gönnen wäre es unseren wackeren Nürnberger Genossen wirklich, daß ihre jahrelangen Anstrengungen endlich einmal mit Erfolg gekrönt würden.
Kehren wir nunmehr nach Sachsen zurück, so freut es uns, daß der Wahlkreis Mittweida- Frankenberg, den Vahlteich bereits zweimal vertreten hatte und der durch dessen Abreise gefährdet schien, voraussichtlich unserer Partei erhalten bleibt. Genosse Vollmar kommt dort mit dem konservativen Voigtländer Tezzen in die Stichwahl. Er ist zwar bis jetzt noch um zirka 700 Stimmen im Nachtheil( 5360 gegen 6080), darf aber in der Stichwahl auf einen erheblichen Zuwachs rechnen, während die 3000 Stimmen, welche der Fortschrittler Harnisch auf sich vereinigte, schwerlich dem Konservativen zu Gute kommen dürften. Wenigstens hat sich in Mittweida und Limbach, wo Bebel und Hasenflever für Vollmar eintraten, die Stimmung nicht derartig gezeigt. Also auch hier heißt's: Muthig voran!
Im Wahlkreise Freiberg- Oederan- Hainichen hat Genosse Kayser gleichfalls mit einem Konservativen, dem Herrn von Dehlschlägel, eine Stichwahl zu bestehen, ist ihm aber bereits um eine erhebliche Stimmenzahl voraus,( bis jetzt 4500 gegen 3100). Selbst wenn somit die 2500 sezessionistischen Stimmen vollständig dem Konservativen zufallen, wird es bei einiger Agitation gelingen, diesen Wahlkreis, der sich bereits vier Mal für uns entschieden hat, der Partei zu erhalten. In Zwickau - Crimmitschau , das anfangs als gewonnen gemeldet wurde, muß nun Genosse Stolle doch noch mit dem konservativen Künzel eine Stichwahl eingehen. Es fehlten Stolle, der 7324 St., erhalten hat, nur noch wenige Stimmen zur absoluten Majorität. Sein Gegner hat 4696 Stimmen erhalten. Die fortschrittlichen werden demselben wohl nur zum Theil zufallen.
last but not least, zuletzt, aber nicht zum Geringsten, Und nun oder wie die Franzosen sagen, pour la bonne bouche, wollen wir Chemnitz hochleben lassen. Das dortige Resultat ist eines der glorreichsten des diesmaligen Wahlkampfes, die Chemnitzer Arbeiter haben sich famos gehalten. Mit 10,256 Stimmen marschirt Genosse Bruno Geiser gegen den konservativen Kandidaten Hecker auf, der 6,214 Stimmen auf sich vereinigte. Von den 5000 Stimmen, welche der fezessionistisch- liberale Herr Roth auf sich vereinigte, dürfte ein wesentlicher Theil sich der Stimme enthalten, denn die Chemnitzer Bevölkerung hat die Bismärckerei satt, und damit wäre unser Sieg entschieden. Chemnitz wiedererobert, das entschädigt uns für manche Verlufte, welche der diesmalige, so überaus schwierige Wahlkampf mit sich gebracht hat!
Das wären unsere Stichwahlen, 22 an der Zahl, fürwahr, schon an sich ein schöner Erfolg für die geächtete, unterdrückte Partei! Zu diesen 22 Stichwahlen unserer Partei kommen noch eine ganze Reihe Stichwahlen unserer Gegner unter sich, in denen wir den Ausschlag geben. So in Reichenbach- Neurode, in Sorau - Forst, im dritten Hamburger Wahlkreise, in Erfurt , in Zittau , in München , in Darmstadt , in Mann heim , in Stuttgart , in Lennep - Mettmann u. s. w. u. s. w.
Zur Richtschuur bringen wir hier die Resolution des Wydener Kongresses in Erinnerung, welche lautet:
„ Für den Fall von Stichwahlen empfehlen die Anwesenden den deut schen Parteigenossen im Allgemeinen Wahlenthaltung.
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Die erste Stichwahl unserer Partei ist auf den 4. November festgesetzt, und zwar eröffnet ebenso wie im Jahre 1878 ElberfeldBarmen den Reigen. Hoffentlich auch mit demselben Erfolge.
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Beschäftigen wir uns nunmehr auch ein wenig mit den Wahlkreisen, in welchen für uns der Kampf bereits entschieden ist. Da ist Licht und Schatten natürlich viel ungleicher vertheilt als früher.
Allgemein aufgefallen hat sicherlich unsere Niederlage in dem bisher treuesten Wahlkreise unserer Partei, in Glauchau - Meerane , und auch wir gestehen offen. daß uns diefe Nachricht nach heyte foym davhlich unserem Urtheil so lange zurückhalten, bis uns die Gründe dieser Niederlage zugegangen sein werden. Wir können indeß die Vermuthung nicht unterdrücken, daß ein gewisser Optimismus einen Theil der Schuld trägt.
Weniger überrascht hat uns der Verlust des 19. sächsischen Wahlfreises, Stollberg - Schneeberg . Wir theilten bereits in Nr. 38 des„ Sozialdem." mit, daß die Gegner in diesem Wahlkreise Alles aufbieten würden, um die Wiederwahl Liebknechts zu verhindern. Im Uebrigen scheint das weiter unten gekennzeichnete Stimmzettel- Manöver seine Wirkung nicht verfehlt zu haben.
Ju Leipzig Land ist Genosse Dietgen nun doch unterlegen, Dank der Wahlzettel aus Hanfpapier. Die kindische Freude der edlen Ordnungsseelen über diesen gelungenen" Streich kennzeichnet folgende Karte des Leipziger Hanswursten Sparig:
" Der verehrlichen Redaktion des„ Sozialdemokrat" erlaube ich mir ergebenst mitzutheilen, daß die in Nr. 42 in Aussicht gestellte Klopfung des großen Dietze durch sein Diminutivum in umgefehrter Weise stattgefunden hat. Jetzt sind wir lustig! Leipzig - Land, 20/10. 81.
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Dietze 11,283 dietzgen 10,517."
Sparig.
Das„ Dietgen" ist mit kleinem Anfangsbuchstaben und in ganz kleiner Schrift geschrieben wie geistreich. Und das wagt es, sich als Politiker aufzuspielen, und das kann sich als Politiker aufspielen in der Stadt der Intelligenz Leipzig !
Wir aber können mit den 10,517 Stimmen, die wir trotz der Haufzettel der Hanf wird auch zu anderen Zwecken gebraucht, Bruno! erhalten haben, wohl zufrieden sein.
Im Wahlkreise Zittau haben wir trotz Sozialistengesetz einen sehr hübschen Stimmenzuwachs zu verzeichnen( von 1921 Stimmen auf 2,554).
Einen relativ bedeutenden Zuwachs haben wir im Wahlkreise Halberstadt zu verzeichnen. Von 1906 Stimmen, welche wir 1878 erzielten, sind wir diesmal auf 3199 Stimmen für unsern Kandidaten August Heine avancirt. Nur einige Hundert Stimmen fehlten, und wir hätten eine Stichwahl mehr zu verzeichnen gehabt.
In Stuttgart haben wir, trotzdem die Gegner, Volksparteiler wie Liberale, Riesenanstrengungen im Stimmenfang machten, unsere Stimmenzahl von 1878( 4100) unverändert erhalten. Freund und Feind sind darüber einig, daß dies ein großer Erfolg für uns ist. Das gleiche ist in München der Fall, welches ein höchst unbedeutendes Minus für uns aufweist.
Einen erheblichen Stimmenzuwachs haben wir wiederum in Mann heim und Frankenthal- Speyer zu verzeichnen, wo unser Kandidat Dreesbach es auf zusammen 5000 Stimmen brachte. In der Stadt Speyer selbst erhielt Dreesbach mehr Stimmen als der Redakteur der christlich- sozialen Pfälzer Zeitung", der bekannte Schriftsteller Dr. Eugen Jäger. Recht gut gehalten hat sich auch Bremen mit 4800 Stimmen für Frid. Die Wahl in Kiel wird wegen der unerhörten Polizeiunverschämtheiten wahrscheinlich umgestoßen werden, desto höher fallen die trotz aller Hindernisse und trotz der durch Oldenburg's Ablehnung hervorgerufenen Mißstimmung erzielten 4700 Stimmen ins Gewicht.
In Reuß jüngere Linie sind unsere Stimmen von 1855 auf 2752( für Genosse K. Brätter) gestiegen, trotzdem uns ein fortschrittlicher Arbeiter"-Kandidat( Dr. Mar Hirsch, sowie ein christlich- sozialer ,, Arbeiterfreund"( Dr. Hahn) gegenüberstanden.
Noch eine ganze Reihe von Orten wären zu erwähnen, in denen wir Zuwachs gewonnen, oder unsern alten Besitzstand erhalten haben, wir denken aber, für heute seien es der Beispiele genug.
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Sehen wir nun von unserer Partei ab und betrachten das Wahlresultat im Großen und Ganzen, so haben wir auch hier allen Grund, zufrieden zu sein. Unser bester Agitator" hat brillant gearbeitet, besser konnte man es wirklich nicht verlangen. Mit seiner gewohnten Tölpelhaftigkeit hat er sich selbst den Aft abgesägt, auf dem er sitzt; und hier hilft ihm kein fiegreiches Heer aus der Patsche, der„ Reinfall" liegt so offen zu Tage, daß ihn jedes Kind begreift.
Des großen Kanzlers Herrlichkeit geht zu Ende, das ist das Fazit der diesmaligen Reichstagswahlen.
Was sollten sie ihm liefern? Eine sogenannte Regierungsmajorität. Die Konservativen allein sind zu schwach, es frägt sich also, ob konservativ- liberaler oder konservativ- klerikaler Mischmasch. Bisher hatte der ,, geniale" Staatsmann wenigstens die Wahl, er konnte die„ drei Armeeforps" Bennigsen, Windthorst und Kleist- Rezow abwechselnd einspannen, Windthorst und Bennigsen abwechselnd gegen einander ausspielen. Das ist jetzt anders geworden. Das Windthorst'sche Armeekorps kehrt zwar in seiner alten Stärke oder gar noch stärker als vorher zurück, aber das ist eine verdammt steifnackige Gesellschaft, die hat das Neinsagen aus dem FF. gelernt, auf die Dauer geht es mit der keineswegs. Was ist aber aus dem Armeekorps Bennigsen geworden? Jammer, zerrieben, zerstoben in alle Winde! Fortschritt und Sezession, die ER als verkappte Republikaner von seiner Meute bekämpfen ließ, kehren verstärkt in den Reichstag wieder, Sein Schooßkind Bennigsen aber, das ER nur demüthigen, nur ein wenig schmiegsamer machen wollte, dessen Zurückhaltung ER schmerzlich bedauerte und dem ER so elegisch zugerufen hatte:
,, Laß Dich vom guten Engel warnen Und nicht vom Linken Dich umgarnen
der regierungsfähige Nationalliberalismus, sowie Seine Leibfraktion, die Frei 2c. Konservativen, haben die Zeche bezahlen müssen.
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Und so ist sein schönster Traum“ zu nichte mit der liberalkonservativen Majorität ist es Essig, und es bleibt ihm nur noch die klerikal konservative, d. h. Canossa, wie es klassischer nicht gedacht werden kann.
Die Hohenzollern , das protestantische Fürstenhaus par excellence, angewiesen auf die Unterstützung derjenigen Fraktion, die sich vor 10 Jahren gegen das deutsche Reich mit der preußisch- protestantischen Spitze organisirte, sagt, ist der Bismarck nicht ein genialer Kerl?
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Der schnapsbeduselte Betbruder in Berlin scheint die jämmerliche Situation, in welche ihn sein Hausmaier gebracht, gar nicht zu empfinden, vom Denken ist bei ihm schon längst nicht mehr die Rede, desto erboster ist sein protestantenvereinlicher Sohn, der aber bisher aus Furcht vor dem populären Kanzler seine Wuth nur durch seinen Hausfreund Bunsen hat laut werden lassen.
Bismarck ist sich der zärtlichen Gefühle, welche unser Fritz" gegen ihn hegt, wohl bewußt, er weiß auch sehr gut, daß es mit dem„ ollen Willem" rapide bergab geht, daher spielte er bei den jetzigen Wahlen va banque! ſetzte Himmel und Hölle in Bewegung,- er hat sein Spiel nicht gewonnen, das heißt für ihn, er hat es verloren. Haß gegen Bismarck , das ist der Liberalismus des Kronprinzen, die Kronprinzen- Fraktion Fordenbeck- Staufenberg- Lasker kehrt gestärkt in den Reichstag zurüd.
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Er könnte Einen eigentlich jammern, der große Kanzler. Ueberall wo Er Seinen persönlichen Einfluß in die Wagschaale wars, plumpften Seine Kreaturen jämmerlich durch. In Langensalza Mühlhausen stieg Er in der Person Seines Bill, des Reichshundejungen, höchstselbst zum Volke herab der Fortschrittler Eberty wird gewählt; in Wiesbaden läßt Er erklären, daß Ihn die Wahl des Exkapitän Werner sehr erfreuen würde Grund genug für die Wiesbadener , den schon sehr invaliden Schulze Delitzsch
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in der Lex- Tiedemanndebatte, a mlos!" zugerufen hatte, zu Falle zu bringen, Struve wird mit großer Majorität wieder gewählt. Den Bremen sern schickt Er Seinen Freund v. Kusserow, der ihnen goldene Berge verspricht, nur soller sie den Konsul Meier nicht wählen, mit 13,000 Stimmen rückt Meier in den Reichstag ein, während Kusserom nicht 2000 auftreibt. Georg v. Bunsen, den Er wegen einer gegen Ihn gehaltenen Rede mit einem der berühmten Strafantragsformulare beglückte, der es gewagt hatte, in einer andern Versammlung mit den Worten zu schließen:„ Er( Bismarck ) ist gerichtet!"
dieser selbe Bunsen siegt trotz einer wahren Ueberschwemmung seines Wahlkreises mit bismarckischen Agenten und Agitationsblättern in wahrhaft imposanter Weise. In Danzig läßt Er durch den dortigen Landrath v. Grimalki ein Bündniß zwischen Zentrum und Konservativen vermitteln und erklären, daß es für Ihn vom höchst en Werthe, sei, daß der Liberale Rickert nicht wiedergewählt werde, die Liberalen, muthig wie immer, geben den Wahlkreis fast verloren, und die Danziger wählen Rickert. Herr Adolf Wagner erzählte in jeder Kandidatenrede, wie er mit Bismarck über dessen Sozialreform konferirt habe, wie er so ganz des großen Kanzlers Ideen theile, in Folge dessen saust Herr Wagner in allen vier Wahlkreisen, wo er sich präsentirte, mit Eleganz in die Käse. Eugen Richter wird trotz seiner Freihändlerei in dem schutzöllneri'chen Wahlkreise Hagen mit glänzender Majorität gewählt, nur weil Bismarck ihn mit Seinem tödtlichen Hasse verfolgt, während gegen Bismarcks Busenfreund Kardorff auf einen ersten Versuch hin der Sezessionist Fordenbeck in die Stichwahl kommt, und gegen seinen Rathgeber Varnbüler der Volksparteiler Retter einen eklatanten Sieg davon trägt. In RandowGreifenhagen( Pommern ) kandidirt der Sohn seines Todfeindes, Harry v. Arnim, ale Sezessionist, d. h. als Antibismärder, und wird sofort mit großer Majoritit gewählt. Jm Lauenburgischen, wo sich bekanntlich Seine Güter befinden, läßt Er extra noch Wahlgeometrie vornehmen, der Landrah, Sein ganzes Beamtenpersonal, Alles wird in Bewegung gesetzt, um eine Wahl nach Seinem Herzen zu erzielen, aber die Lauenburger finden trotz alledem den Sezessionisten Schrader in den Reichstag.
Dazu kommt noch der Verdruß, daß Sein höchsteigenes Fabrikat, das schöne Sozialistengesetz, die Wahl ozialdemokratischer Abgeordneter nicht hat verhindern können, die angenehne Aussicht, Seine sozialen Reformschwindeleien auch fürderhin von Leuten, die etwas von der Sache verstehen und das Vertrauen der Arleiter genießen, kritisirt d. h. als Schwindel entlarvt zu sehen nen, so viel Aerger spülen selbst 2 Liter Cognac pro Tag nicht hinunter!
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Das kann eine lustige Session wgeben.
Den 28. Oktober 1881.
Das Resultat der Wahl läßt sick, im Augenblick wo ich dies schreibe, noch nicht überblicken. Eine Thatsache ist aber bereits festgestellt: daß die Sozialdemokratie ihre Probe gut bestanden hat. Das Sozialisten gesetz ist so gründlich ad absurdum redu zirt, wie das nur gewünscht weven konnte. Die Zahl der von unserer Partei abgegebenen Stimmen wir zwar voraussichtlich nicht die Zahl der bei der vorigen Wahl abgegebenen erreicht haben, und in diesem und jenem Kreis, wo wir den Kampf ensthaft geführt, dürfte ein Rückgang" zu verzeichnen sein, aber das mindet nicht die Bedeutung unseres Erfolgs. Daß wir diesmal nicht auf eine volle numerische Entfaltung aller sozialdemokratischen Wahlkräfte rechnen konnten, verstand sich von vorn
herein von selbst und wurde im„ Sozialdemokrat" schon vor drei Vierteljahren als selbstverständlich bezeichnet. Eine volle Entfaltung unserer Kräfte an der Wahlurne ist nur möglich bei einer freien Wahl. Kann nun unter den heutigen Verhältnissen, wo die Mehrzahl der Staatsbürger und das Gros unserer Partei in ökonomischer Abhängigkeit lebt, fogar in normalen Zeiten von einer freien Wahl nur in sehr beschränktem Sinne die Rede sein, so ist dies unter der Herrschaft eines infamen Ausnahmegesetzes, das infam gehandhabt wird und der Sozialdemokratie jede öffentliche Wahlagitation unmöglich macht, in noch weit höherem Grade der Fall. Kann von einer freien Wahl, kann überhaupt von einer wirklichen Wahl die Rede sein, wenn eine Partei der Waffen, welche die Presse verleiht, beraubt ist, an der Ausübung des Versammlungsrechts, an der Bildung von Wahlkomites, an der Sammlung von Wahlfonds, an der Verbreitung von Wahlflugblättern, an der Anklebung von Wahlplakaten, ja sogar an der Veröffentlichung der einfachften Wahlannoncen verhindert wird? Und wenn, hiermit nicht genug, Jeder, der für die geächtete Partei eintritt, für Wahlzwecke irgend thätig ist, jeden Augenblick in Gefahr steht, von der Polizei überfallen, durchsucht, ausgeplündert und verhaftet zu werden?
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nach einem Während der 4 letzten Wochen vor der Wahl find sorgfältigen Ueberschlag in Deutschland mindestens sechs hun bert Verhaftungen, einzig zur Lahmlegung der sozialdemokratischen Wahlthätigkeit, vorgenommen worden, und haben auch die Verhafteten fast sämmtlich noch wenigen Stunden oder Tagen wieder entlassen werden müssen, so liegt es doch auf der Hand, daß derartige Vorgänge auf Viele einschüchternd wirken müssen. Zu den Massenverhaftungen kommen noch die Haussuchungen und persönlichen Durchsuchungen, deren Zahl sich im letzten Monat wohl auf tausend und mehr belaufen haben dürfte.
Und die Polizei hat sich nicht damit begnügt, jedes Wahlflugblatt, auch das unverfänglichste, zu beschlagnahmen und zu verbieten und die Verbreiter zu verhaften die Polizei hat an vielen Orten sogar die Verbreitung sozialdemokratischer Stimmzettel zu verhindern gesucht, Austräger von Stimmzetteln verhaftet und Stimmzettel weggenommen. Unter diesen Umständen kann man es nur natürlich finden, daß in solchen Kreisen, wo die sozialdemokratischen Wähler nicht dicht zusammenwohnen und also nicht die Vortheile der Konzentration großer Massen auf einem Punkt haben, der Wahlakt, als eine gefährliche Handlung, von Vielen nicht ausgeübt wurde.
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Der Wahlakt war für den Wähler um so mehr eine gefährliche Handlung, weil die Feinde der Sozialdemokratie diesmal in den meisten Wahlkreisen dafür gesorgt hatten, daß das Wahlgeheimniß vollkommen aufgehoben wurde. Man kennt die mangelhaften Bestimmungen des Reichswahlgesetzes in Bezug auf die Art und Weise der Stimmabgabe. Der Stimmzettel so ist vorgeschrieben soll von weißem Papier sein, keine äußerlichen Merkmale tragen und, zusammengefaltet, von dem Wähler dem Wahl vorsteher überreicht werden, der ihn in die Wahlurne steckt. Das ist Alles. Das Ungenügende dieser Bestimmungen leuchtet ein. Was ist weißes Papier"? Es gibt weißes Papier" von tausenderlei Dicke, Farbenschattirung 2c. Und schon an der Farbe und Dicke des Papiers können die Stimmzettel leicht unterschieden werden. Außerdem kann, da das Format der Stimmzettel nicht festgesetzt ist, die eine Partei Stimmzettel von Bogengröße( Folio), die andere in der Größe einer Visitenkarte abgeben. Daß aber der bloß zusammengefaltete, mit nicht dem geringsten äußerlichen Merkmal versehene Stimmzettel in Folio von einem Stimmzettel in Visitenkartenformat leicht und sicher zu unterscheiden ist, bedarf keiner näheren Ausführung. Und, wie man weiß, sind die Mißbräuche, welche aus diesen laren und lückenhaften Bestimmungen des Reichswahlgesetzes hervorgegangen sind, bereits mehrfach zur Sprache gekommen und haben den Vorschlag veranlaßt, daß in Zukunft die Stimmzettel in amtlich
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17017
aloichor äße graidhem Musfohon
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abgegeben werden sollen. Der Vorschlag wurde jedoch von der Reichstagsmehrheit zurückgewiesen, die, als Vertreterin der herrschenden Klassen, ein lebhaftes Interesse hat, des Wahlgeheimniß faktisch zu beseitigen und eine freie Wahl zu verhindern. Alles was früher an Wahlmißbräuchen in dieser Richtung geschehen ist, war aber nichts, verglichen mit dem, was dies Mal von Seiten der Gegner geleistet worden. In einzelnen Wahlfreisen, z. B. im 19. sächsischen( Stollberg Schneeberg ), warteten die„ Ordnungsparteien" bis drei Tage vor der Wahl und ließen dann an die Wähler Stimmzettel von dem Format eines doppelten Briefbogens und von einer schwer zu beschaffenden Papiersorte vertheilen. Im Leipziger Landkreis bestand die Hauptthätigkeit des Wahlkomites der Ordnungsparteien darin, in Leipzig ein Hanfpapier von sehr auffälligem Gewebe, das nur in einer einzigen Fabrik hergestellt wird, aufzutreiben und den ganzen Vorrath auf- zukaufen. Von diesem Papier, dem unsere Partei kein annähernd ähnliches entgegenzusetzen vermochte, wurden die Stimmzettel für Herrn Dietze verfertigt. Es ist keine Uebertreibung, wenn wir sagen, daß ein paar tausend Wähler bloß durch diesen Kniff von der Ausübung des Wahlrechts abgehalten worden sind. Unter solchen Umständen wiegen die für uns abgegebenen Stimmen doppelt und dreifach.
Man wird sich erinnern, daß in der Konfliktszeit das Bismarck 'sche Ministerium alle nicht abgegebenen Stimmen sich zuzählte. Das erregte verdientes Gelächter. Wenn aber die Sozialdemokratie jetzt ein ähnliches Rechenerempel machen wollte, so wäre sie dazu feineswegs unberechtigt. Denn die Feinde haben es in ihrer Macht, alle ihre Anhänger nebst dem Haufen der Gleichgültigen an die Wahlurne zu treiben, und den sozialdemokratischen Wählern die Ausübung des Wahlrechtes aufs Aeußerste zu erschweren, in unzähligen Fällen geradezu zur Unmöglichkeit zu machen. So viel steht fest: wären wir im ausschließlichen Besitz der äußeren Machtmittel und würde von unserer Seite so rücksichtslos gegen die feindlichen Parteien vorgegangen, wie von diesen gegen uns, so würden die feindlichen Parteien so gut wie gar keine Stimmen aufzuweisen haben. Die Opferwilligkeit und der Ueberzeugungsmuth, welche allein zu einem erfolgreichen Widerstand gegen Unterdrückung und Verfolgung befähigen, fehlen unseren Feinden, und sind gegenwärtig in Deutschland bei keiner anderen Partei zu finden als bei der Sozialdemokratie.
Die Fortschritte, welche wir in vielen Wahlkreisen, besonders solchen mit großen Städten gemacht haben, erklären sich theils aus dem immer weiteren Umsich greifen unserer Ideen, theils daraus, daß da, wo unsere Genossen in Masse zusammen wohnen, die Unterdrückungs- und Ver folgungsmaßregeln nicht, oder nur in geringerem Maaß einschüchternd
wirken.
Alles in Allem genommen bekundet die Reichstagswahl des Jahres 1881 das Wachsthum der Sozialdemokratie, dem Sozialistengesetz zum Trotz.
Punkt 6.
Ein Vorschlag zur Diskussion.
Mit Recht hat der Weltkongreß sich nicht auf eine ins Detail gehende Berathung der Frage eingelassen:„ Welches sind die Gesetze, die unverzüglich zu erlassen und zu beseitigen wären, sowohl auf ökonomischen wie auf politischem Gebiete, um den Sozialismus zum Durchbruch zu bringen, wenn auf welche Weise immer die Sozialisten an's Ruder kommen". Menschen und Verhältnisse sind in den verschiedenen Ländern so verschieden, daß ein einheitlicher Plan zu durchaus verfehlten Maßregeln führen müßte. Für Deutschland erscheint die Sache einfach. Man folgt dem Beispiel, das der edle Heldengreis und sein großer Kanzler gegeben und erläßt sofort ein: