Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten und Gemaßregelten nicht!

Korrespondenzen.

München  , Ende Juli. Die hiesigen Sozialisten sind wohlauf. Wir vertheilten erst jüngst wieder zum großen Aerger der löblichen Polizei und zur Freude aller redlich Gesinnten ein Flugblatt in größerer Masse. Dasselbe bezeichnete den bayerischen Landtag nebst der dazu gehörigen Wahl als einen Humbug und forderte auf, alle Kräfte bis zur Reichs­tagswahl aufzusparen und für unseren Kandidaten Bebel einzusetzen. Die löbliche Polizei ist in wirklich mißlicher Lage; sie konnte über das Wo und Wie nicht das Geringste erfahren. Zwar wurde einer der ver haßten Verbreiter erwischt, indeß auch nicht, ohne daß sich hiebei die brave Polizei blamirt hätte. Noch in nächtlicher Stille( Abends 10 Uhr) wurde bei demselben gehaussucht, natürlich ohne jeden Erfolg. Nichtsdestoweniger und trotzdem daß dieses Flugblatt nicht verboten war, sitzt der Betreffende noch jetzt; indeß ist klar, daß derselbe ungestraft frei­gelassen werden muß. Ein wirklicher Bösewicht beauftragte einen Dienst­mann gegen anständige Entlohnung, verschlossene Kouverts auf einem stark frequentirten Keller von Tisch zu Tisch zu tragen. Auch dieser wurde ertappt; aber erstens kannte dieser den Inhalt der Kouverte nicht, zweitens konnte der verteufelte Auftraggeber nicht mehr ermittelt werden. Selbst die Entlassung des Dienstmannes, der doch nur seine Schuldigkeit gethan hatte, führte zu keinem Resultate und mußte wieder mit polizei­licher Erlaubniß zurückgenommen werden. Im Uebrigen erwiesen sich bei der Vertheilung unsere Genossen gut geschult, so daß in kurzer Zeit die Stadt belegt war, und auf jeder Bierbank konnte man das Blatt studiren sehen oder besprechen hören, wobei sich ergab, daß es überall sehr gün­ftig aufgenommen wurde; selbst in der Presse wurde es lebhaft besprochen. Die Wirkungen find große zu nennen und hoffen wir zuversichtlich, daß sich bei der Reichstagswahl der Erfolg zeigen wird.

Ferner haben wir noch von einem besonders weisen Polizeistück­chen zu berichten. Bekanntlich blüht in der neuen Aera   das Denun­ziantenthum und die Polizei fällt oft mit Gier selbst über die einfältigsten Denunziationen her, da sie immer gern den Sozialisten eins auswischen möchte, diese aber nicht so dumm sind, als die Polizei meint. Arbeitet da z. B. hier in der Gerdeißen'schen Fabrik ein als besonders guter nnd tüchtiger Arbeiter in seinem Fach selbst von seinem Chef geschätzter Mann Namens Fritzsche. Auf denselben sind nun wegen seiner vorzüglichen Leistungen mehrere andere Arbeiter der betr. Fabrik neidisch, und be­sonders Einer von ihnen möchte Alles aufbieten, Herrn Fritzsche aus seiner Stellung zu bringen. Da alles Andere nicht verfängt, erdreiftet sich dieser feige Mensch, Herrn Fritzsche nicht nur bei seinen Kollegen in falschen Verdacht zu bringen, sondern auch in einem anonymen Briefe der Polizei zu denunziren. Flugs glaubt nun unsere heilige Hermandad einen der gefährlichen Sozialisten womöglich gar noch einen extra gefährlichen erwischt zu haben, behaussucht Herrn Fritzsche, jedoch ohne etwas zu finden, und verhaftet ihn nach einigen Tagen, ohne irgend welche Gründe. Aber wie es der Löblichen gewöhnlich ergeht, so auch diesmal: fie mußte Fritsche wieder freilassen. Wo die Polizei glaubt, einen bösen Sozialisten zu erwischen, da vergreift sie in ihrem blinden Eifer sich stets und anstatt der Gefährlichen", die ihr stets ein Schnipp­chen schlagen und sie auslachen, ergreift sie Unschuldige, denen man beim besten Stieber- Willen nichts Gesetzwidriges nachweisen kann. Dadurch aber, daß so oft Unschuldige verhaftet werden, die dann erst erbittert werden und schließlich die gefährlichen Frrlehren" wenigstens kennen möchten, agitirt die heilige Hermandad nur für uns und treibt uns neue Jünger zu. Das kommt vom Uebereifer.

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Unseren Genossen möchten wir zum Schluß an's Herz legen, auch ferner treu und fest zusammenzustehen, vorsichtig und eifrig für unsere hohe Sache zu wirken und dem Parteiorgan immer mehr Abonnenten zuzuführen, Der rothe Stundenzeiger.

- Stuttgart  , 30. Juli. Schon lange nicht mehr ist in unserem lieben Stuttgart   ein so hübscher Prozeß geführt worden, als der gegen unseren Genossen Oskar Pfau, Buchbindergehilfen aus Zahna  . Fort­gesetzte Verbreitung verbotener sozialdemokratischer Schriften" war das grausige Verbrechen, welches er verübt haben sollte. Ein postlagernder Brief, der auf einem nicht mehr ungewöhnlichem Wege in unrechte Hände kam, gab den Anlaß zu seiner Verhaftung. Irgend eine etwas mysteriöse Persönlichkeit, welche auffallender Weise vor Gericht nicht genannt wurde, kam dem eigentlichen Adressaten in Empfangnahme des Briefes zuvor; sie übergab ihn der Postbehörde, welche nichts Eiligeres zu thun hatte, als ihn der Staatsanwaltschaft zu überliefern.

Sauberes Lumpenpack, diese Postspitzel! Die Verhandlung war wirklich interessant. Es hatten sich ziemlich viele Parteigenossen, daneben auch eine Anzahl neugierige junge" Leute eingefunden, um den schrecklichen Menschen zu sehen und seine Missethaten anzuhören. Die bösen Sozial­demokraten hatten aber jedenfalls den Plan entworfen, die Gesellschaft der ehrwürdigen Richter zu stören und ihren Genossen gewaltsam zu befreien. Sie trugen zu diesem Zwecke in ihren hinteren Rocktaschen Dynamit, Petroleum und Revolver bei sich, um bei günstiger Gelegenheit davon entsprechenden Gebrauch zu machen. Allein die allwissende Polizei hatte Wind bekommen; um die Attentate zu verhüten, war im Saale   ein Gendarm mit geladenem Gewehr nebst einem Schutzmann in Uniform aufgepflanzt, welche sollte die Befreiung in Szene gesetzt werden unbarmherzig über die Bestien in Menschengestalt" herfallen sollten. Wie viele Polizisten in 3ivil den Verhandlungsjaal unsicher- pardon sicher machten, vermögen wir nicht anzugeben. Aber zum größten Verdruß der Herren wurde kein Putsch versucht; im Gegentheil, die an­wesenden Bösewichter verhielten sich wie Lämmer und Tauben, trotz Revolver, Dynamit und Petroleum in ihren Taschen.

Die Verhandlung konnte also in Ruhe vor sich gehen. Wie grausam waren aber die Verbrechen, welche dem Missethäter Pfau zur Last gelegt wurden! Eine Reihe von Postbegleitadressen waren im ganzen deutschen Reich gesammelt worden, deren Aufschrift von des Bösewichts Hand her­rühren sollte; mysteriöse Briefe kamen zur Verlesung, worunter einer an die liebe Louise" die größte Heiterkeit, ein anderer an Hartmann in London  "( natürlich den Nihilisten) das größte Aufsehen erregte. Pfau gibt in einigen Fällen zu, die ihm zur Last gelegten Unthaten verübt zu haben, in anderen wieder bestreitet er seine Schuld.

Ein Schulmeisterlein, welches als Handschriftenkundiger vorgeladen war, setzte ganz besonders die Lachmuskeln des Auditoriums in fonvulsivische Erregung. Bescheiden drückte er sich anfangs in die Ecke seiner Bant; als es aber aufgerufen wurde, sein Zeugniß abzugeben, zeigte sich unser Männlein nicht nur als großen Kalligraphen, sondern auch als zweiten Demosthenes  . Doch ach nein! Der böse Vorsitzende duldete seine rheto­rische Uebung nicht, er unterbrach ihn immer wieder, als er die Aehn­lichkeit der verschiedenen a und r in hochtrabender Rede darzulegen ver­juchte. Man verlangte bestimmte Antwort, ob die Adressen von Pfau's Hand herrührten oder nicht. Des Schulmeisterleins lakonische Antwort lautete jedesmals: Höchst   wahrscheinlich, höchst wahrscheinlich u. s. w.

Welt, hülle Dich in Trauer; du hast den großen Redner Hartmann verkannt! Denn unser gesellschaftsrettungswüthiges Schulmeisterlein hat das Unglück, den gleichen Namen zu tragen, wie der Erznihilist in Lon­ don  ! Der größte der kleinen Schuste unseres Jahrhunderts, der Polizeiinspektor Kern, war ebenfalls vorgeladen, um über unsern Ge­noffen Zeugniß abzulegen. Er beschränkte sich darauf, Pjau als gefähr­lichen Sozialdemokraten hinzustellen, bekam aber, als er im besten Zuge war, vom Vorsitzenden einen Rüffel, mit der Erklärung, Pjau stehe nicht wegen seiner sozialdemokratischen Gesinnung vor den Schranken des Ge­richts. Der Lump blamirte sich fürchterlich.

Und was war das Ende vom Liede, fragt jetzt der Leser? Pfau wurde wegen seiner Verbrechen zu sechs Monaten verdonnert, wobei von seiner 3 monatlichen Untersuchungshaft zwei Monate in Anrechnung famen. Ferner wurde ihm Aufenthaltsbeschränkung zuerkannt.

So endigte die luftige Geschichte; die bewaffnete Macht fand zu ihrem großen Leidwesen keine Gelegenheit zum Dreinhauen und dreinschießen; die Anwesenden zerstreuten sich ruhig, um bei einem Glas Bier die schauer­lichen Eindrücke zu verwischen, mit Revolver, Dynamit und Petroleum in den Taschen. Semper idem.

Aus dem Wahlkreis Darmstadt  - Großgeran. Bei uns ist Alles klar zum Gefecht". Wir haben in unserem Wahlkreise Genossen Bebel aufgestellt und glauben damit einen guten Griff gethan zu haben. Die Fortschrittler mit ihrem Kandidaten Büchner haben höllische Angst vor dem Durchfallen, da wir es immer waren, welche denselben zum Siege verhalfen. Die Konservativen, die dieses Jahr mit einem eigenen Kandidaten auftreten, geben sich der Hoffnung hin, daß sie in die Stich wahl kommen( was wohl auch der Fall sein dürfte) und wir, aus lauter Freude über Bismarck's erbärmliche Sozialpolitik, für ihren Kandidaten stimmen würden. Wenn man nur der Hase nicht schief läuft", würden unsere Berliner   Genossen sagen. Die meisten Parteigenossen sind entschlossen, bei der ersten Wahl alle Hebel in Bewegung zu setzen, um auf Bebel recht viele Stimmen zu vereinigen und denselben in die Stichwahl zu bringen; und gelingt dies nicht, Gewehr bei Fuß zu nehmen und den Kampfplatz der reaktionären Masse" zu überlassen.

Sonst geht es bei uns vortrefflich. Haben wir da einen Polizeirath, Lampe  , ich wollte sagen: Haas ist sein Name, den die Lorbeeren Putt­famer's nicht ruhen lassen. Selbiger Haas ist Vorsitzender der landwirth­schaftlichen Konsumvereine für Hessen  , und als Puttkamer seine famose Rede bei Verlängerung des Sozialistengesetzes hielt und dabei den Artikel aus dem Sozialdemokrat":" Gottes Wille ist geschehen" mit dem Be­merken verlas: daß er sich wohl hüten würde, so etwas zu thun, wenn ihn nicht seine Eigenschaft als Minister und Abgeordneter doppelt decken würde", berief unser Polizeirath flugs eine Ausschußsizung besagter Ver­eine ein und las dort den zusammengetrommelten Landbürgermeistern und Bauern auch den Artikel vor, brachte überhaupt eine Anzahl von Eremplaren des" Sozialdemokrat" mit und vertheilte dieselben, ohne wie Buttkamer durch ein Mandat gedeckt zu sein. Wenn es unserem Polizei­räthchen auf diese Notiz hin ebenso erginge, wie weiland seinem Freunde in Berlin  , des Dernburg's Fritzchen?

Wie erfuhr die Bande denn das?, wird der Haas fragen, wenn er dies liest, waren doch die Sigungen vertraulich. Nun, wir wollen es ihm ,, vertraulich" verrathen. Es haben sich einige aufgeklärte Männer aus dem Ausschusse sofort auf den Sozialdemokrat" abonnirt. Auf die Frage, wie sie von demselben Kenntniß erhielten, erklärten sie: durch Polizeirath Ha a s. Oeffentlichen Dank auch hiefür dem Agitator wider Willen.

Leider sind auch von hier in letzter Zeit vier tüchtige Genossen nach Amerika   ausgewandert, mögen sie, ihrem Versprechen getreu, auch im fernen Westen Pioniere für die Befreiung des Proletariates sein und bleiben. Ein anderer braver Genosse( Name? Red. d. Soz.") ist, wie ich soeben benachrichtigt werde, in Darmstadt   gestorben. Ehre seinem Andenken. Unsere hessischen Hochverräther, fünf an der Zahl, haben jetzt endlich Aussicht, vor Gericht gestellt zu werden. Es waren immer brave Genossen, die sich durch die Most'sche Taktik allzusehr mit Spionen umgaben und so der Reaktion willkommene Beute lieferten. Daß die Handlungen unserer Freunde Indizien des Hochverrathes oder auch nur der Vorbereitung zum Hochverrath nicht an sich tragen, ist gewiß, doch bei unseren biederen Richtern gar nicht nöthig, und die Männer sitzen nun schon fast 1 Jahr in Untersuchungshaft. Schmach über die Lumpen, die solchen Zuständen Halleluja fingen!

An die Genossen noch die Mahnung, treu und fest zusammenzuhalten, damit wir unseren verhafteten Genossen, sind sie wieder frei, ein freudi­ges Willkommen zurufen und ihre durch die lange Haft unerquicklich gewordene Lage nach Kräften zum Bessern wenden können. Sorgt für Verbreitung des Zentralorgans und seid selbst durch püntliche Bezahlung des Abonnementsbetrages für das Organ besorgt.

Mit sozialdemokratischem Gruß!

L. und S.

Vom Main  . Im Hessenland" wird tüchtig gearbeitet. Die Darmstädter sind auf dem Posten( siehe oben), ebenso die Mainzer und Offenbacher  , die bei der Wahl ihre Schuldigkeit thun werden, und sie auch vor der Wahl thun. Im Offenbach  - Dieburger  , wie im Mainzer   Wahlkreis ist Liebknecht als Kandidat aufgestellt; die Ver­hältnisse liegen so günstig und die Stimmung ist eine so vortreffliche, daß unsere Aussichten besser sind als je zuvor. Im Friedberger  und im Gießener   Kreis, wo ebenfalls Liebknecht aufgestellt ist, arbeiten die Genossen mit großem Eifer und Muth nie hat die Partei auch dort besser gestanden. Für Jeden, der sich aus diesen oder jenen Grün­deu aus dem Vorkampf zurückzog, sind neue Streiter in die Linie gerückt. Die Marburger  , die zwar keine Darmhessen", aber trotz der An­nerion doch gute Hessen  " und Sozialdemokraten sind, haben Bebel als Kandidaten aufgestellt und versprechen sich besten Erfolg. Kurz, Alles deutet darauf hin, daß die blinden Hessen  " bei der bevorstehenden Wahl sich recht helle" zeigen und von den Genossen im übrigen Deutschland  nicht beschämen lassen werden.

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X.

C. Th. Vom Main  , Anfang August. Nach langer Zeit gestatten Sie mir wohl wieder Einiges aus hiesiger Gegend zu berichten. Die Lage der Partei am Main   ist durchweg gut und obschon verhältnißmäßig wenig von hier berichtet wird, so kann doch keine Rede davon sein, daß unsere Genossen sich durch das elende Knebelungsgesetz hätten einschüchtern lassen. Jeder ist auf seinem Posten und wird, wenn's Zeit ist, seine Funktionen ausüben. Und im Uebrigen nehmen wir jede Gelegenheit wahr, um uns öffentlich zu zeigen und dadurch die Genossen wieder an die öffentliche Thätigkeit zu gewöhnen. In Frankfurt   wollten die Fortschrittler ihr Berliner   Märchen und seinen Gewerkverein einschwärzen, es wurde ihnen aber durch unsere Genossen Prinz, Döll 2c. in öffent­licher Versammlung gehörig auf die Finger geklopft, so daß die Herren wohl die Lust zu ähnlichen Gastvorstellungen verloren haben dürften. In Hanau   geht es ganz vortrefflich, da die Genossen dort eine vorzügliche Organisation haben, in die kein Polizist, und wäre es der geriebenste, seine Nase stecken kann. In Offenbach   gab's in letzter Zeit etwas außergewöhnliche Bewegung durch die Stadtrathswahlen. Unsere Genossen betheiligten sich heuer zum ersten Mal an der Wahl und brachten es auf 189 Stimmen, während der letzte der Gewählten nur 250 Stimmen er­halten hatte. Originell bei der dortigen Wahlbewegung war die That­sache, daß die auserwählten Personen, welche sich die Crême der Gesell­schaft nennen, einander in die Haare geriethen. Die hohen und höch­sten" Herren, die Spizen der Behörde" 2c. 2c. wurden bös mitgenommen, und die Genossen erfuhren bei dieser Gelegenheit, mit welcher Unver­schämtheit die übliche Pascha und Vetternwirthschaft mit obligater Aus­beutung der Steuerzahler sich in einzelnen Theilen der Verwaltung breit gemacht. In zwei Jahren dürfte den Genossen das sehr zu statten kommen und auf die dann stattfindende Wahl nicht ohne Einfluß sein. Die Herren haben denn auch jetzt schon eine heillose Furcht vor der nächsten Wahl, während wir uns auf dieselbe freuen, denn wir werden schon Sorge tragen, daß die Wähler hinreichend unterrichtet sind und der feigen selbstsüchtigen Sippschaft das Heft entwinden.

Mainz  , Anfangs August. Bis jetzt war Frankreich   das einzige glückliche Land, in dem die Lächerlichkeit tödtete, in Deutschland   dagegen genügte es bisher, wenn man recht brutal auftrat, um trotz der größten Albernheiten der allgemeinen Verehrung sicher zu sein. Dem Bismarc schen Staatssozialismus   scheint die große Aufgabe vorbe­halten zu sein, endlich ein solches Non plus ultra von lächerlichkeit vor­geführt zu haben, daß selbst die Deutschen   anfangen zu lachen. Hier bei uns in Mainz   wenigstens sind die Bismarck Stöcker'schen Apostel bei ihrem ersten Auftreten einfach ausgelacht und damit für immer todt ge­macht. Hoffen wir, daß ganz Deutschland   in dieses Gelächter einstimmen wird und daß damit die Aera des le ridicule tue"( die Lächerlichkeit tödtet) auch für Deutschland   eingeleitet sein wird.

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Doch hören Sie die zwerchfellerschütternden Thaten, welche die neuesten Volksbeglücker hier bei uns verrichtet haben. Auf den 4. d. M. war durch große Plakate zu einer Volksversammlung eingeladen, in welcher ein Zimmermann" Sturm über den Nothstand des Kleingewerbes und der Arbeiter, über das Unfallversicherungsgesetz und die unbeschränkte Gewerbefreiheit sprechen sollte. Befagter Sturm ist hier ganz unbekannt und es lassen sich somit auf sein ganzes Auftreten die alten Worte an­wenden: Der Sturm weht und Du hörst sein Sausen, aber Du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt."

Die Versammlung war von ungefähr 500 Personen besucht und wählte in aller Ruhe einige Genossen in das Bureau. Als aber die Gewählten ihre Plätze einnehmen und die Versammlung eröffnen wollten, trat zu allgemeiner Ueberraschung der Wirth des Lokales vor und erklärte, daß er nur dem Zimmermann Sturm sein Lokal zu einem Vortrage ver­miethet habe und nicht dulden werde, daß außer diesem dunklen Ehren­manne noch irgend Jemand das Wort ergreifen werde. Auf die durch diese dummpfiffige Art des Wundtodtmachens erfolgten Ausbrüche des Unmuths eilte der überwachende Polizeikommissär dem biederen Wirthe

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zu Hilfe und erklärte, daß der Wirth Herr in seinem Hause sei und daß nämlich der überwachende Ordnungsschüßer( d. h. Störer) die Versammlung auflösen müßte, falls sie sich mit diesem salomonischen Aus­spruch nicht zufrieden gebe. Jetzt glaubte die Versammlung natürlich erst recht nicht, daß sie nur dazu berufen sei, sich lautlos von Herrn Sturm mit Berliner   Wind beglücken zu lassen, es erhob sich von Neuem heftiger Wider­spruch und Genosse Leyendecker kündigte an, daß er Beschwerde gegen ein solches Verfahren erheben werde. Da Polizei und Wirth in bewunderungswürdiger Einigkeit auf ihrem Recht" bestanden, so ver ließen unsere Genossen schließlich mit einem Hoch auf unsern Kandidaten Liebknecht   das Lokal, und Herr Sturm mußte seinen Wind bei sich behalten.

Nach diesem Sturm im Glase Wasser" erlebten wir am folgenden Abend eine Aufführung von Verlorner Liebesmühe", die an Lachreiz alles Dagewesene übertraf und deren Erzählung meine am Eingang ge­machten Bemerkungen vollauf bestätigen wird. Ein Herr Fritz( oder Schmierfritz?), eine hier ebenfalls vollständig unbekannte Person, hatte wiederum zu einer Versammlung eingeladen, in welcher er für Hand­werfer und Arbeiter" einen Vortrag über alle möglichen und noch einige sozialpolitische Fragen halten wollte. In Folge der Persönlichkeit und Stimme des Biedermannes, die zu der wahrhaft kolossalen Stoffmaffe, welche er bewältigen wollte, in krassem Widerspruche stand, bemächtigte sich der Versammlung von vornherein eine heitere Stimmung, die allmälig in ungeheure Heiterkeit überging. Doch hörte sie zunächst den Vortrag mit echt germanischer Gutmüthigkeit an und die Heiterkeit steigerte sich erst von Stufe zu Stufe, als Herr Frizz sich als Staats­sozialist und darauf noch als Zünstler bekannte. Als derselbe jedoch endlich auf die neue Wirthschaftspolitik und auf Bismarck   eine große Lobrede begann, da brach ein so homerisches und andauerndes Gelächter aus, daß Herr Fritz seine Rede abbrach und schleunigst verduftete. Die Versammlung trennte sich dann nach dieser erheiternden Episode wiederum mit einem Hoch auf unseren Kandidaten Liebknecht  .

Es ist hier wirklich buchstäblich so gegangen, wie es im kommunistischen  Manifest so drastisch geschildert ist. Der urfeudale Aristokrat Bismarck  erhebt die soziale Fahne und trägt sie dem Proletariat voran, aber indem die Proletarier sich anschicken, ihr zu folgen, erblicken sie auf seinem Hintern das alte feudale Wappen und lachen. Hoffen wir, daß am schallenden Gelächter des klassenbewußten Prole­tariats recht bald nicht blos Bismarck   und Konsorten, sondern auch Monarchie und Kapitalismus   zu Grunde gehen.

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Kiel  , 2. Aug. Im 7. schleswig   holsteinischen Wahl­kreise wird Heinr. Oldenburg  , Redakteur des Lübecker   Sonn­tagsboten, als Kandidat zur Reichstagswahl aufgestellt.

Warnung. Wir warnen hiermit alle Genossen vor einem ge­wiffen August Schneider in Breslau  , Kürschnermeister, Kohlen­straße 2. Der saubere Patron spielt sich als Parteigenosse auf, hat sich aber neuerdings als gemeiner Denunziant erwiesen, indem er, unter Assistenz seiner Familie, zwei bei ihm arbeitende Genossen ganz infam denunzirte.

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- Berichtigung. In dem Artikel Preußische Verwal­tungsbeamte" in letzter Nummer muß es Zeile 10, 11 und 12 von unten( die Anmerkung nicht mitgerechnet) heißen: nach dessen Be griffen ein selbst stehlender Regierungsrath tabu zu sein scheint 2c. Statt tabu steht das räthselhafte, nicht hinpassende dabei". Tabu ist in der Sprache der Südsee- Insulaner eine heilige, unantastbare Person, ein noli me tangere, ein Rühr mich nicht an.

Briefkasten

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der Redaktion. Der Bekannte" in C.: Ueber Jansen, der in Rastatt   erschossen wurde, gibt es keine Schriften. Sie müssen die Werke von Johann Philipp Becker  ( Geschichte der süddeutschen Mai revolution"), von Gustav Struve  ( Geschichte der drei badischen Schilderhebungen) oder von Amand Gögg  ( Aufschlüsse über die Re­volution von 1849") lesen. Die beiden erstgenannten Werke sind im Buchhandel vergriffen, aber doch wohl bei diesem oder jenem Genossen zu finden. Gögg's Schrift können Sie durch uns beziehen. Eine um fassende Geschichte der damaligen Freiheitsbewegung in Deutschland  haben wir leider noch nicht. Gelegentlich wird der Sozialdemokrat" auf diese oder jene Partie ein Schlaglicht werfen. Und wir rechnen darauf, in diesem Bestreben durch unsere Leser und Genossen unter­stützt zu werden. Wer uns authentische Aufschlüsse liefern kann, der thue es. Wir bitten dringend darum. Es ist eine Pflicht gegen die Lebenden und die Todten. Erwähnt sei noch, daß Jansen im Todten­verzeichniß, welches Gögg mittheilt, wie folgt aufgeführt ist:

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" Johann Jansen aus Köln  , Geometer und Adjutant von Ber­nigau, 24 Jahre alt, 20. Oktober( 1849) zu Rastatt   erschossen." der Expedition. A. B. Genf  : Lieferung folgt ferner durch W. dorten. Serlow: Post v. 28./7. am 3./8. erh. u. beachtet. Bh. 5. Frontign.: Fr.-. 60 dem Unterstüßungsfd. dkd. zugewiesen. F. L. R. J. Mt. 3, Ab. 3. Qu. erh. Adr. berichtigt. Von einigen Freunden aus der Grütlisektion Fleurier  : Fr. 5, dem U.-Fd. dkd. zu­gewiesen. J. K. Mort: Fr. 1,25 Ab.- Rest Mai- Juli erh.

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3. J. Locle:

L.: Fr. 1, f. Schft. erh. Einverstanden. Dank für Alles." Ges. durch A. 1. Fr. 6,85 f. d. Ufos. Fr. 1,- dem Wahlfds f. St. zugew. N. W.   bei der Volksbuchhdlg. bestellt und abgeg. Feldhaupt­mann: Nachliefrg. mit 32 p. Doppelbrf. bewirkt. Forts.   pr. X zunächst beabsichtigt. Leyer u. Schwert hoffentl. gut bewahrt. Gruß! Reichs­maulwurf: Bf. v. 30./7. eurch O. erh. Alles beachtet. Stieber auf Reisen: Mt. 1,- pr. Juli erh. Warum so verzettelt? Derart Unterbrechg. unvermeidlich." Der Bekannte" C.: Mk. 50,- à Cto. Ab. nach Vorschr. gutgebr. 18 durch Zwischenhd. kaput. Ersatz unmögl. Bkh. mit 32 besorgt. G. i. G.: Bf. v. 4./8. am 6. beantw. Bummelfritz: Nachliefrg. war bereits besorgt. Bf. v. 5./8. beantw+++ himmel-: Moses u. d. Propheten" angerufen u. It. Nachricht v. 8. ds. Bescheid erh. Arb.- Ver. Schabatz durch Lüb. ö. fl. 33,- pr. U.-Fd. erh. Kurs nur Fr. 69,30, nicht 82% wie Lüb. andeutet. X 3: Bf. v. 5./8. erh. u. am 8./8. beantw. Mr. 30,- gutgebr. Mrne: Alles geht präzis

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wöchentl. Daß Zwischenhand bis zu drei Nrn. zusammensendet, ist un­erklärt. Werden Wandel schaffen. Gruß! Laster: Dank für Besorgg. Bschg. noch immer stumm. Red. d. V. Frd. Chur: Fr. 13,30 mittelst Pf. erh. Fosquittg. später. Dank! St. H. K.: M. 6,- Ab. 2 u. 3. Qu. erh. F. Jonsch. N.- Y: Fr. 81,80 erh. u. davon Fr. 5,- pr. Wfds. für M. K. zugewiesen. Bldr. abges. Sal. Unruh: M. 74,10 erh. Betr. Abrechng. u. Eingabe L's 2c. 2c. Näheres durch dicken Postillon. Russenfeind Bpst: Fl. 5,- ö. W. erh. Ab. 2. Du. Damit glatt u. auf 3. Qu. Fr. 2,15 à Cto. Jedes Qu. kostet derart Fr. 8,35, also noch Fr. 6,20 senden! N. N. Prag  : Bf. v. 2/8. erh. Alles eingereiht. Mücke Buenos- Ayres: Fr. 36,- à Cto. erh. Allg. A.-V. Zug: Fr. 31, ges. durch Sch. u. Gen. dem Ufds. zugewiesen. F. H. Hg:

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à Cto. gutgebr. B. B. London  : M. 12,-

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M. 8, Ab. Aug. u. 1 Expl. 3. Qu. erh. Rother Franz: Fr. 6,- à Cto. erh. Schnürung: Nachr. v. 2/8. am 8/8. erwidert. M. 2,50 erh. u. hiervon M. 10 von Ave. d. Wfds. zugew. Nchlfrg. besorgt. Banusfrpt. S. betreffend, briefl. E. Klässig N. Y: Addr. vorgem. Zugesagtes erwartet. L. Mart. Lawrence: 2. Doll. Fr. 10,30. Ab. à Cto. erh. Weiteres pr. P.-K. Partgen. Trogen  : Fr. 2,50 pr. Ufds. dfd. erh. Nachnahme haben unterlassen. Senden Sie 50 Cts. in Briefmarken. Redhat  : M. 55,10 ( Fr. 67,55) 2c. erh. u. am 10/8. geant. Weiteres war schon erledigt. Dank! Schw. Jackel: M. 2,50 dem Ufds. dkb. zugewiesen. A. Lanf. Chikago: Fr. 103,60 á Cto erh. MR: M. 25,10 Ab. Mai erh. Weiteres brieft. am 10/8. F. St. Mn: Fl. 2,10 ö. W. Ab. 3. Qu. u. Phot. erh. London   Zappelmann: Der d. Reichstag ist der Heerd, wo jedes Voltsübel gebraten wird"( so vermeldet der revol. Speisezettel Nr. 32 aus Barmen- Elbfld.). Sie wünschen, daß wir uns dies zu Herzen nehmen? Gebratene Volksübel" ein sonderbares Gericht, aber dürften wir vielleicht zuvor um Probe bitten, Herr Küchenmeister?

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Soweiz. Bereinsbuchdruckerei Hottingen- Züric

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