Sozialpolitische Rundschau.

Zürich  , 22. März 1882. Heute, am 22. März, feiert in Deutschland   der Heldengreis", früher, und mit Recht, Kartätschenprinz genannt, seinen 85. Geburtstag. Da er es zu diesem respektablen Alter gebracht hat, so gilt der Mörder von Rastatt   dem Spießbirger als ehrwürdig", da er alle Schurkereien, die in seinem Interesse liegen, nicht selbst ausführt, sondern seine Subjekte dazu hat, so gilt er bei allen alten Weibern   bei­derlei Geschlechts für milde", und da er von den Millionen und aber Millionen, um welche der Volkssäckel alljährig zu seinen Gunsten erleich­tert wird, hin und wieder einem armen Teufel einige Mark zukom­men läßt, so sollen wir ihn auch noch für wohlthätig" halten. Wir haben von Milde und Wohlthätigkeit andere Anschauungen, und was Ehrwürdigkeit anbetrifft, so wird die nach unserer Ansicht noch nicht durch hohes Alter erworben. Wir halten es vielmehr mit Sallet:

Ihr sprecht: Man soll das Alter ehren. Doch nimmer sollt ihr mich belehren, Daß eines alten Esels Melodei Harmonischer, als die eines jungen sei."

Die Bauchrutscherei, mit welcher das Volk der Denker den Geburtstag des alten Ehrenmannes feiern wird, kündigt sich schon in der Presse in efelerregender Weise an. Wie wird da wieder von Amtswegen und um Aemter willen geheuchelt und gekrochen werden! Ueber­bieten werden sie sich von der äußersten Rechten bis zur biederen Fort­schrittspartei, und wenn die verspottete Sitte der Tibetaner, den Koth ihres Dalai Lama   als Huldigung zu verspeisen, endlich, was längst hätte geschehen sollen, in Deutschland   eingeführt wäre, dann würde der Abgang eines ganzen Jahres nicht hinreichen, um die hungrigen Mäuler der ,, deutschen   Männer" zu befriedigen.

Uebrigens ist ihr Göze wieder einmal krank und hütet das Bett; er ist nämlich am 17. März beim Besuch der Akademie gestolpert, nach­dem er vorher zu tief in's Glas geschaut hatte.

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Unsere biederen Fortschrittler haben den Jahrestag der Revolution von 1848 wieder einmal würdig begangen. Im preu­ßischen Landtag benutzte Herr Virchow den 18. März, den Tag, an welchem der Kartätschenprinz seinen romantischen Bruder aushetzte, das Volk, die Hunde", niederzuschießen, um unter lebhaftem Bei­fall seiner fortschrittlichen Freunde den Vorwurf" des Republikanismus entrüftet zurückzuweisen und ebenso entrüstet dagegen zu protestiren, daß man sie, die braven königstreuen Fortschrittler, die zu keiner Zeit das Recht des Königs zur selbständigen Führung seiner Politik bestritten" hätten, bei Sr. Majestät verleumde!

Arme, verkannte Fortschrittler, Ihr könnt uns wirklich dauern!

Die Arbeiter aber zogen hinaus in den Friedrichshain  , legten Kränze auf die Gräber der für die Freiheit des Volkes Gefallenen und erneuerten das Gelübde, festzustehen im Kampf und nicht abzulassen, bis die Volksfeinde aller Schattirungen befiegt sind, die Knechtschaft in jeder Form beseitigt ist.

Wie die Arbeiter den 18. März gefeiert haben. Der Besuch der Gräber der Berliner   Märzgefallenen war in diesem Jahre doppelt so stark als in den früheren, berichten die Berliner   Zeitun­gen. Natürlich waren es fast ausschließlich Arbeiter, welche dieses Mit­tel benützten, um gegen die Schandwirthschaft in Deutschland   zu pro­testiren.

Auch an anderen Orten Deutschlands   wurde der Jahrestag des Berliner  Straßenkampfes und der Pariser Kommune von den Genossen, natürlich je nach Umständen, gefeiert, So schreibt uns z. B. Genosse E- d. aus Barmen, den 18. März:

" Der heutige Gedenktag des Proletariats darf im Reiche der Gottes­furcht und frommen Sitte nicht gefeiert werden. Trotzdem ist er, zum großen Aerger unserer Hochlöblichen, im Wupperthale nicht spurlos vor­übergerauscht. In den auf einer Anhöhe befindlichen zur Stadt Barmen gehörigen Anlagen steht ein großes Kriegerdenkmal, ein thurmartiges, weithin sichtbares Gebäude, von dessen Zinne an patriotischen" Festen die schwarz- weiß- rothe Fahne zu flattern pflegt. Diese Stätte mord­patriotischer Begeisterung hatten böse Revolutionäre aufs Korn genommen, und heute morgen wehte an der Fahnenstange eine mächtige blutig- rothe Fahne, weithin verkündend, daß auch der Tag des geknechteten Proletariats kommen wird. Den Aerger und die Wuth der wohlweisen Polizei kann man sich vorstellen. Das Schlimmste war, daß die unsichtbaren Böse­wichter Vorkehrungen getroffen hatten, um das Herabnehmen des rothen Banners möglichst zu erschweren. Erst nach anderthalbstündiger Arbeit gelang es den Staatswächtern, mit Hilfe eines herbeigeholten Schloffers, um 1,10 Uhr die Fahne herabzuholen, natürlich auch als foftbares corpus delicti zu konfisziren. Und der Staat war wieder einmal gerettet; aber auf wie lange noch?"

Wie in Deutschland   haben auch in Oesterreich   die Arbeiter nicht unter­laffen, ihre revolutionäre Gesinnung zu bekunden. In Wien  , wo die Be­wegung allen Polizeischurkereien zum Trotz wieder lebhaften Aufschwung nimmt, sind am 13. März, dem Jahrestag der dortigen Erhebung, die Arbeiter massenhaft auf den Begräbnißplatz hinausgezogen. Am Denk­stein der Märzkämpfer wollte Genosse Joseph Krebs eine Ansprache halten, und als ihn die Polizisten daran verhinderten, rief er mit fräf­tiger Stimme: Den Männern der Freiheit ein Hoch!", in welches die Versammelten, meist Schreiner, lebhaft einstimmten. Natürlich wurde Krebs sofort verhaftet, ebenso die Genossen Karl Slonet, Franz Haust, Franz Tichy und Joseph Kowalik, welche die Arre­tirung ihres Kameraden verhindern wollten. Den Braven ein Bravo! Auch in Budapest   haben die Arbeiter an den Demonstrationen zu Ehren der gefallenen Freiheitskämpfer hervorragenden Antheil genommen. In den romanischen Ländern wird der 18. März lediglich als der Jahrestag der Pariser Kommune   gefeiert, sämmtliche Arbeiter­blätter Frankreichs  , Spaniens  , Portugals  , Italiens  , Belgiens  , sowie unser holländisches Bruderorgan ,, Recht voor Allen" widmen demselben ernste, die Bedeutung dieser Erhebung des Pro­letariats feiernde Leitartikel. Auch haben in den genannten Ländern, am zahlreichsten natürlich in Frankreich  , am 18. März Gedenkfeierlichkeiten, Banketts 2c. zu Ehren der tapferen Kommunekämpfer stattgefunden.

Nicht zurückgeblieben sind die zahlreichen deutschen   Sozialisten im Auslande. In der deutschen   Schweiz  , wo die Sprache die gleiche, feierten natürlich schweizerische und deutsche   Sozialisten gemeinsam den internationalen Gedenktag des Proletariats. Recht erhebend gestaltete sich die Feier in Zürich  . Der große Saal des alten Schützenhauses war überfüllt und hunderte von Besuchern mußten umfehren. Genosse Cou zett sprach im kräftigen schweizer Dialekt markige Worte zu seinen Landsleuten; und daß sie seine derben Ermahnungen nicht zimperlich übel nahmen, bewies der so stürmische Applaus, der dem Redner zu Theil wurde. Deutscherseits sprach Genosse Fischer über die prinzipielle Bedeutung der Märzfeier. Unter voller Würdigung der Kämpfe der Pariser Kommune  , wies er auf die Schwächen dieser Bewegung hin, welchen es gilt, für die Zukunft vorzubeugen. Genosse Tauscher brachte am Schluß des ernsten Theiles der Feier ein dreifaches Hoch auf die Gefallenen, auf die in Kerkern leidenden und auf die unter den schwierigsten Verhältnissen muthig wirkenden Kämpfer der Volkssache aus, besonders der russischen Freiheitskämpfer gedenkend, in welches die An­wesenden lebhaft einstimmten.

In Basel   hielt Genosse Kautsky   am 18. März in öffentlicher Versammlung einen Vortrag über die Bedeutung der Märztage.

In Zug hatten die dortigen Genossen auf den 18. März eine öffent­liche Versammlung einberufen, in der Genosse Bernstein   über die

Bestrebungen der Sozialdemokratie referirte. Nach Beendigung des Vor­trages und der sich an denselben anschließenden sehr interessanten De­batte hielt Bernstein   noch eine die Bedeutung des 18. März würdigende Ansprache und schloß mit einem dreifachen Hoch auf die Vorkämpfer des Proletariats. Auch in dieser Versammlung war der Geist ein vortreff­licher.

Unsere Genossen in Paris   haben selbstverständlich am Orte selbst den Jahrestag der Kommune nicht ohne eine Feier desselben vorüber­gehen lassen. Wie die Leser unter Frankreich   ersehen, war auch diese Feier eine wohlgelungene.

Wir können diesen Rundblick nicht schließen, ohne gehobenen Herzens zu konstatiren, daß ungeachtet aller Völkerverheizungen, aller Unterdrüc ungsmaßregeln nach wie vor in allen Knlturstaaten rüftig fortgearbeitet wird unter dem Banner und für das Ziel der alten, der Form nach aufgelösten, dem Wesen nach aber unerschüttert fortbestehenden Inter nationalen Arbeiter Assoziation:

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Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!

Zur Moralität der bürgerlichen Gesellschaft schreibt uns ein Genosse:

,, Mit welch' heuchlerischem Augenverdrehen wird von unseren Gegnern nicht der Vorwurf gegen die Sozialdemokratie erhoben, sie untergrabe die Sittlichkeit( Familie, Ehe 2c.). Wir haben darauf die Antwort, daß wir allerdings die Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft untergraben, daß diese Sittlichkeit aber keinen Schuß Pulver werth, sondern, bei Lichte besehen, die krasseste Unsittlichkeit ist, und daß die pathetisch- salbungsvollen Tugendprediger à la Unruh vor ihrer eigenen Thüre fegen sollen. Es fällt uns natürlich nicht ein, tausendmal Gesagtes hier zu wiederholen: wir wollen blos an einem recht augenfälligen Beispiele die Moralität unserer bürgerlichen Gesellschaft und ihrer geistigen Spitzen demonstriren. In Deutschland   und Oesterreich   besteht seit einigen Jahrzehnten eine sogenannte Künstlergesellschaft Namens Schlaraffia", der die hervor ragendsten Bühnenkünstler( auch sonstige Künstler mit und ohne Gänse­füßchen) und die Crême unserer guten Gesellschaft", die Finanz- und Geburts aristokratie, angehört. Wohlan, der Berliner   Zweigverein dieser Schlaraffia", der sich selber schon kraft seines Domizils in der Kaiser und Intelligenzstadt am Strande der Spree für den vorzüglichsten aller Zweigvereine hält, beging am 12. ds. sein Winterfest, welches vom ,, Berliner Börsen- Courier" wie folgt beschrieben wird:

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" Festoper" zu Ende war, es war das beiläufig gegen 3 Uhr früh, hatte auch das Fest seinen Höhepunkt erreicht."

Das die sicherlich nicht von einem Feinde der Schlaraffia" her­rührende Schilderung des Festes.

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Auf den ersten Blick entdeckt man unter den mehr oder weniger ge­schmackvollen Redeblumen den Abgrund ekelhaftester Gemeinheit. Der Inhalt des Künstlerfestes" und namentlich der glorreichen Festposse" läßt sich in einem einzigen Wort resumiren, im Wort Zote.

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Zoten der schmutzigsten Art geschmackvoll nur im Sinne des Hautgouts( Geschmackes der Fäulniß), und wißig mit dem Wize des Tingeltangels. Und wohlgemerkt, es ist die Blüthe unserer Bühnenkünstler, die diese Zoten arrangirt, und es ist die Blüthe unserer guten Gesellschaft, die sich daran erluftigt hat.

Pfui!

Diefelben Herren Bühnenkünstler lieben es beiläufig, sich über die Un­Sittlichkeit der französischen   Ehebruchsdramen zu entrüsten.

Uebrigens ist es nichts Neues, daß die Tugendbolde der bürgerlichen Gesellschaft dem Zotenkultus huldigen. Herr von Unruh, der Steuer­verweigerer nicht Steuerverweigernden Andenkens, welcher in seiner Polemik gegen das Bracke'sche Nieder mit den Sozialdemokraten" so eifrig auf dem Sittlichkeitssteckenpferd herumritt und die sozialdemokratische Immoralität in den untersten Schwefelpfuhl der Hölle verdammte, war seinerzeit bekanntlich der ärgfte Botenreißer im deutschen   Reichstag und preußischen Landtag, wo es sintemalen in diesen Körperschaften die würdigsten Repräsentanten der modernen deutschen   Gesellschaft versammelt find an klassischen Vertretern des Genus Zotenreißer  " wahrhaftig nicht fehlt."

Soweit unser Genosse. Wir haben dem nur noch hinzuzufügen, daß gewöhnlich auch mehrere Sprößlinge des edlen Geschlechts der Hohen­ zollern  , vulgo Königliche Hoheiten genannt, das Winterfest der Schlaraffia mit ihrer hohen" Anwesenheit zu beehren pflegen. Kurz, es sind die Edelsten und Besten der Nation, die sich da im Dreck wälzen. Und das schimpft auf die rohe, unfittliche Masse!

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Wo's hinaus läuft. Wir haben bereits in unserer vorvorigen Nummer darauf hingewiesen, daß die neue Unfallversicherungs- und Krankenkassenvorlage lediglich auf eine Mehrbelastung der Krankenkassen, und, da zu diesen die Arbeiter zwei Drittel zusteuern sollen, somit der Arbeiter hinausläuft. Neuerdings hat die Norddeutsche Allgemeine" durch Veröffentlichung einer vom Verein deutscher Eisen- und Stahl­industriellen" angestellten Unfallstatistik selbst den schlagendsten Beweis für die Richtigkeit unserer Behauptung geliefert.

Nach dieser Statistik betrugen sämmtliche Unfälle, welche eine Erwerbs­unfähigkeit herbeigeführt haben:

in 154 Hüttenwerken

,, 198 Maschinenbau- Anstalten in 352 Werken

1878 1879 1880 7,700 7,974 9,313 2,348 2,231 3,227

10,048 10,205 12,540

Oder in Prozentzahlen, d. h. auf je 100 Arbeiter kamen Unfälle:

in 154 Hüttenwerken

1878 1879 1880

10,4 10,6 11,2

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198 Maschinenbau  - Anstalten

6,0 5,6 7,3

in 352 Werken

8,9 8,9 9,9

Das sind horrende Zahlen, und man sollte nach ihnen annehmen, daß die Unfallversicherung wirklich ein Segen für die Arbeiter sein müßte. Sehen wir uns aber die Sache etwas näher an:

Die Erwerbsunfähigkeit der durch Unfälle verletzten Arbeiter dauerte nämlich bis zu:

in 154 Hüttenwerken

"

198 Maschinenbau- Anstalten in 352 Werken

in 154 Hüttenwerken

"

198 Maschinenbau- Anstalten. in 352 Werfen

in 154 Hüttenwerfen

"

198 Maschinenbau- Anstalten in 352 Werken

in 154 Hüttenwerken.

"

198 Maschinenbau- Anstalten

in 352 Werken

in 154 Hüttenwerken.

,, Gegen 10 Uhr eröffnete der Festherold, der sich in seinem bürgerlichen Leben Herr Michaels nennt und ein geschätztes Mitglied des königlichen Opernhauses ist, hoch zu Roß die Sigung mit einer kurzen Ansprache, der sich ein von Sr. Herrlichkeit Ludwig von Franken"( alias Herr Cretin­ger) gesprochener Prolog anschloß. Der Prolog, in hübschen Reimen ver­faßt, fand die beifälligste Aufnahme, lehrte aber schon jetzt, wie weise es war, das schönere Geschlecht mit großer Strenge auszuschließen. Des offiziellen Programmes erster Theil eröffnete nun, und zwar unter den Auspizien des ebenso umsichtigen und energischen wie liebenswürdigen ,, Erboberschlaraffen", Herrn Hofschauspielers Dehnice, mit mancherlei interessanten und ergötzlichen Produktionen, die inmitten des freigehaltenen Saales von renommirten Spezialitäten ausgeführt und von dem dicht­gedrängten Kranze der Zuschauer mit stürmischen ,, Lulu"-Rufen( Bravos) applaudirt wurden: Evolutionen mit dem Bicycle, Stating- Exerzitien, pseudo- equestrischen Divertissements, Hunde- Dressuren und dergleichen. Daran reihte sich der trefflich arrangirte und höchst imposante Festzug, an der Spitze der Erboberschlaraffe und die anderen hohen Würdenträger zu Pferde, dahinter die Ritter und Knappen mit den Insignien, und als Mittelpunkt des Ganzen auf antikem Triumphatorgefährt die ,, Göttin der Schlaraffia", eine holde Frauengestalt in blüthenweißem Schleppenkleide und mit goldigem Lockenhaar, nach rechts und links verführerische Blicke sendend und von Niemand anders dargestellt als von einem männlichen Mitglied des Hofballets. Der Umzug, der unter Absingung des erhabenen Schlaraffen Festgesanges" vor sich ging, erntete verdientermaßen begeisterte Lulus". Nunmehr ging's, um den dienenden Geistern Zeit und Raum zur Aufstellung der Festtafeln zu lassen, in den Tunnel, wo Ueberraschun­gen der verschiedensten Art, humoristische Zeichnungen, dressirte Flöhe und Augenblicks- Photographien der Besucher harrten und dafür Sorge trugen, daß den letzteren die Zwischenpause nicht lang wurde. Als dann die Tafeln hergerichtet waren, begab man sich nach oben zurück und die von Vielen mit Sehnsucht erwartete Atung" begann. Eine längere Bause trat nun ein, die der Aufführung des glorreichen Festspiels gewid­met war. ,, Carmen  ", Sittengemälde mit Gesang in 4 Akten, betitelte sich das einzige Opus, und den Ritter Telterel" hatte es zum Verfasser, unter welchem Pseudonym sich kein anderer als Meister Wilken verbarg. Der Vorhang der im sinnreichen Rahmen einer alten Burg gehaltenen Bühne ging nicht in die Höhe- nein hinunter und doch halt! hier beginnt die Verlegenheit des Chronisten. Sollen wir den In­halt der tollen Parodie skizziren? Unmöglich. Von den zwerchfellerschüt­ternden Scherz- und Witworten sprechen? Unmöglich. Etwas von der haarsträubenden Situationsfomit erzählen? Unmöglich, impossible abso­lument. Aber warum denn dieses? wird man fragen. Nun, verehrter Leser, wir wollen es Ihnen sagen, und auch Sie neugierige Leserin, wir wollen es Ihnen in's kleine Ohr flüstern, aber leise, ganz leise, und bitten, daß Sie nicht allzusehr erröthen: die Wilken'sche Festoper" war nur für Herren" geschrieben, konnte nur vor einem exclusiven, in über­müthigster Scherzlanne befindlichen Herrenpublikum zur Aufführung ge­langen und verträgt das Tageslicht der Journalbesprechung schlechterdings nicht. Aber um doch Einiges zu verrathen, um der Wißbegierde des Lesers, sogut es eben angeht, zu genügen und unser Referenten- Gewissen zu beschwichtigen: Wilken's" Carmen  " ist eine aus der romantik- umwobe­nen Sphäre der Großen Oper" in die Sprache des verschwiegenen Hinterstübchens einer Stammkneipe übertragene Posse, die sich in einem berlinerischen Madrid   abspielt und in das Leben, insbesondere das Nacht­leben der viveurs" beiderlei Geschlechts mit allerkühnsten Händen greift. Aus dem Lieutenant Zuniga in der Oper Bizet's   ist ein Obernacht­wächter" geworden, die beiden Sergeanten haben eine Metamorphose in reform! Unternachtwächter erfahren, und das Zigeunermädchenhilf, heiliger Himmel ist eine Dame, die die Bezeichnung des Stückes als eines Sittengemäldes" damit begründet, daß sie eine gewisse Abtheilung des Madrider   Moltenmarktes" frequentirt. Wenn wir noch hinzufügen, daß der Obernachtwächter meistentheils in einem Kostüme agirt, dessen Haupt­bestandtheile ein Paar caleçons( Unterhosen) und ein Gewand bildet, von dem es in dem Sprichworte heißt, daß es näher sei als der Rock, und wenn wir weiter bemerken, daß eine Kategorie von Aerzten, deren Annoncen eine honnete Frau zu übergehen pflegt, in dem Stücke eine hervorragende Rolle spielen, so glauben wir dem Leser eine kleine Vorstellung von des Ritters Telterel Festoper " Carmen  " beigebracht zu haben, und er wird nicht verlangen, weiter zu schauen, was wir gnädig mit Nacht und Grauen bedecken wollen. Das Stück war furchtbar schön; es wäre ungenießbar und unerträglich gewesen, wenn Herr Wilken nicht verstanden hätte, durch eine Ueberfülle von Witz, Humor und liebenswürdiger Gemüthlichkeit alle sittenrichterlichen Bedenken zu verscheuchen und, im Vereine mit der urgelungenen Darstellung, die Zuschauer zu fast nicht enden wollendem Gelächter, in welches einzustim­men auch der Referent sonst wahrlich kein Verehrer der Equivoque ( Zweideutigkeiten) unwiderstehlich sich gezwungen sah. Unnöthig zu sagen, daß der Verfasser, der zugleich einer der Hauptdarsteller war, so­wie die übrigen Mitwirkenden, unter denen sich besonders Herr Seidel ( Carmen) und Herr Guthery vom Friedrich- Wilhelmstädtischen Theater ( General Skobelew ja auch dieser Bramarbas war eingewebt) aus­zeichneten, mit schallenden ,, Lulus" förmlich überschüttet wurden, von denen einen Antheil für seine hübsche Coupletmusik auch der Chordirektor des Wallner- Theaters, Herr Burwig, in Anspruch nehmen darf. Als die

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198 Maschinenbau- Anstalten

1 Woche 2 Wochen 1878 1879 1880 1878 1879 1880 3040 3009 3695 2012 2150 2495 827 706 1142 524 488 752 13867| 3715| 4837| 2536| 2638| 3247 3 Wochen 4 Wochen 1878 1879 1880 1878 1879 1880 992 1054 1199 491 577 595 326 318 438 203 207 282 [ 1318| 1372 1637 694 784| 877 5 Wochen 6 Wochen 1878 1879 1880 1878 1879 1880 283 281 353 190 188 218 111 118 165 94 80 98 | 394 399 518 284 268 316 7 Wochen 8 Wochen 1878 1879 1880 1878 1879 1880 157 130 149 82 90 102 62 73 77 32 50 59 219 203 226 114 140 161 10 Wochen

9 Wochen

und darüber

1878 1879 1880 1878 1879 1880

66

64 71 338 348 356 34 36 48 119 139 140

in 352 Werken| 100 100 119 457 487 496 Das heißt, es waren bereits erledigt: Nach Verlauf von 2 Wochen 64,5%

4

"

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84,5%

6

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"

"

9

"

"

"

"

91,2% jämmtlicher Unfälle 95,2%

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Nun soll bekanntlich die Karrenzzeit für die Unfallversicherung gar 13 Wochen betragen, infolgedessen selbst nach der Norddeutschen" abgesehen von den Todesfällen höchstens 3%, sage drei Prozent der hier in Frage kommenden Unfälle auf die Unfallversicherung fommen, 97% aber den Krankenkassen zur Last fallen würden!

Und das nennt man arbeiterfreundliche Sozial­

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Er fennt seine Pappenheimer! Auf die Proteste, welche in Bremen   in zwei großen Versammlungen gegen das Tabaks­monopol beschlossen worden sind, antwortet die Bismarckische Nord­deutsche Allgemeine" mit fühlem Hohn:

Der Protest, der von Bremen   aus gegen das Tabaksmonopol veranstaltet worden ist, wird von einem Theil der Presse natürlich aus­zubeuten gesucht. Man weiß, wie ebensolche Proteste vor Jahr und Tag auch von Hamburg   aus gegen den Zollanschluß in allen fortschrittlichen Blättern ausgerufen worden. Jetzt hat sich Hamburg   bekanntlich so sehr ausgeföhnt, daß selbst der fortschrittliche Reichstagsabgeordnete Hamburgs  im Reichstag für die Bewilligung des Reichsbeitrages zur Ausführung des Anschlusses eintrat. So möchten auch für den Wohlstand Bremens  nach der etwaigen Annahme des Monopols Mittel und Wege gefunden werden, die bisherige Höhe zu behaupten, vielleicht noch zu steigern." Dieser Hieb hat die stolzen Patrizier Bremens  , die sich aus Furcht vor dem Monopol schon herabgelassen hatten, mit den Arbeitern und ttt Sozialisten gemeinsam zu tagen, gewaltig verschnupft, aber selbst die sittlichste Entrüstung hilft ihnen nichts, mit dem tugendhaften Valentin müssen sie vor der bösen Norddeutschen die Segel streichen:

Wollt' ich sie auch zusammenschmeißen, Könnt' ich sie doch nicht Lügner heißen! Ja, auch die stolzen Hamburger Herren waren anfangs mit den Ar­beitern gemeinsam gegen die Bismarckischen Anschlußgelüfte vorgegangen, als aber die Sache anfing schief zu gehen, da verriethen sie die Arbeiter doppelt an Bismarc. Und ihre Bremer   Standesgenossen sollten anders handeln? Das von ihnen zu erwarten, wäre mehr wie unbillig. Ein paar sanfte oder unsanfte Pressionen, und die Bürger der freien