Aber dies Meer von Blut, mit welchem das Pariser Proletariat seine hochherzigen Jllusionen bezahlen mußte, ist nicht umsonst geflossen. Heute, 11 Jahre nach Niederwerfung der Kommune, sehen wir an Stelle der vielen Sekten und Sektchen in Frankreich eine revolutionäre Arbeiterpartei, auf dem Boden des Klassenkampfes stehend, mit einem bestimmten kommunistischen Programm sich organisiren. Gerade weil ihr Programm bestimmt ist und keine Zweideutigkeiten duldet, ist ihr Marsch ein lang­famerer als es der der Bewegung der sechziger Jahre war, aber er ist ein sicherer.

In Deutschland ist die Sozialdemokratie seit mehr als drei Jahren durch ein infames Ausnahmegesetz unterdrückt; Recht und Gesetz eristiren nicht für sie. Trotzdem aber sehen wir sie heute noch ebenso gefürchtet wie vor dem Ausnahme­gesetz; ihre Organisation ist ungebrochen, ihre Lebenskraft und Kampffähigkeit nicht geschwächt, sie, die unterdrückte Partei, zwingt die Gegner immer wieder, sich mit ihr zu befassen und ihr so wider Willen immer neue Kräfte zuzuführen. Noch nie hat eine unterdrückte Partei das geleistet, was die deutsche Sozialdemo­tratie seit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes und ins besondere im letzten Wahlkampfe geleistet hat; noch nie ist ein verbotenes Organ unter so schwierigen Umständen in so großer Anzahl und so regelmäßig verbreitet worden als das Organ der deutschen Sozialdemokratie, trop dem kolossalen Elend, in welchem ihre Anhänger leben!

Dieses glänzende Resultat ihrer propagandistischen Thätigkeit dankt die deutsche Sozialdemokratie ihrem Programm und ihrer Organisation. Ihr Programm schüßt sie vor jeder Vermischung mit anderen, vor jedem Aufgehen in Zwitterparteien. Ihre Organisation, die in keinen Satzungen niedergelegt ist, viel­mehr allen Gesetzen trott, ist das Pflichtgefühl, die Disziplin, der Geist der Solidarität, der von Anbeginn an in der Partei gepflegt worden ist. Man hat ihn verdächtigt, ihn einen militärischen Geist genannt, lassen wir uns dadurch nicht beirren. Wenn die Disziplin in unserer Partei militärisch ist, so ist sie es im besseren, im besten Sinne, denn sie beruht nicht auf sklavischer Unterwürfigkeit, sondern auf freier, selbstbewußter Ueberzeugung. Die deutschen Sozialisten lassen sich so wenig als die Sozia listen irgend eines Landes von ihren Führern leithammeln, aber ste lassen ihre selbstgewählten Führern nicht im Stich!

Von diesem Geiste beseelt, und von der Richtigkeit ihrer Grundsätze durchdrungen sind die deutschen Sozialisten allen Ereignissen gewachsen, werden sie allen Verfolgungen trotzen.

Der soziale Druck lastet schwer auf dem deutschen Volke, seine Abgaben werden von Jahr zu Jahr erhöht, die Löhne sinken beständig. Wer es vermag, wandert aus, die ganz Armen bleiben zurück, die soziale Ungleichheit wird dadurch noch ver­mehrt. Der allgemeine wirthschaftliche Aufschwung, auf den allgemein gehofft wurde, bleibt aus, verschiedene Industriezweige, die sich gehoben, gehen schon heute wieder zurück, die Ueberpro= duktion ist chronisch geworden.

Das sind Zustände, die mit Gewalt auf Abhilfe dringen. Mit Scheinreformen läßt kein Volt sich auf die Dauer hinhalten, am allerwenigsten ein zur Erkenntniß seiner Klassenlage gelangter Arbeiterstand.

Wenn aber das deutsche Volk endlich seine Geduld verliert, und mit dem Rufe

Wir haben lang genug geharrt,

Man hat uns lang genug genarrt sich zum Gefecht stellt, mit seinen Bedrängern Abrechnung zu halten, dann, seid dessen gewiß, Ihr, die Ihr es heute verspottet ob seiner Langmuth, dann wird es nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Erinnern wird es sich der Märztage, erinnern wird es sich der Pariser Kommune , deren Schicksal ihr drohend vorschweben wird, und ganze Arbeit! wird seine Parole sein. Ganze Arbeit! beim Ausrotten der Niebertracht, ganze Arbeit! bei Bekämpfung des Aberglaubens, ganze Arbeit bei Beseitigung der Ausbeutung!

Ganze Arbeit! Das wollen wir uns geloben am Jahres­tag des Straßenkampfes in Berlin und der Kommune von Paris !

Aus der Rede des Abgeordneten Kayser

über

den liberalen Haftpflicht- Geseh- Entwurf. Gehalten am 19. Januar 1882.

( Nach dem amtlichen stenographischen Bericht.) ( Schluß.)

Meine Herren, ich stehe natürlich auf dem Standpunkt, daß der Industrieunternehmer für allen Schaden in seinem Industriebetrieb aufzukommen hat. So gut wie er die Verantwortung für sein Betriebs- und Anlagekapital trägt, wie er jeden Schaden an der Maschine aus seinem Unternehmungsvermögen voll decken muß, so muß er auch den Arbeiter, den er in seinem Unternehmen beschäftigt, der ihm ja nur hilft als Element der Produktionskosten, allein aus seinem Vermögen entschädigen, und die Vorlage erleichtert ihm ja die Sache schon, so daß er nur bis 50 Prozent resp. 662, Prozent aufzu­tommen hat.

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Ich würde mich ja für den Staatszuschuß erklären, und meine Partei und ein Theil der äußersten Rechten hat schon in der vorigen Session, um den Arbeiter von der Prämienzahlung zu befreien, dafür wenn wir im Reich eine selbständige Steuer hätten, und ich gestimmt, erkenne das mit dem Herrn Abgeordneten von Starzynski vollkommen an, daß es ein Uebel ist, daß heute große Kreise diese Last nicht mit­tragen, die eigentlich sie zu tragen verpflichtet sind. Mir ist bekannt, daß sehr viele Leute, nachdem sie aus dem Geschäft Hunderttausende und Millionen gezogen haben, sich vom Geschäft zurückziehen, die Gegend ganz verlassen und als Rentiers leben. Warum sollen diese nicht mit an den Lasten betheiligt werden? Warum sollen die Menge Bankiers, die aus der Vermittelung des Geldverkehrs, der Produktion leben, nicht mit­belastet werden? Allein wir haben im Reich keine selbstständige Steuer, vielmehr eine Steuerform, die vorzugsweise den Aermeren belastet, und aus dem Grunde würde der Staatszuschuß, im Rahmen des heutigen Steuersystem 8, vorzüglich die ärmere Bevöl­ferung belasten, obwohl ich sagen muß, daß sich der Herr Abgeordnete Dr. Lasker doch täuscht, wenn er glaubt, daß bei einem solchen Staats­zuschuß für einen Stand die anderen Stände bezahlen. Wenn wir uns den Entwurf ansehen und alle die Kategorien, welche in den Ent­wurf hineingezogen worden, zählen, so muß man sich sagen, daß schließ­lich zwei Drittel des Volkes es sind, die unter diesem Entwurf stehen. Meine Herren, es ist dann aber von dem Herrn Abgeordneten Lasker gestern noch gesagt worden, er sei gegen den vorjährigen Entwurf gewesen, weil er ihm zu sozialistisch gewesen sei; der Entwurf sei deshalb wie vorliegend von der liberalen Partei ergänzt worden, um das Monopol der Versicherungsanstalt zu beseitigen. Er hat es als Nothwendigkeit der Kulturentwicklung bezeichnet, daß man zum Individualismus gelange, damit zur Selbstständigkeit und Freiheit komme, und dann sei es aus. Ich muß sagen, daß ich diese historische Auffassung für nicht ganz zu­

treffend erachte; ich bin überzeugt, daß aus den früheren Privilegien naturnothwendig der Individualismus hat erwachsen müssen, daß sich aber auf dem Grunde des liberalen Individualismus ein System ausgebildet hat des Eigennutzes und der Geldherrschaft; und so sind aus diesem System die Uebel entstanden, welche heute die große Masse des Volks besonders drücken. Von Selbstständigkeit und Freiheit darf auf liberaler Seite gar nicht die Rede sein. Die Massen des Volks sind abhängig geworden von der individualistisch sich darstellenden Geldma cht. Aus dem Individualismus, so liegt die historische Entwickelung, muß sich der Sozialismus weiter entwickeln, denn er enthält erst gemeinsame Freiheit und gemein­samen Lebensgenuß.

Meine Herren, ich muß mich aber dann auch noch gegen den Herrn Abgeordneten Dr. Buhl wenden, der gestern von Arbeitern behauptet hat, daß es zu einem großen Theil an den Arbeitern selbst liege, daß es ihre Nachlässigkeit sei, wenn sie in den Fabriken verunglücken oder sich verstümmeln. Meine Herren, wer je diesen Kreiſen nahe gestanden, weiß erstens, daß, wenn man lange bei einer Arbeit ist, man mit der Gefahr vertraut wird; er weiß ferner, daß der Arbeisverdienst davon abhängt, daß nicht eine zu große Aengstlichkeit seitens der Arbeiter beobachtet wird; er weiß weiter, daß der Arbeiter von dem Fabrikherrn oder dessen Stellvertreter schief angesehen werden würde, wenn er sich nicht mit der Gefahr vertraut zeigte. Ich habe es niemals bemerken können, daß eine absichtliche Nachlässigkeit die Hauptursache der vielen Unglücksfälle ge­wesen wäre. Fragen Sie nur bei den Aerzten, die der Sache nahe stehen, bei den Kassenärzten an, dann werden Sie stets hören, daß schließ­lich im Laufe der Zeit eine Menge von Umständen eintreten, welche oft die Unglücksfälle herbeiführen, aber nirgends läßt sich behaupten, daß vorzüglich die Nachlässigkeit der Arbeiter Unglücksfälle herbeigeführt hat. Aus diesem Grunde ist auch die Anschauung, welche die Fortschritts­partei im Gegensatz zu den Nationalliberalen vertrat, daß der Begriff des groben Verschuldens nicht in den Gesetzentwurf gehöre, vollkommen gerechtfertigt. Bringen Sie erst das grobe Verschulden in den Entwurf, dann ist jede Möglichkeit, daß der Unfalltommiffar noch einen Ausgleich herstellt, aufgehoben, dann wird in jedem Falle ein Prozeß entstehen. Denn wer soll entscheiden, ob nur ein Unglücksfall vorliegt oder ein grobes Verschulden des Arbeiters. Aber wir müssen wiederholt Ver­wahrung dagegen einlegen, nämlich gegen die Tendenz, die sich jetzt wiederholt öffentlich gezeigt hat, den Arbeitern gegenüber zu behaupten, als ob sie mit einer gewissen absichtlichen Nachlässigkeit diese Unglücks­fälle herbeiführen. Außerhalb dieses Hauses ist sogar von sogenannten Arbeiterfreunden" behauptet worden, daß die Arbeiter absichtlich sich selbst verstümmeln. Wo sind diese Fälle vorgekommen? Einzelne Ver­stöße fann man nicht der ganzen Klaffe anrechnen; solche Verstöße kommen in allen Klassen vor, ohne daß man behaupten dürfte, der ganzen Klasse sei dieselbe Schlechtigkeit zuzutrauen. Der Arbeiter, der weiter nichts hat, wie seine Arbeitskraft, der auf Grund dieser Arbeitskraft seine ganze Lebensexistenz findet, wird niemals ab­fichtlich grobe Nachlässigkeit entwickeln oder sich absichtlich verstümmeln.

Meine Herren, was nun unsere Stellung zu dem Entwurf an­geht, so würden wir denselben, wenn er wirklich Geſetzentwurf wäre, und wenn wir nicht, ich wiederhole es, die Empfindung hätten, daß er nur eine Demonstration der liberalen Partei gegen den vorjährigen Regierungsentwurf sein soll, annehmen und zwar annehmen, weil er den Vortheil enthält, daß er neue Kategorien hereinbringt, daß in jedem Fall Entschädigung gezahlt wird, daß der Arheitgeber allein die Prämie trägt. Doch das steht fest, was gestern auch schon liberalerseits ausgedrückt worden ist, daß der Arbeiter sich selbst mit einem Entwurf, der noch mehr Verbesserungen enthielte, der Gesetzgebung gegenüber noch immer nicht für befriedigt halten könnte.

Meine Herren, das müssen wir an dieser Stelle aussprechen, daß die ganze jetzige Gesetzgebung in Bezug auf die Wahrnehmung des Arbeiter­wohls doch die Tendenz hat, sich immer nur dann des Menschen an­zunehmen, wenn er bereits elend und unglücklich gewors den ist, nicht aber die Tendenz hat, die wir für wichtiger halten, über­haupt zu verhüten, daß die große Menge unglücklich und elend werden kann. Es hat der Herr Abgeordnete Dr. Lasker uns gestern ganz richtig gesagt, die Arbeiter werden später noch andere Forderungen erheben, und mit Recht; denn mit dem Essen kommt der Appetit.

( Heiterkeit.)

Meine Herren, weiter ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Lasker behauptet worden, wir, ich und meine Freunde, gerirten uns hier ganz besonders als Arbeitervertreter, als Vertreter einer Klasse von Bürgern; er und seine Freunde seien Vertreter des ganzen Volkes. Das steht ja auch in der Verfassung, ist jedoch nur eine Fiftion, wie es derartiger Fiktionen viele in der Verfassung gibt. Aber das steht fest, daß gewisse Interessen stark werden, und daß auf Grund dieser Interessen sich bestimmte politische Parteien bilden, und daß, wenn man auch nicht das rechte Bewußtsein davon hat, man doch bei einer bestimmten fozialpolitischen Stellung auch ganz bestimmte Interessen wahr­nimmt. Daß sich davon auch die liberale Partei nicht fernhalten kann, das, glaube ich, hat uns die vergangene Gesetzgebung bewiesen. Ich brauchte nur einzelne Gesetze anzuführen, aber ich brauche gar nicht da­rauf zu verweisen. Es genügt, wenn ich der Haltung des Herrn Lasker und seiner Freunde nach rechts hin gegenüber den politischen Beschränkungen der Arbeiter erwähne; denn damit ist bewiesen, daß er und seine Freunde sich nicht als Vertreter des ganzen Volkes fühlen können.

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( Oho! links.)

Eine Partei, die in Preußen das Klassenwahl­system aufrecht erhält, die bei der Gemeindevertre tung nur den Besit in die Gemeindevertretung hineinbringt und die Anträge auf Einführung des allgemeinen Wahlrechts abgelehnt hat, eine solche Partei hat kein Recht, uns gegenüber zu behaupten, sie vertrete das ganze Volk. ( Oho! links).

Eine solche Partei vertritt meinethalben in Preußen die erste und zweite Abtheilung; die dritte Abtheilung, die Menge, hat sie niedergedrückt, sozusagen ausgeschlossen. Diese Thatsachen mußte ich an­führen, weil sich die Liberalen uns gegenüber als Vertreter des ganzen Volks hingestellt haben.

Meine Herren, ich sage also zum Schluß, daß wir gegenüber dieser Art von Gesetzgebung uns freuen, wenn Rücksicht auf das Interesse der Arbeiter genommmen wird; wenn man wenigstens den äußersten Noth­ständen der Arbeiter abzuhelfen sucht; und wenn das vorhandene Schlimme nur weniger schlimm gemacht wird, sind wir gern bereit, mitzuhelfen. Daß wir uns dabei nicht befriedigen können, habe ich schon ausgeführt, weil wir auf dem Standpunkt stehen, daß wir keine Gnade wollen, sondern Recht, und kein Almosen wollen, sondern vollen Anspruch auf den Lebensgenuß erheben im Namen der Arbeiter; dann erst wird Befriedigung unter den Arbeitern eintreten können. ( Zuruf links.)

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Der Abgeordnete Lasker ruft mir zu, ob ich auch ein Arbeiter bin. Darauf kommt es nicht an. Ich bin von Arbeitern gewählt, im Gegensatz zu den Freunden des Herrn Lasker und was daran hängt. Ich stehe den Arbeiterkreisen nahe, lebe und strebe mit ihnen, und wenn der Abgeord nete Laster sich besonders aufführt als Vertreter der bürgerlichen Klasse und der bürgerlichen Freiheit, so habe ich in Bezug darauf auch nie nach seinem Beruf gefragt und gefragt, ob er ein so echter und rechter Bürger sei. Das ist einmal von dem Reichskanzler gegenüber dem Ab­geordneten Lasker geschehen, und er hat sich außerordentlich dagegen gewehrt. Es kommt darauf an, auf Grund welcher Interessen man gewählt ist, welche Interessen zu vertreten man versprochen hat und welchen Kreisen man nahe steht. Sie vertreten nicht alle Klassen, ich berweise auf das preußische Wahlrecht, Sie vertreten die erste und zweite Abtheilung

Präsident: Ich bitte bei der Sache zu bleiben. Abgeordneter Kayser( Freiberg ): Ich habe auf den Zuruf des Herrn Abgeordneten Dr. Lasker geglaubt antworten zu müssen. Präsident: Ich bitte, nicht darauf zu autworten. Abgeordneter Kayser( Freiberg ): Meine Herren, ich kann also nur damit schließen, daß ich sage: es freut uns, wenn von der Regierung

und der liberalen Seite solche Gesezentwürfe eingebracht werden, und wir werden jedem Gesetz, mag es kommen von der rechten oder linken Seite, wenn es uns gut erscheint, zustimmen. Wir halten uns aber noch nicht am Ende und glauben, daß wir noch weitere Forderungen aufzustellen haben für die wahre Befreiung der Arbeitermassen, die eben, ich wiederhole es, nicht im tonservativen Privi­legium, nicht im liberalen Individualismus, son. dern im Sozialismus liegt.

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 15. März 1882.

Faule Ausflucht. Der Sturm der Entrüftung den die be­absichtigten Lohnfäße für die Monopolarbeiter in den Kreisen der Arbeiter­schaft aller Branchen erregt hat, wird jetzt durch die elende Ausrede zu beschwichtigen versucht, das seien ja nur Durchschnittslöhne; für Berlin und die übrigen großen Städte sei ein viel höherer Lohnjay in Aussicht genommen.

Nicht hinzugefügt wird aber, daß der Zuschlag für Berlin 2c. von den Löhnen für die kleinern Orte in Abzug kommt, diese somit noch weit unter die berühmten 1 Mark 60 Pfennig sinken würden, und daß die Lebens. mittel in den kleinern Ortschaften oft viel theurer sind als in den großen Städten.

Bezeichnend ist auch, daß die Diener, die ja gewöhnlich noch allerhand Nebeneinnahmen haben( Trinkgelder und dergleichen!), durch­schnittlich 1050 Mark Gehalt bekommen sollen. Zwar an und für sich auch nicht zu viel, aber doch gerade das Doppelte als die Arbeiter. Allerdings müssen die Diener das Kazbuckeln aus dem ff verstehen!

- Ein allerliebstes Geständniß plaudert der königlich­preußische Staatssozialist in seiner Wonne über das Tabakmonopol aus. An demselben freut ihn nämlich ganz besonders:

Die Eingliederung einer Menge kleiner Staatsstellen( die fast eben so gut als kleine Pensionen bezeichnet werden können) in den Staats­organismus."

Fürwahr, deutlicher kann man den Pferdefuß schon nicht mehr präsentiren! Pöstchen für ausgediente Unteroffiziere, für bewährte" Staatsdiener, insbesondere leistungsfähige Zwanziggroschenjungens", Korruptionsmittel für fäufliche Subjekte, wenn der Reptilienfonds nicht mehr vorhält, und so weiter, und so weiter.

Welche erhebende Aussicht für die Arbeiter, welche so glücklich sein werden, in dem Staatsbetrieb Aufnahme zu finden, dort von den Auf­sehern in dem berühmten Drillungston angeschaupt zu werden. Es wird eine wahre Wonne sein.

Unbegreiflich, daß sie sich nicht zur Gesinnungshöhe eines August Hörig haben aufschwingen können, der im Bismard'schen Tabaks monopol bereits den leibhaftigen Sozialismus erblickt. Es ist doch gut, wenn man gehörige Augengläser trägt!

"

Sie sind entrüstet", die nicht auf Bismarck schwörenden Mitglieder der preußischen Volkswirthschaft. Entrüstet ob der Komödie, die man mit ihnen spielt, entrüftet ob der jämmerlichen Rolle, die man sie spielen läßt. Erst am Tage vor der Berathung des Tabakmonopols sind ihnen die Erläuterungen zu demselben zugegangen, und anstatt, wie sie sich eingebildet hatten, sachverständige Rathgeber der preußischen Regierung zu sein, haben sie sich vom Schwaben Mayr wie Schulkinder zurechtweisen lassen, die Staffage für die wohldressirte Majorität abgeben müssen. Das ist in der That zum Erbarmen, noch erbärmlicher aber ist es, daß die Herren eine so unwürdige" Rolle ruhig weiter spielen.

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Verunglüdte Mohrenwäsche. Der chriftlich ger manische Fabrikant Emil Wicke, der in Lodz deutsche Arbeiter hatte knuten lassen, weil sie sich nicht willenlos schinden lassen wollten ( vergl. Nr. 7 des Sozialdemokrat"), hat vor einigen Wochen in deut­schen Zeitungen eine Berichtigung" erscheinen lassen, in welcher er sich als den reinen Unschuldsengel hinzustellen suchte, der trotz der Bosheit und Nichtsnutigkeit der Arbeiter, diesen in jeder Weise beigestanden habe. Leider ist dieser Versuch böse verunglückt, denn die Arbeiter haben die Behauptungen des ehrenwerthen Patrons sofort Wort für Wort schlagend widerlegt. Besonders charakteristisch für die Ausbeutergrund­sätze des Herrn Wicke ist der Vorwurf, daß die Arbeiter nicht sofort nach ihrer Ankunft in Lodz an die Arbeit gegangen seien, sondern sich erst einen Tag lang die Stadt besehen hätten. Bei der Erzählung dieses scheußlichen Verbrechens vergißt nämlich der fromme Mann hinzuzufügen, daß die betr. Arbeiter nach einer 27 stündigen Fahrt im Eisenbahn­wagen vierter Klasse, Nachts 12 12 Uhr in Lodz eingetroffen waren und deshalb am nächsten Tage nicht sofort an die Arbeit gehen

fonnten.

So eine echte Kapitalistenseele kümmert sich indeß um solche Gründe nicht, der Arbeiter ist dazu da, sich ausbeuten zu lassen, und jede Stunde, die derselbe nicht ausgebeutet wird, stiehlt er dem Fabrikanten und ver­dient die Knute.

Was sich die Kapitalsbestien da erlauben, wo sie ungehindert schalten und walten können, dafür legt ein neuerdings eingetroffener Brief eines in Lodz in einer anderen deutschen Fabrik thätigen Arbeiters Zeugniß ab. Es heißt darin:

Die Verhältnisse werden hier immer schlechter, so auch in unserer Fabrik, wo sämmtliche Deutsche so schlechte Seide auf ihren Stühlen haben, daß wir bei 33, pet. Zusatz kaum unser Leben fristen können. Dazu erhielten wir am heutigen Tage eine Bekanntmachung von unserem Herrn Robert Heußer folgenden Inhalts: Wer von jetzt an noch einmal Streit in der Fabrik anfängt, wird aus der Fabrik weggeführt und erhält knutenhiebe."

Wir werden uns den Namen dieser Kanaille merken! Die Arbeiter aber mögen sich hüten, Verlockungen nach Rußland Glauben zu schenken!

Hundewettrennen ist ein schöner und lustiger Sport, noch viel luftiger aber ist ein großes Hundewett we deln. Die Fortschritts­führer in Gumbinnen , wo bisher noch alljährlich die Erinnerung an die Märztage gefeiert wurde, werden in diesem Jahre, um der Ver­läumdung", daß sie nicht königstreu seien, entgegenzutreten, ein besonderes Wettwedeln pardon Wettfestessen mit den offiziellen Festfressern der Regierungs- und sonstigen Räthe und Unräthe veranstalten, so daß die ehrfame Kreisstadt das erbauliche Bergnügen genießen wird, Vergleiche über die Geschicklichkeit beim Schwingen des Wedels anzustellen.

In der That, sie haben es herrlich weit gebracht, die Fortschrittshelden! 1848 blieben sie ehrfurchtsvoll beim Throne stehen und freuten sich, daß der König über Nacht plötzlich liberal" geworden, heute sind sie glücklich dahin gekommen, sich vor dem König, der ihnen die Hundepeitsche um die Ohren schlägt, platt auf den Bauch zu legen. Das ist die nothwendige Folge jener kraftlosen Opportunitätspolitik, deren ganze Weisheit darin besteht, angeblich die Gegner, thatsächlich aber sich selbst, die eigene Partei und die große Masse des Volkes zu täuschen.

Wegen Majestätsbeleidigung wurde in Breslau der Maler Heil zu neun Monaten Gefängniß verurtheilt, weil er in einer konservativ- antisemitischen Versammlung nicht in das Hoch auf den Kaifer eingestimmt hatte. Die deutschen " Helden stürzten fich sofort muthig auf den einzelnen Mann, prügelten ihn zum Saale hinaus und denunzirten ihn echtdeutsch! hinterher, daß er auch ,, ehrverletzende Aeußerungen" gegen den Kaiser verübt habe.