Obwohl nun der Gerichtshof dieſer letzteren Denunziation keinen Werth beimaß, da ihr die Aussagen von gewichtigen Entlastungs­zeugen entgegenstanden, so verurtheilte er Heil dennoch, weil derselbe bei Ausbringung des Hochs auf den Kaiser in demonstrativer Weise siengeblieben, den Kopf nach hinten geftredt und den Rauch der Zigarre in die Höhe geblasen und eine abwehrende Handbewegung gemacht habe, sich dadurch der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht und dieserhalb mit neun Monaten Gefängniß zu be strafen sei.

Hunde!

Ueber den Schuft Beck schreibt uns ein Berliner   Genosse, daß derselbe seit mindestens einem halben Jahr schon der Polizei regel­mäßige Berichte geliefert hat und vielleicht heute nicht erkannt sein würde, wenn er nicht durch die Ungeschicklichkeit eines höher gestellten offiziellen Collegen verrathen worden wäre. Wir müssen uns mit diesen Andeutungen begnügen, da wir natürlich kein Interesse haben, Herrn Madai die Möglich­keit zu geben, daß er sich eines unfähigen Beamten entledige, der uns noch Dienste leisten kann. Der entlarvte Spitzel Beck hat sich Reisegeld nach Amerika   erbeten, weil er in Berlin   nicht sicher zu sein glaubt. Nun die Amerikanischen Genossen, in deren Mitte er sicherer zu sein glaubt, werden sich des in sie gesetzten Vertrauens gewiß würdig zeigen. Wir glauben übrigens nicht, daß der Bursche nach den Vereinigten Staaten   geht, bitten daher unsere Berliner   Genossen, ihn fest im Auge zu behalten und uns über Aufenthalt und Ziel desselben bei Zeiten zu informiren.

-

Wie kommt Saul unter die Propheten? Wie ist die Union   zu solchem Reichthum, zu solch großartiger Verwerthung der in ihrem Grund und Boden verborgen liegenden Schätze gelangt? Nicht zum Geringsten durch ihre freisinnigen Institutionen, welche der Betriebsamkeit freien Spielraum ließen."

-

Also zu lesen im Staatssozialist" Nr. 10 dieses Jahres. Was sich Herr Dr. Alberts wohl gedacht haben muß, als er diesen Artikel ausschnitt! Die freifinnigen Institutionen der nordamerikanischen   Union  bestehen ja doch wohl darin, daß sie entsetzlich!- kein stehendes Heer, und auch- quel horreur! kein Königthum von Gottes Gnaden haben! Nachbarin, Eure Schnapspulle!

-

-

Gegen das Tabatsmonopol haben an verschiedenen Orten große Arbeiterversammlungen stattgefunden, in denen auch unsere Genossen zum Wort kamen und sich selbstverständlich energisch gegen die Bismarckischen Gelüfte aussprachen. Da die Tageszeitungen über diese Versammlungen bereits referirt haben, und uns Originalberichte nicht zugegangen find, so halten wir es für überflüssig, auf Einzelheiten noch einzugehen. Es ist weder unser Beruf, noch haben wir Luft dazu, noch einmal wiederzutauen, was bereits in der Volkszeitung"," Frankfurter Zeitung  " 2c. geftanden hat.

"

Dies zur Notiz für alle diejenigen, welche es angeht.

Herr Nathan Ganz, der als ganz gemeiner Gauner ent­larvte Anarchist", marschirt jetzt durch die gesammte Presse als Führer der deutschen Sozialdemokratie. Wir haben keine Lust, unsere Partei mit diesem Hallunken, vor dem wir von Anfang an gewarnt, identifiziren zu lassen und konstatiren daher, daß der Bursche von jeher zu den heftigsten Feinden unserer Partei gehört hat.

"

Bei dieser Gelegenheit sei der sozialrevolutionären ,, Gruppe" in Zürich  auf ihre summarische Aufforderung" erwidert, daß solange die Die b8­moral, welche Herr Ganz und seine Freunde bis in die neueste Zeit hinein in der Freiheit" unerwidert predigen durften, nicht ganz energisch des avouirt wird, wir uns nicht veranlaßt sehen können, noch besondere Beweise dafür zu liefern, daß diese Diebsmoral auch befolgt wird. Die charakterlosen Subjekte, welche sich von uns und unsern Freunden Unterstützung erschlichen haben, indem sie ohne daß man es von ihnen verlangt hätte, feierlich ihre Zu­gehörigkeit zur sozialrevolutionären Partei in Abrede stellten, haben nur dem Artikel des Dr. Ganz entsprechend gehandelt. Also nur keine Zwei­deutigkeit. Entweder oder!

Einstweilen aber wiederholen wir unsere Warnung vor den sozial­revolutionären" Bettelbrüdern auf's Eindringlichste!

Oesterreich. In Brünn   findet an Ostern ein mährisch­schlesischer Arbeitertag statt. Die Einladung geht von Genosse Eduard Zacharias   in Brünn  , Lazarethgasse Nro. 3, aus. Auf der Tagesordnung stehen: 1) Die Forderungen der Arbeiter, 2) Grün­dung von Arbeiterbildungs- und Fachvereinen und allgemeine Kranken­tassen, 3) die Presse der verschiedenen Parteien, 4) die achtjährige Schul­pflicht und 5) freie Anträge.

Wir wünschen den Proletariern, die dort zusammentreten werden, um ihre Interessen zu berathen, besten Erfolg.

Der Streit in Nürsch an ist beendigt; die Arbeiter haben sich lei­der von dem geriebenen Herrn Taafe mit allerhand Versprechungen abfüttern lassen. Die Energischeren unter ihnen, welche dem Schwindel nicht trauten und ihre Brüder zurückhalten wollten, auf denselben hin­einzufallen, sind zu mehrtägigen Gefängnißstrafen verurtheilt worden.

Die Erzreaktionäre im österreichischen   Reichsrath haben einen Antrag auf Erweiterung des Wahlrechtes auf die sogenannten Fünfguldenmänner in den Städten, d. h. auf alle Diejenigen, welche jährlich fünf Gulden direkte Staatssteuern ohne Zuschläge bezahlen, eingebracht. Diese Wahl­reform würde somit lediglich die ihren Aspirationen nach reaktionären Kleingewerbtreibenden in den Kreis der Wahlberechtigten ziehen. Kein Wunder, daß die Liberalen nur sehr ungern auf die Sache eingehen, und doch müssen sie, da die Klerikalen die Majorität auf ihrer Seite haben, gute Miene zum bösen Spiel machen.

Für die Arbeiter hat diese Wahlreform" die Bedeutung, daß sie eine Klasse, welche bisher wenigstens politisch mit ihnen gegen die bevor­rechteten Klassen Front machte, vollständig von ihnen trennt und in den Kreis der letzteren einführt. Dadurch wird ihnen der Kampf unzweifel­haft noch schwerer gemacht werden, prinzipiell kann er dagegen nur ge­winnen. Die intelligenteren Elemente der Kleingewerbtreibenden werden doch bald dahinter kommen, daß in der heutigen Gesellschaft es Rettung für sie nicht gibt, und von der Ehre, zu den Privilegirten zu gehören, wird. Niemand satt.

"

Aus dem Paradiese der Trinkgeldbeamten berichtet man uns folgende Praxis der vereinigten Polizei-, Zoll- und Postdiebs­gesellschaft: Vor einigen Wochen wurde in Rumburg  ( Deutschböhmen) ein Sozialist beerdigt, wobei die Parteigenossen von nah und fern sich zahlreich betheiligten und viele Kranzspenden am Grabe niederlegten. Die Behörden des Ortes schienen wenig erbaut über diesen Vorgang, den sie trotz ihrer Allmacht" nicht verhindern konnten, ohne das Uebel" ,, ärger" zu machen, und deshalb arrangirten sie ein solennes Brief­plündern dergestalt, daß schon am Tage nach der Beerdigung der Bruder des Verstorbenen zur Entgegennahme einer zollpflich tigen Postsendung" aufs Hauptzollamt beschieden wurde. Da derselbe keinerlei staatsgefährliche Sendungen zu fürchten hatte, verfügte er sich an Ort und Stelle, wo es sich heraus­stellte, daß die Spürhunde einen einfachen Brief ,, aufgetrieben" hatten, welcher an einer deutsch  - schweizerischen Grenz­station aufgegeben war und von dem Bruder des Adressaten, der in der benachbarten Schweiz   arbeitet, in Deutschland   aufgegeben wurde, um Porto   zu sparen. Der Zollpflichtige" wurde geöffnet und ent­hielt, zum großen Verdruß der k. t. Schnapphähne, einen schlichten Familienbrief. Das besondere Merkmal seiner 3oll.

"

pflichtigkeit war also der Briefpoststempel und die Adresse eines Sozialisten. Sie sehen, unsere ,, Abruzzianer" brauchen keine offizielle Briefsperre für die Rothen, dazu haben wir hier das objektive Ver­fahren" der 3ollrevision auf Auslandsbriefe. Die Beamten Trinkgeldspolitt in Desterreich weiß sich mit der Heiligkeit des Briefgeheimnisses höchst gesetzlich abzufinden. Aus Deutsch­ land   kommende Briefe, besonders wenn sie an kleine Leute" gehen, sind natürlich an sich schon zollverdächtig" und deshalb liegt auch die Praxis nahe, die wenige Tage später mehrere Sozialdemokraten" unter Briefkouvert den blutlechzenden Zolljägern in den Rachen trieb. Unsere Zollämter find thatsächlich nichts anderes, als gutbediente schwarze Kabinette" zur Brief­erbrechung, wonach zu achten ist. Daß die dummen Crivosch­janer den Segen unserer auserlesenen" Staatseinrichtung und ditto Staatsdiener nicht begreifen, liegt jedenfalls nur daran, daß sie nicht lesen und keinen Brief schreiben können.

-

"

Amerika  . Der Staatsanwalt Porter hatte sich in seinem Plaidoyer gegen Guiteau zu der Aeußerung bemüßigt gefunden, daß hoffentlich die Zeit nicht mehr fern sei, in welcher alle christlichen Regie­rungen eine internationale Vereinbarung treffen, um, wie er sich aus. drückte, politischen Mördern kein Plätzchen mehr auf der Erde zu ge­währen.

Unsere Genossen in Cincinnati   haben am 20. Februar gegen diesen, für einen Bürger der nordamerikanischen Freistaaten unwürdigen Ausspruch in einer sehr gut besuchten Massenversammlung Protest ein­gelegt. Genosse Ehmann sprach in englischer, Emil Hoffmann, C. Schuhmann und Andere in deutscher Sprache. Einstimmig wurde ein energisch gehaltener Protest angenommen, in welchem es u. A. heißt: ,, Wollen wir politischen Flüchtlingen das Asylrecht verweigern, so müssen wir Verträge eingehen mit antirepublikanischen Regierungen. Man gebente aber vorher der unglücklichen Menschen, welche durch den Macht­spruch eines russischen Zaren in den Bergwerken Sibiriens   schmachten, nur deshalb, weil sie es wagen, das zu wollen, was uns lieb und theuer die Republik  , man gedenke der braven Männer, die der deutsche  Kaiser Wilhelm   nach der 48er Revolution erschießen ließ, nur deshalb, weil sie dasselbe thaten, was die Gründer unserer Republik gegen Eng­land vollzogen, man gedenke der unglücklichen Menschen, welche der Usur­pator Napoleon   der Dritte nach Cayenne   deportiren ließ, weil sie es wagten, die Republik   zu wollen, man gedenke des heimtückischen Planes Napoleons   des Dritten, die Republik   Mexiko   zu stürzen, und uns einen Kaiser als Nachbar einsetzen zu wollen!

ift

-

Sollen wir, um das Leben solcher Scheusale zu schützen, uns zum Henker der Freiheit anderer Völker herabwürdigen?! Ist ein Mensch, der aus den reinsten Motiven seine Mitmenschen von einem solch' politi­schen Scheusal befreit, als ein Mörder zu betrachten? Dann hat Schiller im Wilhelm Tell   einen Mörder besungen! Dann ist es nicht wahr, daß Tyrannenmacht eine Grenze hat. Sollen wir es übernehmen, einen Patrioten seinem Henker auszuliefern und so unsere Republik  , die durch die Hingabe und Aufopferung eben solcher Männer von dem Fluch eines Despoten befreit wurde, zum Jagdgrunde für unmenschliche Ungeheuer herabwürdigen?"

,, Sei es deshalb beschlossen, daß wir jeden Versuch, das Asylrecht für politische Flüchtlinge zu verkürzen, als anti- republikanisch verdammen. Beschlossen, daß, wo es dem Volke bei grausamer Strafe verboten ist, seine Meinung zu äußern, oder sich auf gesetzlichem Wege gegen die An­maßungen seiner Tyrannen zu schützen, es kein anderes Mittel gibt, als die Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen."

"

Genosse Ed. Hoffmann in Cincinnati  ( Ohio  ) hat bei K. Schumann, daselbst, eine interessante Studie Ein Beitrag zur Lösung der Arbeiterfrage" erscheinen lassen, deren Reinertrag zur Unterstützung der in Deutschland   gemaßregelten Genossen bestimmt ist. Diese Broschüre, deren Verfasser in der Vorrede betont, daß er fein Gelehrter", sondern ein Arbeiter( Schlosser) ist, ist nicht etwa einer jener quacksalber­haften ,, Beiträge", wie sie in Deutschland   sich jetzt Schockweise in der Presse und Literatur breitmachen, und welche weniger die Arbeiterfrage zu lösen als hinauszuschieben geeignet sind, sie ist vielmehr ein sehr acht­barer Beitrag zum Verständniß der Arbeiterfrage. Der Verfasser kommt am Ende seiner Erörterungen zu folgendem Schluße:

Die kapitalistische Produktion muß erst gegenstandslos werden, d. h. muß ihren Zweck, den Zweck der Ausbeutung, nicht mehr erreichen kön­nen, ehe sie ganz beseitigt werden kann. Durch die planmäßige Abkür­zung der Arbeitszeit wird dies erreicht und werden zunächst alle nöthigen Vorbedingungen zur genossenschaftlichen Produktion geschaffen."

Korrespondenzen.

Barmen, 10. März. Gestern Abend ist hier der Staat wiederum gerettet worden. Frau Guilleaume- Schack hielt ihren bereits in Nr. 9 erwähnten Vortrag über die Prostitution auch im hiesigen evangelischen Vereinshause, dem gewöhnlichen Versammlungsorte unserer braven Mucker. Das Publikum gehörte vorwiegend den mittleren und unteren Ständen an, die Hautevolee glänzte durch ihre Abwesenheit, wie sehr natürlich, denn die Herren sind nicht gerne an ihre Sünden erinnert! Unter die fromme Heerde hatten sich indeß auch einige räudige Schafe eingeschlichen. Da Frau Guilleaume als ihrer Weisheit letzten Schluß scharfe Straf­paragraphen verlangt hatte, erhob sich sofort bei Eröffnung der Diskussion der anwesende Genosse Oppenheimer und führte aus, daß die Pro­stitution nur ein Theil der Krankheit sei, die am Körper der Gesellschaft nagt. Diesem Uebel könne durch Strafparagraphen nicht gesteuert werden; der beste Beweis dafür sei, daß die§§ 180 und 181 des Strafgesetz­buches, welche diesen Gegenstand behandeln, sich durchaus wirkungslos erwiesen, ja nur zu einem Zustande polizeilicher und juristischer Willkür geführt hätten.

Schon bei Beginn von Oppenheimer's Rede ließ der anwesende Polizeiinspektor Voigt( der sich von Salomo   dadurch unterscheidet, daß er den Beinamen der Weise" nicht verdient) Spuren größter Verlegen­heit bemerken. Er konnte im frommen Vereinshause der Gräfin Schack gegenüber doch nicht wohl das Sozialistengesetz anwenden, und doch war er außer sich darüber, daß Oppenheimer, dem er soeben noch eine Ver­sammlung über das Tabakmonopol verboten hatte, nun hier zum Worte tam. Endlich verfiel sein zermartertes Gehirn auf einen Ausweg. Er er­klärte, es sei nur ein Vortrag polizeilich angemeldet, also könne er eine Diskussion nicht gestatten. Allseits verwunderte Gesichter! Und die Geschichte war am Ende.

Bei der letzten Flugblattvertheilung( f. Nr. 8) war nur ein Mann, ein Schriftsezer Namens Hülle, verhaftet worden, nicht mehrere, wie es zuerst irrthümlich hieß. Hülle wurde nach einigen Tagen auf Beschwerde wieder auf freien Fuß gesetzt. Sein fortschrittlicher Brod­herr, der Verleger und Redakteur des hiesigen offiziellen Fortschrittsorgans, erklärte echt fortschrittlich, ihn nicht mehr beschäftigen zu wollen. Neuerdings ist H. auf Anordnung des Oberlandesgerichtes Köln wieder in Unter­suchungshaft genommen worden. Er soll mit aller Gewalt das böse Flugblatt nicht nur verbreitet, sondern auch verfaßt haben, eine geradezu lächerliche Annahme, die indessen unseren Gerechtigkeits" pflegern genügt, einen Familienvater in's Gefängniß zu werfen! Klassenjustiz, die alte Geschichte, die ewig neu bleibt!

"

Ueber Arbeiterversicherung" oder Tabaksmonopol" darf hier sozia­listischerseits laut Beschluß der Hochlöblichen nicht gesprochen werden von wegen Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung." So zu lesen in den Polizeibeschlüssen, wonach zwei von Genosse Oppenheimer angemeldete Versammlungen auf Grund des bekannten§ 9 verboten wurden. Ein schönes Stück von Staat, das so leicht in Gefähr geräth! Daß die Verbote, für deren Bekanntwerden gesorgt wurde, dem heutigen Bolizeistaate neue Sympathien erworben haben, glaubt selbst der dimmste hiesige Polizist schwerlich.

Gegen Oppenheimer schweben zur Zeit nicht weniger als drei Prozesse, darunter die große Seeschlange wegen Theilnahme am Wydener Kongreß, die sich nun seit Jahr und Tag im Stadium der Schwanger­schaft, d. h. der Voruntersuchung, befindet und bereits einen riesigen Aftenbündel zur Welt gefördert hat. Außerdem noch eine ziemlich unbe­deutende Affäre in Iserlohn   aus Anlaß der dortigen Ersatzwahl. Unsere Jnanspruchnahme der Redefreiheit wird nämlich polizeilicherseits als grober Unfug" bezeichnet. Ferner ist neuerdings eine Klage einge­leitet wegen eines Wirthshausgespräches vom 14. Oktober v. J., in welchem Oppenheimer das Manipuliren der Polizei kennzeichnete. In den Aften wird mit einer Schamlosigkeit sonder Gleichen zugegeben, daß ein in Zivil gekleideter Polizist im Gange gehorcht und sich Notizen gemacht habe, welcher Umstand indeß O. seinerzeit bekannt war. Falls es zu einer förmlichen Verhandlung kommt, wird dafür gesorgt werden, daß auf das Treiben der politischen Polizei reiches Licht geworfen wird, was freilich unsere total versumpften Spießbürger wenig aufzurütteln vermag. Bemerkt sei, daß D. zum ersten Verhör zum Polizeikommissar vorgeladen wurde, dort aber kurz und bündig nach Anhörung der Polizeirapportes erklärte, nur dem Richter im Verhöre Rede zu stehen, was dem Polizisten etwas ungewohntes war.

U. Minden i. Westph., 20. Februar. In unserem Orte ist der Krach eingezogen und mit einer Wucht, die uns sehr schwer trifft, denn hier ist außer der Zigarrenfabrikation weiter keine Fabrik als eine große Klempnerei, wo 80 Mann beschäftigt werden und die zum 26. Februar ihre Arbeit niederlegen müssen, wegen Bankrott des Geschäfts. Dann haben wir hier noch die Schneiderei, was bisher das Beste war. Auch diese ist bankrott, wodurch die besten Kräfte schwer leiden müssen. All dieses hat die Verhältnisse hier so schlecht gemacht und zerrüttet, wie kaum wo anders. Dürft mir's glauben, daß ich mich auf Erfahrung und genaue Prüfung dieses Zustandes stüße und ohne je den Pessimismus urtheile. Wollte ich in die genaue Darlegung aller Einzelheiten eintreten, so würde man sich wundern, unter welch' unerhörten Zuständen wir unsren unbeugsamen Widerstand hier fortseßen. Wir senden heute auch Etwas für unsere russischen Brüder zum rothen Kreuz". Sist nicht groß, aber Alles, was möglich ist unter diesen Um ständen. Außerdem wollen wir nicht zurückbleiben mit unsren sonstigen Verpflichtungen. Was wir über unser Abonnementgeld fürs 1. Quartal und für Schriften senden, das sollt Ihr für unsere Sache verwenden, wo es am Nöthigsten ist. Ich sende diesmal das Geld mit einem dicken Fragezeigen. Nach der Deutung fragt' mich nicht!" Jawohl, wenn wir nun einmal Noth und Elend schleppen müssen, so soll's erst recht für unsere Sache sein. Unterkriegen soll uns die Beutel. schneidergesellschaft nicht!

-

"

"

W

Löbtau bei Dresden  . Am 27. Januar d. J. hatten wir am hiesigen Orte eine Gemeinderathswahl, bei welcher Gelegenheit die Liste der Sozialdemokraten mit nahezu doppelter Stimmenzahl über die der Gegner siegte. Der Kampf war ein äußerst heftiger; Gewerbeverein, Ortsverein, Militär- und diverse Gesangvereine, d. h. die Leiter" derselben, alle reichten sich brüderlich die Hand, um die ver­ruchten Sozialdemokraten aus dem Felde zu schlagen. Besonders der Leithammel des Ortsvereins, Handelsgärtner Richter, eine echte Zünd­nadelschnauze, gab sich alle erdenkliche Mühe, uns den Sieg zu entreißen. Von Haus zu Haus gehend, dabei auf uns schimpfend, vertheilte er die Listen; im Löbtauer Anzeiger" erließ er ein Lamento, in welchem die Thätigkeit unserer zeitherigen Vertreter einer abfälligen Kritik unterzogen und denselben der Vorwurf gemacht wurde, sie hätten die Flinte in das Korn geworfen und wären davon gelaufen; daran wurde zum Ueber­fluß auch noch die Bemerkung geknüpft, die Neuaufgestellten unserer Partei würden nicht besser sein als die Davongelaufenen". Der gute Mann ahnte wohl kaum, daß er mit seinen Schimpfereien und Ver­leumdungen gerade das Gegentheil von dem erreichen würde, was er erreichen wollte. Denn daß die Herren die Rechnung ohne den Wirth, ohne eine große Anzahl von Mitgliedern der betr. Pereine gemacht hatten, geht daraus hervor, daß unsere Kandidaten viele Stimmen von der gegnerischen Liste auf sich vereinigten. Unerhört! Sozialdemokraten im Gewerbeverein, Sozialdemokraten im Orts- und Militärverein, da möchte einem ja gruselig werden! Als das Resultat verkündet und die Namen unserer Genoſſen Horn, Kretschmar, Gottschall, Kunze, Kühne und Schaarschmidt als die Gewählten verlesen wurden, da bemächtigte sich der Herren eine solche Niedergeschlagenheit, daß sie förmlich die Köpfe hängen ließen. Doch noch ein Hoffnungsschimmer leuchtete in den Augen des besagten Handels­gärtners auf: Horn ist ja nicht Sachse und steht nicht in den Wähler­listen! Hurrah! Protest, Ungiltigkeit der Wahl so friegen wir doch wenigstens Einen von unserer Liste in die Gemeindevertretung, so dachte unser Erbitterter. Als ihm aber Genosse Horn seinen Aufnahme­Akt in den sächsischen Staatsverband vor die Nase hielt, machte der Herr ein so dummes Gesicht wie der Rabe in der Fabel, dem der Fuchs den Käse abgelockt hatte.

Nachträglich hat der Herr aber doch Protest gegen die Wahl Horn's eingelegt, weil Horn wirklich nicht in der Wählerliste stand. Die Schuld hieran liegt aber an dem Gemeindebeamten Reinhardt, einem rohen, dabei pflicht- und ehrvergessenen Menschen, wie ich später noch weiter aus­führen werde. Genosse Horn hatte sich nach Ablegung des Verfassungs­eides zu dem betr. Beamten begeben, welchem die Aufstellung und Nach­tragung in die Wählerliste übertragen war, um seine( Horn's) Nach­tragung zu verlangen, wurde aber kurz abgewiesen, da es zu spät sei. Dies war am 25. Januar Vormittags. Nach der amtlichen Bekannt­machung hatte aber Jedermann, der nicht in den Wählerlisten stand, das Recht, sich noch am 25. nachtragen zu lassen. Als sich Horn bei dem Gemeindevorstande melden wollte, hieß es, derselbe sei abwesend. Trotz wiederholter Aufforderung zur Nachtragung wurde seinem Verlangen nicht Folge gegeben. Die Sache liegt nun zur Entscheidung der Amtshaupt­mannschaft vor, doch dürfte nach Lage der Sache die Giltigkeit taum an­gezweifelt werden können. Unzweifelhaft gibt dieser Fall, der ein Präjudiz schaffen wird, Gelegenheit, die Lückenhaftigkeit der revidirten Land­gemeinde Ordnung darzuthun und zu neuer Reform derselben an den Landtag die geeigneten Anträge zu stellen, da Horn jedenfalls auf einen etwaigen abschlägigen Bescheid seitens der Amtshauptmannschaft, Beschwerde bei der Kreishauptmannschaft, beziehungsweise bei dem Ministerium führen wird.

Nun zu unserem" Reinhardt. Früher hieß es einmal: Beck ist weg; heute heißt es: Reinhardt ist weg, und zwar, nachdem er namhafte Unterschlagungen von Gemeindegeldern, Betrügereien und Schwindeleien verübt hatte. Zwar hieß es, der Lump sei an die Staatsanwaltschaft eingeliefert worden, andern Gerüchten zufolge soll sich derselbe jedoch auf freiem Fuße befinden. Er ist ja kein Sozialdemokrat, wenngleich er die Gemeindegelder" getheilt" hat! Bildung und Anstand waren niemals seine guten Eigenschaften, denn wenn der Kerl die hiesigen Einwohner zu expediren hatte, da regnete es von Lumpen, Galgenvögeln, Tauchenichtse, liederliches Gesindel u. s. w. Freilich sah er sich seine Lente erst an, gegen bekanntere Sozialdemokraten wagte er es nicht, vor denen hatte er immer gewaltigen Respekt. Einer alten Wittwe hat der Galgenvogel ein Sparkassenbuch abgeschwindelt, um eine angebliche Kaution stellen zu können. Der Taugenichts gehörte auch einem Gesang­verein an und hatte es als Schwindler fertig gebracht, eine ganze Reihe seiner Gesangskollegen um namhafte Beträge, wie 50, 100 Mt. und noch mehr zu beschwindeln. Wo der Lump das Geld hingebracht hat, ist Allen ein Räthsel, da er ein jährliches Gehalt von 1200 Mark nebst andern Nebeneinkünften hatte. Hätte allerdings eine genügende Kontrole statt­gefunden, so hätte dieser Fall nicht eintreten können, jedoch Sozial­demokraten zu kontroliren, zu denunziren und zu verfolgen, dazu fühlt fich Mancher berufen, aber dafür zu sorgen, daß den Volksbetrügern auf die Diebsfinger gesehen werde, das ist diesen guten Staatsbürgern zu peinlich".

Hoffentlich wird dem Nachfolger des 2c. Reinhardt die Gelegenheit, Veruntreuungen auf Kosten des steuerzahlenden Volkes zu begehen, nicht so leicht gemacht, wie seinem Vorgänger, obwohl ich nicht im Geringsten daran zweifle, daß er ein ehrlicher und gewissenhafter Beamter sein wird, indeß: Vorsicht ist in allen Dingen gut, und diese zu üben, dazu haben haben wir alle guten Grund. Jm Uebrigen werden unsere Vertreter dafür sorgen, daß eine strenge Kontrole im Gemeindekassenwesen geführt werde.

Ein Unverbesserlicher.