schrittspartei. Anstatt der Bismarckischen Opposition offen entgegenzu­treten, anstatt der von der Hofpredigerlichen Sippe gepflegten Liebedienerei nach oben gegenüber energisch die Rechte des Volkes zu betonen und so den demokratischen Geist im Volke zu erhalten und zu fördern, verkriecht fich die ,, Partei der bürgerlichen Demokratie" hinter ihrer" Königstreue, hinter ihrer Treue zu demselben Mann, der sie durch seine Kreaturen beschimpfen und verhöhnen läßt. Anstatt dem Volk Vertrauen in seine eigene Kraft und mannhaftes Eintreten für sein gutes Recht zu predigen, täuschen sie es mit erheuchelter Loyalität, die das Volk zum Theil an­ekelt, zum Theil erst recht in's reaktionäre Lager führt. Sie täuschen das Volk, weil sie kein Vertrauen zu ihm haben.

Und das ist die am weitesten nach links stehende Partei des deutschen  Bürgerthums, das ist die Partei, mit der wir eigentlich Hand in Hand gehen müßten, wollten wir einigen sich für ungeheuer praktisch haltenden Leuten folgen, die uns deutsche Sozialisten jüngst im Gefühle ihrer geistigen Ueberlegenheit herablassend belehrten, erst müsse Deutschland   politische Republik werden, ehe sich in ihm die soziale Republik entwickeln könne. Nein, verehrte Freunde und Gönner, für die politische Republik   lockt ihr in Deutschland   keinen Hund hinter dem Ofen hervor: es gibt in Deutschland   nur eine ernsthaft republikanische Partei, und das ist die Sozialdemo fratie, und nur eine Klasse, welche als solche für die politische Freiheit eintritt, und das ist die Arbeiterklasse, und wenn diese einmal in der Lage ist, der Monarchie in Deutschland   den Garaus zu darauf könnt Ihr Euch verlassen nicht machen, dann wird sie beim Throne bleiben, sondern gleich gründlich, d. h. radikal auf­räumen, nicht nur mit dem Kaiser und König, sondern auch mit den Baronen und Rittern in Stadt und Land ein ernsthaft Wörtlein reden.

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,, Aber die Entscheidung, die an diesem Tage ergeht, ist von unermeß­licher Wichtigkeit deshalb, weil sie der durch zwei ruchlose Attentate emporgehobenen Parteiſtrömung, an deren Spitze sich die Regierungs­gewalt gestellt, den Beweis liefern soll, ob ein Volk, wie das deutsche, sich des freien und unabhängigen Urtheils über die Ge­staltung seines politischen und wirthschaftlichen Lebens dauernd be­geben will also schreibt die Tribüne", das Blatt, welches in den Tagen der Attentate von allen Berliner   Blättern am schamlosesten log, am infamsten hetzte, und so am meisten dazu beitrug, die Parteiströmung, vor der ihr jetzt graut, emporzuheben". Man könnte von einer rächen­den Gerechtigkeit sprechen, wenn es nicht immer das Volk wäre, welches die Zeche zu bezahlen hätte.

Die Sozialdemokratie aller Länder sieht mit be­greiflicher Spannung dem Ausfall der deutschen   Reichstagswahlen ent­gegen. Allüberall fühlt man, von welch' großer Bedeutung derselbe für die Sache des Proletariates ist. Unser flämisches Bruderorgan, die " Toekomst  "( Zukunft) widmet in seiner letzten Nummer den deutschen  Wahlen einen eingehenden Artikel und schließt mit folgenden warmen Worten:

" Deutsche   Parteigenossen! Am Donnerstag wird unser Geist in Eurer Mitte sein, und unser Herz wird mitjubeln, wenn es Euch gelingen wird, der vereinigten Reaktion einen wohlverdienten Stoß beizubringen. Glück auf!"

Ebenso schreibt das wackere holländische Parteiorgan ,, Recht vor Allen"( Recht für Alle): Unsere besten Wünsche begleiten das Vor­gehen unserer deutschen   Brüder. Mögen ihre Anstrengungen, möge ihre Aufopferung belohnt werden durch einen günstigen Erfolg!"

Der Pariser" Proletaire", die Budapester Arbeiter­Wochenchronik", die Wiener  , Wahrheit", Avanti" in Cesena widmen gleichfalls den bevorstehenden Wahlen mehr oder minder ein­gehende Besprechungen. Alle hoffen auf einen günstigen Erfolg, der nicht nur auf die deutschen   Arbeiter allein, sondern auf die Arbeiter aller Länder ermunternd und ermuthigend wirken würde.

Gebildetes Proletariat. Berliner   Zeitungen melden über die schlechten Aussichten im Baufache:

,, Während nur etwa 300 etatsmäßige Baumeisterstellen vorhanden sind, befinden sich hier und in den Provinzen etwa 800 diätarisch be­schäftigte Baumeister, von denen Männer, die im Jahre 1869 ihr Examen gemacht haben, noch nicht angestellt sind. Noch schlimmer sieht es aber der Voff. 3tg. zufolge für den Nachwuchs aus: etwa 700 Bau­führer befinden sich in Berlin  , nicht mit Examenarbeiten beschäftigt, und etwa 1000 in der Praxis der provinzial-, fiskalischen- und Eisenbahn­bauten. Zudem sind die Bedingungen für das Baumeister- Examen neuerdings so in die Höhe geschraubt, daß 50 bis 60 Prozent der Examinanden durchfallen. Zur Bearbeitung der aufgegebenen Projekte ist allein mindestens ein Jahr erforderlich, während die Vorbereitung zum mündlichen Examen sich selbst von gut beanlagten Baufährern in einem halben Jahre kaum erreichen läßt."

Was soll aus diesen Leuten, die ein 6-7jähriges Studium hinter fich haben, schließlich werden? Die heutige Gesellschaft weiß keine Antwort darauf. Mögen sie sehen, wie sie sich als Schreiber, Aufseher u. s. w. durchschlagen, ob auch die Zeit und Kosten des Studiums ver­loren gehen. Und diese Vergeudung von Arbeitskräften wird erst ein Ende nehmen, wenn unsere herrliche Gesellschaftsordnung mit ihrem

Besitzthümer und Etablissements ankaufen kannst, in denen Hunderte und Tausende von Arbeitern schaffen...

Die Einzelarbeit ist heute nur noch da möglich und der Privatbesitz von Arbeitsmitteln ist nur da noch vorübergehend am Plazze, wo die Arbeits­mittel wenig Werth haben- z. B. in der Schuhmacherei-, und in den Gegenden, wo der Grundbesitz sehr zerstückelt ist, und wo jeder Ackersmann sein Feld bearbeitet, wie weiland Vater Adam; aber im Allgemeinen reicht teine Ersparniß hin, um Dir die großen Produktivkräfte anzu­schaffen, wie auch keine Einzelkraft sie in Betrieb zu setzen vermag.

Damit wir diese erlangen, und damit sie Nutzen bringen, sollen sie ge­meinsames Eigenthum aller Arbeiter sein. Diese nehmen sie in Besitz, setzen sie in Betrieb und theilen brüderlich den Ertrag unter sich, und zwar so, daß ein Theil desselben unter die einzelnen Arbeiter zur Ver­theilung gelangt und ein zweiter Theil zum Nutzen der Allgemeinheit ver­wendet wird: für Straßenbauten und Verkehrsmittel, für Schulen, Bildungsanstalten und Bibliotheken, für Krankenhäuser und so weiter und so weiter.

Du hast Recht; wie nennt ihr diese Art von Eigenthum? Gemeineigenthum.

Das Gemeineigenthum scheint mir vernünftig und auch ganz praktisch zu sein.

Nicht wahr?

Ja, aber sage mir noch: Ist es wahr oder nicht wahr, daß unter dem Sozialismus es weder Familien, noch Einzelwohnungen, noch... Dummes Geschwätz, mein Lieber, und meist sogar böswillige Verleum­dung, ausgestreut, um das Volk vom Sozialismus ferne zu halten. Wenn die Arbeiter d. h. in Zukunft alle Menschen- genug haben werden,

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um menschlich zu existiren, so werden sie es mit der Liebe machen, wie sie es für gut halten werden, was haben wir uns heute darum zu kümmern? Und dann, sage mir doch, wie geht es denn heute zu?- Anstatt daß die Kinder, abgesehen von den ersten Jahren, der Mutter gehören, werden sie von der Gesellschaft oder, wie wir heute sagen, in den öffentlichen Schulen in Schulen, wo sie nicht nur die geistige Erziehung erzogen werden erhalten, sondern auch die körperliche, nicht nur die sogenannte literarische, sondern auch die gewerbliche, wo man sie kleiden und ernähren wird, wie es heute auf den Gymnasien mit den Alumnen geschieht.

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Vortrefflich! und ich muß Dir sagen, daß die Dinge, die du mir da auseinandergesetzt hast, mir bisweilen selbst im Kopfe gespukt haben; nur tovnte ich sie mir nicht so recht zusammenreimen. Ich möchte sagen, ich war Sozialist, ohne es zu wissen.

Ach, guter Freund, wie viele sind heute Sozialisten, ohne daß sie es felbst wiffen! Aus dem Avanti"( Vorwärts) übersetzt.

einseitigen und planlosen Erziehungssystem den Weg alles Fleisches ge­gangen ist.

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Wie mit den Bautechnikern, so stehts auch mit den Chemikern. Hunderte von stellenlosen Chemikern," schreibt die Bossische Ztg."," nagen gegenwärtig am Hungertuche." -Die Anzahl der chemischen Fabriken oder solcher Etablissements, die über­haupt Chemiker beschäftigen, ist eben sehr beschränkt; als in neuerer Zeit die Agrikulturchemie sich entwickelte, war auch sie bald so überfüllt, daß die Assistenten der Versuchsstationen oft genug gern in die Technik gegangen wären, wenn sie nur Unterkunft hätten finden können. Die Nahrungsmitteluntersuchung erweist sich gleichfalls nicht ausreichend, Luft zu schaffen, und so bleibt nichts als der Rath, vor der Hand möglichst vom Studium der ebenso schönen als undankbaren Wissenschaft abzuhalten."

Aber liebe, gute Tante Voß! Was sollen die Leute denn sonst studieren? Von den Bergakademien hört man schon seit Jahren das nämliche Lied; überall, auf jeglichem Gebiete, im Handel, Gewerbe und Industrie, in Kunst und Wissenschaft, wo wir Nachfrage halten, tönt es uns entgegen: Ueberangebot von Arbeitskräften! Da muß das Uebel doch wohl tiefer sitzen, so tief, daß weder Freihandel noch Schutzzoll Wandlung schaffen können. Da hilft auch kein Staatssozialismus, kein christlichsozialer Reformschwindel da hilft nur einzig und allein-.der echte, un­verfälschte, der kommunistische Sozialismus.

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Deutschlands   Schmach. Der am 25. März aus Berlin  ausgewiesene Rechtskonzipient Berthold Alwin Sparr war 7. September nach Berlin   zurückgekehrt und hatte mit Rücksicht auf seine gedrückte Lage beim Polizeipräsidium einer Urlaub nachgesucht. Man be­willigte ihm hochherzigst drei Tage, verhaftete ihn aber schon am 9. September wegen Bannbruchs", weil er ohne vorherige Erlaubniß den gefährlichen Boden der Reichshauptstadt betreten habe. In der neulichen Gerichtsverhandlung theilte Sparr mit, am Tage nach seiner Verhaftung habe ihm der Wachtmeister Sommer im politischen Geheimbureau an­geboten, für seine schleunige Freilassung zu sorgen, wenn er, Angeklagter, der Polizei Dienste leiste. Hierunter habe er zwar nur Spionendienste verstehen können, er habe jedoch das Anerbieten akzeptirt in der Absicht, der Polizei unter keinen Umständen zu dienen.

Auf diese Art bildet man im Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte Charaktere aus. Natürlich wurde Sparr verdonnert, und zwar zu 14 Tagen, die aber durch seine Untersuchungshaft( 40 Tage) als ver­büßt erklärt wurden.

Wem soll's da nicht ekeln!

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Wie die Spigelei in Berlin   betrieben wird. Auf die Frage des Oberreichsanwalts: Woher wußten Sie, daß der Brief an Waterstraat gerichtet war?" erklärt der Zeuge Schutz mann H. Meißner: Wir Beide observirten den Briefträger, derselbe ging in die Wohnung des Waterstraat, wir folgten auf dem Fuße und ließen den Brief öffnen. Die Wirthin des Waterstraat erklärte sofort, daß der Brief nicht für sie wäre."

Schutzmann Meier aus Berlin  , als Zeuge vernommen, hat den Auftrag gehabt, den Verkehr Waterstraat's mit der Post zu überwachen und denselben, sobald er nach einer Sendung unter der Adresse Mister Moory frage, zu verhaften. Als Waterstraat nun einmal auf der Hauptpost nach einer Sendung fragte, habe Zeuge ihn verhaftet."

Aus Arbeiterkreisen ist uns schon vor langem mitgetheilt worden, daß die Postbureaus in Berlin   von Spiteln geradezu belagert sind.

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Auch in Breslau  , wo es wie überall in Deutschland   jetzt Haussuchungen regnet, sprengt die Polizei die niederträchtige Parole aus: wenn die Sozialisten siegen, so giebt es den kleinen Belagerungszustand. Wird ihr hoffentlich ebensowenig nügen, als die schon mehr ans Blöd­sinnige streifende Wuth, mit der die Durchschnüffelungen vorgenommen werden. Bei Genosse Kräcker, der bekanntlich ein kleines Zigarren­geschäft besitzt, wurde eine Zigarrenkiste nach der andern, und als das nichts half, jedes Streichholzkästchen durchsucht. Jedes Papiers schnitzelchen wurde aufs genaueste besichtigt, und Alles, Alles vergebens! Den Fidibus, auf welchem der Schlachtplan für die kommende Revolu­tion beschrieben ist, und die Streichholzbüchse, in der die Dynamitbomben aufbewahrt werden, hat die heilige Hermandad trotz allem Suchen nicht ausfindig gemacht. Wie schade!

Aus Sachsen   schreibt man uns unterm 21. Oktober: Das Sozialistengesetz feiert heute seinen Geburtstag, und die obrigkeitlichen Henkersknechte haben sich sehr angeftrengt, ihrem lieben Kinde eine wür­dige Bescheerung zu bereiten. Ueber ganz Sachsen   ist eine einzige große Treibjagd arrangirt, um sozialistische Wahlaufrufe und Stimmzettel auf­zuspüren und sozialistische Wähler zu verhaften. Was man früher mit heuchlerischen Phrasen bemäntelte, jetzt bekennt man es offen mit frecher Stirn: Das Sozialistengesetz richtet sich nicht gegen die sogenannten Um sturz bestrebungen, sondern in erster Linie gegen sozialistische Wahlen, es ist nichts als ein Werkzeug zur offiziellen Wahl­fälschung. Jeder Wahlaufruf für einen sozialdemokratischen Kandi­daten wird unbesehen konfiszirt, selbst Stimmzettel sind uns schon viel­fach von den Behörden gestohlen worden, und die offiziellen Blätter strotzen von Verboten.

Selbstverständlich lassen wir uns durch diese Räubereien nicht ein­schüchtern, sondern jeder verbotene Aufruf wird sofort durch einen neuen ersetzt. So hatte in voriger Woche die Polizei in Dresden   durch einen unglücklichen Zufall und die Denunziation eines schuftigen Hauswirthes zwei große Kisten voll Wahlaufrufe ganz ohne eigenes Zuthun in die Hände bekommen. Darüber großer Jubel im Lager der Schnapphähne. Der berüchtigte Polizeikommissar Paul äußerte triumphirend, nun sei die Agitation für Bebel in Dresden   lahmgelegt. Aber es kam anders. Schon drei Tage später, am Sonntag Abend, als die Polizei auf den Tanzsälen lag und sich mit großer Aufmerksamkeit den Damen der Halb­welt widmete, traten dreihundert Sozialisten gleichzeitig an, und in Zeit von einer Stunde war ein neuer Wahlaufruf in 40,000 Exemplaren in der ganzen Stadt verbreitet. Die Polizei hatte durch das Verbot des ersten Aufrufes selbst dafür gesorgt, daß das Interesse in erhöhtem Grade auf sozialistische Flugblätter gelenkt wurde, und der Streich machte daher ungeheuren Effekt. Selbst Spießbürger wußten nicht genug zu beschreiben, wie eilig unbekannte Männer mit Windlichtern auf den Treppen der Häuser erschienen und verschwunden seien, und die Wirthe machten ein gutes Geschäft, denn man las vor und debattirte bis tief in die Nacht, und die Polizei war außer sich; die ganze Stadt glich einer einzigen großen sozialistischen   Versammlung. Am andern Tage wurden im Mini­sterium des Innern Nasen an die Unterbeamten und Instruktionen zu neuen Gewaltthaten an die Oberbeamten vertheilt. Von den Instruktionen ist als besonders frech diejenige zu bezeichnen, daß während des Wahl­kampfes nunmehr jeder Sozialist, der mit Wahlsachen sich befaßt, ohne Weiteres verhaftet werden soll. Dieses unglaublich plumpe Wahlmanöver wurde sofort ausgeführt. In Chemnitz   wurde der Reichstagskandidat Max Kayser   verhaftet, in Großenhain   der dortige Kandidat Geyer, weitere Verhaftungen geschahen in Freis berg, Meißen  , Dresden  , Schneeberg, Pirna   u. s. w. Man bildet sich noch immer ein, durch solch' dumme und schlechte Streiche das Volk von der Ausübung seines Wahlrechtes abzuhalten, während man doch damit nur selbst den gutmüthigsten Leuten die Augen öffnet, in welchen Händen die Ausübung der öffentlichen Gewalt sich zur Zeit befindet, und wie nöthig es ist, diesen Spitzbübereien mit allen Mitteln ein baldiges Ende zu bereiten. Die Behörden selbst haben es enthüllt: das Gesetz mit seiner Umsturzklausel ist eine külge, die Vertreter der

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Reichsregierung, welche feierlich versicherten, es sollten nur Umsturzbe strebungen vom Gesetze getroffen werden, sind Lügner, der sächsische Minister, welcher im Landtage dasselbe versicherte, ist ein Lügner, die ganze Sippschaft hat mittelst lügenhafter Vorspiegelungen eine Waffe an sich ge= bracht, mit welcher sie heimtückisch das Wahlrecht zu meucheln sucht. Und dieses Gaunerstreiches rühmten sich die sauberen Burschen noch. In einem fonservativen Wahlaufruf für Dresden- Altstadt wird ausdrücklich gedroht, die Wahl Bebel's also ein legitimer, gesetzlicher Akt werde den Belagerungszustand über Dresden   heraufbeschwö- ren. Diese Drohung ist u. A. unterzeichnet von dem Chef der Dresde­ ner   Landespolizeibehörde, Kreishauptmann von Einsiedel, literarisch berühmt durch die drollige Logik in den Gründen" seiner Verbote; ferner von dem Landgerichtsdirektor v. Mangold  , der seinen Durch fall in Zschopau   gegen unseren Genossen Wiemer im Jahre 1878 noch nicht verschmerzt hat und ihn rächt durch Verurtheilung jedes Sozialisten, der ihm amtlich in die Klauen geräth. Was die sächsische Regierung betreffs des Leipziger Belagerungszustandes noch leugnete, geben diese Regierungsvertreter jetzt schon zu der Belagerungszustand ist ein Wahl­manöver wie die anderen ausnahmegesetzlichen Maßregeln. Um dem Reichskanzler für seine Finanzkunststücke eine Majorität zu sichern, werden Existenzen vernichtet, Familien zerstört, Menschen heimathlos gemacht oder in's Gefängniß geworfen. Und diese Verbrechen werden offen in den Wahlaufrufen der Regierungspartei proflamirt, und die Verbrecher wollen im Reichstage fizzen? Sie mögen froh sein, wenn sie nicht bald in's Zuchthaus zu sitzen kommen, wohin sie längst gehören.

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Haussuchungen fanden am 20. und 21. Oktober in Dres­ den   bei einem Gastwirth und einem Kaufmann statt. Es wurde unter Aufgebot einer großen Polizeimacht sehr eifrig nach Wahlaufrufen gesucht, aber die Spitzel mußten mit langer Nase abziehen, denn es fand sich nichts Verdächtiges" vor, und die Aussicht auf ein Trinkgeld von dem Oberbürgermeister Stübel, dem reaktionären Kandidaten, ist unter diesem Umständen sehr fragwürdig.

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Jesuitenmoral. Ich halte es im öffentlichen und staatlichen Interesse für unbedingt nöthig, daß die zur Erzielung des Resultates angewendeten Mittel nicht bekannt werden."( Brief des Polizeiraths Dr. Rumpf an den Landgerichtsrath Hollmann, geschrieben im Jahre, des Heils, Eintausend a chthundert einundachtzig.)

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-Christliche 8. In dem Notizbuch des Hochverräthers" Breuder fand sich der Name Christ wahrscheinlich eine schlaue Abkürzung für Kristupeit infolge dessen wurde der Schneider Hermann Christ aus Frankfurt   a/ M. 10 Monate lang in Untersuchungshaft gehalten. Dieser Fall ist nicht der erste in unserm Hause, wir erinnern an den ähnlichen Windelmann und Kindermann", aber er ist charakteristisch für die neudeutsche Rechtspflege. Christ und Kristupeit, das erinnert fast an praktisches Christenthum".

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Aber freigesprochen wurde er wenigstens, der obige Christ nämlich, und das ist gewiß aller Ehren werth. Auch den Postillon d'amour zwischen Most und seinem guten lieben Röschen", die arme Martha Legel sprachen sie frei. Du lieber Gott, Reichsgerichtsräthe haben auch ihre schwachen Stunden!

Kaufmann Mar Mezkow aus Berlin   wurde zwar vom Hoch­verrath freigesprochen, dagegen wegen Verbreitung des Mostischen Soldaten­flugblattes zur höchsten gesetzlichen Strafe von zwei Jahren Gefängniß verurtheilt. Dem Gärtner Mahr aus Darmstadt  wurden drei Monate wegen Verbreitung verbotener Schriften als durch die Untersuchungshaft verbüßt in Anrechnung gebracht( wie gnädig! drei gegen zehn); von der Anklage des Hochverrathes jedoch wurde er, sowie der Stenograph Theodor Waterstraat aus Berlin   freigesprochen.

Genosse Bebel veröffentlicht in der Berliner Volkszeitung" folgende Erklärung:

Die Zeitungen berichten, die in London   erscheinende Freiheit" habe kürzlich die Behauptung enthalten, ich hätte meinen Parteigenossen im vierten Berliner   Wahlkreis den Rath gegeben, wenn sie Geld für die Reichstagswahl brauchten, sich an Herrn Ludwig Löwe   in Berlin  zu wenden. Hat die Freiheit" die Bes die ich nicht zu Gesicht bekomme hauptung wirklich gebracht, so ist sie eine Verleumdung, ich habe einen solchen Rath nicht ertheilt. A. Bebel."

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Ein P.( Beufert) ereifert sich im Londoner   Anarchistenblatt fürch terlich über den Beschluß des Weltkongresses, die Zentralisirung des Unterstützungswesens betreffend.

Der Brave hat seinen Reinfall, als er in Zürich   Unterstützung er­schleichen wollte, noch nicht vergessen. Daher die Wuth.

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Am Tage bevor in Deutschland   die Wahlen stattfinden, ist Wien  der Schauplatz eines Banditenrendezvous gewesen, um mit der Norddeutschen Allgemeinen" zu reden. Humbert von Italien   hat das Bedürfniß gefühlt, Franz Joseph   von Oesterreich zu besuchen. Da sind einmal ein paar Gescheidte beisammen!

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Auch der Erbandit pardon der Erkönig Franz von Neapel und der Erherzog Robert von Parma haben sich in Wien   eingestellt und wollen bei der Gelegenheit mit Humbert über eine billige" Entschädigung für den ihnen seiner Zeit konfiszirten Raub, ihre sogenannten privaten Besitzthümer, sich vergleichen. Der hochherzige Humbert soll einem bil­ligen" Vergleich nicht abgeneigt sein eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus. Das italienische Volk aber, dem diese Besitzthümer durch alle möglichen Schurkereien abgepreßt und abgeschwindelt worden waren, wird über diese Art der Hochherzigkeit" gar nicht erbaut sein. Die konfiszirten Besitzthümer find öffentliches Gnt und gehören dem italienischen Volke!

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Aus England. Die Gewaltmaßregeln der englischen   Regier­ung gegen die irische Landliga, von der inzwischen noch mehr Führer verhaftet worden sind, während die Liga selbst verboten wurde, werden selbst von Leuten in England verurtheilt, welche mit den Maßregeln der Liga nicht einverstanden waren. Selbst in dem mittlerweile recht zahm gewordenen Labour Standard" lassen sich Stimmen entschiedener Miß­billigung vernehmen. In London   fand am Sonntag ein von 50,000 Personen besuchtes Meeting in Hyde Park statt, auf welchem die irischen Deputirten O'Connel, Barry und Simgan die Regierung heftig angriffen und auf welchem zum Schluß einstimmig eine Resolution angenommen wurde, welche die Maßnahmen der Regierung als ungesetzlich und feige brandmarkt.

Damit ist nun freilich den Irländern noch wenig geholfen, so lange sie darüber nicht einig sind, wie sie den Schlag, den Gladstone und Forster gegen sie geführt, pariren sollen. Die Aufforderung Parnells, nun gar teine Pachtzinse mehr zu zahlen, läuft auf die offene Revolution hinaus Sie hat daher alle Elemente gegen sich, welche die Losreißung Frlands von England nicht für vortheilhaft halten oder sonst nichts gern mit der Revolution zu thun haben, wie z. B. der Erzbischof von Cork  , Mr. Croke Selbst das Komite der irischen Scharmütelfondgesellschaften von Nord­ amerika   soll diese Aufforderung gemißbilligt haben.

Die Lage ist somit eine äußerst fkritische, und es ist deshalb sehr be­greiflich, daß die Freunde der irischen Sache eifrig bemüht sind, eine Verständigung über eine weitere gemeinsame Operationsbasis zu erzielen. Gelingt dies nicht, so dürfte das Schicksal Irlands   wiederum auf einige Zeit hinaus entschieden sein.

Aus Frankreich  . Der Strike der Pariser   Zimmerleute ist noch immer nicht zu Ende. Die Arbeitgeber setzen alle Hebel in Be­