ehernen Lohngesetzes durch Abschaffung des Systems der Lohn­arbeit, die Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt, die Beseitigung aller politischen und sozialen Ungleichheit."

Auf unser Parteiprogramm gestüßt, weisen wir die Anklage des Bürger Breuel auf das Ent­schiedenste zurück.

Wie geschwindelt wird.

I.

In Nr. 50 des Sozialdemokrat" wird der letztjährige Geschäfts­bericht des Dortmunder Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrikation" einer Besprechung unterzogen, in welcher das Geschwätz von der Besserung der Lage der Arbeiter in seiner ganzen Nichtigkeit und Schwindelhaftig­keit dargestellt wird. Es sind inzwischen noch einige weitere Berichte von Montanunternehmungen erschienen, welche ebenfalls mit mehr oder minder Geschick die augenscheinlich bestellte Arbeit verrichten, die Fürsorge für den ,, armen Mann" zu feiern, und deren Beleuchtung daher ebenfalls angebracht sein wird. Ich will für heute die Berichte der beiden Börsen­matadore der Montanindustrie, den der Vereinigten Königs- und Laurahütte" an der Börse kurzweg ,, Laura" genannt, und denjenigen der ,, Dortmunder Union" einer Besprechung unterziehen.

In dem Geschäftsbericht der Laurahütte findet sich folgende Stelle: Das Geschäftsjahr 1880/81 weicht in Betreff der Höhe der Produk­tion nicht wesentlich von den Leistungen des Vorjahres ab, ist aber in seinen finanziellen Resultaten gegen dasselbe zurückgeblieben. Der Grund dafür liegt in dem Preisrückgange der Eisenfabrikate und der sehr er­heblichen Verminderung des Werthes der am Schlusse des Geschäfts­jahres im Bestande verbliebenen Produkte. Jm vorjährigen Berichte haben wir ausgeführt, daß die Preise dieser Artikel, welche im Herbste 1879 einen sehr erfreulichen Aufschwung nahmen, schon in den ersten Monaten 1880 in eine reaktionäre Bewegung geriethen. Es übertrug sich dieselbe in verschärftem Maße auf das ganze Geschäftsjahr, so daß die Preise schon in der Mitte desselben auf dem niedrigsten Stand an gekommen waren und bis zum Schluß darauf beharrten. Es gilt dies vorzugsweise für Handelseisen, Bleche und Zink, während die Preise für Steinkohlen und Eisenbahnbedürfnisse in Stahl auf leidlicher Höhe er­halten werden konnten, weil das Ausland das ganze Jahr hindurch als Käufer auf dem deutschen Markte verblieb und demselben recht ansehn­liche Quantitäten entnahm. Leider können sich unsere Werke an diesem Export, soweit er zur See erfolgt, nur in sehr mäßigen Grenzen und bei sehr stark auftretendem Bedürfniß und deswegen besseren Preisen betheiligen, weil die Eisenbahnfrachten von unseren Werken nach den Seeplätzen unsere Produkte zu hoch belasten. Die Fahrbarmachung des Oderstromes und im Zusammenhange damit die Etablirung einer regel­mäßigen Dampfschifffahrt auf demselben würde für die schlesische Industrie von den segensreichsten Folgen sein und neben der Eisenindustrie beson­ders dem Steinkohlengeschäft zu Gute kommen. Der Steinkohlenbergbau Schlesiens kann sich nicht zu der Höhe entwickeln, welche er bei den dort abgelagerten, so überaus reichen und verhältnißmäßig wohlfeil zu hebenden Schätzen erreichen müßte, so lange für billigern Transporf nicht besser gesorgt ist als bisher. Wir meinen, die Eisenbahnen hätten die Ver­pflichtung, bis zur Herstellung einer praktikablen Wasserstraße der Kohlen­industrie mehr entgegenzukommen; sie würden durch die Förderung des Kohlenabsatzes ihren eigenen Interessen dienen und denen von Millionen Mitbürgern, welche den Kohlenrevieren fern, für Brennmaterial noch viel zu hohe Preise zahlen müssen. In diesen Preisen aber ist der Fracht­betrag hei größeren Entfernungen doppelt so hoch, als der Kaufpreis der Kohlen, und es ist erstaunlich, daß die Konsumenten die Bergwerk­besitzer in ihren Bestrebungen auf Herabminderung der Transportkosten gar nicht unterstützen!

,, Darf man hoffen, daß die Verstaatlichung der Eisenbahnen Abhilfe bringen wird?

" In der That kann für die Staatsbahnen eine natürlichere und dankenswerthere Aufgabe gefun= den werden, als der wohlfeile Transport der wohl­feilsten und in großen Massen in den Konsum ge­langenden Bedürfnisse der Staatsangehörigen? Dem armen Mann, dem Arbeiter, dem kleinen Hand­werfer würde durch billiges Brennmaterial nicht minder aufgeholfen als den größeren Industriellen, deren Produkte durch hohe Ausgaben für Brenn­stoffe schwer belastet und dadurch weniger konkurrenz­und exportfähig werden.

,, Die Bergwerksbesitzer sind nicht daran Schuld, wenn die den Kohlen­revieren fern Wohnenden theure Kohlen haben; an den Gruben sind die Kohlen sehr wohlfeil!(?) Die Preise decken häufig nur die Gewinnungs­kosten und der Nutzen beim Bergbau steht nicht im richtigen Verhältniß zu dem darin angelegten Kapital, der gefahrbringenden,(!) harten(!) Arbeit und der hohen Inanspruchnahme durch Steuern und Abgaben aller Art.

,, Die Steinkohlen guter Qualität kosteten ab Grube: pro 50 Kg. 29 bis 30 Pfg. für Stück und Würfelkohle und pro 50 Kg. 23-24 Pfg. für Nußkohle.

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Die Preise unserer Hüttenprodukte bewegten sich für Walzeisen von Mr. 10-11 Grundpreis pro 100 Kg., für Eisenbleche von Mt. 15-18 Grundpreis pro 100 Kg. und für Stahlschienen von Mt. 12.50-17.20 Grundpreis pro 100 Kg. Die niedrigen Walzeisen- und Blechpreise sind keineswegs ein Beweis dafür, daß der Konsum ein wesentlich niedrigerer gewesen der Rückgang desselben war nicht erheblich, und nur die Be­forgniß von Arbeitsmangel, welche sich bei den Produzenten einstellt, wenn die Käufer anfangen, etwas zurückhaltend zu werden, war die Ursache ihres immer billiger werdenden Angebots und des Sinkens des Preises bis zu den Erzeugungskosten und darunter. Ein möglichst reger Aneinanderschluß der Fabrikanten beim Vertrieb der Produkte kann gar nicht warm genug empfohlen werden er ist ein sicheres Mittel, der Verschleu­derung der Waaren vorzubeugen, und wird in allen höher entwickelten Industriebezirken angestrebt und vielfach zum Segen und Frommen von Allen durchgesetzt." Soweit die Litanei.

Also um dem armen Manne, dem Arbeiter und dem kleinen Hand­werker durch billiges Brennmaterial aufzuhelfen," werden die Staats­bahnen ersucht, die Frachten zu ermäßigen! Es ist wohl mehr als zu­fällig, daß kurz vorher in dem bekannten Antrage des Grafen Henkel von Donnersmark beim Reichskanzler ebenfalls um billigere Ausnahme­tarife für lange Strecken für die Erzeugnisse der Montanindustrie petitio­nirt wird, um weiteren Schichten der Bevölkerung zu billigen Kohlen zu ver helfen. Wird denn aber der arme Mann wirklich sich leichter eine warme Stube machen können, wenn diesem als so wohlthätig geschilderten Verlangen entsprochen wird? Nehmen wir an, die Staatsbahnen ermäßigten die Frachten für die Kohlen, so hat das einen Ausfall in den Staatsein­nahmen zur Folge, der dann durch Erhöhung von Steuern gedeckt wer­den muß, die in letzter Linie immer wieder der arme Mann" zu zahlen hat, und an neuen Steuerprojekten fehlt es ja nicht. Aber in dem Ge­schäftsbericht haben wir noch folgenden Satz gefunden: Ein möglichst reger Aneinanderschluß der Fabrikanten beim Vertrieb der Produkte kann gar nicht warm genug empfohlen werden er ist ein sicheres Mittel, der Verschleuderung der Waare vorzubeugen, und wird in allen höher entwickelten Industriebezirken angestrebt und vielfach zum Segen und Frommen Aller durchgesetzt."

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Hier ist also nicht mehr vom armen Manne" die Rede, sondern vom Segen und Frommen Aller", d. h. aller Bergwerksbesitzer und Aktionäre, in Wahrheit also weniger. Des Pudels Kern ist also auf der einen Seite billigere Staatsbahnfrachten, damit auf der anderen Seite Fabrikanten- und Produzentenringe desto ergiebiger die Preise steigern können. Wie wird dem ,, armen Mann" dabei, der den Betrag, um den die Staatsbahntarife niedriger bemessen würden, ganz zweifellos als Steuerzahler wieder ersetzen müßte, ohne sich dadurch vor hohen Kohlenpreisen schüßen zu können! Er wird nur auf die Bühne gebracht, um billigere Frachten zu bekommen und dann desto besser selbst die Preise steigern zu können.

Zeigt sich hier nicht sonnenklar das Interesse für das Wohl des armen Mannes als ein grober Schwindel und Mumpit, und der Verfasser des so schön stilisirten Berichtes, Herr Generaldirektor Richter, als der Generalschwindler! Bewahre Gott   den armen Mann" vor dem prak­tischen Christenthum" dieser nationalökonomischen Wohlthäter, die den biblischen Satz: Das thue ich für Euch Alle!" wörtlich nehmen. Ich esse Rehbraten, ich trinke Champagner, ich fahre auf Gummirädern für Euch Alle!

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Die segensreichen Folgen solcher Fabrikantenkoalitionen haben sich im Rheinland in ihrer ganzen Schönheit gezeigt. Am 13. Januar theilte der Abgeordnete Bamberger   im Reichstage folgendes erbauliche Stückchen mit:

" Ich habe hier nun eine Mittheilung über die neuesten Submissio­nen von Stahlschienen im Auslande und im Inlande; und hier steht zu lesen, daß Herr Krupp der Mindestfordernde war für 14,500 Tonnen Stahlschienen bei der spanischen   Nordeisenbahn mit 164 Franken per Tonne franko Santander. 164 Franken sind 132 Mark 85 Pfennige, ab Fracht von Effen nach Santander 21 M. 60 Pf., ergibt als Netto­preis der Hütte 111 M. 25 Pf. loco Werk.

Wie lauten nun die neuesten Submissionen in Deutschland  , die doch jetzt wesentlich bei den Staatsbahnen, resp. bei der Regierung ein­gehen? Am 14. Dezember wurde in Straßburg   eine Submission gemacht, und da waren folgende Submissionspreise: Bochumer Verein 164 Mart,

( hört! hört!)

rheinische Stahlwerke 165,80 M., Verein Hörde 164,40 M., Alles loco Werk, nicht einmal nach Straßburg  ; am 17. Dezember in Köln   Krapp 160, Hösch 162, Hörde 164,40. Also während Herr Krupp der spanischen  Nordbahn für 111,20 m. liefert, fordert er 160 M. von einer deutschen  Eisenbahn, Herr Hösch 162 und das Werk Hörde 164,40 M."

Das sind beinahe fünfzig Prozent, welche sich die Herren in Deutschland   mehr bezahlen lassen. Und damit ihnen die Ausländer nicht in die Quere kommen, fordern sie als gute Patrioten", daß bei staat­lichen Submissionen nur die deutsche Industrie berücksichtigt werde. Auf der einen Seite holde Eintracht in der Beraubung des Publikums, bezw. des Staates, auf der andern inniges Bündniß im Herabdrücken der Löhne Alles im Interesse des Schutzes der nationalen Arbeit". So wird geschwindelt! Anm. d. Red.

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Briefe aus Oesterreich  .

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Soeben erhalte ich den Sozialdemokrat" und lese da, daß unsere Gegner nur Produkte der Verhältnisse seien. Wir schließen uns diesem Ausspruche an wir Oesterreicher   sind ja an das objektive Verfahren" gewöhnt denn wir haben unzählige Male behauptet, daß Diebe, Räuber und Mörder nichts sind, als Produkte der Verhältnisse.

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Wenn in den ,, höheren Regionen" gestohlen nnd gemordet wird, wollen wir die Vollzieher dieser Thaten deshalb auch gar nicht verdammen, aber eines wollen und können wir: vollständig objektiv konstatiren, wie gestohlen und gemordet wird. Wenn die Genossen darob subjektive Anwandlungen bekommen, so ist es nicht unsere Schuld, son­dern die der betreffenden Subjekte"!

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Einige Pröbchen werden genügen.

Fitr die Opfer des Ringtheaterbrandes, die Opfer bureaukratischer Impotenz und Korruption, sind mehr als eine Million Gulden gesammelt worden. Trotzdem ist die Noth unter den brodlos gewordenen kleineren Theatermitgliedern und den Wittwen und Waisen der Verbrannten eine herzzerreißende, da ihnen fast gar keine Unter­stützung zu Theil wird. Man entschuldigt sich damit, die Gelder seien deponirt worden, da man noch nicht übersehen könne, welche An­forderungen später" noch an den Unterstützungsfond gestellt würden das heißt mit anderen Worten: das gesammelte Geld ist nicht mehr da, es ist verschwunden.

Dergleichen verschwundene Gelder von wohlthätigen Sammlungen sind in Oesterreich nichts Neues. Ich erinnere an Szegedin, für das auch über eine Million Gulden für unvorhergesehene Zwischenfälle" depo­nirt" wurden, von denen man nie mehr etwas gehört hat. Ja, ja, Diebe sind Produkte der Verhältnisse.

Ein weiteres Pröbchen: Die Wiener   Länderbank hat in Oesterreich   eine Schwindlerära inaugurirt, die sich mit der im Jahre 1873 endigenden wohl messen kann. Unterstützt wurde sie durch das Kabinet Taaffe  , dieses aber wird einzig und allein durch die Gunst des Feindes jeder fakti­osen Opposition" gehalten. Dieser zartfühlende Mann, dessen Nerven bereits durch eine so zahme Opposition" wie die des Abgeordneten Teuschl irritirt wurden, ist es, der auf Kosten der leichtgläubigen ,, kleinen Leute" den Löwenantheil von den Profiten der Länder­bank davongetragen hat. Namentlich die Verstaatlichung der Westbahn und verschiedene Manipulationen mit den kaiserlichen Kohlengruben in Nordböhmen   und ähnlicher Staatssozialismus" sind dem armen Manne" sehr wohl bekommen. Na, Franzl, Du bist net so dumm, als D' aus­schaust", ist eine beliebte Wiener   Höflichkeitsformel.

"

Derselbe gute Hausvater, der so gut seine Siebensachen zusammenzu­halten versteht, hat sich bemülssigt befunden, vom Berliner   Kongreß ein Mandat zur Pazifizirung Bosniens   und der Herzogewina zu erschleichen. Und wie pazifizirt er? Er hebt Steuern aus, ärger als es die Türken gethan, er bevorzugt die großen Grundbesitzer, die Begs, in schamlosester Weise, wirst den zu Pazifizirenden eine korrupte Bureaukratie auf den Hals, welche das arme Land vollends aussangt und befiehlt schließlich die allgemeine Wehrpflicht Alles, um die beiden Länder zu be­

ruhigen".

je nun,

Und wenn diese jetzt, anstatt sich zu beruhigen, beunruhigen was thut's? Da hat man doch wieder einen frischen, fröhlichen Krieg. Gott  " gab Uns" das Recht, 800,000 Mann für uns todtschlagen zu laffen, es wäre Sünde, von diesem Recht nicht Gebrauch zu machen. Und zwar in der brutalſten Weise. Um die Ordre de bataille nicht zu stören, schickt man nicht die Regimenter des Friedensstandes hinunter, sondern beruft, wie im Annexionsfeldzug, die Reservisten ein, unbeküm mert darum, daß diese meist Familienväter sind und deren Angehörige für die Dauer des Feldzuges die bitterste Noth leiden müssen. Aber freilich, die Kasernensoldaten sind zuverlässiger und daher im eigenen Lande unentbehrlich!

Allerdings ruft die Einziehung der Reservisten die Erbitterung des Volkes wach, aber was geht das unsern Franzl an?

Ja, Franzl, Du hast Recht, laß sie nur hinschlachten, um einige Quadratmeilen Landes mehr Dein Eigen zu nennen, Du riskirst nichts dabei, so lange die ganze öffentliche Meinung", von der reaktionären bis zur ultraliberalen Presse, Dir das Blut der Kinder des Volkes auf den Händen entgegenträgt, so lange alle Parteien des Parlamentes sich in Loyalität überbieten und energische Maßregeln" zur Wahrung der Autorität" verlangen.

Nur zu, wie unverschämt Ihr's auch treiben mögt, wie betrügerisch auch Eure ,, Volkswirthschaft sein mag, wie diebisch Eure ,, Wohlthätigkeit",

wie frivol Eure Kriege zur Aufrechterhaltung der Ordnung", Ihr seid sicher, welche immer der parlamentarischen Parteien an's Ruder kommen mag.

Aber gebt Acht, daß Ihr über den Parlaments intriguen nicht das Volk vergeßt, das im Parlament nicht vertreten ist. Mögen die Liberalen und Klerikalen, die Deutschen  , Ungarn  , Polen  , Tschechen Euch zujubeln, das Volk, ohne Unterschied der Nation, haßt Euches murrt, daß man den Arbeiter von Weib und Kind reißt, damit er als unfreiwilliger Henkersknecht da unten in der Herzogewina verblute, indeß die Seinen daheim verhungern, als Henkersknecht eines armen Volkes, das nicht für die Gaunerkunst der Diplomatie sein Fell zu Markte trägt, welches blos seine Freiheit vertheidigt; es murrt, daß die Schuldigen des Ringtheater­brandes mit ehrenden Auszeichnungen und hohen Pensionen abgedankt werden, indeß den schuldlosen Hinterbliebenen der Opfer die gesammelten Brosamen ungestraft gestohlen werden, es murrt, daß die schwindel­haften Börsenspekulationen der Regierenden jetzt einen Krach herbeiführen, der Hunderttausende auf's Straßenpflaster wirft; es murrt aber es er­hebt sich nicht.

Aber wenn der Krieg, wie voraussichtlich, größere Dimensionen an­nimmt, und wenn, wie in diesem Falle sicher, die Unfähigkeit der Gene­räle die Soldaten hinschlachtet, die Betrügerei der Beamten die Soldaten verhungern läßt- wenn ein zweites Königgrätz über Desterreich herein­bricht dann sind die letzten Dämme gefallen, welche die Verzweiflung des Volkes noch zurückhielten.

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Dann beginnt das subjektive Verfahren.

Sozialpolitische Rundschau.

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B. J.

Zürich  , 25. Januar 1882.

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Ein Justizm ord der gemeinsten Sorte war die Verur theilung Bünger's durch das Reichsgericht. Wir haben uns mit diesem schmachvollen Verbrechen, das servile Richter verübt, seinerzeit schon ausführlich beschäftigt und es gebührend charakterisirt. Seitdem find aber Thatsachen an den Tag gekommen, welche die Handlungsweise des Reichsgerichtes in einem noch weit schlimmeren Lichte erscheinen lassen. Nicht blos niedrige Servilität und bestialische Grausamkeit haben die obersten Richter des Deutschen Reiches bekundet, indem sie einen ehr­lichen Mann wegen eines politischen das heißt nach der unter zivilisirten Menschen allgemein herrschenden Anschauung nicht mit dem Stigma der Ehrlosigkeit behafteten sogenannten Verbrechens" zur Strafe des Ehr­losen, das heißt zu Zuchthaus  , verurtheilten und zu drei Jahren Zuchthaus! nein, sie haben sich auch als schlechte, stümperhafte Juristen gekennzeichnet. Denn sie haben das unterliegt jetzt feinem Zweifel mehr einen Unschuldigen verurtheilt. Schon während der Prozeßverhandlungen traten verschiedene Umstände hervor, welche in jedem aufmerksamen Zuhörer den Glauben an die Schuld Bünger's erschüttern mußten. Bünger's Aussage, daß ein Anderer das als corpus delicti fungirende Plakat angeklebt habe, wurde durch unver­dächtiges Zeugniß bis zu einem gewissen Punkt bestätigt. Das Zeugniß, auf Grund dessen die Verurtheilung erfolgte, war durchaus nicht derart, daß es unbedingt glaubhaft erscheinen konnte. Bünger machte Angaben und Andeutungen, die entschieden zu weiteren Nachforschungen hätten veranlassen müssen. Schon die bloße Thatsache, welche zeugenmäßig fest­gestellt war, daß Bünger ein prinzipienfester Sozialdemokrat und Gegner der Phrasenrevolutionäre war, von denen das Plakat notorisch herrührte, mußte die ernstesten Zweifel an der Schuld Bünger's erwecken!

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Die Herren Richter ließen sich aber durch nichts beirren. Sie hatten den Befehl, zu verurtheilen, sie hatten den Willen, zu verurtheiten, und sie verurtheilten! Ob der Angeklagte das ihm zur Last gelegte ,, Verbrechen" verübt oder nicht das kam erst in zweiter Linie in Betracht. Er war Sozialdemokrat, und das genügte. Der Sozialdemokrat mußte verurtheilt werden!

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Jetzt ist nun erwiesen, daß der verurtheilte Sozialdemokrat wirklich keines anderen Verbrechens sich schuldig gemacht hat, als Sozialdemokrat zu sein. Der Ankleber des Plakates ist gefunden. Es ist der, Manchem der Leser bekannte Schneider Szimmath, einer der Berliner   Ausgewiesenen, notorisch ein Anhänger Most's.

Szimmath, der vor Bünger's Verurtheilung sich nicht zu dem Ent schluß aufraffen konnte, durch eine Selbstdenunziation den Unschuldigen zu retten, hat, durch die maßlose Verurtheilung Bünger's erschüttert, ein volles Geständniß abgelegt, welches von 2 Frankfurter   Rechtsanwälten notariell aufgenommen und dem Vertheidiger Bünger's, Rechtsanwalt Mecke in Leipzig   mitgetheilt worden ist und sich gegenwärtig jedenfalls bereits in den Händen des Reichsgerichtes befindet.

Zum Glück werden die Angaben Szimmath's, der sofort ins Ausland abgereist ist, durch anderweitige Zeugnisse, welche zur Verfügung stehen, bestätigt, so daß die Möglichkeit, seine Angaben zu Erfindungen zu stempeln, einfach ausgeschlossen ist.

Das Reichsgericht wird seine eigene Schmach und die Schuldlosigkeit des von ihm unschuldig verurtheilten Bünger's zu proklamiren haben!

Und sollte durch irgend welche Kniffe und Pfiffe die Wiederaufnahme des Prozesses hintertrieben werden, je nun, so gibt es ein höheres Ge­richt als das Reichsgericht: das Tribunal der öffentlichen Meinung wollen wir nicht sagen aber des Volksgeistes, des öffentlichen Rechts­gefühles, und von diesem Tribunal wird das Reichsgericht unbarmherzig berurtheilt werden.

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Jedenfalls ist es nach dieser kolossalen Blamage mit dem juristischen Nimbus des Reichsgerichtes ebenso gründlich vorbei wie mit seinem moralischen. Niederträchtige Richter und schlechte Juristen das ist die Zensur, die sich die Richter des Reichs­gerichtes durch ihre zwei ersten Hochverrathsprozesse" verdient haben.

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Aus dem Reichstag  . Aus der Tagespresse haben wir in Nr. 3 des Sozialdemokrat" einen Frrthum bezüglich des Kayser' schen Streichungsantrages übernommen. Derselbe bezog sich nicht auf die Reparaturkosten des Kriegsschiffes Freya  , sondern auf die von Herrn Stephan eigenmächtig zur Anlegung eines Kaltpflanzen­hauses in seinem Dienstpalast aus den Postmitteln entnommene artige Summe von 4825 Mart. Es freut uns, daß Kayser gegen diesen Unfug scharf vom Leder zog. Er sagte u. A.:

Da außerdem für mich und meine Parteigenossen eine solche Bewilligung als Vertrauensvotum gilt, und der Herr General­postdirektor, um das nur beiläufig zu erwähnen, für die Art, wie er das Briefgeheimniß wahrt, schon allein sich unser Vertrauen verscherzt hat, so sind wir um so mehr dagegen, ihm 4800 Mark aus Reichs­mitteln zu schenken. Ich mache aber ausdrücklich darauf aufmerksam, daß unser Geldbewilligungsrecht in krasser Weise verletzt worden ist; ich mache andererseits darauf aufmerksam, daß unsere o bersten Reichs­beamten schon sehr hohe Gehälter bekommen, viel Geld erhalten für Gärten und zu deren Instandhaltung, so daß solche Extra­bewilligungen durch nichts zu rechtfertigen sind. Wenn wir weiter in Betracht ziehen, was die armen Landbriefträger u. s. w. bekommen, wie da an einzelnen Mark gespart wird, so können wir es nicht für gewissenhaft halten, dem Herrn Generalpostdirektor, bei seiner son­stigen guten Bezahlung, noch 4800 Mark zu schenken, damit er bei seinem sonst schönen Garten noch ein Kaltpflanzenhaus habe."

Bei der Debatte über den Antrag Windthorst auf Aufhebung der Sperrgesetze fündigte Liebknecht den Antrag unserer Genossen auf Aufhebung sämmtlicher Ausnahmegesetze an. An der Debatte selbst wolle er nicht theilnehmen. Diejenigen, welche den Kulturkampf in