modernen Verhältnissen gegenüber revolutionär, die Anarchie reaktionär.
Und selbst wenn die Anarchie in fernerer Entwicke Iung eine höhere Stufe des Sozialismus oder Kommunismus wäre, so wäre sie heute reaktionär, wie es der Kommunismus früherer Jahrhunderte der aufstrebenden Bourgeoisie gegenüber war
Und wenn sich ein Mamn, der das weiß oder wenigstens wissen sollte, denn er hat es oft genug gepredigt, heute erlaubt, den deutschen Arbeitern die anarchistische Theorie als das Non plus ultra des Radikalismus präsentiren zu lassen, so mögen diese es uns nicht übel nehmen, wenn wir in einem zweiten Artikel an einigen konkreten Beispielen noch weitere Löcher in seiner neuesten Pauke bloslegen.
Die Tschigiriner Affäre.
Leo.
Der Bauernverein„ Tainaja Druschina"( Geheime Gesellschaft ) Versuch einer revolutionären Organisation im Volke. ( Fortsetzung.)
Es ist sehr schwierig, den weiteren Gang der Geschichte der geheimen Gesellschaft Schritt für Schritt zu verfolgen. Nach den Beschlüssen, in ihre Reihen auch die Parzellianer hineinzuziehen, verbreitete sich die Druschina schnell. Anfänglich beschränkte sich ihre Thätigkeit hauptsächlich auf den Bezirk Schabelniki. Bald aber bildeten sich neue Zentren, die mehr oder weniger unabhängig von der Meinung und Leitung der Schabelniker waren. Umsonst waren die Mahnungen, die ich in meinen Briefen an die Druschina richtete, die Massenaufnahme der Mitglieder einzustellen und die inneren Angelegenheiten mehr zu berücksichtigen. Schon im Monat Mai verbreitete sich im ganzen Kreise das Gerücht, daß diejenigen, die von der herrschaftlich- büreaukratischen Knechtschaft befreit werden wollen, in eine gewisse Gesellschaft sich aufnehmen lassen müßten, und daß die Leiter dieser Angelegenheit die Schabelniker seien. Die Bezirksgemeinde Adamow z. B. beschloß Abgesandte nach Schabelniki zu senden, um genau zu erfahren, was für ein Vorhaben sie eigentlich hätten. Den Abgesandten wurde Aufklärung gegeben, sie wurden in die Druschina aufgenommen und, mit Statuten versehen, zurückgesandt. Nach zwei Wochen schon zählte A. 250 Mitglieder.
Das Anknüpfen von unmittelbaren Verbindungen mit mir, ohne Vermittelung der Schabelniker, war die erste Frage, die im neuen Punkte entstand. Drei Abgesandte wurden nach K. gesandt, wo ich den 2. Juni anfommen sollte. Sie kamen aber leider nicht dazu, mich zu sprechen. Die Sache war die, daß mit ihnen zwei Aelteste aus dem Dorfe M. reisten, welche bereits ihre Legalität verloren hatten und von den Behörden gesucht wurden. Auf dem Markte in K. wurden sie verhaftet, und gleichzeitig mit ihnen die zwei Adamower. Schon zu dieser Zeit war in der ganzen Gegend nicht nur das Gerücht ausgebreitet, daß im Tschigiriner Kreise irgend eine wichtige Sache vor sich gehe, sondern auch das Wort Druschinit( Mitglied der Druschina) wurde bekannt als gleichbedeutend mit abtrünnig vom gewöhnlichen, sich ruhig verhaltenden Volk. Die M- er Mitglieder richteten die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich eben dadurch, daß im Markte auf sie hingewiesen wurde, als auf„ Druschinit's". Bei den A.'ern wurde das Verzeichniß der 250 Mitglieder gefunden, und bei einem der Aeltesten ein Verzeichniß der M- er Dorfeinwohner, die Gewehre besitzen. Dank nur den Versicherungen der Verhafteten, daß diese Verzeichnisse Bauern angeben, die eine gewisse Bitte an den Gouverneur zu zeichnen wünschten, blieb ihre wirkliche Bedeutung der Behörde zwar unbekannt, indessen wurden die Verhafteten nicht entLaffen.
Die Bezirksbehörden gewannen die Ueberzeugung, daß zwischen den Bauern, etwas" Unheimliches gestiftet wird. Allerdings vermutheten sie nnter diesem Etwas nur die alte Geschichte betreffs des Grund und Bodens und der Lustrationsaften. Die Aufsicht wurde aber doch verstärkt, besonders was den Bezirk Schabelniki betraf. Die Parzellianer, vom Jsprawnit( Polizeirichter) gehetzt, verdoppelten ihre Wachsamkeit betreffs der Gemeindeeigenthümler. Lazar, der nach einiger Zeit ins eigene Dorf sich einschlich, wurde von den Parzellianern bemerkt, ergriffen und nach dem Bezirke gebracht. Diese Verhaftung, obwohl sie der Druschina eines ihrer thätigeren Mitglieder entzog, schadete doch dem Geheimbleiben der Existenz derselben in keiner Weise, denn Lazar schwieg hartnäckig. Die aufgebrachten Machthaber verschickten den 65jährigen Mann nach einer Stadt Westrußlands. Da die Druschina von ihrer inneren Angelegenheit
immer mehr abgelenkt wurde durch die Befürchtung, entdeckt zu werden, so trachteten sie danach, Mittel zu finden, um die äußerste Wachsamkeit ihrer Feinde einzuschläfern.
( Fortsetzung folgt.)
Sozialpolitische Rundschau.
* Nach den Berechnungen der vulgären Nationalökonomen müßte der Volkswohlstand in Zürich sehr im Zunehmen begriffen sein, hat sich doch die Zahl der im Kanton wohnenden Millionäre bon 1872-79 von 40 auf 60 vermehrt! Aber auch das Proletariat ist zu gleicher Zeit in erschreckender Znnahme begriffen. Während 1878 nur 3057 Konkurse eröffnet wurden, betrug deren Zahl 1879 5277. Der Mittelstand stirbt aus, die Zahl der Millionäre und der Enterbten wächst und immer näher rückt die Stunde, welche die Enteignung der Enteigner bringt.;
* Vor wenigen Tagen, am 21. Oktober, feierte das Sozia listengesetz zum zweiten Mal sein Wiegenfest. Der ursprüng: lichen Meinung der Gesetzgeber nach wären schon vier Fünftel seiner Lebensdauer abgelaufen und müßte es demnach seine Bestimmung schon so ziemlich erfüllt, die erwarteten Erfolge bereits getragen haben. Wie steht es damit? Wir sind so oft in der Lage, unseren Lesern die famosen Erfolge" dieses Gesetzes vor Augen zu führen, und unsere Genossen tennen dieselben meist aus eigener Erfahrung so gut, daß wir keine Lust spüren, das schon bekannte zu wiederholen. Aber wir halten es für geeignet, das Urtheil eines nicht sozialistischen norddeutschen Blattes anzuführen, welches sich zutreffend also ausdrückt:
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,, Daß das Gesetz seine Bestimmung nicht im entferntesten erfüllt hat, weiß jedermann. Wenn die Sozialdemokraten den erwähnten Tag nicht
ab Grinnerungstag begingen, so lag das wohl nur daran, daß ihnen überhaupt keine gesellschaftliche Bewegung gestattet ist. Ursa che hätten sie dazu gehabt; denn in zwei Jahren läßt sich schon darüber urtheilen, ob ein Gesetz wirksam ist oder nicht, und das Sozialistengesetz hat sich in den zwei Jahren seines Bestehens trotz der drakonischen Strenge, mit welcher es angewandt wurde, als gänzlich unwirk sam erwiesen. Nach wie vor muß man mit den Sozialisten in allen Diskussionen und politischen Bewegungen, Wahlen 2c. als mit einer vorhandenen, schlagfertig auf dem Plan stehenden Partei rechnen, die Führer versehen nach wie vor ihre Aemter als Abgeordnete 2c. und die großen fozialdemokratischen Massen sind mit den herrschenden Systemen im Staate nicht versöhnt, im Gegentheil sie sind noch mehr verbittert worden durch ausnahmegesetzliche Maßregeln, welche manchen Einzelnen schwer trafen, ferner durch die Zerstörung ihrer Kassen, Vereine und Zeitungen. Wenn man sie wegen ihres Radikalismus früher Feinde von Staat und Gesellschaft nannte, so trifft diese Bezeichnung auch jetzt noch
zu. Das Oktobergesetz hat daran gar nichts geändert, es hat hierin nicht den Schatten eines Erfolges aufzuwasen. Auch die sozialdemokratische Disziplin ist noch die alte, selbst im„ belagerten" Berlin . Mit Ausnahme einiger verstreuten Elemente, welche sich nach rechts und und links abbröckelten, folgt Alles der Taktik, welche von der Partei offiziell eingeschlagen wurde.
,, Weder eine positive noch eine negative Wirkung des Sozialistengesetzes ist also, wenn man nicht Kleinigkeiten und Einzelheiten in Betracht ziehen will, zu verspüren. Es ist alles(? D. R. ) beim alten geblieben... Vor dieser Sachlage stehen die Angehörigen der Reichstags majorität von 1878 ziemlich rathlos. Sie fragen ,, was nun?" und schlagen zwei Wege zur weiteren Verfolgung ihrer Ziele vor. Einerseits wollen sie durch die geplanten positiven Maßregeln" den Sozialisten gleichsam Konkurrenz machen, um mit ihrer Praxis" die Theorie" des Marr zu schlagen; andererseits schreien sie nach weiteren Belagerungszuständen und möchten die traurigen Verhältnisse, denen Berlin unterworfen ist, auf weitere Distrikte ausdehnen Die Schreier mögen sich bedenken." Allerdings sollten sie das. Aber wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit!
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Der erwartete Belagerungszustand ist über Ham burg noch immer nicht verhängt, wahrscheinlich nur deshalb nicht, weil die Reichsregierung noch immer nicht auf die Hoffnung verzichtet, den Widerstand Sachsens gegen die Verhängung der gleichen Maßregel über Leipzig zu überwinden. Wir zweifeln nicht daran, daß letzteres einem sanften„ bundesfreundlichen" Druck von Berlin schließlich gelingen wird; vorläufig wehrt sich aber Leipzig seines Handels wegen noch dagegen und sucht durch polizeilichen Uebereifer gegen die Sozialisten zu beweisen, daß die durch das Sozialistengefeß gegebenen, ordentlichen" Befugnisse zur, wirksamsten" Verfolgung der Sozialisten vollkommen ausreichten. In Verfolg dieses lobenswerthen Bestrebens wurden fürzlich sogar mitten in der Nacht alle Gasthöfe, bezw. alle Zimmer in denselben durchsucht, um nachzusehen ob keine fremde Sozialisten da seien!!-
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Bezüglich Hamburgs find übrigens zwei naive Geständnisse der Bourgeoispresse zu registriren. Hienach ist der anfänglich widerstrebende Hamburger Senat schließlich zur Einwilligung durch die Furcht bewogen worden, daß ohne solche repres sive Maßregeln nächstes Jahr ausschließlich sozia listische Wahlen für den nächsten Reichstag zu befürchten seien." Das ist doch ein Grund, der sich hören läßt! Sodann wurden in jüngster Zeit wiederholt umfassende Haussuchungen in der Hansastadt gehalten, die zwar keinerlei Erfolg hatten, aber wie die Presse berichtet-„ bei der Begründung zur Verhängung des Belagerungszustandes eine Rolle zu spielen haben werden"! Das ist doch wenigstens ehrlich.
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Haussuch
An Verfolgungen aller Art war die letzte Zeit wieder reich gesegnet. In Berlin ist weiter ausgewiesen: Steindrucker Büchner. Von den sieben in letzter Zeit Ausgewiesenen sind Heinrich,( Shmies, nicht Schneider), Eichler, Staupe , Käding, Hiller und Büchner aus dem IV., Kandt( nicht Raudt) aus dem VII. Wahlkreis.„ Haussuchungen und Verhaftungen dauern in Berlin unausgesetzt fort," schreibt man uns. ungen, größtentheils massenhaft, waren in Hamburg , Altona , Wandsbeck und Umgebung( fünftiges Belagerungszustandgebiet), München und Umgegend, Augsburg , Regensburg , Berlin , Forst, Eberswalde , Dresden , leipziger Umgegend 2c. 2c. Man suchte Aufrufe der Parteivertretung, verbotene Schriften und Zeitungen und Briefe. In Augsburg war eine große, namentlich auch in den Ka fernen vorgenommene Flugblättervertheilung, in München das Anschlagen zahlreicher ,, revolutionärer " Plakate, in Berlin ebenfalls das Anschlagen von Plakaten der Grund. Gefunden wurde nirgends etwas von Belang. In Dresden wurde Gen. Fechner aus der( vergeblichen) Untersuchungshaft entlassen; dagegen fißen noch fünf andere Angeklagte, worunter Schlüter.
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Der bekannte Sozialistentödter Siebdrat in Chemnitz hat mit seinen genialsten Unternehmungen gegen die Sozialisten Pech. Man erinnert sich des berüchtigten Prozesses, der gegen eine Anzahl chemnitzer Genossen wegen einer, gelegentlich der vorjährigen Landtagswahl gehaltenen, angeblich ge= heimen" Versammlung, und wegen Sammlung von Geldern zu sozialistischen Zwecken eingeleitet wurde. Die Betref fenden waren damals verhaftet und dabei wie ein Bündel Zigarren" zusammengebunden worden. Vahlteich wurde als„ Rädelsführer" zu einem Monat verurtheilt. Das Reichs. gericht hat ihn jedoch freigesprochen und dabei zu Recht erkannt: daß durch den S 16 die Polizeibehörden nicht autorifirt seien, allgemeine Anordnungen zu erlassen, durch welche das Einsammeln von Beiträgen für sozialdemokratische Zwecke ver boten werden. Jedes zu erlassende Verbot muß einen besondern, eigens zu bezeichnenden Zweck bezeichnen.-
Die Regierung
dürfte ihrem Diener Sieborat für die Herbeiführung dieses Ertenntnisses wenig dankbar sein.
- Das endgiltige Wahlergebniß im 22. sächs. Wahltreis ist: Ordnungs" mischmasch 4381, Sozialdemokratie 3986 Stimmen. Die Nationalliberalen hatten mit den Konservativen ein förmliches Wahlbündniß geschlossen. Es betheiligte sich kaum ein Drittel der Wähler, was jedenfalls der verhältnißmäßigen Bedeutungslosigkeit dieser Wahl, so kurz vor den allgemeinen Wahlen, zuzuschreiben ist. Unsere Partei hat keinen Grund zur Unzufriedenheit. Hat sie doch nicht nur bewiesen, daß sie noch lebt, sondern mußte doch die ganze gegnerische Macht vereinigt werden, um bem Reichstag den Schrecken zu ersparen, das gefürchtete Fähnlein der Sozialisten abermals verstärkt zu sehen.
-Das Brod des Volkes wird infolge der Steuer, welche der Staat in Gestalt von Getreidezöllen darauf legt, immer theuerer und unerschwinglicher. Der Roggen tostete sonst immer 40-50 m. bas 1000 Kilogramm weniger als der Weizen. Jetzt hat er den Weizenpreis bereits erreicht. Auch das Petroleum hat einen seit Jahren nicht gefannten Preis 30 Pfg. das Liter, wozu noch die immer mehr überhandnehmenden Fäl
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wundete bei dem Feste bin; bei meiner Einfahrt in Köln ward mir eine herzlich gemeinte Ovation dargebracht; dabei traf ein Strauß so empfindlich meine Hand, daß mir der Finger anschwoll!" Erhaben, königlich! Diese Aufopferung fürs Volk! Und diese Milde! Der Attentäter ist nicht einmal verfolgt worden! Bei der Einweihung eines Gymnasiums in Berlin hielt Wilhelm der Siegreiche sogar eine Rede an die Schuljugend, in der er sie aufforderte, tüchtige und treue Unterthanen zu werden". Leider ist diese Aufforderung nicht ohne guten Grund, denn die, Unterthanentreue", das schönste Juwel der Krone( wie der musikalische Bayernkönig so schön sagt) wird immer seltener. Da muß freilich Gott " angerufen werden. Der wird wohl noch helfen können?!
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Heilbronn, 15. Oft. Schon öfter hat sich das Parteiorgan mit der von unserer Partei gegenüber der bürgerlichen Demokratie oder sogen. Volkspartei einzunehmenden Stellung befaßt. Die Frage ist für die Bewegung in Süddeutschland , besonders in Württemberg von der größten Bedeutung und ist deshalb wohl ein nochmaliges Eingehen auf dieselbe angezeigt. Um die Stellung einer Partei zu kennzeichnen, muß in erster Linie ein Vergleich zwischen ihrem Programm und ihrem that= sächlichen Verhalten gezogen werden. Eine solche Untersuchung muß jedoch für die sogenannte Volkspartei sehr traurig ausfallen. Fragt man einen solchen ,, Republikaner ", ob er bei einer Revolution seinem Programm auch treu bleiben und in die Aktion eingreifen werde, so kann man die entrüstete Antwort bekommen:„ Aber ich bitte Sie, mich nicht mit einem Sozialdemokraten zu verwechseln. Die Partei, der ich angehöre, ist keine Revolutionspartei, sondern steht auf dem Standpunkt der konstitutionellen Monarchie und bekämpft nur die preußische Hegemonie!" Da haben wir den echten„ Demokraten ". Nach dieser landläufigen Interpretation fennt entweder die Partei ihr Programm nicht, oder dasselbe wird nach dem Gutdünken der jeweiligen Führer umgeorgelt; denn in Wirklichkeit verlangt es eine auf konstitutioneller Basis ruhende Volks regierung"( also doch wohl keine Monarchie), Abschaffung des stehenden Heeres, Gründung von Produktivgenossenschaften 2c. Ueberhaupt verfolgt die Volkspartei in ihrem Programm Tendenzen, die im allgemeinen auf dem politischen Gebiet von den unsrigen nicht zu sehr abweichen. Es würde zu weit führen, all die volksparteiliche Phrajendrescherei durchzugehen, zeigen sich doch die saubern Patrone tagtäglich in ihrer wahren Gestalt! Aber einen ihrer vielen Geniestreiche möchte ich doch noch erwähnen. Ihre Ohnmacht einsehend, planten sie während der letzten Reichstagssession eine Koalition mit der preußischen Fortschrittspartei. Das Projekt ward von letzterer angenommen und zur Aufstellung eines neuen Programms ge schritten. Bei der Feststellung der politischen Forderungen zeigte sich jedoch gleich ein gewaltiger Haken; denn während die Volkspartei einen monarchisch- föderalistischen Staatenbund anstrebt, fordert die Fortschrittspartei ein einiges unter dem Kaiser stehendes Reich. Die schroffsten Gegensätze auf der einen Seite Zentralisation, auf der anderen Dezentralisation berühren sich also hier und doch träumen diese famosen Politiker von einem Bündniß! Natürlich wäre ein solches, wenn unter solchen Verhältnissen dieses Wort überhaupt noch am Platze ist, nur bei gänzlichem Aufgeben des einen oder anderen Programmes möglich.
Nach den bisherigen Erfahrungen dürfte es wohl keinem Genossen mehr schwer fallen, mit dieser Partei, die thatsächlich gar nichts mit uns gemein hat, ein für allemal zu brechen. Der Ansicht des Verfassers jenes Artikels in Nr. 29 bin ich jedoch insofern entgegen, als nach meiner Meinung ein Wahlbündniß niemals zu unseren Gunsten ausfallen kann, indem ein solches ohne Schädigung unseres Prinzips nicht denkbar ist. Wenn wir die Existenzbedingungen dieser Partei betrachten, finden wir, daß dieselben sehr primitiver Natur sind, denn eingeschriebener Mitglieder sind es im Verhältniß zu ihrer sehr geringen Wählerzahl verschwindend wenig. Letztere rekrutirt sich ausschließlich aus dem Kleingewerbe und dem niederen Bauernstande, also aus denjenigen Ständen, die schon heute in feiner besseren Lage sind, als der Lohnarbeiter, in kurzer Zeit aber infolge der immer fortschreitenden Kultur und der mehr und mehr sich zentralisirenden Kapitalmacht nur noch dem Namen nach bekannt sein wird. Was die Wahlfiege" der Volkspartei betrifft, so ist es eine unverzeihliche Arroganz derselben, wenn der schwäbische Moniteur der Partei in langathmigen Artikeln diese Resultate ihrer Thätigkeit zuschreibt. Ja, wenn kneipen und bankettiren agitiren heißt, dann sind diese„ Siege" der Volkspartei zuzuschreiben, andernfalls aber nicht. So wurde vor einiger Zeit in Bafnang, einem politisch ganz und gar unselbstständigen Wahlkreise, in letzter Stunde von unbekannter Seite dem regierungsparteilofer Bauer als Landtagskandidat gegenübergestellt und letzterer auch freundlichen, langjährigen Vertreter Drescher ein einfacher farbe und richtig ohne Programm und öffentliches Auftreten gewählt, blos weil man von ihm wußte, daß er die, trotz neuer Steuern und Zölle und trotz Versprechung von Steuer- Reduktion im württembergischen Etat fehlenden 16 Millionen nicht bewilligen werde. Hier autem liegt der Hase begraben; denn, wenn der Bauer und selbst der verbogrteste sonservative am eigenen Geldbeutel angezapft wird, dann wird er trotz Ruhmesernte und Kaiserschwindel oppositionell. Dies Alles scheint jedoch der„ Beobachter" nicht zu wissen, sondern stempelt ganz einfach diesen parteilosen Abgeordneten zum Alliirten.
Doch lassen wir dieser naiven Volkspartei", die nur ernten aber nicht säen will, dieses kindliche Vergnügen, lange wird's ja doch nimmer dauern. Denn diejenigen Elemente, welche es mit dem Volke wahrhaft ehrlich meinen, werden bald einsehen, wo sie Ehrlichkeit und Prinzipien finden werden. Hat die Sozialdemokratie doch schon ganz bedeutende Kräfte wie Demmler, Joh. Jacoby, Dulk u. a. von dieser in der Zersetzung begriffenen und auf dem Aussterbe- Etat stehenden„ Volkspartei " zu sich herübergezogen und wird es auch ferner thun. Stehen wir also auf eigenen Füßen und lassen wir uns unter feinen Umständen auf Kompromisse ein, der nicht mehr ferne Tag der Abrechnung wird auch mit dieser Partei- wenn sie bis dahin noch existiren sollte reine Bahn schaffen, und die ehrlichen Elemente uns in die Arme, die anderen aber zum reaktionären Haufen werfen.
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Aus der Niederlausitz , Mitte Okt. Wie allerwärts, so beginnt auch hier in der Niederlausitz die Agitation für unsere Sache wieder lebhafter als bisher in Fluß zu kommen. Durch den Kongreß ist der vielfach bestehende alte Schlendrian unter den Parteigenossen be= deutend geschwunden, nimmt der beste Theil der Genossen den Kampf mit den total verrotteten Zuständen wieder auf. Um den Raum unseres Parteiorgans nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen, werde ich nur einige hervorragende Punkte unserer Bewegung hervorheben. Ende des vorigen Jahres war es auch uns hier in Forst vergönnt, einen neuen Lichtstrahl in der Finsterniß in Gestalt einer Nummer des wiedererstandenen Parteiorgans wahrzunehmen. Es wurden sofort Schritte gethan, um dem " S.-D." hier Eingang zu verschaffen. Aber durch die spitzbübische Schnüffelei des mühlhausener Postamtes hatten wir im Februar d. J. bereits drei Haussuchungen. Zwei wurden bei Personen abgehalten, welche nie zu unserer Partei gehörten, welche aber den S.-D." gesandt erhalten hatten, ohne ihn bestellt zu haben. Da die Polizei bei den Betreffenden nichts schnappen konnte, so wurde, um eine Verschwörung" zu entdecken, bei unserem Genossen A. Zisowsky eine Durchsuchung seiner Geschäftsräumlichkeiten vorgenommen, und als Beute zwei Geschäftsbriefe mitgenommen. Nach einem Verhör beim Polizeiinspektor schwieg des Sängers Höflichkeit über diese Sache für immer. Gegen Pfingsten gewahrte man eines Morgens auf allen Straßen, Hausfluren 2c. Briefe mit dem Flugblatt„ Wanzentod". Auch diesmal brachte die Polizei nichts
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schungen kommen. Mit den meisten anderen Lebensmitteln stehts een weer all ihr Lauern hinter Gartenzäunen und ſuſteren Straßennicht besser. Dazu Arbeitslosigkeit, schlechte Löhne, der Winter vor der Thür. Um wie viel soll sich das Elend des Volkes noch steigern? Der kaiserliche Heldengreis ist jetzt unter die Redner gegangen. Aehnlich wie weiland sein Geistesverwandter Mac Mahon reist er im ganzen Lande herum, zu jedem Fest, zu jeder Theater- oder Schuleröffnung, überall hin, wo es Loyalität und Popularität einzuheimſen gibt. Die Thräne, die er in Köln geweint, gehört bereits der Geschichte an, ebenso wie die gleich darauf folgende„ Heiterkeit". Aber das ist nicht alles, was er in der rheinischen Domstadt geleistet. Zu einem Stadtvater äußerte er:„ Ich danke Gott , daß ich der einzige Ver
war vergeblich. Die hierauf folgende Ruhepause wurde plötzlich in der Nacht vom 2. und 3. Oktober dadurch unterbrochen, daß über Forst und das benachbarte Berge ein wahrer Brandregen von sozialdemokratischen Schriften" niederging. Das Flugblatt„ An das deutsche Volk" wurde in jast jedem Haus bis in das zweite Stockwert hinauf vor allen Zimmern vorgefunden. Darob bei den Spießbürgern natürlich lange ängstliche Gesichter, bei der Polizei aber große Wuth, da sie die„ Attentäter" wieder nicht ausfindig zu machen vermochte. Da suchte ihr ein früher in Frankfurt a/ D., jetzt hier weilendes Subjekt, der Schuhmacher Tottleben( siehe Sprechsaal) aus der Noth zu helfen, indem er Anzeige einreichte, daß die Schriften an den hiesigen Gerber Liersch gesandt und durch dessen Sohn an den hiesigen Cigarrenhändler Zisowsky abgegeben und dadurch zur Verbreitung gelangt seien. Selbstverständlich wurde sofort am 4. ds. bei Zisowsky, Liersch und noch zwei Personen Haussuchungen abgehalten, die jedoch leider nicht den geringsten Erfolg ergaben. Trotzdem wurde sofort die Untersuchung eingeleitet, die aber