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Erscheint

wöchentlich einmal

in

Zürich  ( Schweiz  )

Verlag

A. Herter, Hottingen  - Zürich  

Kasinoftraße 3.

Poßfendungen

franco gegen franco. Gewöhnliche Briefe

nach der Schweiz   toften

Doppelporto.

N: 39.

Der Sozialdemokrat

Zentral- Organ der deutschen Sozialdemokratie

Donnerstag, 22. September.

Avis an die Korrespondenten und Da der Sozialdemokrat" jowohl in Deutschland   als auch in Oesterreich   verboten ist, bezw. verfolgt wird, und die dortigen Behörden sich alle Mühe geben, unsere Verbindungen nach jenen Ländern möglichst zu erschweren, resp. Briefe von dort an uns und unsere Zeitungs- und sonstigen Sendungen nach dort abzufangen, so ist die äußerste Vorsicht im Poftverkehr nothwendig und darf keine Vorsichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarder über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt der Sendungen zu täuschen, und letztere dadurch zu schützen. Haupterfordernig ist hiezu einerseits, daß unsere Freunde so selten

Abonnenten des Sozialdemokrat". 201

Abonnements werden nur beim Verlag und deffen bekannten Agenten ent­gegengenommen und zwar zum voraus zahlbaren Vierteljahrspreis von:

Fr. 2.- für die Schweiz  ( Kreuzband) Mt. 3- für Deutschland  ( Couvert) f. 1. 70 für Oesterreich( Coudert) Fr. 2. 50 für alle übrigen Länder der Weltpoftvereins( Kreuzband).

Inferate

Die dreigespaltene Petitzeile 25 Gts. 20 Pfg.

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1881.

als möglich an den Sozialdemokrat", resp. dessen Verlag selbst adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige Adresse außerhalb Deutschlands   und Oesterreichs   wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung sekt; anderseits aber, daß auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Rekommandirung. Soviel an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch Kosten scheuen, um trotz aller ent gegenstehenden Schwierigkeiten den Sozialdemokrat" unsern Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern.

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Unsern auswärtigen Abonnenten,

Filialen, Vertrauensleuten 2c. legen wir ans Herz, Ab­rechnungen und Abonnements erneuerungen, soweit noch nicht erfolgt, ungesäumt zu bewirken, ebenso wollen alle Abon­nenten an unsere Vertrauensleute unbedingt während des ersten Monats im Quartal Zahlung leisten, damit keine Unter­brechung in der Lieferung eintreten muß.

Unsere Vertrauensadressen sind bekannt. Alle Lieferungen erfolgen nur auf Gefahr der Besteller. Briefmarken aller Länder werden für voll angenommen. Größere Beträge in Papiergeld oder Post- Einzahlung.

Da nicht wenige auswärtige Besteller, besonders in Deutschland  , sowie in Desterreich, ihre Briefe immer wieder ungenügend frankiren, wodurch uns erhebliche Verluste durch Strafporti entstehen, so bemerken wir hiemit wiederholt:

Einfache Briefe( bis zu 15 Gramm) nach der Schweiz  foften:

aus Deutschland  

aus Oesterreich Ungarn

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20 Pfg­10 Krz.

Bei schwereren Briefen fosten immer je 15 Gramm weitere 20 Pfg., bezw. 10 Krz. Die Genossen wollen hierauf in Zukunft um so mehr achten, als wir ungenügend frantirten Sendungen in der Regel die Annahme verweigern müssen.

Die Expedition des Sozialdemokrat".

Die Vivisektion des Proletariats.

Die Bourgeoisie hat es stets für nöthig gehalten, mit der Humanität zu fotettiren und ein ganz außerordentlich entwickeltes Zartgefühl an den Tag zu legen, wo es Effekt macht und nichts kostet.

Früher waren die Negersklaven das Schooßkind der Bour­geoisie, und dieselben Herrn, welche kein Bedenken trugen, ihre weißenfreien" Arbeiter aufs scheußlichste zu behandeln und auszubeuten, waren mit rührender Sorgfalt bestrebt, das Loos der Sklaven, die sie ja nicht selbst ausbeuten konnten, zu ver­bessern.

Dasselbe reformirte" Parlament, das aus Zartsinn für die Herren Fabrikanten Kinder unter 13 Jahren noch Jahre lang in die Hölle 72stündiger Fabrikarbeit per Woche fest­bannte, verbot dagegen in dem Emanzipationsatt, der auch die Freiheit tropfenweise eingab, von vornherein den Pflanzern, irgend einen Negersklaven länger als 45 Stunden per Woche abzuarbeiten."( Karl Mary, Das Kapital S. 281.)

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Jetzt sind die Sklaven befreit und da hat man sich die Thier: welt als unschädliches Objekt der" Humanität" auserforen. Die ganze gute" Gesellschaft, Pfaffen, Nonnen und alte Freuden­mädchen voran, auch Ehren- Stöcker findet sich in der Gesell­schaft haben einen Kreuzzug eröffnet gegen die Thierquälerei, gegen animalische Nahrung, namentlich aber gegen die Vivi­sektion. Was kümmert sich dieses unwissende, blöde Volk- Volk im schlechten Sinne darum, daß die medizinische Wissen schaft ohne Versuche an lebenden Thieren keine Fortschritte machen kann, was darum, daß die Medizin gerade solchen Versuchen ihre glänzendsten Errungenschaften verdankt. Das Vieh steht ihnen näher als der Mensch, und so erheben sie allenthalben Protest gegen die ,, Rohheit" der Vivisektion.

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Und bereits haben sie Erfolge davon getragen natürlich in England, das von einem alten Weibe regiert und von Pfaffen beherrscht wird. Vor fünf Jahren nahm das englische Parla­ment ein Gesetz an ,,, the Cruelty of Animals Act", nach welchem Versuche an lebenden Thieren nur mit Erlaubnig des Ministers des Innern gestattet sind, d. h. es hat die Wissenschaft der Willkür eines Mannes übergeben, der, wie die meisten Minister, von ihr so viel versteht, wie die Kuh vom Flötenspielen. Die Physiologen bekunden denn auch einstimmig, daß eine solche Erlaubniß zu erlangen, so gut wie unmög lich sei.

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Beim letzten internationalen medizinischen Kongreß in London  fam auch dieser Gegenstand zur Sprache. John Simon, medical officer to the Privy Council  ( medizinischer Beisitzer des Staats­rathes) war es, der mit einer geradezu vernichtenden Rede wider die Gegner der Vivisektion auftrat. Er ist der Chef der ge­sammten britischen Medizinalpolizei und derselbe, der im ,, Kapital" bon Marr so oft und so rühmlich zitirt wird; ein Mann, der bielleicht einer der letzten aiten berufstreuen und gewissen­baften englischen Beamten aus der Zeit von 1840-60 überall Bourgeoisinteressen als erstes Hinderniß seiner Berufsthätigkeit vorgefunden hat und zu bekämpfen genöthigt war. Kein Wunder, daß ein tiefer Haß gegen die Bourgeoisie sich in ihm einwurzelte; und dieser Haß ist es, der ihn befähigte, der Antivivisektions­bewegung mit einer Wucht entgegenzutreten, welcher seine ber Bourgeoisie angehörenden Kollegen, die Herren Virchow und Ronforten, nicht im entferntesten fähig sind. Statt sich wie diese matt und farblos zu vertheidigen, greift er an und ents wirft in seiner Rede einen ganzen Anklageaft der Bourgeoisie.

Wir bedauern, durch Rücksichten auf den Raum gehindert zu sein, die ganze ausgezeichnete Rede wiederzugeben: die Aufzählung der Fortschritte, welche die Medizin den Versuchen an lebenden Thieren zu verdanken hat, die Auseinandersetzung, wie durch das neue ,, Thierschutz" gesetz der wissenschaftliche Fortschritt gehemmt sei und schließlich seine bittere Satire gegen die Sentimentalität und die Ignoranz der ästhetisch gebildeten" Gesellschaft. Nur zwei Thatsachen wollen wir wiedergeben, an denen J. Simon den Experimenten der Wissenschaft an einigen wenigen lebenden Thieren die Experimente der Bourgoisie an Mil lionen lebender Menschen entgegenstellt.

Um Mittel zum Schutze gegen die asiatische Cholera zu finden, machte Professor Thiersch Ansteckungsversuche an einem halben Dußend Mäusen: entseßliche Barbarei!

Um ihren Geldbeutel zu füllen, fuhren gewisse Aktiengesell­schaften fort, während der Cholera- Epidemien von 1848/49 und 1853/54 die südlichen Distrikte Londons   mit schlechtem Wasser zu versehen und so Ansteckungsversuche an einer halben Million Menschen zu machen, welchen auch viele Tausende zum Opfer fielen. Das ist keine Barbarei, sondern profit bringende Geschäftsgebahrung.

Ein anderes Bild. Die Tuberkulose   ist eine der weit verbreitesten Krankheiten. Vor sechzehn Jahren begann für die Kenntniß derselben eine neue Aera in Folge der Experimente des Franzosen Villemin   an einigen Thieren, Kaninchen und der= gleichen. Er fand, daß tödtliche tuberkulose Ansteckungserschei­nungen sich an den Thieren zeigten, wenn ihnen von Menschen herrührende Tuberkelmasse unter die Haut eingeflößt wurde. Weitere Experimente durch Andere über denselben Gegenstand folgten. Dr. Tappeiner fand, daß die beim Athmen in die Luft zerstreute Tuberkelmasse ansteckend wirke, Prof. Gerlach endlich zeigte vor 12 Jahren, da der Ansteckungsstoff einem gefunden Thiere mitgetheilt werden könne, wenn es mit der Milch eines tuberkulosen Thieres genährt werde.

Die Experimente, welche zu dieser Erkenntniß verhalfen, sind natürlich eine Schande des 19. Jahrhunderts", ste müssen verboten werden.

Dieselben Thierfreunde, welche so schreien, aber wissen ganz gut, daß die Tuberkulose unter den Kühen der Städte massenhaft vor­kommt( die sogenannte Perlsucht). Sie wissen ganz gut, daß durch die Milch dieser Kühe jährlich hunderttausende von Menschen mit einem unheilbaren Leiden angesteckt und einem qualvollen

Siechthum entgegengeführt werden. Und trotzdem weisen sie im Interesse der wirthschaftlichen Freiheit" jeden Versuch mit Ent­rüstung zurück, diese Anstedungs- Experimente an hundert­tausenden lebender Menschen zu verbieten. Ja, mancher dieser Thierfreunde verkauft selbst noch solche verderbenbringen de

Milch.

Diese Beispiele ließen sich ins Unendliche vermehren: die Vivisektion von Männern, Frauen und Kindern in den Fabriken, den Auswandererschiffen, in den Bergwerken, in den verpesteten Höhlen, welche man Proletarier wohnungen zu nennen pflegt. Für diese Leiden von 90 Prozent der Bevölkerung, die da lang­ihre zartfühlenden Frauen und Töchter und die weinerlichen sam zu Tode gemartert werden, haben die humanen Bourgeois, Pfaffen keinen Sinn; die einige Stunden dauernden Qualen eines Kaninchens, welche das Mittel werden, Millionen von Menschen das Leben zu erhalten, die erscheinen ihnen als der Gipfel der Grausamkeit.

Natürlich! Die Leiden der Menschen nügen dem Geld­sack, die Leiden der Thiere nüßen der Wissenschaft. Die Wissenschaft ist aber dem Bourgeois ein Greuel, für sie darf tein Hundeleben geopfert werden, der Profit dagegen ist eine Gott­heit, der zu Ehren man das ganze Volk martern und schlachten darf.

Diese falsche, einseitige, heuchlerische Sentimentalität ist, wie so vieles Andere, auch ein Symptom der Fäulniß der Bour= geoisie. Dieselbe verschrobene Sentimentalität in sonderbarem Gemisch mit Brutalität und Frivolität machte sich breit in den letten Dezennien vor der großen französischen   Revolution. Eine Gesellschaft, die so baar ist jedes wahren gesunden Gefühles, ist frant bis an's Mark, die geringste Erschütterung muß ste tödten.

Zu den Waffen!

Der Wahltag ist bestimmt die Zeit der Ungewißheit liegt hinter uns: am 27. Oktober d. J. wird die Wahlschlacht geschlagen, und an diesem Tag hat jeder sozialdemokratische Wähler seine Schuldigkeit zu thun.

An den meisten Orten sind die Vorbereitungen vollständig getroffen; an anderen, allerdings nur wenigen, ist dies aber noch nicht der Fall. Möge man dort das Versäumte schleunigst nachholen! Nur wenige Wochen trennen uns von dem Tag der Entscheidung. Es ist kein Moment zu verlieren.

Mit Genugthuung können wir konstatiren, daß die Genossen überall in Deutschland   die Bedeutung der Reichstagswahlen erfaßt haben und ebensoviel Festigkeit als Prinzipientreue beweisen.

Unsere Feinde haben es offenbar darauf angelegt, die Sozialdemokratie durch eine ununterbrochene Reihe von sich immer mehr häufenden Ver­folgungen und Maßregelungen einzuschüchtern und lahm zu legen. Der Belagerungszustand ist über Leipzig   einzig und allein in der Absicht ver­hängt worden, uns für die Wahlen kampfunfähig zu machen in zahl reichen gegnerischen Blättern ist dieses Motiv offen angegeben worden und die neuerdings aus Altona   und Berlin   erfolgten Massen- Auswei­sungen haben ebenfalls keinen anderen Zweck.

Neben der Einschüchterung hat man freilich noch die edle Neben­absicht, der Partei eine große Zahl von Unterstützungsbedürftigen auf­zuladen und uns so finanziell zu ruiniren. Bei einem bedeutenden Theil der Ausgewiesenen kann nur diese lettere, mehr als niederträchtige Be­rechnung den Ausschlag gegeben haben.

Zum Glück haben unsere Feinde mit dieser Berechnung wie mit ihren sonstigen Berechnungen sich schmählich getäuscht. Statt einzuschüchtern, haben die Verfolgungen erbittert, statt die Opferwilligkeit zu zerstören, haben sie den Opfermuth verdoppelt, verzehnfacht. Die Verfolgungen sind uns zu einer nützlichen Schule geworden. Die französischen  Arbeiter haben ihre Revolutionsschule auf den Barrikaden. Wir deutsche Sozialdemokraten haben bis jetzt eine weniger poetische Schule. Statt im Pulverrauch und im frischen und fröhlichen Straßenkampf mit den uniformirten Werkzeugen der Tyrannei haben wir uns höchst unromantisch mit servilen Richtern, mit Polizei, Spitzeln und ähnlichem Gesindel herum­zuschlagen, das noch tausendmal gesindelhafter ist, als das Gesindel, über welches der alte Fritz" sich weiland so ärgerte. Es ist das ein ab­scheulich prosaischer, ein widerwärtiger Kampf, aber er erheischt außer­ordentliche Ausdauer, viel Muth und viel Kaltblütigkeit und bildet des­halb eine vortreffliche Schule für unsere Leute. Oder sollen wir lieber sagen Vorschule? Denn die eigentliche Schule, in der es nach Pulver riecht, wird uns doch nicht erspart werden Dank Bismarck, der den gesetzlichen Weg" mit solch genialem Erfolge verrammelt. Und zur richtigen Schulung gehört auch das richtige Tempera­ment, die richtige Stimmung. Wir Deutsche   sind ein gemüth­liches" Bolt: tauſendjährige Unterdrückung haben uns wunderbar zahm gemacht, und die Galle ist uns abhanden gekommen. Ein normaler Deutscher kann wohl roh und brutal werden, allein echten auflodernden Zorns über erlittene Unbill und Unterdrückung ist er nicht fähig. Dieser fatale Nationalcharakter, der uns den nicht unbegründeten Ruf eingebracht hat, das Bedientenvolt par excellence zu sein, mußte natürlich bis zu einem gewissen Grade auch der deutschen Sozialdemokratie ankleben. Nicht als wollten wir damit einen Vorwurf aussprechen. Wir wollen blos die Thatsache bezeichnen, daß die deutsche Gemüthlichkeit, wie dies anders nicht möglich, sich mitunter auch in der deutschen Sozialdemo­fratie vorgedrängt hat. Niemand kann eben aus seiner Haut heraus­schlüpfen, nicht mit einem Ruck einen neuen Adam anziehen.

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Mit der Sozialistenhatz des Bismarck  'schen Attentats- Sommers, schand­vollen Andenkens, kam der Umschwung. Zum ersten Mal wurden die Verfolgungen so ernsthaft, daß jeder Sozialdemokrat sich bewußt sein mußte: Es handelt sich um Sein oder Nichtsein.

Und hätte Einer sich auch der Illusion hingegeben: Es ist nur ein Mißverständniß; sobald an den Tag kommt, daß wir keine Partei von Meuchelmördern sind, werden die Verfolgungen aufhören!" der Gang der Dinge mußte ihn bald zur Vernunft bringen.

Daß Hödel und Nobiling nicht im Namen und Auftrag der Sozial­demokratie auf den alten Sünder von Durlach  , Rastatt   und Freiburg  geschossen das weiß heute jeder unserer Gegner: ja keiner unserer Gegner behauptet das auch nur noch zum Schein und trotzdem hat man das Sozialistengesetz, welches ausschließlich auf diese irrige Annahme be­gründet ward, nicht nur nicht widerrufen man hat die Anwendung verschärft, die Verfolgungen mit raffinirter, kalter Grausamkeit gesteigert. Für die Proklamirung des Belagerungszustandes in Berlin   hatte man noch den Vorwand, das Leben des zum Heldengreis" avancirten Wilhelm zu beschützen. Für die Proklamirung des Belagerungszustandes in Hamburg- Altona   und Leipzig   hat man es nicht mehr der Mühe werth befunden, auch nur halbwegs anständige und plausible Vorwände ins Feld zu führen.

Die Sozialdemokratie soll vernichtet werden. Das ist Alles. Und in diesem Ziel sind sie Alle einig, sie von der reaktionären Masse".

Wenn wir von den vereinzelten Regungen einiger Zeitungen absehen hat irgend eine Partei einen Finger gerührt, um diesem beispiellosen Unrecht zu begegnen, um dem mit Füßen getretenen Recht Beistand zu leiften?

Mit nichten.

Am 4. September zeigte die reaktionäre Masse" ihre wahre Gestalt im sächsischen Landtag.

Als Liebknecht und Bebel die frevelhafte Heuchelei geißelten, welche ein Konstitutions- und Freiheitsfest feiern will, im Moment, wo Hunderttausende im Lande rechtlos, geächtet sind war im ganzen

Landtage auch nur ein Einziger, der für das mit Füßen getretene Recht gegen die heuchlerischen Unterdrücker die Stimme erhoben hätte? Nicht Einer!

Und da saßen Liberale, Fortschrittler, Demokraten. Nicht Einer!

Kein Liberaler, kein Fortschrittler, kein Demokrat!

Angesichts solcher Thatsachen gibt es feine Möglichkeit der Selbst­täuschung mehr:

Es ist ein Kampf auf Leben und Tod.

Und alle anderen Parteien stehen als eine reaktionäre Masse" gegen

uns.

Das weiß heute Jeder, der letzte Rest von Gemüthlichkeit ist aus­getrieben, und ein unbeschreibliches Gefühl der Erbitterung und des Hasses hat sich der Gemüther bemächtigt.

Das ist ein Fortschritt. Und ein Fortschritt ist es, daß die Noth­wendigkeit, die Partei rein und unvermischt zu erhalten, keinen Kompro­miß, auch nicht mit den uns nächsten Parteien", einzugehen, allgemein von allen Parteigenossen begriffen ist.