erst Sonntag Vormittag in der Schweiz ( Winterthur ) an und verdankte es nur einem reinen Zufall, daß er erkannt, und nach dem Kongreßort dirigirt wurde, weil vom Komite niemand daran dachte, daß zu dem für Freitag Abend angesetzten Kongreß sich noch Sonntag Vormittag jemand einfinden würde.**) Es sind also nicht die„ zürcher Herren", sondern einzig die Berliner , welche die verspätete Wahl vornahmen, daran schuld, wenn ihr zweiter Delegirter zu spät eintraf, und hiernach mag man weiter die Perfidie des Referenten der Freih." beurtheilen.
Weiter. In den zitirten Sätzen wird von den Aufträgen gesprochen, die der zweite Delegirte mitbrachte und die in der Hauptsache dahin lau. teten, sofort den Kongreß zu verlassen, falls Unregelmäßigkeiten" vorkommen sollten. Was sind nun für„ Unregelmäßigkeiten" vorgekommen? Nach dem Bericht wird ein Hauptgewicht darauf gelegt, daß keine Mandatprüfungskommission gewählt wurde. Der Antrag auf Wahl einer solchen ist nicht von Berlin gestellt worden wie der Bericht in der Freih." der Wahrheit zuwider behauptet, sondern diese Wahl wurde vom Präsidium angeregt, und nach längerer Debatte beschlossen, in Rücksicht darauf, daß eine Mandatsausstellung in früher gewohnter Weise vielfach unmöglich gewesen sei und es sich nur darum handeln könne, festzustellen, ob gegen einen der Anwesenden irgend ein Einwand vorliege, daß er zur Vertretung auf dem Kongreß nicht berechtigt sei, von einer eigentlichen Mandatprüfung abzusehen. Es wurde dabei noch ganz besonders hervorgehoben, daß diejenigen, die wie Most, Hasselmann und Konsorten, den kongreß nicht anerkennen wollten, ihn so wie so nicht ankennen würden, da diese Herrchen stets Einwände gegen die Legalität des Kongresses vorbringen würden. Auch die hierauf gestellte Frage: ob gegen einen der Anwesenden Zweifel in Bezug auf seine Vertreterschaft vorlägen, hat die Versammlung dieses einstimmig verneint. Die Herren berliner Deve girten haben auch dann geschwiegen und feine ,, Unregelmäßigkeit" entdeckt, als am Sonntag Abendwo beide berliner Delegirte anwesend anläßlich einer verwandten Debatte ein sogenannter„ Führer" nochmals auf die Mandatsfrage zu sprechen kam. Wir müssen hier wiederholt hervorheben, daß das ganze Auftreten der Berliner , abgesehen von den Anträgen, die sie als Werkzeuge ihrer Mandatgeber stellten, nichts von ernsthafter Opposition spürenließ; am allerwenigsten merkte man aus ihrem Auftreten, daß sie zu den fürchterlichen SozialRevolutionären" gehörten, wenn man letzteres eben nicht gewußt hätte. Die übrigen Delegirten, die mit Ausnahme eines einzigen, sämmtlich auf dem Boden der alten Partei standen, haben gegenseitig weit schärfere Angriffe gewechselt, als dies Seitens der Opposition par excellence geschah. Wer dem Kongreß beigewohnt, der hat auch den Eindruck bekommen müssen, daß alle Anwesende ohne Ausnahme und ohne Rücksicht auf irgend eine Person, frei von der Leber gesprochen haben und die besten Freunde manchmal recht heftig hintereinander geriethen. Wer das Gegentheil behauptet, der lügt in seinen Hals hinein.
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Das zahme und weinerliche Auftreten der berliner Vertreter auf dem Kongreß ist allseitig so erklärt worden, die Herren seien durch den freien,
*) Dem Kongreßbeschlusse und unserem jüngst ausgesprochenen Grundsatz gemäß würde der folgende Artikel nicht zur Aufnahme gekommen sein, wenn es sich nicht weit mehr um eine berliner Angelegenheit als um die Freih." handelte. D. R.
**) Mehrere Kongreßtheilnehmer, worunter einer, der zum Winterthurer Empfangsausschuß gehörte, bemerken, daß diese Darstellung auf Irrthum beruhe. Der angeblich zu spät gekommene berliner Vertreter set nämlich nicht erst am Sonntag, sondern bereits am Samstag vormittags in Winterthur angekommen und denselben Tag nachmittags nach Wyden weiter gereist. Demnach hätte der berliner Bericht auch in dieser Beziehung eine Lüge. D. R.