- 245,898, in Worten Zweihundertfünfundvier| Gewalthätigkeiten gegen andere Bevölkerungsklassen aufgereizt werden zigtausend achthundertachtundneunzig Personen haben
sich im Laufe des verflossenen Jahres vor den Segnungen der deutschen Reichsherrlichkeit geflichtet.
Die„ Norddeutsche Allgemeine" findet sich kreuzfidel mit dieser Thatsache durch die geniale Bemerkung ab, daß Auswanderer in der Regel warten bis die Kinder reisefertig werden, der enorme Zuwachs also noch auf Konto der Manchesterperiode komme. Diese Entdeckung ist unbezahlbar. Während des ganzen vorigen Jahres versicherte uns Pindter, daß die Geschäfte und der allgemeine Nothstand Dank der neuen Wirthschaftspolitik einen ungeheuren Auffchwung genommen, und gerade in diesem Augenblicke laufen die dummen Kerle, welche mit der Auswanderung gewartet ,,, bis ihre Kinder reisefertig sind", auf und davon. Wär der Gedank' nicht so verflucht gescheidt, man wär versucht, ihn herzlich dumm zu nennen.
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Aus Moltke's Schule. Von allen Seiten laufen wieder Nachrichten ein über Selbstmorde in der Armee. Wie es mit diesen Selbstmorden" zuweilen aussieht, darüber gibt folgende Stelle aus einem uns aus Straßburg zugegangenem Schreiben Auskunft:
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Von einem hiesigen Ulanenoffizier wurde kürzlich ein Soldat derart geschlagen, daß er zusammenstürzte, und da man ihn für todt hielt, wurde der arme Teufel zur Vorsicht" noch auf- gehängt. In der offiziellen Statistik nennt man dieses Verfahren ,, Selbstmord aus unbekannten Gründen"!
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Näheres über diesen Selbstmord" in meinem nächsten Briefe, schreibt unser Gewährsmann.
In Berlin hat ein Schüler Moltke's auf einige davonLaufende Jungen, welche seinem Verbote nicht sofort Folge geleistet hatten, hinterher geschossen, und einen des Weges zufällig kommenden Knaben getödtet, einen zweiten tödtlich und einen dritten leicht verwundet. Das Schießen auf Fliehende gehört in Preußen- Deutschland , wie es scheint, jetzt zum System. Das Volk aber will von dieser Art„ Landesvertheidigung" nichts wissen, denn die Erbitterung in der Berliner Bevölkerung ist, wie man berichtet, groß. Wenn sie nur nicht im Sande verläuft!
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Ein Staatsverbrechen".. Der aus Ungarn gebürtige Schuhmacher Lazarus Klein ist vom bayrischen Staatsminister von Feilitsch aus dem Gebiete des Königreichs Bayern ausgewiesen worden, weil er seinen Aufenthalt in München fortgesetzt zu sozialistischen Agitationen benützt" und sich der polizeilichen Kontrole durch Nicht- oder Falschmelden seines Wohnungswechsels wiederholt zu entziehen gesucht" hat. Das muß ja ein fürchterlicher Mensch sein, dieser Ungar. Sich der polizeilichen Kontrole entziehen wollen da hört ja Alles auf! -In In München hat die Schnüffelgarde angeblich wieder einmal eine geheime" Versammlung entdeckt. Massenhaussuchungen und Massenverhaftungen sind vorgenommen worden. Der Spießbürger findet so etwas für ganz selbstverständlich, oder freut sich noch gar, daß die Polizei so fein brav auf dem Posten ist. Das Gefühl für Recht und Freiheit ist in keinem Lande so wenig entwickelt wie in Deutschland , und je ruhiger unsere Genoffen die Vergewaltigungen über sich ergehen lassen, desto mehr verschwindet der letzte Rest von Unabhängigkeit im Volke. Es erscheint uns für unsere Pflicht, das immer und immer wieder zu fonstatiren.
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D, wag' es doch nur einen Tag, Nur einen, frei zu sein!
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Troß des objektiven" Staatsanwaltes wurde Bergdirektor Wengler in Freiberg ( Sachsen ), der 11 Proletarierleben auf dem Gewissen hat( nicht 30, wie wir in voriger Nummer irrthümlich schrieben), zu einem Jahr sechs Monaten Gefängniß verurtheilt. 11 Proletarierleben 18 Monate Gefängniß, ein angezündeter Heuschober vier Jahre Zuchthaus, drastischer kann die Moral der bürgerlichen Gesellschaft nicht gekennzeichnet werden!
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Verschiedene Wiener Sensationsblätter haben unsere Nachricht von dem Entkommen der russischen Sozialistin Sophia Bardina dahin, ergänzt", daß dieselbe bereits in Genf sei. Diesmal haben die Biedermänner sich aber verrechnet; Bardina befindet sich der österreichischen Kaiserstadt näher als der Hauptstadt der Republik Genf .
- Allezeit auf Posten, so it's recht! Aus Sachsen , 3. Februar, schreibt man uns: In der heutigen Landtagssitzung in Dresden traten die Vertreter unserer Partei sehr energisch für die Beamten Proletarier ein, auf deren Kosten der sogenannte sächsische Staat im Eisenbahnwesen Hunderttausende erspart, um sie zur Besoldung der hochgestellten Eisenbahnbeamten und überhaupt der den Ministern nahestehenden Schmarotzer zu verwenden. Genosse Bebel entrollte ein ergreifendes Bild von dem traurigen Loose der BeamtenProletarier, welche bei 13-18stündiger Arbeitszeit und eminenter Verantwortung wahre Hungerlöhne beziehen und überall noch in ihrem Lohn beschnitten, in ihren Arbeiten überlastet werden; letzteres namentlich dadurch, daß fortwährend Arbeiter entlassen werden und ihre Arbeit den übrigen aufgebürdet wird. Die höheren Direktionsbeamten aber arbeiten täglich 3 Stunden, beschäftigen sich während dieser Zeit oft mit ganz gewöhnlichen Abschreibereien und beziehen hohe Summen an Gehalt.
Dem Finanzminister waren diese Enthüllungen sehr unangenehm, er legte sich auf's Leugnen und fragte, warum sich denn die betr. Beamten nicht an die vorgesetzten Behörden wendeten, warum gerade an den Abgeordneten Bebel? Es wurde ihm darauf die richtige Antwort zu Theil. An die Behörden sich wenden, das hieße den Teufel bei seiner Großmutter verklagen. Die kleinen Beamten haben, erklärte Genosse Liebknecht , sich deshalb an die sozialdemokratischen Abgeordneten gewendet, weil sie zu diesen allein Vertrauen besitzen, und dieses Vertrauen soll auch jetzt, wie immer, gerechtfertigt werden. Auf eine Bemerkung des Ministers, warum denn so viele Leute zum Eisenbahndienst sich noch meldeten, wenn er so ungünstig gestellt sei, wiesen unsere Vertreter auf die gegenwärtige soziale Lage hin, welche so erbärmlich sei, daß für die schlechteste Stelle noch viele Bewerber auftreten. Nachdem noch der be fannte Hofrath Ackermann seinen Senf zu den ministeriellen Ausflüchten gegeben hatte, und wegen seiner arbeiterfeindlichen Bemerkungen vom Genossen Liebknecht tüchtig heimgeschickt worden war, ging die hohe Kammer zur Tagesordnung" über; das heißt, es wird weiter geschunden und ausgebeutet, bis das Volk eines Tages die Geduld verliert und über Minister, Kammer und Hofräthe zur Tagesordnung übergeht.
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Daß auf offener Straße bei unsern schlechten Zeiten noch die Marseillaise gesungen wird, trotz Sozialistengesetz und PolizeiBaschawirthschaft, hat unsere Staatsretter schon längst verdrossen und sie haben daher gegen einige Sänger in Dresden einen Prozeß angestrengt, der ein wahres Possenspiel von Justiz war.
Im vorigen Frühjahr, zur Dresdener Boomblüthe", waren 250 Sozialisten, mit rothen Blumen versehen und die Marseillaise singend, aus Dresden ausgerückt. Die Polizei hatte sich durch ihren genialsten Vertreter, den durch sein vorlautes Wesen bekannten Fichtner, bei dem Ausflug vertreten lassen, und derselbe hatte nicht nur eine Anzahl Genossen, dazu aus Versehen auch einen fünfjährigen Knaben, wegen Tragens republikanischer Abzeichend. h. rother Blumen, sondern einige auch wegen Singens der Marseillaise denunzirt. Mit vieler Mühe brachte es die Staatsanwaltschaft fertig, die Audorf'sche Arbeitermarseillaise unter§ 130 zu stellen und darnach die Sänger anzuklagen. Bezüglich der zu dem zitirten Paragraph erforderlichen Aufreizung der Bevölkerungsklasse argumentirte man so: die Marseillaise ist ein Arbeiterlied, die Arbeiter sind eine Bevölkerungsklasse, sie hätten also durch das Lied zu
können. Die Möglichleit dieser Aufreizung, aus welcher sich auch die Möglichkeit der Verübung von Gewaltthätigkeiten ergibt, genügt zur Erfüllung der Voraussetzungen des Paragraphen. Das Gericht wich dieser haarsträubenden Argumentirung aus, indem es die Betheiligung beim Gesang seitens der Angeklagten nicht für erwiesen erachtete. Der Zeuge Fichtner, welcher beschworen hatte, daß die Angeklagten gesungen, wurde von einem derselben, dem Genossen Schüschner, öffentlich als ein frecher Mensch gebrandmarkt. Für diese zutreffende Bezeichnung wurde Schüschner, gegen den man außerdem als erschwerend geltend machte, daß er in der Schweiz gearbeitet hat, mit zwei Tagen bestraft, 3 Tage wurden für die Blumen ausgeworfen und die Marseillaise wird nächstes Frühjahr wieder gesungen.
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Christliche Ausbeuter! Genosse E- d:
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Aus Barmen schreibt uns
In Folge der veränderten wirthschaftlichen Verhältnisse sind verschiedene hiesige Fabrikanten der Band- und Litzenbranche nach Belgien , Böhmen und Rußland ausgewandert, weil sie dort besser fortzukommen hoffen, als in in der Heimath. Das Kapital ist daran ändern alle nationalen Phrasen nichts durch und durch international und zieht sich am liebsten dahin, wo es am besten rentirt, d. h. am meisten Arbeiter schweiß und Arbeiterblut aufsaugen kann. Darin sind Fortschrittler und Konservative, Aufgeklärte und Offenbarungsgläubige wunderbar einig. So habe ich Ihnen denn von dem sehr frommen Herrn Emil Wicke aus Barmen ein sauberes Stückchen praktisches Christenthum" zu erzählen: Der genannte Herr, der vor etwa acht Monaten sich ein Ausbeutungsinstitut, genannt Fabrik, in Lodz ( Russischpolen) errichtet hatte, ließ hier eine Anzahl tüchtiger und geübter Bandwirker anwerben, weil er doch nicht von vornherein mit den noch weniger gewandten Polen arbeiten konnte. Seine Agenten versprachen den Leuten einen Wochenverdienst von mindestens zwölf Rubel. Auch bekam Jeder Geld zur Reise, welches der rechenkundige Wide später successive am Lohn abzuziehen gedachte. Sechs Mann aus Barmen bissen auf den Köder an.
Wer sich jedoch, nachdem die Leute einmal nach Rußland gelockt und in seiner Gewalt waren, den Teufel um die gemachten Versprechungen kümmerte, war der gottesfürchtige Herr Wicke. Statt zwölf zahlte er a cht Rubel Wochenlohn, wovon er aber noch 25 Prozent zur Deckung des Reisevorschusses abzog, so daß die Arbeiter mit sechs Rubel Papier *) heimgehen konnten.
Das ging etwa drei Monate lang fort.
Darob natürlich große Unzufriedenheit, Reklamationen, Erinnerungen an das gegebene Wort, worauf der Herr Fabrikpascha, der sich den russischen Umgangston wunderbar schnell angeeignet, kurz und barsch erklärte:„ Ich habe jetzt die Quälerei mit den„ ,, Ausländern" satt. Ich will mein Geld wieder haben." Da inzwischen sich die Polaken die nöthige Handfertigkeit von den Deutschen angeeignet, der Mohr also seine Schuldigkeit gethan, hatte der christlich- konservative deutsche Herr Wicke keine Rücksichten mehr zu nehmen.
Nun versuchten die betrogenen Arbeiter, nachdem alle oft wiederholten gütlichen Schritte nichts gefruchtet, es mit Arbeitseinstellung. Allein sie hatten nicht mit dem guten Kapitalistenherzen ihres Landsmannes und mit der Allmacht des Rubels gerechnet. Der brave Wicke ließ die Streifenden durch bestochene Polizisten ins Gefängniß schleppen. Dort wurden die schmählich Betrogenen mit Ohrfeigen und Fauststößen traktirt, daß Einzelnen das Blut zum Halse herauskam, dann zu Boden geworfen und mit dem russischen Zivilisationsinstrument, der Knute, verarbeitet. Hörtes, deutsche Arbeiter, merkt es Euch für die Harmonie apostelund die Männer der Nationalitätsphrasen: Ein deutscher Bourgeois hat seine Lands= leute, Söhne seiner eigenen Geburtsstadt, durch bestochene russische Schergen knuten lassen! Das ist Euer Loos, wenn die Herren vom Kapital ihrer„ Eutsagungslust" freien Lauf lassen können!
Eine Stunde später erschien der Obergensdarm und ließ die Inhajtirten als ungesetzlich verhaftet wieder auf freien Fuß setzen. Der deutsche Konsulatsverwahrer, an den sie sich beschwerdeführend wendeten, erklärte achselzuckend, Nichts für sie thun zu können. Es war ja kein Bleichröder oder Jhenpliz beleidigt, kein Sekretär oder Nath, sondern nur ein halbes Dutzend dumme Proletarier geknutet, ungesetzlich geknutet. Darum kann sich natürlich ein deutscher diplomatischer Beamter nicht fümmern. Was scheert ihn das Back!
Nach unsäglichen Schwierigkeiten haben vier der Gemißhandelten wieder die Grenze passirt und kamen, unterstützt durch mitleidige Menschen, denen sie ihre Erlebnisse in Lodz erzählt, wieder in Barmen an. Auf ihren Rücken tragen sie die Noten von der wundervollen„ Harmonie zwischen Kapital und Arbeit". Die Notenlinien sind mit den Riemen der Knute gezogen.
Aber es kommt der Tag, wo die Arbeiter ihren eigenen Text zu diesen Ohren! Noten fingen werden. Gnade dann, Ihr Ausbeuter, Euren
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Stimmen aus Parteitreisen. Unter dieser Rubrik wollen wir den Genossen die in voriger Nummer erwähnten Zuſchriften über die Schreibweise des„ Sozialdemokrat", wenigstens auszugsweise, zur Kenntniß bringen.
Ein süddeutscher Arbeiter, den Lesern unseres Blattes unter dem Namen Friedrich Roth bekannt, schreibt mit Bezug auf den angefochtenen Hietler- Artikel:
,, Man mag darüber von zwei verschiedenen Standpunkten urtheilen, entweder vom heutigen gesetzlichen oder vom rein menschlichen. Der rste kommt für uns nicht in Betracht, denn wie es um die Gesetze aussieht, bedarf keines Kommentars. Vom rein menschlichen Standpunkt aber dürfte die Frage, wer auf die Anklagebank gehört, ganz anders ausfallen. Der übrigens allgemein verhaßte Blutsauger Sothen überliefert Hietler und dessen Familie wissentlich dem sicheren Hungertod. Für dieses Verbrechen hat unser moderner Kulturstaat keine Strafe, denn es wird ja hundert und tausendfach von den Besitzenden begangen und kaum, daß die Presse ein Wort des Bedauerns hat, wenn sich der so zum Untergang Verurtheilte sammt den Seinen umbringt. Daß dies nicht immer vorkommt, daß es vielen Unglücklichen dennoch mit Anspannung der letzten Kraft noch gelingt, dem ihnen zugedachten Loose zu entrinnen, ist doch wahrlich nicht das Verdienst des betr. Arbeitgebers, noch kann es zu seiner Entschuldigung dienen. Den Organen des Proletariats aber geziemt es, diese Verbrecher gebührend zu brandmarken, und wer das flegelhaft findet, der hat einfach für die Lage des armen Teufels weder Herz noch Verständniß.
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„ Die Moral des Artikels gipfelt also nicht
in der Empfehlung des Todtschlags, sondern in der Verurtheilung von Zuständen, die einen Verzweifelten ohne jeden Schutz lassen und solche Thaten provoziren.
,, Eines hatte der Mörder" Hietler offenbar vor Herrn Blos voraus, die Galle nämlich; und damit komme ich auf den Hauptpunkt seines Briefes sowohl wie auf denjenigen Breuels. Ich besitze
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für meinen Theil ein solches Taubenherz nicht, vielmehr eine normale Portion Galle und liebe es, in solchen Dingen„ ein kräftig Wörtlein" zu hören und zu reden. Wer über erlittene Schmach und Gewaltthätigfeit keinen Jngrimm mehr zu empfinden vermag, der paßt wohl vortrefflich zum Bürger, richtiger Unterthan des Bismarckischen Staates, einen sozialistischen Staat gründet man aber mit solchen nicht.
Leuten
denen jene schneidige Mit gemäßigten" Reden Schärfe völlig abgeht, welche das Gefühl gerechter tiefer Erbitterung gegenüber schamloser frecher Gewalt verleihen sollte, werben wir keine
Rekruten für den Zukunftsstaat, noch rütteln wir dadurch irgend einen Michel aus seiner Indifferenz auf; lassen aber besten Falls den Glauben aufkommen, daß das Sozialistengeset uns gebessert" habe. Ein solches Einlenken aber wäre die glänzendste Rechtfertigung desselben vor der ganzen Bourgeoisie und Michelschaft."
Die Genossen in Erfurt erklären, gegenüber den Anklagen, daß sie mit unserer Gesammthaltung sehr zufrieden sind.
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Aus B a dem- Baden ſchreibt uns ein Genosse, daß die dortigen Parteimitglieder mit Ton und Haltung des Parteiorgans durchaus einverstanden seien. Eine solche Sprache gebrauche der Deutsche , um aufgerüttelt und begeistert zu werden. Wenn es in den letzten Nummern heißt, es fehle den Deutschen der revolutionäre Geist, so ist das nur allzuwahr. Sollte aber in Zukunft eine größere Mäßigung in der Haltung dieses Organs eintreten, dann würde ich lieber statt dieser verbotenen Frucht jede andere Zeitung zur Hand nehmen, oder auch das Zeitungslesen ganz aufgeben."
Ein Genosse, Arbeiter im Ausland, der seiner Zeit im„ Sozialdemo krat" die Revolutionsmacherei in einem vortrefflichen Artikel kritisirte, schreibt:„ Der einzige stichhaltige Grund, der bis jetzt gegen das Wählen ins Feld geführt wurde, ist die Gefahr des Breitgeklopftwerdens" der Arbeitervertreter in den verschiedenen Parlamenten. Daß diese Gefahr keine eingebildete ist, dafür sind Frankreich und England warnende Beispiele."
Genosse W. Wagner in Luzern fragt:„ Sollen wir wieder in die Zeiten des Mittelalters zurückkehren, wo der Leibeigne die Peitsche füßte, welche ihn schlug? Nein, das Wort des„ Sozialdemokrat" muß scharf und schneidig sein, wenn er die indifferente Masse aus dem Schlaf wecken und die Genossen vor dem Einschlafen bewahren soll"--" Für uns gibt es kein Recht und kein Gesetz mehr, als nur das Sozialistengesetz, welches den Genossen ihre Existenz raubt, sie außer Landes treibt, und an den Bettelstab bringt."
Eine Zuschrift des Genossen Dietgen bringen wir in nächster Nummer zum Abdruck, dagegen nehmen wir von einer Veröffentlichung der lediglich an die Redaktion gerichteten Briefe aus den in voriger Nummer angeführten Gründen Abstand.
Der An- archist," Doktor" Eduard Nathan Ganz, alias Rodanow, der den deutschen Arbeitern mit Gewalt den verstorbenen Kommunistenfresser Heinzen als Vorfämpfer aufschwatzen wollte und ihnen in der Londoner Freiheit" Diebesmoral predigte, sitt schon wieder hinter Schloß und Riegel. Diesmal aber ohne die Aussicht, ,, ehrenvoll" freigesprochen zu werden. Durch betrügerische Annoncen hat der saubere Patron deutschen Gastwirthen 20,000 Holländische Gulden für Waaren, die er nicht abgeschickt hat, abgeschwindelt, d. h. armen Teufeln das Geld aus der Tasche gestohen. Eine Manipulation, welche, wie die russischen Revolutionäre in der„ Narodnaja Wolja " erklärten, bisher Sache der Regierungen und ihrer Agenten war, eine revolutionäre Partei aber entehren. In wie weit das erschwindelte Geld zur Herstellung der berüchtigten Wahlenthaltungsflugblätter verwendet worden ist, können wir nicht beurtheilen, wie alle Gauner, wird wohl auch Nathan- Ganz, der sehr flott lebt, sich nicht haben„ lumpen" laffen.
Uebrigens der Wahrheit die Ehre. Die Sozialrevolutionäre in Amerika haben von dem Revolutionsdoktor schon längst nichts mehr wissen wollen. Sehr unzweideutig soll ihn namentlich Justus H. Schwab in New York , dem er vergebens einen mehrstündigen Vortrag über An- archie gehalten, zur Thüre geleitet haben. Jetzt dürfte wohl auch in Europa die politische Laufbahn des talentvollen Jünglings zu Ende sein.
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Aus Frankreich . Der Streit von Grande Combe hat noch ein trauriges Nachspiel: Die von der Gesellschaft entlassenen Arbeiter sind noch immer ohne Beschäftigung, die eingegangenen Unterstützungen sind längst aufgebraucht, so daß die Aermsten, von denen einige der Gesellschaft über 30 Jahre ihre Arbeitskraft gewidmet, buchstäblich Hungers sterben. Die Rache der Bourgeoisie ist unerbittlich gegen den, der ihre heiligen Ausbeuterrechte anzutasten gewagt.
In Paris bereiten sich Lohnbewegungen vor unter den Essenkehrern, den Messerschmieden und den Seidefaltern: In Grenoble befinden sich die Maurer und Gypser im Streif behufs Reduktion der Arbeitszeit auf 10 Stunden.
Der letzte Vierteljahrsbericht der organisirten Mitglieder des Seinedepartements weist folgende erfreuliche Ziffern auf: Am 4. September 1881 zählte die Organisation 2245 Mitglieder und hatte einen Kassenbestand von 8964 Fr., am 24. Januar d. J. betrug die Mitgliederzahl bereits 3040, der Kassenbestand war zwar auf 6867 Fr. herabgegangen, doch steht dem eine Ausgabe von 12,081 Fr. gegenüber, darunter 5400 Fr. für partielle Streits bei Prinzipialen, welche die eingegangenen Verpflichtungen brechen wollten.
Aus Spanien . Ende vorigen Jahres fand in Valencia ein allgemeiner Schuhmacher-( Arbeiter) Kongreß statt, der aus den Städten Malaga , Reus, Barcelona , Valladolid , Cordova, Sevilla , Saragossa , Villanueva y Geltru 2c. besucht war. Von dem Geist, der die auf diesem Kongreß versammelten Arbeiter beseelte, zeugen it. A. folgende Beschlüsse:
Der Kongreß beschließt, alle Gruppen sollen eine energische Propaganda dafür entfalten, daß die Arbeiter aus Gründen der Hygiene sich weigern, bei der Schuhwaarenfabrikation altes Material und Kartonpapier zu verwenden.
" Ju Erwägung, daß die Maschinen zwar ein Beweis des Fortschritts find, ihre Anwendung aber, solange sie Monopol der Fabrikanten sind, den Arbeitern Schaden bringt, spricht sich der Kongreß für den Uebergang derselben in Gemeinbesitz zum Vortheil der Gesammtheit der
Arbeiter aus.
Was die Korporativgenossenschaften anbetrifft, so betrachtet sie der Kongreß als Palliativmittel und verwirft sie im Prinzip."
Die Arbeiterbewegung in Spanien macht überhaupt große Fortschritte. In jeder Nummer der Arbeiterblätter finden wir Berichte über die Gründung von Vereinen meist gewerkschaftlicher Natur.
Ende März findet in der Stadt Reus ein großer Kongreß der Manufakturarbeiter und verwandten Gewerbe statt.
Aus Amerika . Die Lingenau 'sche Erbschaft ist nunmehr, wie wir der„ Newyorker Volkszeitung" entnehmen, durch Richter Wörner end giltig einem Neffen und drei Großnichten des Verstorbenen zuertheilt worden.
,, Damit", schreibt unser Bruderorgan, ist der seit Jahren schwebende Prozeß zu Un gunsten des wahrhaftigen letzten Willens des verstorbenen Lingenau entschieden, und das Geld, welches bestimmt war, für den Kampf gegen Unterdrückung und Tyrannei Waffen zu schmieden, fällt an lachende Erben, die wahrscheinlich zu Lebzeiten Lingenau's sich ihres amerikanischen Verwandten, eines bösen Kommunisten, geschämt haben würden. Ein Formfehler hat Alles verschuldet."
Darüber wollen wir indeß nicht vergessen, daß dieser Formfehler nur durch die Agenten der deutschen Regierung ermittelt wurde, und daß für gewöhnlich in zweifelhaften Fällen die Evidenz entscheidet. Aber es handelte sich um die Sozialdemokratie und da ist jede Ausflucht willkommen. Jm Uebrigen ist die Niedertracht unserer Gegner umsonst, wir werden auch ohne das Lingenau 'sche Geld mit ihnen fertig werden. Basta!
Ju Newyork haben unsere ausgewiesenen Genossen und deren Freunde einen Arbeiter Fortbildungs- Verein gegründet