opfern. Man könnte uns hierauf entgegnen, daß ja die Anarchie die rationelle Kultur nicht ausschließe. Möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Wer hätte dafür zu sorgen? Die Interessenten etwa? Aber die freien Forstgenossenschaften werden sich den Teufel um die Landwirthe scheeren, sie werden ihnen aus Preßler Bd. X, Kapitel Y nachweisen, daß der Wald keinen anderen Zweck habe, als seinen Bebauern möglichst hohen Ertrag zu gewähren, und sie werden diesem Grundsatz so lange folgen, bis sie eines Tages von den Landwirthen zum Teufel gejagt werden. Interessenkoalition gegen Interessenkoalition, anarchistischer Neophyt, Deiner Bauke Fell hängt in Fezzen herab.
Mit der Waldwirthschaft steht in gewisser Verbindung die Wasserwirthschaft. Hier läßt uns die„ Solidarität der Interessen", wie sie von den Anarchisten aufgefaßt wird, vollends im Stich. Die Bergbewohner betrachten die Bäche und Flüsse aus ganz anderen Gesichtspunkten, als die Bewohner der Niederungen oder als die Stromschiffer 2c. Eine rationelle Wasserwirthschaft ist nur möglich, wenn jede der Interessentengruppen den Bedürfnissen der übrigen Rechnung trägt. Wiederum mehr wie unwahrscheinlich. Die in Frage kommenden Gruppen wohnen schon räumlich zu weit auseinander, um ihre Eigeninteressen sich gegenseitig zu opfern, der vermittelnde Faktor, das gemeinsame höhere Element fehlt. Der gute Wille, die Laune, der Zufall sind maßgebend.
Aehnlich steht es mit dem Bergbau. Wer einigermaßen über die bei ihm in Frage kommenden Faktoren nachdenkt, dem muß es klar werden, wie verhängnißvolle Folgen es haben könnte und würde, wollte man den Bergbetrieb dem Belieben einzelner Gruppen überlassen.
Noch bedenklicher gestaltet sich die Frage nach den Kommunifationsmitteln. Wem obliegt die Verwaltung der Eisenbahnen, Fahrstraßen 2c. Wer entscheidet über Fahrpläne, Tarife, Anschlüsse 2c.? Freie Vereinbarungen, sagt man uns. Und die allfällige Minorität? Baut sie schnell eine eigene Eisenbahn oder reißt sie der Majorität die Schienen auf, um sich Genugthuung zu verschaffen?
Genug! Wohin wir blicken, stoßen wir auf Widersprüche gegen das Prinzip der„ absoluten Freiheit". Der Indianer, der Tscherkesse mögen Anarchisten sein, der moderne Kulturmensch ist mit tausend Fäden an eine Gesellschaft gekettet, die ihn in immer größerem Maße von der Natur unabhängig macht, die ihm aber auf der anderen Seite, eben um die Natur beherrschen zu können, Beschränkungen auferlegen muß. Und diese Beschränkungen werden um so weniger empfunden, wenn sie auferlegt werden nicht von einzelnen Personen, son
dern von der Mehrheit eines Volkes im Interesse der Gesammtheit.
Aber die Mehrheit, das ist der Popanz, vor dem die Anarchisten die größte Furcht empfinden. Dieselben Leute, die das Volk für reif und fähig erklären, alles aus sich selbst zu regeln, die jede Autorität verabscheuen, sie werden plötzlich ultraautoritär, wenn es sich um eine Abstimmung des Volkes handelt. Dann greifen sie hinein in die Rüstkammer der liberalen Bourgeoisie und rufen uns entgegen:„ Aller Fortschritt ist von Minoritäten ausgegangen." Ei freilich findet der Fortschritt nicht über Nacht in den Köpfen Aller Eingang, aber es heißt verflucht wenig Vertrauen in die Sache des Fortschritts haben, wenn man fürchtet, daß er sich in einem Gemeinwesen, das feine Sonderinteressen kennt, das auf Gleichberech tigung Aller beruht, nicht seine Bahn brechen werde. Im Kommunismus verschwindet das Sonderinteresse dem großen Ganzen gegenüber, bei der Anarchie wird das große Ganze dem Sonderinteresse preisgegeben.
Darum, ob Ihr Euch hundertmal antiautoritär nennt, wir kennen Euch besser. Wir haben uns nur zu lange von den Phrasen eines solchen Antiautoritarier düpiren lassen. Derselbe, Herr Dühring, der nicht leidenschaftlich genug gegen den freiheitsmordenden Marx'schen Staatskasten losdonnern onnte, er schmunzelte wohlgefällig, als sein Abraham Enß allen Ernstes die deutschen Arbeiter aufforderte, die Unterdrückung der Engels'schen Artikel im Vorwärts zu ver langen.
Und nun, Berühmtester aller Paukenschläger, Sie haben bis jetzt noch nicht den Muth gehabt, den deutschen Arbeitern ihre neueste Meinungsänderung offen einzugestehen, sondern sich nur erst den Franzosen als Anarchist präsentirt, lassen Sie die Maske fallen, ergreifen Sie den Schlegel und pauken Sie los, wir werden es an der Begleitung nicht fehlen lassen.
Die Tschigiriner Affäre.
Leo.
Der Bauernverein„ Tainaja Druschina"( Geheime Gesellschaft ) Versuch einer revolutionären Organisation im Volke. ( Fortsetzung.)
Die Gemeineigenthümler, die, wie ich schon erwähnte, die Mehrzahl des Schabelniker Bezirkes ausmachten, hatten sich bisher immer noch geweigert, den ihnen zuertheilten Boden anzunehmen. Dieser Umstand hauptsächlich gab der Behörde die Veranlassung dazu, sie als ein unzuverläs figes Element zu betrachten, das sogar durch die Exekution nicht gedemüthigt worden. Um die Aufmerksamkeit der Behörde von sich abzulenken, beschloß die Aeltestenrada daher, dem Jsprawnik zu erklären, daß die Gemeineigenthümler endlich geneigt seien, den Grund und Boden
nach den Bedingungen der Zustrationsaften anzunehmen. Anfänglich rief
diese Maßregel bei einigen Mitgliedern den Verdacht des Verrathes an dem geheimen Bund hervor. Die Rada bewog aber doch die Druschina
darauf einzugehen, und zwar aus folgender Ueberlegung: Die Nutznießung
des Bodens nach den von der Regierung verlangten Bedingungen werde nicht von langer Dauer sein, da ein baldiger Aufstand die Ordnung den Zielen des geheimen Bundes gemäß ändern werde; inzwischen aber würde die Behörde aufhören, sie als Rebellen zu verfolgen, und die von ersterer bemerkte Bewegung im Volke lasse sich leicht darstellen als hervorgerufen durch die Zusammenkünfte der Bauern in Betreff der Annahme oder Nichtannahme des Grund und Bodens. Sei einmal auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Behörde abgelenkt worden, dann werde es möglich sein, sich mit den inneren Angelegenheiten des Bundes ruhig zu befassen, die Mitgliederzahl desselben genau zu erfahren und zu überwachen, Waffen zu verschaffen und dergl.
Der Atamann und zweite Aelteste aus Schabelniki kamen zu mir nach K- w, um zu erfahren, wie ich mich dieser Verordnung der Rada gegenüber verhalte. Der Plan war vernünftig entworfen; dessen Resultate aber wurden durch einen plötzlichen Zufall vereitelt.
Dem schabelniter Bezirksältesten gelang es, einen jungen Druschinit betrunken zu machen und von demselben in diesem Zustand zu erfahren, daß die Bauern einer gewissen Druschina einen Eid leisten. Genauere Mittheilungen konnte er allerdings von dem Betrunkenen nicht herausbekommen, aber das Erfahrene genügte schon, um ihn zu überzeugen, daß im Volte eine gefährliche, regierungsfeindliche Agitation geführt werde.
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Das Gerücht gelangte an den Gouverneur, von diesem an die Gendarmerieverwaltung, und eine besondere Kommission, mit einem General an der Spitze, eilte nach Tschigirin. Zwei Wochen liefen die Häscher von einem Dorfe ins andere, eine Menge Haussuchungen fanden statt, aber alles vergebens. Während dieser zwei Wochen stellten die Druschiniks ihre Agitation ein und meldeten beim Heranrücken des Feindes unverzüglich den benachbarten Dörfern die bevorstehende Gefahr.
Dank dieser Vorsichtsmaßregeln kam der Gouverneur zu der Ueberzeugung, daß die Bezirkspolizei aus Uebereifer aus einer Fliege einen Elephanten gemacht und befahl deshalb die Rückkehr der Gendarmerie Kommission. Man hatte keinerlei Schriftstücke gefunden, keiner der Ver hafteten hatte irgend welche Angaben gemacht. Die Druschina athmete wieder frei auf, ja freier als jemals. ( Fortsetzung folgt.)
Sozialpolitische Rundschau.
* Die hochwichtige Revisionsabstimmung, in welcher das Schweizervolk über die ihm von seinen Vertretern vorgelegte Frage zu entscheiden hatte: ob es ſich ſein Selbstbestimmungsrecht voll und ganz erhalten wolle, jeben Augenblick das an seiner Verfassung abzuändern, was ihm nicht mehr gefällt; oder ob es weniger Rechte haben solle, als seine Beauftragten und sein Souveränitätsrecht nur in einer von diesen willkürlich vorgeschriebenen, beschränkten Form ausüben können solle, diese Boltsabstimmung ist jetzt zu Ende und sie ist leider gegen die Volksrechte ausgefallen. Gerade nochmal so viel Bürger stimmten gegen die Theilrevision als für dieselbe( 253,000 gegen 122,000). Ein Beweis, wie wenig selbst politisch freie Völker noch ihre Rechte und wahren Interessen kennen und wie leicht sie sich noch von Volksbetrügern gängeln lassen. Indessen ist die Revision damit keineswegs zu Ende, sondern wird durch den gefundenen Widerstand nur verallgemeinert und vertieft werden.
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Die unter den deutschen Sozialisten in der Schweiz schon seit längerem, namentlich aber seit dem wydener Kongreß im Gange befindliche Bewegung zur Herbeiführung einer einheitlichen Organisation im Anschluß an die Partei in Deutschland und zur Erweckung einer thatkräftigen Agitation erhält durch den neuesten Gewaltstreit gegen die deutsche Sozialdemokratie, durch den Belagerungszustand in Hamburg- Altona demokratie, durch den Belagerungszustand in Hamburg- Altona einen neuen kräftigen Antrieb. Letzten Sonntag abends versam melten sich die deutschen Sozialisten von Zürich und Umgebung zahlreich in öffentlicher Sozialistenversammlung im Versamm=
lungslokal der Internationale( das vollkommen gefüllt war), um laut gegen die schändliche Gewaltthat der deutschen Regierung zu protestiren. Nachdem drei Genossen das Vorgehen der Regierung gekennzeichnet, die Gründe derselben beleuchtet und auf das nothwendige Ende mit Schrecken, das dies infame Reaktionstreiben in nicht zu ferner Zeit nehmen muß, hingewiesen, faßte die Versammlung an welcher auch mehrere österreichische, schweizerische, russische und polnische Genossen theilnahmen folgenden Beschluß:
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Die am 31. Oftober 1880 im Kafé Reßler tagende Versammlung deutscher Sozialisten in Zürich erklärt, daß sie in der Verhängung des Kleinen Belagerungszustandes über Hamburg und Umgebung einen weiteren Schritt zur Rechtlos machung eines wesentlichen Bruchtheils des deutschen Volkes erblickt. Die seitherige Haltung der deutschen Genossen gibt ihr die feste Ueberzeugung, daß dieser neueste Gewaltakt, insoweit er gegen die Sozialdemokratie gerichtet ist, seinen Zweck nicht erreichen wird, daß vielmehr, entsprechend den wachsenden Verfolgungen, auch sozialistischerseits der Eifer, der heutigen politischen und sozialen
Mißwirthschaft in Deutschland ein Ende zu machen, sich mit jedem Tage steigern wird. Außerhalb des Gesetzes gestellt, wird die deutsche Sozialdemokratie jedes Mittel anwenden, um im Bolte glühenden Haß gegen das heute in Deutschland herrschende System und seine Träger zu erregen, und sie wird von dieser Thätigkeit nicht ablassen, bis das deutsche Volk seine wahren Feinde erkannt und ihrer Herrschaft ein Ende gemacht hat.
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An die deutschen Sozialisten im Auslande aber richten die Anwesenden die Aufforderung, die neue Gewaltmaßregel der deutschen Regierung dadurch zu beantworten, daß sie sich thatfräftig organisiren, um ihre Brüder in Deutschland wirksamſt zu unterstützen."
Jm weiteren Verlauf der Versammlung machten die zürcher Deutschen ihre Aufforderung an die Genossen der übrigen Schweiz gleich an sich selbst zur That, in dem sie sofort eine Mitgliedschaft der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands gründeten. Derselben traten sogleich 46 Mitglieder bei, welche Zahl sich seitdem auf 55 gesteigert hat und binnen kurzem das Doppelte erreichen dürfte. Die Mitgliedschaft wählte hierauf die Gen. Beyrer und Bernstein als Delegirte zur oltener Delegirtenversammlung. Auch der bald fallenden Opfer des neuen Belagerungszustandes ward gedacht, indem eine Sammlung vorgenommen wurde, welche den Betrag von Fr. 18,50 ergab. Es ist zu erwarten, daß ähnliche Versammlungen auch
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an anderen Orten der Schweiz , wo es zahlreiche Deutsche gibt, stattfinden werden, wodurch unsere Sache in erfreulicher Weise gefördert werden wird.
Zu den zürcher Organisations: Vorschlägen ( Nr. 40 des S.-D.") find bis jetzt Zustimmungen eingelaufen von Basel , Frauenfeld , Winterthur , St. Gallen , Zug, Luzern . Mehrere andere Vereine werden sich ebenfalls betheiligen, haben sich aber noch nicht offiziell ausgesprochen; von einer Anzahl Vereinen steht Mittheilung noch aus. Die Versammlung der deutschen Delegirten in Olten findet am Samstag nach: mittags 4 Uhr im Gasthaus zur„ Wartburg " statt. Der Zeitpunkt der eigentlichen Delegirtenversammlung hängt von dem Fortgang der Kongreẞarbeiten ab und wird von den Delegirten selbst bestimmt.
* Das wichtigste Ereigniß ist für uns die Verhängung des famosen kleinen Belagerungszustandes" über Ham burg- Altona und Umgebung. Wir haben dieselbe von ihrer prinzipiellen Seite schon an anderer Stelle behandelt. Hier nur noch eine Bemerkung, welche das ganze" System" kennzeichnet. In das„ belagerte" Gebiet sind u. a. auch die sämmtlichen Güter des Fürsten Bismard eingeschlossen. Hat nun schon jemand ge
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hört, daß es dort Sozialdemokraten gibt? Kaum; das ist aber auch nicht nöthig. Selbstverständlich wird diese Maßregel ebenso wie der Belagerungszustand in Berlin damit„ begründet" werden, daß es dort daß es dort ein dem deutschen Volke theueres( und wie theueres!) Haupt zu schüßen gilt". Dieses Haupt fürchtet sich aber nicht nur vor Attentaten, sondern kriegt seine Nerven, sobald es einen steifen Nacken sieht. Also fort mit jedem aus seiner Umgebung, der ihm ein ergerniß ist! Aber das ist nicht alles. Bismarck hat schon seit Jahren schweren Aerger mit den Wildschützen, die sich in seinen Wäldern herumtreiben, sich aber leider nie erwischen lassen. Welche schöne Gelegenheit da der Belagerungszustand, der die Ausweisung jedes der ,, unrechtmäßigen" Jägerei Verdächtigen gestattet. Zu den„ theueren Häuptern", die das Sozialistengesetz schützen muß, zählen also fortan auch die Hasen, Füchse, Hirsche und Säue des Sachsenwaldes. Um solch' hoher Güter kann es freilich nicht in Betracht kommen, wenn viele Dußende von Bürgern sammt ihren Familien am Anfang des Winters von ihrem Heim und Brod vertrieben und in Noth und Elend gejagt werden!
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Alle hohlen Schädel in Preußen und es gibt dort wie überall nicht wenige- find außer sich vor Freude. Vierzehn Millionen Mark Steuererlässe", kündigte die Thronrede des soeben eröffneten Landtags an. Das war noch nicht da. Wenn das kein Erfolg" der bismarckischen Wirthschaftspolitik ist! In Wahrheit steht die Sache natürlich ganz anders. Die durch Erträgnisse der riesigen Zölle, zu große Ausgaben- Voranschläge und sonstige Finanzkünfte ersparten" 14 Millionen machen auf den Kopf der untersten Steuerklasse gerade 75 Pfennige„ Steuerlaß"! Dem gegenüber aber stehen nach geringen mindestens 50-80 M. Mehrausgaben in Folge der durch die Berechnungen für denselben„ kleinen Mann" und seine Familie Zölle bewirkten Lebensmittelvertheuerung. So treibt man Volks= beglückung! Und doch wird der Schwindel seinen Zweck nicht verfehlen, denn die Dummheit ist noch groß genug, daß dieser " Steuererlaß" als gutes Agitationsmittel für die Regierung dient. Und wenn er dann seine Wirkung gethan, dann wird man auch diese 14, erlassenen" Millionen wieder nachzuholen wissen.
-Wie im neunzehnten Jahrhundert beim„ Volk der Denker" die Dienstboten behandelt werden, ist aus nachstehender amt= lichen, durch den Gemeindevorstand der thüringischen Stadt Apolda bestätigten und vom preußischen Landrathsamt zu Namslau zur Warnung der betheiligten Kreise" veröffentlichten Meldung ersichtlich:
stebt bei Apolda befinden sich mehrere Gutsbesitzer, welche durch
" Kleimremstedt, den 5. August 1880. Jm Dorfe Großrem
die schlechte Behandlung und Beköstigung ihrer Dienstboten in hiesiger Gegend weit bekannt sind, und da letztere oft schmerzvoll durchgeprügelt werden, so erhalten fragliche Herrschaften keine Dienst boten aus hiesiger Gegend; es ist ihnen aber gelungen, Gesindevermiether in Breslau ausfindig zu machen, und durch diese werden nun Dienstboten aus der Umgegend von Breslau nach obigem Orte an fragliche Herrschaften gleich einem Seelenhandel durch lügenhafte Vorspiegelungen vermiethet. Es verspricht der Vermiether dem Dienst boten, er kenne hiesige schöne Gegend sowie auch die Herrschaften sehr gut, sie hätten es weit besser wie in Schlesien , mäßige Ar beit und hohen Lohn. Durch diese Vorspiegelung, wobei auch dem Dienstboten jedesmal freie Reise hierher zugesichert wird, läßt sich dieser verlocken, einen ihm vorgelegten Miethsvertrag zu unterschreiben, welchen er vorher nicht durchgelesen bekommt und geht hierauf nach Großremstedt. Daselbst angekommen, werden ihm die Kleiber eingeschlossen, damit er nicht flüchten kann und damit geht die Sklaverei an; er muß arbeiten von 4 Uhr früh bis 10 und 11 Uhr abends, und zwar bei sehr schlechter Kost; ist nun der Dienstbote erschöpft, so wird er gehörig mit Reitpeitsche und anderen Züchtigungsmitteln durchgeprügelt, auch muß er zunächst/ Jahr für das ihm versprochene Reise- und Mäkelgeld dienen; Sonntags müssen die Dienstboten arbeiten wie in der Woche, der Besuch der Kirche wird ihnen nicht gestattet, ist der Dienstbote katholisch, so wird ihm sein Glaube vorgeworfen, wie dies beim Dekonom Weischer zu Großremstedt der Fall ist. Derselbe gebraucht die Nedensart:„ Du katholisches Donnerwetteraft, Du katholischer Pastor" u. s. w. Wie derselbe seine Dienstmädchen, die Auguste Adler aus Sackerau und Marie Rabe aus Margareth bei Breslau , Oberbürgermeister wohl bekannt, und da ich es für im vorigen Monat gemißhandelt hat, ist dem Herrn meine Pflicht halte, daß die königlichen Regierungen zu Breslau und Oppeln von diesem grausamen Menschenhandel, welcher durch 4 Gefindervermiether in Breslau vollzogen wird, in Kenntniß gesetzt werden, so unterlasse ich nicht, einem verehrlichen Gemeindevorstand als Gesindepolizeibehörde hiervon gehorsamst Kenntniß zu geben. Kummer, Gendarm."
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Sklaven
Hört sich das nicht ganz so an, als ob von behandlung die Rede wäre? Unter falschen, zur Erreichung eines rechtswidrigen Vortheils angewandten Vorspiegelungen angelockt, des rechtmäßigen Eigenthums mit Gewalt beraubt, zu 17-18. stündiger Arbeitszeit gezwungen, beschimpft, gepeitscht und auf jede Art mißhandelt, ohne Sonntagsruhe und um einen Hungerlohn selbst ein Gendarm, ein zur Aufrechterhaltung der heutigen vortrefflichen„ Ordnung" auf geſtellter Beamter, nennt das Sklaverei! Und alle diese Dinge und deren gewohnheits
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mäßige Ausübung seitens der Gutsbesitzer sind„ dem Herrn Oberbürgermeister wohl bekannt". Werden die schuftigen Thäter aber deswegen nach Gebühr bestraft? Keine Rede. Die armen Dienstboten, die in der Gegend fremd und ohne Hilfsmittel sind, werden faum wagen, gegen ihre angesehenen" Peiniger Klage zu führen; daß die Behörden aber aus eigenem Antrieb dieser nein, das geht nicht, dazu geben ihr die Geſetze" nicht bas infamen Entrechtung und Mißhandlung ein Ende machen
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Recht. Und wenn sie ihr das Recht geben, so sind die Gesindeschinder doch reiche, einflußreiche Leute und an diese wagt man sich nicht sogleich mit Haussuchungen, Anklagen, Verhaftungen und Bestrafungen, wie an die Sozialdemokraten. Ja, es ist schon viel, sehr viel, daß man ihre kapitalistischen Heldenthaten nur zur Warnung" veröffentlicht hat; ja, der gewissenhafte thüringer Gendarm darf am Ende noch froh sein, wenn er nicht noch eine Nase bekommt wegen seiner Anzeige. Was nüßt aber die Warnung die armen Leute, die gezwungen sind, ihre Arbeit als Dienstboten zu verkaufen? Bleibt ihnen eine große Wahl?
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