steht in dem Bericht über den glänzenden Mehrertrag der Ilseder Hütte kein Wort. Das Mißverhältniß liegt aber für Jeden, der Zahlen zu lesen versteht, auf der Hand. Der kolossale Mehrüberschuß wäre nicht möglich, wenn die Löhne eine nur nennenswerthe Steigerung erfahren hätten aller Wahrschein­lichkeit nach sind sie aber nicht einmal um den Satz der Er­höhung der Lebensmittel gestiegen, sonst hätten sie in dem Hym: nus sicherlich mit aufmarschiren müssen.

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Die Herren Stöcker, Schulze, Henrici und Konsorten reiten da, wo sie gegen sozialistische Erwiderungen geschützt sind, mit Vorliebe auf der Phrase herum, Marx und Lassalle hätten nur das produktive Kapital" angegriffen, die Arbeiter nur gegen die eigentlich so unschuldigen Fabrikanten aufgeheßt, während sie den Handel und die Börse, wo ihre jüdischen Glaubensgenossen herrschen, und unter denen Fabrikanten und Arbeiter gleichmäßig leiden, wohlbedacht verschont hätten. Abgesehen davon, daß dieses alberne Gerede durch unzählige Stellen aus Mary und Lassalle auf's Schlagendste zu widerlegen ist, zeigt es neben dem Verleumdungssystem dieser Arbeiterfreunde" auch den Pferdefuß ihres christlichen Sozialismus". Wer einem Giftbaum" nur die Auswüchse abschneidet, der stärkt ihn, anstatt ihn zu beseitigen, wer ihn aber ernsthaft beseitigen will, der muß die Art bei der Wurzel anlegen. Die Wurzel des Giftbaums der heutigen Gesellschaft ist die Ausbeutung des besitzlosen freien" Proleta­riats durch den kapitalistischen   Unternehmer, nenne er sich nun Christian oder Jig, Aktiengesellschaft oder Staat". Solange diese Wurzel unbeschädigt bleibt, wird an Stelle jedes entfernten Auswuchses ein neuer, oft noch viel verderblicherer treiben, min­destens aber der Baum selbst desto üppiger gedeihen. Die Dekla­mationen der Christlich- Sozialen und Staats- Sozialisten gegen die Börse und den Handel sind nur ein schwacher Abklatsch aus den Schriften der wirklichen Sozialisten, nur ein Mittel, das böse Gewissen der heutigen Ausbeutergesellschaft zu übertönen. Die Zahlen, welche wir oben aufgeführt haben, zeigen deutlich, daß, wie auch der Kampf der herrschenden Klassen unter sich ausfallen möge, die Arbeiter doch stets die Geprellten sind.

Der, christliche Sozialismus" will nicht das Lohnsystem über­haupt abschaffen, sondern es vielmehr verewigen, er will lebig­lich das seiner Klassenlage nach revolutionäre Proletariat in ein Iammfrommes, christlich ergebenes verwandeln. Stöcker ist, so sehr er auch auf ihn schimpfen und von ihm beschimpft werden mag, nichts als der Zwillingsbruder von Märchen Hirsch, dem Harmonie- Apostel.

Die Beiden unterscheiden sich nur dadurch, daß der Eine die Interessen der konservativen, der Andere die der liberalen Bourgeoisie vertritt, wo Stöcker praktisches Christenthum sagt, sagt Hirsch Humanität, wo Hirsch freie Konkurrenz sagt und internationale Ausbeutung meint, sagt Stöder Schutz der nationalen Arbeit und meint Schutz der nationalen Ausbeutung. Und daß sich die Arbeiter bei der nationalen Ausbeutung nicht besser stehn als bei der internationalen, das zeigen die obigen Lehrreichen Zahlen."

Briefe eines Achtundvierzigers.

Berlin  , 3. Dezember 1881.

Jm Reichstag erfolgt jetzt die Auseinandersetzung der alten Par­teien unter sich. Bismarck   und seine Konservativen auf der einen, die liberalen Oppositionsparteien auf der anderen Seite, das Zentrum aus­schlaggebend in der Mitte, und die Sozialdemokraten bis auf weiteres als Zuschauer, mit dem Motto: Jeder dieser Ehrenmänner wird vom Andern abgethan.

Mögen sie tüchtig aufeinander losschlagen; je mehr Spähne fliegen, desto besser für uns. Deshalb haben wir kein Interesse daran, diese Auseinandersetzung zu stören und die Blitzableiter zu spielen. Selbst­verständlich werden unsere Vertreter dafür sorgen, daß unser Parteistand­punkt bei passender Gelegenheit aufs Energischste gewahrt und dem ver­logenen Fortschritt die Heuchlermaske vom Antlitz gerissen wird. Bei Besprechung des kleinen Belagerungszustandes und bei der dritten Lesung des Etats wird dies am zweckmäßigsten geschehen. Schon bei der ersten Generaldebatte über den Etat wäre einer der Unsrigen aufgetreten, allein Liebknecht, der dazu bestimmt war, und am zweiten Tage zu reden beab­fichtigte die Debatte sollte sich, den vorherigen Abmachungen nach, über drei Tage erstrecken hatte natürlich keine Lust, sich nach der be­fannten Szene zum Wort zu melden und dadurch das Fiasko der Regie­rung abzuwenden. Hätte er gesprochen, so wirde die liberale Partei haben antworten müssen, die parlamentarische Schlacht wäre wieder her­

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Feuilleton.

Der Staatssozialismus  .

Ich will hier nicht von jenem Gemisch von Unklarheit und höherer Bauernfängerei reden, welches sich in letzter Zeit in Deutschland   so breit gemacht hat; über das sind wir Sozialdemokraten ja einig.

Neben diesem reaktionären Feudalsozialismus gibt es aber auch einen modernen Sozialismus, der die Forderungen der Sozialwissenschaft voll­ständig vertritt, ihre Durchführung aber ebenso wie jener vom Staate erwartet.

Wie steht es mit der Staatshilfe?

Diejenigen, welche vom Staate die Durchführung der sozialistischen  Forderungen verlangen, gehen meist von dem Saße aus: Aufgabe des Staates sei es, den Schwachen gegen den Starken zu schützen. Dieser Satz beruht auf der Vertragstheorie, die am Ende des 16. Jahrhunderts sich bildete, im vorigen Jahrhunderte die Wissenschaft beherrschte und heute noch, namentlich in der Jurisprudenz eine große Rolle spielt.

Diese Theorie sagt: Im Urzustande war der Mensch isolirt; einsam strich er durch die Wälder, um seine Nahrung zu suchen. Bald kamen sich die einzelnen Individuen ins Gehege, der Stärkere unterdrückte den Schwächeren und es herrschte ein Krieg Aller gegen Alle. Um diesem Krieg ein Ende zu machen, schlossen die verschiedenen Individuen einen Vertrag untereinander, in welchem sie einen Theil von ihrer Freiheit an eine von ihnen eingesetzte Obrigkeit abtraten, damit diese den Friedens­zustand unter ihnen aufrecht halte und den Starken hindere, den Schwachen zu unterdrücken. Der Mißbrauch dieser, der Obrigkeit vom Volke verliehenen Gewalt hat dann die Uebel der heutigen Gesellschaft und des heutigen Staatswesens mit sich gebracht. Es gibt also blos zwei Fak toren im Staatsleben, die von entscheidender Bedeutung sind: die Regie­möge sie nun monarchisch oder republikanisch sein und das rung , Bolt". Die Regierung hat für das ganze Volk" zu sorgen, sie hat über den Parteien und Klassen zu stehen, die schwächere Partei und schwächere Klasse vor der Ausbeutung der stärkeren zu schützen.

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Dieß die Theorie, auf welche sich der republikanische Sozialismus eines Louis Blanc  , der monarchische eines Lorenz v. Stein und Schäffle ftützt.

Diese Theorie ist sehr schön, sie hat nur einen Fehler: sie ist falsch. Das Zusammenleben der Menschen beruht nicht auf einem Vertrage, sondern liegt in der Natur des Menschen. Das soziale Leben des Men­schen beruht auf sozialen Trieben, welche er von seinen affenartigen Vor­eltern ererbt hat, und welche eben so mächtig wirken, wie bei der Schwalbe der Trieb, ein Nest zu bauen oder im Winter gen Süden zu ziehen. Der Mensch stammt von Affen ab, welche in Heerden lebten,

gestellt, und der Regierung Zeit verschafft worden, ihre Niederlage einiger­maßen wieder gut zu machen. Keiner der Unserigen konnte sich dazu hergeben, der Regierung einen Dienst zu leisten.

Die Triumphe des Herrn Richter sind kurzlebiger Art. Indem die Herren Fortschrittler die Autorität der Regierung untergraben, arbeiten sie nur für die Sozialdemokratie, die allein den ,, Muth und den Willen" hat, die Konsequenzen zu ziehen. Ueberhaupt ist es der unfreiwillige Beruf der Fortschrittspartei, uns den Boden zu ebnen. Sind doch noto­risch z. B. die Gewerkvereine des unglücklichen Mar Hirsch in Wahrheit Pflanzschulen der Sozialdemokratie. Die Fortschrittler säen, und wir Sozialdemokraten ernten.

Die Niederlage der Regierung in der ersten Budgetdebatte war um so blamabler, als Herr Richter absolut nichts Neues gesagt hatte. Von diesem manchesternen Fortschrittshelden gilt im vollsten Maß das bekannte Wort: Nichts gelernt, und nichts vergessen. In den Kreis seiner Finanzziffern eingebannt, hat er keinen Begriff von der ge­waltigen sozialen Revolution, die sich ringsum vollzieht, und ist bis auf den heutigen Tag nicht über den Freihandelskatechismus der Faucher, Prince Smith, und wie die Volkswirthschafts- Charlatane der Reaktionszeit nach 1848 alle heißen mögen, hinausgekommen.

Freilich, die Minnigerode und Bismarck  , die hintennach ihren Rede­strom in Fluß brachten, sind nicht die geeigneten Personen, die ökono­mische Unwissenheit eines Richter zu enthüllen und an den Pranger stellen, da ihnen selbst die elementarsten Kenntnisse abgehen. Bismarc ist seit dem Frühjahr recht alt geworden; die Gicht   scheint ihn weniger zu plagen, dafür ist er sehr zusammengefallen und sieht äußerst ruinenhaft aus. In seinen Plaudereien" ist er noch konfuser und unlogischer als sonst; und die parlamentarischen Neulinge, die einen großen Mann", eine imposante Erscheinung" erwartet hatten, fanden sich durchweg arg enttäuscht.

Charakteristisch für den Fortschritt ist, daß er sich an die Spitze des ,, Kulturkampf 8" gestellt hat. Herr Virchow, der ja bekanntlich der Erfinder des Kulturkampfs ist, will sein Produkt nicht in Vergessenheit gerathen lassen. Er hatte aber am Mittwoch( 30. Nov.) Unglück. Windt­horst und Reichensperger fertigten ihn tüchtig ab, und namentlich hat letzterer das Verdienst, Herrn Virchow und seine Genossen zur Verleug­nung ihrer materialistischen Weltanschauung gezwungen zu haben. O dieser feige Fortschritt, der nicht einmal zu gestehen wagt, daß die moderne Wissenschaft, eben weil sie Wissenschaft ist, der Religion feindselig gegenübersteht, fie negirt. Herr Virchow, dessen reaktionäre Neigungen seit seinem der Wissenschaft zugerufenen: Bis hierher und nicht weiter, kein Geheimniß sind, ließ sich sogar zu der Erklärung verleiten, auf dem Boden der wahren Wissenschaft gedeihe die Religion am besten. Die wahre Wissenschaft des Herrn Virchow besteht darin, daß sie, wie er am am Mittwoch wiederholte, unübersteigliche Schranken dekretirt, über welche hinaus sie den Fuß nicht setzen darf. Daß er sich mit diesem Geständniß auf den Boden der von ihm bekämpften Herren Windthorst   und Reichen­sperger stellte, schien Herr Virchow nicht zu ahnen.

Die zweite Berathung des Etats fann noch lang dauern, weil der Kulturkampf und andere ähnliche Materien bei jedem Anlaß in die Debatte gezogen werden und zu endlosem Geschwätz führen. Trotzdem wird der Etat wohl vor Weihnachten fertig werden. Daß unsere Ver­treter gegen den Gesammtetat stimmen, und dieses Votum begründen werden, versteht sich von selbst.

Wann die Denkschriften" über den kleinen, Belagerungszustand zur Verhandlung kommen, ist nicht bestimmt. Man scheint Neigung zu haben, die Sache möglichst in die Länge zu ziehen, vielleicht auf die Frühjahrssession zu verschieben. In diesem Falle würde seitens unserer Abgeordneten ein Antrag auf Beschleunigung eingebracht werden.

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Es hieß, in den Reihen der Volks- und Fortschrittspartei werde ein Antrag auf Aufhebung des Sozialistengesetzes vorbereitet. Jetzt ist es aber davon wieder ganz stille. Die demokratischen Herren fürchten, die Konservativen könnten ihnen den Streich spielen und aus Bosheit auf den Antrag eingehen. Und das wäre für die Herren Volksparteiler und Fortschrittler, die dem Sozialistengesetz all' ihre Wahlerfolge verdanken, ein vernichtender Schlag.

Das erste Debut der Volkspartei  " war beiläufig eine riesige Blamage. Der große Volfstribun" Karl Mayer, der das ganze deutsche Reich mit seiner Trompetenstimme umblasen wollte, hielt eine Rede, so zahm und harmlos, und dabei so ungeschickt, wie kaum je eine im deut­ schen   Reichstag gehalten worden. Statt die Donnerkeile seiner Bered­samkeit gegen Bismarck   und dessen Leute zu schleudern, bettelte er weiner­lich um Diäten, und bat förmlich um Verzeihung, daß er überhaupt nach Berlin   in den Reichstag gekommen. Kein Nationalliberaler hat je ähnliches geleistet. So sind sie, diese Volksversammlungslöwen, die aber nur eine Löwenhaut umgeworfen haben und Klaus Zettel oder Karl Mayer heißen.

Sozialpolitische Rundschau.

Aus dem Reichstage ist wenig von Belang zu melden. Der deutsche   Volkswirthschaftsrath ist, trotzdem Bismarck   gerade­

und so weit wir die Entwicklung des Menschen zurückverfolgen können, finden wir ihn in Horden lebend.

Aber diese urwüchsigen Horden sind noch kein Staat. Wir finden feine Regierung unter ihnen. Der Einfluß der Häuptlinge ist ein sehr schwacher, Gehorsam wird ihnen nur geleistet, insoweit sie den Willen der Gesammtheit vertreten. Vielfach finden sich unter Naturvölkern Häuptlinge nur im Kriege.

Der Vertreter der Vertragstheorie wird dagegen einwenden: Wenn auch der urwüchsige Mensch keinen Vertrag abschließt, um zum Staate zu gelangen, vielleicht thun das die einzelnen Stämme.

Solche Verträge, Amphfiftyonieen oder Eidgenossenschaften finden wir allerdings schon frühzeitig. Selbst die Indianer Nordamerikas   sind zu einer solchen gelangt. Die Frotesen bildeten eine Eidgenossenschaft von fünf, später sechs Bundesvölkern, den Mohawk's, Onondaga's, Seneca's, Oneida's, Cayugas und seit 1712 den Tuscarora's. Aber auch diese Eidgenossenschaft bildete noch keinen Staat, da jedes Bundesmitglied in eigenen Angelegenheiten vollkommene Unabhängigkeit bewahrte. Bundesversammlung   konnte allerdings Beschlüsse fassen, aber nur mit Einstimmigkeit.

Von einer Obrigkeit, welche im Auftrage der Gesammtheit eine Zwangsgewalt über den Einzelnen hätte üben können, war da keine Rede. Die Verwaltung des Bundes war also sogar schwächer, als die des einzelnen Stammes.

Der erste Staat, dem wir begegnen, ist der egyptisch e. Untersuchen wir dessen Struktur näher. Wir finden hier allerdings eine Regierung aber wie steht es mit dem Volf"? Das Volf" besteht aus einer herrschenden und einer beherrschten Rasse und Klasse. Nur der beherrschten Klasse gegenüber hat die Regierung Autorität. Gegen­über der herrschenden Klasse mangelt es ihr vollständig an einer solchen. Den Griechen erschien die herrschende Klasse Egyptens als Priesterkaste es wäre zu weitläufig, auszuführen, welche Umstände sie zu dieser Anschauung veranlaßten und daher sagten sie: Die egyptischen Sul tane herrschen über Egypten, die Priester aber beherrschen den Sultan  . Die Regierung ist nur das Werkzeug der herr­schenden Klasse, für die herrschende Klasse ist die Regierung blos Ver­waltung.

Die Regierung schwebt also nicht über dem Volke" in der Luft, wie der Geist Gottes über den Gewässern, sie hat einen sehr soliden Stütz punkt unter sich die herrschende klasse. Ohne den Gegen­satz zwischen herrschender und beherrschter Klasse giebt es teine Regierung, also auch feinen Staat.

Dieß können wir vom ersten Staate an, den wir kennen, dem egyp­tischen, bis auf die Neuzeit verfolgen. Ob es die Grundbesitzer oder das Lumpenproletariat sind, welche die Regierung in den Händen haben, oder

zu darum winselte, mit 169 gegen 83 Stimmen verworfen worden. Die Herren Berufsparlamentarier haben Angst vor der Konkurrenz, daher ihre ,, mannhafte" Haltung gegenüber dem allmächtigen Reichskanzler. Selbst­verständlich stimmten auch unsere Abgeordneten gegen den Bismarckischen Herzenswunsch, aber nicht aus Furcht durch die Leistungen des Neben­parlaments" in Schatten gestellt zu werden, sondern lediglich, weil die vorgeschlagene Art der Zusammensetzung desselben eine durchaus undemo­kratische ist, weil die Mitglieder des Volkswirthschaftsrathes nicht vom Volke sondern vom Kaiser gewählt werden sollen. Dann mag der Kaiser sie auch bezahlen, folgert der gesunde Menschenverstand. Die Herren Parlamentshelden hatten übrigens solche Eile, die Debatte, in der ihnen Bismarck   mit bekannter Rücksichtslosigkeit einige unangenehme Dinge zu hören gab, abzubrechen, daß sie über Hals und Kopf den ersten Schluß­antrag annahmen. Unsere Genossen Frohme und Stolle, welche fich zum Wort gemeldet hatten, um unsern Standpunkt zu entwickeln, protestirten ganz energisch gegen dieses Verfahren, was beiden einen Ordnungsruf von Seiten des Herrn von Levetzow zuzog.

Als bei Berathung des Etats des Reichsamtes des Innern die Rede auf die Auswanderung kam, konstatirte Frohme mit scharfen Worten die sozialen und politischen Ursachen, welche die Massenauswanderung aus Deutschland   zur Folge haben. In letzterer Beziehung zeigte er, in welch' hervorragendem Masse das Sozialistengesetz zur Vermehrung der Auswanderung beigetragen.

Ueber die Ausführungen Rittinghausens in den Sizungen vom 29. November und 3. Dez. widersprechen sich die Zeitungsberichte, wir warten daher, ehe wir über dieselben referiren, den stenographischen Bericht ab. Der Verdruß aber, dem die manchesterliche liberale Presse über Rittinghausens Reden Ausdruck giebt, läßt uns vorläufig sehr kühl. Unsere Abgeordneten sind nicht den Herren Bamberger   und Richter zu Gefallen in den Reichstag   geschickt worden.

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Ueber alle Maßen ergötzlich ist das Gewinsel der Liberalen, daß ihr liebes Sozialistengesetz in Gefahr sei. Bismard scheint entschlossen, es aufgeben zu wollen, und auch in weiten Bevölker­ungsfreisen hört man, daß das Sozialistengesetz sich nicht bewährt habe und also abzuschaffen sei" so jammert und klagt es in allen ,, liberalen" Tonarten, und die erschreckte Bourgeoispreffe gibt sich die erdenklichste Mühe, dem guten Bismarck   und den übrigen( vermeintlichen) Zweiflern begreiflich zu machen, daß das Sozialistengesetz doch sehr nützlich gewesen und auch fernerhin noch nothwendig sei. Nun die Herren Bourgeois mögen sich beruhigen- Bismarck und die Majoritätsparteien( Fortschritt, Volkspartei und Sezessionisten mit eingeschlossen) denken nicht daran, das Sozialistengesetz abzuschaffen. Was für uns Interesse hat, ist nur die Thatsache, daß die deutsche Bourgeoisie sich nicht mehr getraut, ohne Sozialistengesetz existiren zu können. Und sie täuscht sich hierin auch nicht. Sie ist so durch und durch korrumpirt, so feige und erbärmlich, und hat ihre Volksfeindlichkeit und Gemeinschädlichkeit wirthschaftlich und politisch so eklatant bewiesen, daß sie keine freie Diskussion mehr ver­tragen und nur durch Knebelung ihrer Gegner den Sturz auf einige Zeit hinausschieben kann. Freilich nicht auf lange Zeit, und gerade die Gewalt, vermittelst deren die Katastrophe abgewandt werden soll, wird zur Folge haben, daß die Katastrophe um so furchtbarer und gründlicher ausfällt.

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Einen jämmerlichen Eindruck machen die dem Reichstag  nunmehr zugegangenen Denkschriften über die Verhängung, bezw. Ver­längerung des fleinen Belagerungszustandes über Berlin  , Hamburg­Altona, Harburg   und Leipzig  . Theils leere Redensarten, theils das klägliche Eingeständniß: Wir haben bis jetzt nichts erreicht, folglich wollen wir es noch ein Jahr versuchen. Unsere Abgeordneten werden bei der betr. Berathung diese ,, Denkschriften" wohl näher beleuchten, so daß es eigentlich überflüssig wäre, ihnen vorzugreifen, indeß wollen wir doch an einzelnen Punkten zeigen, was die deutsche   Polizeilogit zu leisten vermag.

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Das Leipziger Machwerk erklärt den Belagerungszustand für ge­boten, weil vor Proklamirung des Sozialistengesetzes Leipzig der Zentral­punkt der sozialistischen   Bewegung gewesen sei, weil die Sozialisten trotz Auflösung aller ihrer Vereine, trotz des Verbotes von 15 periodischen und 50 nichtperiodischen Druckschriften ihre Organisation aufrecht erhalten haben und weil sogar zu ihren geheimen Sizungen"-zittere, deutscher  Spießbirger! Anhänger der außerdeutschen, namentlich der russischen Umsturzpartei Zutritt erhielten und unverkennbare Symptome" -o des Scharfsinns!, dafür zu Tage treten, daß sich unter den An­hängern der Sozialdemokratie der Gedanke an einen gewaltsamen Umsturz schon" dieses schon ist unbezahlbar bis zu einem gewissen Grade eingebürgert hat." Das ist echt sächsisch! Daß nach drei Jahren infamster Polizeiwillkür der Gedanke(!) an einen Umsturz sich schon eingebürgert, nicht doch, nur bis zu einem gewissen Grade eingebürgert hat, das gibt bedanke dich für das Kompliment, deutsches Volk! zu den schwersten Bedenken Anlaß." Wem fällt da nicht der gemüthliche Sachse ein, wie er dem Berliner  , der ihn mehrmals absichtlich auf den Fuß tritt, gereizt zuruft: Heeren Se, mei futes Dhier­chen, bei uns zu Hause sagt man wenigstes: Hopsa! wenn man Eenen auf den Fuß tritt!

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Soldknechte, Prätorianer, Mameluken, Janitscharen, ob Pfaffen, Adel oder Bourgeoisie, es ist stets eine Klasse, welche herrscht, eine Klasse, welche, wenn sie sich auch von unten emporgearbeitet, immer noch eine Klasse unter sich hat.

Die verschiedenen Eroberungen hatten im Alterthum verschiedene Stämme und Stände übereinander geschichtet, und ebenso die technische Entwicklung in der Neuzeit verschiedene Klassen. So sehr sich diese Klassen und Rassen auch befehden mochten, ob sich gegen die römischen Optimaten die Lumpenproletarier oder die italischen Bundesgenossen oder die Provinzialen erhoben, der Bestand des Staates blieb ungefährdet, so lange unter ihnen allen die große Masse der Sklaven ruhig blieb. Sobald sich aber die Sklaven erhoben, war des Bestand des Staates bedroht.

Und so ist es auch in der Neuzeit. Mögen Pfaffen und Adel, großes und kleines Kapital sich gegenseitig befehden, der Bestand des Staates ist ungefährdet, so lange das Proletariat nicht seinen Ruf nach Gleich berechtigung erhebt. Die Gleichstellung des Proletariats mit den übrigen Klassen, oder richtiger, die Abschaffung der Klassenherrschaft, dieser Grundzug des Sozialismus, enthält die Verneinung des Staates in sich.

Vom Staate erwarten, er werde diese Gleichstellung durchführen, heißt den freiwilligen Selbstmord von ihm erwarten. Von der Re­gierung der besitzenden Klassen je erwarten, daß sie den Bestrebungen des Proletariats durch ihre mächtige Hand zum Siege verhelfen werde, heißt Unmögliches von ihr zu erwarten. Die Macht der Regierung reicht nur so weit, als die Intereffen der herrschenden Klassen es zulassen. Sie mag durch ein geschicktes Schaufelspiel zwischen den einzelnen Theilen der herrschenden Klassen eine von diesen unabhängige Macht erlangen, wenn diese Klassen zu forrumpirt und entnervt sind, um ihre Selbstständig­keit zu wahren: Diese unabhängige Macht aber zerfällt vor dem geeinten Ansturm der herrschenden Klassen in dem Moment, wo sie der gemein­samen Unterlage, der untersten Klasse, emporhelfen will.

Der Staatssozialismus   ist Sozialismus durch den Staat und fit r den Staat.

Er ist Sozialismus durch die Regierung und für die Regierung. Er ist also Sozialismus durch die herrschenden Klassen und für die herrschenden Klaffen.

Die Abschaffung des Staates erscheint demnach als die nothwendige Vorbedingung der Emanzipation des Proletariats.

Ob und inwieweit dies richtig ist, davon in einem nächsten Artikel. Symmachos.

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