-

der Geschicklichkeit, in der größeren oder geringeren Weite des Blickes zu finden, aber die Diplomatie als solche erleidet in diesem Augen­blick gänzlichen Schiffbruch, das Bischen Krivoszie" kann jeden Tag einen Weltkrieg hervorrufen, der in seinem Verlaufe mehr Menschenopfer verschlingen würde, als das aufständische Bergvölkchen Seelen zählt. Der russische Czar, dem im Innern, Dank der unermüd­lichen Thätigkeit der russischen Revolutionäre, das Messer an der Kehle sitzt, der in seiner höchsteigenen Person das Prinzip des selbstherrlichen Absolutismus in geradezu klassischer Weise parodirend ein willenloses Werkzeug ist in der Hand derjenigen Hofflique, welche am lautesten zu schreien vermag, dieser selbstherrliche" Czar kann jeden Augenblick ge­zwungen werden, um seine Selbstherrlichkeit zu retten, sich dem Pan­slavismus auf Gnade und Ungnade zu ergeben, das heißt, Behufs Be­freiung" der unterdrückten slavischen ,, Brüder", Oesterreich den Krieg zu erklären. Die Panslavisten aber verstehen unter dem Erbfeind den Deutschen  , Krieg mit Oesterreich heißt ihnen daher wie auch Sto­beleff offen bekannt Krieg mit den Deutschen  . Wie der Pan­slavismus keine nationale, sondern eine Rassen frage ist der Russe versteht den südslavischen Bruder" ebensowenig wie der Deutsche   den Schweden   oder Engländer so muß der Krieg nach ihm nothwendig auf die deutsche   Rasse ausgedehnt, d. h. auch an Deutschland   erklärt werden. Krieg Deutschlands   mit Rußland   heißt aber auch Krieg Frankreichs   mit Deutsch­ land  , und so steht Deutschland   vor der trostreichen Aussicht, trotz oder besser Dank seiner genialen Staatsleitung in einen noch viel blutigeren Krieg verwickelt zu werden, als es der 1870/ 71er war. Alles Friedensgeläute, alle offiziösen Abwiegelungen helfen darüber nicht hinweg.

-

-

Die verehrlichen Regierungen brauchen uns gar nicht so eindringlich ihrer Friedensliebe zu versichern, wir glauben es ihnen ohnehin, daß sie sich vor dem Kriege fürchten. Haben sie doch Alle miteinander sei es im Innern, sei es in den Kolonien oder auch hier wie dort arge Geschwüre sitzen, die ganz bösartig ausbrechen könnten, wenn die Sache etwa schief gehen sollte. Aber mit der guten Absicht ist bekannt­lich in der höheren Staatskunst nichts gethan. Da haben sich die edlen Herrschaften so verfahren, daß, wenn ein Glied aus dem kunstvollen Gebäude herausfällt, die ganze Herrlichkeit durcheinanderpurzelt. Und das wäckligste aller Glieder ist, wie schon oben angedeutet, Rußland  .

Rußland   steht am Vorabend einer Revolution oder befindet sich schon fast inmitten derselben. Für seine Regierung gibt es heute nur noch eine Rettung, den Panslavismus, d. h. den Krieg. Nun ist aber der Banslavismus im russischen Volke, d. h. bei den Bauern, durchaus nicht populär, der Bauer ist auch durchaus nicht für den Krieg be­geistert, das liberale Bürgerthum will den Krieg auch nicht, d. h. es will den Sieg Rußlands   nicht, da es von einer Niederlage nicht mit Unrecht die Erfüllung seiner Wünsche, eine Verfassung, erwartet. Pan. slavistisch sind nur die Offiziere und die durch und durch korrupte Bureaukratie. Mit solchen Elementen macht man aber keine Volks­bewegung, und auf diese kommt es hauptsächlich an. Ohne diesen Rückhalt im Volke kann Rußland   sich in keinen Krieg einlassen, dieß der Grund seines ewigen Schwankens, seines steten Ausweichens. Zum Krieg zu schwach und zum Nichtkrieg auch zu schwach denn in diesem Falle macht sich die Regierung auch die Panslavisten zu Feinden so steht Rußland   in diesem Augenblick da, und je nachdem schließlich die Wage sich neigt, ist das ein Glück oder ein Unglück für die Völker Europa's  . Damit dem Czarenthum der Ausweg aber offen bleibe, sorgt es durch seine Agenten, daß der Aufstand in den südslavischen Län­dern nicht einschlafe, liefert es den dortigen Brüdern" Geld und Waf­fen, und die tapferen Krivoszianer und Herzegowzen, die da meinen, für ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu kämpfen, schlagen sich in Wahrheit im Interesse des heiligen, völkerunterdrückenden Absolutismus  .

"

-

So stehen die Dinge im Augenblicke. Die gewissenlosen Glücksritter auf und an den Thronen benutzen die günstige Gelegenheit, ihren Unterthanen Schrecken einzujagen und mehr Soldaten zu fordern, die sie natür­lich auch bewilligt bekommen. Dennoch dürfte ihnen die Freude arg vergällt werden. Wie wir oben entwickelt, ist für Rußland   ein Ver­zichtleisten auf den Krieg gleichbedeutend mit dem rapiden Fortgang der Revolution im Junern. Die steigenden Militärlasten werden dagegen in den Weststaaten die nächste Krisis nur noch stärker, noch intensiver machen. Und wenn dann in. Rußland die revolutionäre Entwicklung so­weit gediehen ist, daß das Czarenthum am hellen Tage zusammenbricht, dann wird auch im Westen die Saat gereift sein, dann wird der große Völkertag anbrechen und dann adieu Staatskunst, adien Staats­fitnstler!

Wozu der Herrgott gut ist. Unter dem Gesang ,, Wa s Gott thut, das ist wohlgethan" ist der von dem Füfilier Werner erschossene Knabe Frizz Peepold zur Gruft getragen worden. Am Grabe hielt der Prediger von Haustein die Trauer­rede, der er die Worte der heiligen Schrift Seid unterthan der Obrig keit" zu Grunde legte.

Also zu lesen in der christlich- konservativen Kreuzzeitung".

"

Und keine einzige der gottesfürchtigen Christenseelen erhebt Protest gegen die vernichtende Kennzeichnung ihres Gottes, welche in dieser infamen Demonstration enthalten ist. Was Gott   thut, das ist wohlgethan". Gott   hat also den Wachtposten scharfe Patronen gegeben, Gott hat sie dazu gedrillt, auf wehrlose Knaben zu schießen, Gott hat den vorzeitigen Tod zweier Menschenleben auf dem Gewissen, Niemand sonst. Murrt daher nicht, liebe Brüder, was Gott   thut, das ist wohlgethan".

Und die lieben Brüder in Christo" murren nicht, sie sind sogar sehr erbaut davon. Ihr Gott ist dazu da, jede Infamie, die von der lieben Obrigkeit kommt, gutzuheißen, denn die Obrigkeit ist von Gott  ". Die Obrigkeit kann so schuftig sein, wie sie will, so lange sie mit den Pfaffen Hand in Hand geht, deckt der Herrgott jede Niedertracht, jeden Betrug am Volke. Der Herrgott ist für indirekte Steuern, vermittelst deren die Armen die Steuern für die Reichen aufbringen müssen, der Herrgott ist für den Militarismus mit seinen verheerenden Folgen, der Herrgott ist für die Vernichtung der Volksrechte, der Herrgott ist mit einem Wort der Gott der Herren.

"

Darum werden auch alle Hebel angesetzt, um den chriftlichen" Charakter des Klassenstaates aufrechtzuerhalten. Das Christenthum heißt Gewalt, Laune, Willkür. Willkür im Aussaugen, Willkür im Wohlthun", wie es gerade in Gottes unerforschlichem Rathschluß" beschlossen ist. Was die Obrigkeit thut, deckt Gottes Wille, das Volk aber soll christlich ge­horchen, nicht Rechte soll es beanspruchen, sondern um Gnade betteln. So will es das Christenthum, so will es der Herrgott. Und wer das nicht einsteht, ist ein Ungläubiger, ein Gottesleugner, ein Anhänger Antichrist.

des

-

Das ist die Moral der Geschichte. Volf, an Dir ist es, sie zu be­herzigen!

Die Kulturfeindlichkeit der heutigen Eigen thumsverhältnisse ist während der letzten Wochen in dem säch­sischen Landtag geradezu drastisch demonstrirt worden, und zwar bei drei verschiedenen Gelegenheiten. Bei der ersten handelte es sich um die Fortbildungsschulen. Die Institution der Fortbildungsschule ist natürlich keineswegs unser Ideal. Sie ist nur eine nothdürftige, äußerst unvollkommene Ergänzung und Korrektur unserer mangelhaften und kläglich ungenügenden Volksschule. Immerhin ist es ein kleiner Fortschritt und würde die Beseitigung der Institution, ohne daß Besseres an die Stelle gesetzt, oder richtiger: ohne daß die Volksschule zu dem gemacht wird, was sie sein sollte, die Sache der Volksbildung und-Er­ziehung aufs Empfindlichste schädigen. Trotzdem herrscht unter Indu­striellen und Grundbesitzern die größte Abneigung gegen die Fortbildungs­schulen; und gelegentlich einer Petition tam die Opposition in dem Lanotage zum Ausdruck und Ausbruch. Vertreter der Industrie,

namentlich aber des Grundbesitzes, machten ihrem Grimm in den hef­tigsten Angriffen Luft und gerirten sich so reaktionär, daß sogar die reaktionäre Staatsregierung ihnen gegenüber für die Sache der Volks­bildung einstehen mußte.

Und was war und ist der Grund der Angriffe? Die Vertreter des heiligen Eigenthums nahmen gar kein Blatt vor den Mund und auch tein Feigenblatt vor die Lenden. Die Fortbildungsschüler verbummeln ihre Zeit; sie sollten die Zeit, welche sie in der Schule zubringen, der Arbeit für die Herren Industriellen und Gutsbesitzer widmen. Mit anderen Worten, die Zeit der arbeitsfähigen Jugend gehört den industriellen und landwirthschaftlichen Herren Ausbeutern; Bildung ist Unsinn,

Ausbeutung Alles.

Eine zweite Institution, welche den Zorn der Eigenthums- Vertreter erregt hat, ist die freiwillige Feuerwehr. Die freiwillige Feuerwehr ist zwar keine so demokratische Einrichtung wie die all­gemeine obligatorische Feuerwehr, indeß ist sie doch unzweifelhaft eine der nützlichsten und schönsten Früchte des Gemeinfinns; fie verfolgt ein edles Ziel und erheischt von den Mitgliedern Muth und Aufopferung. Nichtsdestoweniger befindet sich die freiwillige Feuerwehr auf der schwarzen Liste der Herren Eigenthumsfanatiker.

Und warum?

Sehr einfach weil Arbeiter bei der freiwilligen Feuerwehr sind, und weil der Feuerwehrdienst eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, welche die Herren Eigenthumsfanatiker für sich selber zu Ausbeutungs­zwecken in Anspruch nehmen. Die ganze Zeit des Arbeiters gehört dem Arbeitgeber, und dieser hat keine Luft, sich durch die freiwillige Feuer­wehr um sein Eigenthum" betrügen zu lassen. Daher der große In­grimm.

Die dritte Gelegenheit zur Entfesselung des reaktionären Eigenthums­fanatismus wurde durch eine Debatte über das Gefängnißwesen geboten. " Die Behandlung in den Gefängnissen und Zuchthäusern ist zu gut; es müßte tüchtig geprügelt werden zur Abwechslung auch etwas geköpft und gerädert. dann würden die Verbrechen seltener werden und Nie­mand würde mehr ein Verbrechen begehen, um im Gefängniß oder Zuchthaus ein Unterkommen zu finden. Das war der langen Reden furzer Sinn. Und ein, obendrein zur Fortschrittspartei gehöriger Ab­geordneter krönte die rhetorischen Leistungen, indem er erklärte, das Eigen­thum müsse wirksamer gegen die Verbrecher gesichert werden; das könne nur durch größere Strenge geschehen; die jetzigen Humanitäts­bestrebungen hätten den berechtigten Zorn des Lan­des erregt. Soll heißen der Herren Eigenthumsfanatiker. Deutlicher konnte nicht konstatirt werden, daß das Eigenthum mit der Humanität im Widerspruch steht.

Die Fortbildungsschule den Interessen des Privateigenthums anta­gonistisch.

Das gemeinnützige Institut der freiwilligen Feuerwehr den Interessen des Privateigenthums antagonistisch.

Die Humanität den Interessen des Privateigenthums antagonistisch. Mein Liebchen, was willst Du noch mehr?

Man wird uns zugeben müssen, daß die Vertreter des Eigenthums im sächsischen Landtage es vortrefflich verstanden haben, den kulturfeindlichen Charakter des Eigenthums in seiner heutigen Gestalt nachzuweisen. Und wie in der sächsischen Kammer, so sind die Herren Eigenthums­vertreter über all.

Die Liberalen empfangen jetzt dafür, daß sie die Sozialdemo­fratie als eine geächtete Partei erklärten und sie rechtlos machen halfen, ihren wohlverdienten Lohn. Kaum hat der famose Erlaß vom 4. Januar den Liberalismus als Feind der absoluten Monarchie getadelt und die Beamten zur Hetze gegen die Königsfeinde angestachelt, so sucht die Meute schon ihr Wild. Der sezessionistische Reichstagsabgeordnete A. Kutsch­bach war von konservativen Hezzaposteln öffentlich denunzirt worden, er habe eine Majestätsbeleidigung gegen den sogenannten König von Sachsen  begangen. Er klagte( deshalb wegen Beleidigung, aber die Beleidiger wurden freigesprochen und der Kläger   mit folgender schlechten Zensur heimgeschickt: Es ist anzunehmen, daß Kutschbach sich wirklich einer Majestätsbeleidigung schuldig gemacht hat, und will man einwenden, daß ihm die zur Strafbarkeit erforderliche Absicht der Beleidigung nicht nach­gewiesen sei, so genügt der Hinweis, daß der Privatkläger im Reichstag einer Partei( der ,, liberalen Vereinigung") sich angeschlossen hat, welche die Autorität des Königtbums und die verfassungsmäßigen Rechte der Krone zu untergraben bestrebt ist." Dieses unparteiliche" Urtheil fällte das Amtsgericht zu 3öblit zur größeren Ehre der Unparteilichkeit der fächfi­schen Justiz. Es geht daraus die Moral hervor: Wer nicht Reptil und Stöckerianer ist, der findet kein Recht mehr vor Gericht, denn er ist ein Geächteter, den man als Feind von der Schwelle meist!

Lasker  , hättest Du Dir das träumen lassen, als Du den Volksver­rath begingst, für das Sozialistengesetz zu stimmen!

Hand in Hand mit der Polizei arbeiten die Staats­anwälte und Richter an dem Sysiphuswerk der Vernichtung der deutschen   Sozialdemokratie. Und gleich der sächsischen Polizei thun es auch die sächsischen Staatsanwälte und Richter allen anderen voraus. Es ist in Sachsen   offenbar die Ordre ausgegeben worden, jeden sozialdemokratischen oder doch von sozialdemokratischer Seite herrührenden Wahlaufruf, nachdem er vorher sans façon polizeilich konfiszirt worden, richterlich unter Anklage zu stellen und Verfasser, Drucker und Verbreiter mit drakonischen Strafen zu belegen. Das Reichsstrafgesetzbuch enthält ja genug Paragraphen, die sich leichter biegen und dehnen als Kautschuk und bei einigem Geschick auf Alles und Alle anwenden lassen.

Da nehme man z. B. den famosen§ 131. Mit welcher Sorgfalt hatten die Herren Gesetzgeber durch Hinzufügen der Worte: wider besseres Wisseu" jeglichem Mißbrauch durch reaktionäre und streberhafte Staatsanwälte und Richter vorzubeugen geglaubt! Die für wunderkräftig erachteten drei Zauberworte sind durch eine einfache Inter­pretation*) thatsächlich entfernt worden. Staatsanwälte und Richter ,, nehmen an", daß der Angeklagte seinem Bildungsgrad nach die be­haupteten Thatsachen" auch richtig, d. h. so, wie die Staatsanwälte und Richter sie auffaffen, gekannt haben muß, und daß er also, indem er sich in anderem Sinn ausdrückte, wider besseres Wissen" gehan­delt hat. Das ist eine so simple und unwiderstehliche Logik, daß ihr gegenüber die Vertheidigung vollständig gelähmt ist.

Und daß der§ 131,, Thatsachen" erheischt und mit der Kritik oder dem Ausspruch eines Urtheils absolut nichts zu thun hat, bildet für die Herren Staatsanwälte ebenfalls kein Hinderniß, denn sie brauchen blos ,, anzunehmen", blos davon überzeugt" zu sein, daß die Kritik, das Urtheil, Thatsachen" betrifft oder eine Thatsache enthält, und die Verurtheilung ist fertig.

Was man mit solcher Interpretation zu leisten vermag, das haben die beiden Monftreprozesse gezeigt, welche sich zu Anfang dieses Jahres in Dresden   abgespielt haben.

Judeß die damaligen Leistungen genügen den sächsischen Staats­anwälten und Richtern noch nicht.

§ 131 ist ja nicht der einzige Paragraph, der sich gut ausnüßen läßt. Haben wir nicht die famosen Beleidigungsparagraphen"?

" Beleidigung" ist nach dem deutschen   Strafgesetz jede irgend einer Person nicht gefallende Aeußerung. Ob sie wahr ist oder nicht, kommt gar nicht in Betracht. Das kommt nur in Betracht, wo es sich um Verläumdung handelt.

Und wie herrlich sind diese Beleidigungsparagraphen von den Maje­ftätsbeleidigungsparagraphen bis hinunter zu den gewöhnlichen Beleidi gungsparagraphen zu verwerthen, und zwar in Gemeinschaft mit *) Auslegung.

§ 131 zu verwerthen! Man denke nur: Ein Wahlflugblatt nennt das Sozialistengesetz ein infames" oder empörendes" Gesetz. Natürlich § 131. Aber außerdem noch wie viel andere Strafparagraphen und Vergehen! Ein Gesetz ist vom Bundesrath ausgearbeitet, vom Reichs­tag beschlossen, vom Bundesrath sanktionirt, vom Kaiser und Reichs­fanzler gezeichnet und promulgirt( verkündet). Es sind sonach Bundes­rath, Reichstag  , Kaiser und Reichskanzler an der Urheberschaft jedes Gesetzes betheiligt; und sintemalen nun jeder Angriff auf ein Gesetz in­direkt ein Angriff auf dessen Urheber ist, so gestaltet sich jeder Angriff auf jegliches Reichsgesetz zu einem Angriff auf Bundesrath, Reichstag  , Reichskanzler und Kaiser, und damit zu einer Bundesraths-, Reichstags-, Bismarck- und Majestätsbeleidigung.

Das ist die neueste Entdeckung der sächsischen Staatsanwälte. Dank derselben ist gegen Bebel und gegen Liebknecht wegen verschiedener Wahlflugblätter außer auf§ 131 auch auf Beleidigung Anklage erhoben worden, und zwar gegen Bebel auf Majestäts- und Bundes­rathsbeleidigung, gegen Liebknecht auf Bismarckbeleidi­

gung.

Es fragt sich jetzt, welches Glück die Entdeckung bei den sächsischen Richtern haben wird. Oder vielmehr es fragt sich nicht. Die bis­herigen Erfahrungen lassen nicht den geringsten Zweifel zu, daß die säch­sischen Richter mit den sächsischen Staatsanwälten ein Herz und eine Seele find.

Uebrigens zeigt sich bei dieser Gelegenheit wieder, daß der heutige Klassenstaat eigentlich der Ausnahmegeseze gar nicht bedarf. Thut die Polizei, thun Staatsanwälte und Richter brav ihre Schuldigkeit, dann kann ohne Schwierigkeit Alles erreicht werden, was durch das Sozia­listengesetz erreicht worden ist, und noch viel mehr.

-

Darum immer wieder: Nieder mit dem Klassenstaat!

-

Die Bewilligung des preußischen Korruptions­Fonds im Abgeordnetenhause zeigt wieder einmal recht deutlich, welche schuftigen Mittel doch nothwendig sind, um die heutige Gewaltherrschaft noch aufrecht zu erhalten. Man braucht einen umfänglichen Apparat von Gesetzen und Ausnahmegesetzen, von willfährigen Richtern und wohl­dressirten Polizeischurken, um nur zu verhüten, daß ein Wort der Wahr­heit über Staat und Gesellschaft gesagt wird. Jede Zeitung, welche den Standpunkt der Wahrheit in sozialen und politischen Fragen, wenn auch noch so vorsichtig, vertritt, wird unterdrückt; Versammlungen, Reden, Flugblätter Alles dies wird verboten, jeder ehrliche Mann, der seiner Ueberzeugung gegenüber der Polizeiwirthschaft Ausdruck geben will, wird in den Kerker geworfen, aber- dies Alles reicht noch nicht! Es müssen auch noch Zeitungen aus Staatsmitteln erhalten werden, welche das gewaltsam stumm gemachte Volk anlügen und ihm betrügerische Dinge anpreisen, die der Herrschsucht der Gewalthaber, aber nicht dem Volks­wohl nützlich sind. Das Unterdrücken der Wahrheit reicht nicht, es muß noch die Lüge zur ständigen Staatsinstitution gemacht, es müssen der Regierung die Mittel gegeben werden, Zeitungen, Wahlagitationsmittel u. s. w. zu beschaffen, durch welche die Korruption, die in den oberen Kreisen schon herrscht, in's Volf getragen, der sittliche Halt desselben gebrochen und eine blöde Masse erzogen werde, die mit sich nach Gut dünken verfahren läßt.

Zu diesem edlen Zwecke hat der preußische Landtag soeben 93,000 Mark bewilligt. Und angesichts dieser Zustände wun dern sich sanftmüthige Philister noch, daß das Wort der Wahrheit, welches vom Auslande her oft scharf und hartin's Land hinüber klingt, daß die Ausdrücke des Zornes und der sittlichen Entrüstung unge­sch min ft in schroffer Form sich darbieten? Sollen wir etwa auch in das staatssozialistische" Friedensgedudel einstimmen, mit welchem durch den Korruptionsfond seitens der offiziösen Presse das Volk eingefullt werden soll? Nein wir erinnern daran, daß der Dichter der bürgerlichen Revolution, Freiligrath  , mit Recht flagt:

"

-

Owäre so dem Volk der Grimm,

Der rothe Grimm geblieben!

Wir wollen sorgen, daß der Grimm bleibt!

- Für den ollen Willem" wird schon wieder einmal im ganzen Reiche gebettelt. Sogar in Zürich   sind, an die meisten Deutschen   Zir­fulare herumgeschickt, in denen Beiträge erbeten werden. Dafür soll zu Kaisers Geburtstag eine neue Auflage einer Biographie des ollen Wil­lem gedruckt und gratis an aktive und gewesene Militärs, Beamte, Bür­ger, Schüler und - Arbeiter vertheilt werden. Wie rührend, daß auch Arbeiter, wenn auch erst hinter den Schülern! die Ehre haben sollen, ein solches Büchlein zu erhalten. Hoffentlich werden sie den Wisch dahin tragen, wohin er gehört, nämlich auf den Mist.

-

-

-

Uebrigens sollte man sich in eigenem Interesse mit solchen Betteleien etwas zurückhaltender zeigen. Denn das sieht doch auch der Dümmste ein, daß sie weiter keinen Zweck haben, als die Anhänglichkeit an Mo­narchen und Monarchie aufzufrischen und zu stärken. Wenn dieselbe aber einer Auffrischung bedarf, so muß sie doch ziemlich abgeblaßt sein und so klingt aus solchen Betteleien nur immer der Refrain hervor: Der Monarchismus ist auf dem Hund!" was uns sehr angenehm ist.

Wie gewisse Volksvertreter ihr Mandat auf­faffen! In der Sitzung der sächsischen Kammer vom 15. Februar wurde über die Errichtung neuer Eisenbahnen debattirt und jeder Ab­geordnete suchte für seinen Wahlkreis, resp. seinen Grundbesitz einen Schienenweg herauszuschlagen. Dieses Bestreben galt auch für selbstver­ständlich, und es fiel daher nicht wenig auf, daß der famose ,, Fortschritt­ler" Dr. Heine für eine Bahn sehr eifrig focht, an welcher er keine Besigthümer liegen hatte. Er machte sich den Schein der Unparteilichkeit in dieser Frage auch sehr zu Nutze und versicherte ausdrücklich, nur geo­graphische Beobachtungen bestimmten ihn, so warm gerade für diese Bahn einzutreten. Man glaubte es, bis am andern Tage bekannt wurde, daß Heine's Schwager sich in jener Gegend angekauft hat! Und da räsonnirt man noch über amerikanische   Korruption!

"

-

Mertst Du was? Der mit großem Pomp angekündigte und vom Stöcker'schen Reichsboten mit einem wahren Freudentaumel begrüßte Gesetzentwurf zur Revision der Gewerbeordnung"( Be­schränkung des Haufirhandels 2c.) ist dem Bismard'schen Bolkswohl­verrath" zur Begutachtung zugegangen. An dem Ding fällt uns gleich beim ersten Anblick folgender liebliche Passus in's Auge:

" 1

Ausgeschlossen vom Feilbieten find ferner: 10) Druckschriften, andere Schriften oder Bildwerke mit Ausnahme von Bibeln, Bibel­theilen, Schriften oder Bildwerken patriotischen, religiösen underbaulichen(!) Inhalts, Schulbüchern, Landkarten und landesüblichen Kalendern."

-

Damit aber unter die erbaulichen Schriften sich nicht etwa solche ein­schleichen, welche etwa andere als Polizeiseelen erbauen könnten, muß von allen Druckschriften vorher ein Verzeichniß der Behörde zur Geneh­migung eingereicht werden. Die gute Absicht, welche diesem Paragraphen zu Grunde liegt, liegt zu klar auf der Hand, als daß sie mißverkannt werden könnte. Das aufrührerische Gift Gifte dürfen nach Absatz 9 ohnehin nicht feilgeboten werden soll um jeden Preis von den Staats­bürgern ferngehalten werden. Nun, uns läßt dieser krampfhafte Versuch, den ,, verdammten Kerl, den Geist", wie Glasbrenner in seiner besten Zeit sang, unterzukriegen, sehr fühl. Wir werden unser" Gift" trotzdem an den Mann bringen. Ebenso wie derjenige, welcher in Deutschland  ,, explosive Stoffe, insbesondere Feuerwerkskörper, Schießpulver und Dynamit", deren Feilbieten natürlich gleichfalls versagt ist, zu anderen als polizeilich erlaubten Zwecken gebraucht, sich diese auch ohne Hausirer zu verschaffen wissen wird. Mit solchen Mittelchen rettet man im 19. Jahrhundert ,, den Staat, der niemals sicher war" sicherlich nicht.