einsehen, daß die Regierung bei dieser Bewegung die Hand im Spiele hat, und daß unter diesen Hetzen die Unglücklichsten und Unschuldigsten

das jüdische Arbeiterproletariat am meisten leiden würden. Daß die russische Regierung die direkte und indirekte Anstisterin dieser Mör­dereien war, dafür gibt es Beweise mehr als genug. Es ist Thatsache, daß die Behörden überall die zerstörenden und wüthenden Massen ge­währen ließen, und daß die Bitten der Juden una Schutz und Hilfe von Seiten der Behörden mit Hohn und Schimpf beantwortet wurden. Und das Verhalten der unteren Behörden wurde offenbar von der höheren und höchsten ausdrücklich bestimmt und angeordnet. Die infame Henker­bande, die jetzt in Petersburg regiert, unterscheidet sich von ihren Vor­gängern durch einen fanatischen und bornirten Haß gegen alles Nichtrussische und durch den Charakter der sogenannten schlauen Intriguenpolitik, oder richtiger: feigen, lügenhaften und impotenten Politik des Versteckens und des Hinterhaltes. Die Situation, die die jetzige Regierung bei ihrem Antritt vor einem Jahre im Lande vorfand, war eine dermaßen ver­zweifelte, die Aufregung in ganz Rußland durch die Hinrichtung Alexander des Zweiten eine derart mächtige, daß man nach einem Ausgang aus einer solchen Situation trachten mußte. Ignatieff, der orientalische Mephisto, fand auch die richtige Lösung. Er ließ die Volkswuth an den Juden austoben und suchte damit mehrere Zwecke auf einmal zu erreichen. Das Volk werde seinen Grimm, seine gerechte Erbitterung wegen seiner jämmerlichen ökonomischen und moralischen Lage gegen die Juden allein auslassen und die nicht jüdischen Blutsauger, den Zaren und die Beamten, dabei aus dem Auge verlieren, seine Aufmerksamkeit werde dadurch von den innern Angelegenheiten abgelenkt werden. In zweiter Linie sollten die Behörden die Unruhen bis zu einem gewissen Grade sich entwickeln lassen, ja sie sogar provoziren und hinterher die eifrigsten und unberufenen" Rädelsführer der Massen abfassen, hinter Schloß und Riegel bringen und zuletzt in den Kerkern und Bergwerken Sibiriens verkommen lassen. Die Juden haben also die Sündenböcke abgeben müssen für all' das Elend, welches unter der jetzigen Regierung und den heutigen Zuständen auf dem russischen Proletariat lastet. Und vor Allem waren die Juden der Regierung schon darum verhaßt, weil aus ihnen ein sehr beträchtliches Kontingent von aktiven Revolutionären und oppositionellen Parteigängern in allen Schichten und Kreisen des russischen Volkes gestellt wird. Das Letztere ist von russischen hohen Beamten mehrmals ganz offen und laut verkündet worden.

Man muß Ignatieff diesmal das Zeugniß geben, daß ihm sein Plan gelungen ist. Für Judenhetzen wird es immer Boden geben, solange die heutige Produktionsweise existirt und die Juden in gleichem Maße mit den anderen Nationen sich an dem Treiben der kapitalistischen Gesellschaft betheiligen, umsomehr aber in den Ländern, wo die Massen in Unmün­digkeit und Elend gehalten werden, wo die natürlichen Rechte jedes Menschen noch nicht zur Geltung gelangen und die arbeitenden Klassen weder ihre wahre Lage noch ihre wahren Interessen begreifen. So hat sich denn das gesammte russische Volt mit geringen Ausnahmen von der schlau angelegten Provokation Ignatieff's leithammeln lassen. Die Juden­trawalle verbreiteten sich mit rasender Schnelligkeit und wachsender Wuth. An vielen Orten kam es sogar zu Reibereien zwischen Behörde und Massen, die allerdings ein für die Regierung höchst verhängnißvolles Schwinden aller Autorität offenbarten. Die Prozesse, die den Theilneh­mern an den Gewaltthätigkeiten gemacht wurden, wurden in ein gewisses Dunkel gehüllt und man wußte oft nicht, wer und weßwegen bestraft wurde. Das eine Mal wurden die Anstifter und Betheiligten an den Krawallen mit ausnehmender Milde behandelt, das andere Mal mit aus­gesuchter Strenge; die Beweise gegen die Angeklagten waren meistens sehr schwankend und schwach. Kurzum, man hat offenbar die wirklich Schuldigen laufen lassen und nur die unbewußten Werkzeuge auserlesen und sie mit barbarischen Strafen belegt.

Zugleich beutete die Regierung die gegen die Juden herrschende Stim­mung dazu aus, eine Reihe von Maßregeln zur erneuten Bedrückung derselben durchzusetzen. Alles, was die russische Barbarei an Beschrän fungen, Rechtsverletzungen und Zwang erdenken konnte, wurde auf die Häupter der ohnehin schon von den grandiosen Verfolgungen dezimirten Juden abgeschüttet, und diese Maßregeln finden nur in dem deutschen Sozialistengesetz ihres Gleichen. Die Stellung der Juden sowie überhaupt aller Andersgläubigen in Rußland war und ist eine rechtlose; der Andersgläubige ist ein Paria in dem russischen Sklavenstaate. Die neuesten Beschlüsse der in Petersburg tagenden, von dem Zaren eingesetzten Kom­mission zur Erörterung der Judenfrage lauten nun dahin, daß 1) den Juden allerorts die Fabrikation und der Ausschauk von Spirituosen gänzlich verboten werden. 2) Aus den Dörfern und kleinen Landstädten sollen alle, auch nicht mit Spirituosen handelnden, Juden vertrieben wer­den. Nur diejenigen Juden sollen dort wohnen bleiben dürfen, für welche die Ortsobrigkeit die Bürgschaft übernimmt, daß ihnen kein Leid geschehen werde. 3) Das bestehende Gesetz, nach welchem kein Jude Felder und Grundeigenthum erwerben darf, soll erneuert, bekräftigt und ausgeführt werden. 4) Auch in den Städten, wo die Juden die Mehrzahl bilden, deren Magistrat bisher zu einem Drittel aus Juden und zu zwei Dritteln aus Christen bestand, die Juden aber auch diese zwei Drittel, sogar den Magistratsvorsteher, der immer ein Christ sein mußte, mitwählen konnten, sollen fortan die Juden dieses aktive Wahlrecht nicht mehr haben. 4) Den Juden, die sich am Kaspischen Mrere niederlassen und dort Feld­bau treiben wollen, soll dies gestattet sein. Gezwungen sollen sie nicht werden, auch keinerlei Unterstützung dazu erhalten.

Man kann sich allerdings nicht sehr darüber ereifern, wenn den Juden das verwerfliche und schändliche Schankgewerbe verboten wird. Mögen sich die Bourgeoisblätter aller Länder, die Pietisten Englands Allen voran( die dabei ein paar Christen unter den orthodoxen Juden fangen wollen) darüber in Entrüstung ergehen. Wir werden die Letzten sein, zu bedauern, wenn, wie die Bourgeoisblätter berichten, angeblich 300,000 Familien veranlaßt werden, sich zu produktiveren Erwerbszweigen und einer würdigeren Thätigkeit zu wenden. Es thut uns nur leid, daß diese Lektion den Juden von den Räubern an der Newa gegeben wird, die doch dabei auch nichts Anderes im Auge haben, als dieses schöne Gewerbe aus den Händen der Juden für ihre nationalen Ge­meindefresser( Mirojedi) und Parasiten zu nehmen. Aber eine Lösung der Judenfrage sind denn doch auch diese Verbote und Polizeimaßregeln nicht.

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 29. März 1882. Der Jubel über die Ablehnung des - Wie schaut's aus? Tabakmonopols durch den Volkswirthschaftsrath ist schnell verstummt vor der Thatsache, daß diese Rathgeber" der preußischen Regierung sich mit überwiegender Majorität für eine höhere Besteuerung des Tabaks aus­gesprochen. Das ist gehüpft wie gesprungen, schrieben wir in voriger Nummer, nach reiflicher Ueberlegung aber müssen wir sagen, das ist noch besser für Bismarck und schlimmer für die Arbeiter. Was will Bismard? Geld, Geld und wiederum Geld. Und da ihm nach seiner Ansicht das Monopol am meisten Geld bringt, so gibt er diesem natürlich den Vorzug. Für das Monopol aber, so viel hat er gemerkt, ist selbst der deutsche Reichstag nicht zu haben, es verletzt zu viel Interessen. Also muß der Reichstag mürbe gemacht und die Opposition gegen das Monopol gesprengt werden. Das soll durch die höhere Tabakssteuer ge­schehen. Auf jeden Fall verkauft werden dabei die Arbeiter, Kleinhändler und Kleinfabrikanten. Die Letzteren werden ruinirt, die Reihen der Ersteren infolge des geschwächten Konsum's erheblich gelichtet. So wird nach ein paar Jährchen erhöhter Tabakssteuer die Zahl der zu Entschädigenden wesentlich geringer, von den llebriggebliebenen aber wird ein Theil ge­

kauft, ein anderer läuft freiwillig über, und den Rest, die charaktervollen Arbeiter, beißen die Hunde, sie müssen die Zeche bezahlen. Der Volks­wirthschaftsrath" aber hat auf sehr unschädliche Art seine Unabhängig­teit", d. h. seine Unschädlichkeit bewiesen.

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Die Zeitungen streiten sich jetzt herum, wann Bismard nun eigentlich den Reichstag einberufen wird, und ob er ihn, falls dieser das Tabaks­monopol verwirft, auflösen wird. Die Nachwahl in Bunzlau , wo trotz Wilhelm's Botschaft die Fortschrittler, die am 27. Oktober dort noch keine einzige Stimme erhalten hatten, gleich im ersten Wahlgang gegen die Gegenparteien- deutschkonservativ, freikonservativ, sezessionistisch­liberal den Sieg davontrugen, wird den genialen Staatsmann schwerlich ermuthigt haben, einen Appell an das Volk" zu riskiren. Er fönnte arg hineinfallen, die Unzufriedenheit fißt so tief im Volke, daß alle schönen Versprechungen nicht ziehen, es wählt so oppositionell, als es nur Gelegenheit hat. Wäre unsere Partei im Bunzlauer Kreise auf­getreten, so hätten auch wir zweifelsohne eine stattliche Stimmenzahl er­halten. Darum mag der Geniale" sich entscheiden, wie er will, wir sehen dem Dinge mit Seelenruhe entgegen: er wird uns allezeit gerüstet finden.

,, Väter chen" Der Kriegslärm ist mittlerweile auch verftummt. Alexander tauscht mit seinem theuren Vetter" Wilhelm Liebesschwüre aus, da ihm das Ding mit einem Kriege doch mehr wie bedenklich vor­kam. Wir haben allen Grund, mit diesem Gang der Dinge zufrieden zu sein. Rußland kann den Frieden ebensowenig ertragen als den Krieg, in seinem Inneren gährt es immer wilder, die Ablenkung der Volks­leidenschaft auf die Juden kann naturnothwendig nur kurze Zeit vorhalten, so daß die Regierung trotz Ignatieff's Schlauheit dem Volke wird Kon­zessionen machen müssen. Und das ist für den Zaren- Absolutismus der Anfang vom Ende, ein 1789 für Rußland . Wie es in Deutschland steht, haben wir oben gezeigt. Auch hier könnte ein Krieg die revolutio­näre Entwicklung nur aufhalten. Die Auswanderung nimmt immer größere Dimensionen an, aber ebenso stark wächst die Zahl der Unzu­friedenen im Lande. Der erhoffte Industrieaufschwung ist ausgeblieben, sogar in der Berg- und Hütten- Industrie geht es schon wieder abwärts. Die Ueberproduktion ist chronisch, die Löhne stehen jämmerlich niedrig und sinken dabei ununterbrochen, Noth und Elend nehmen in entsetzlichem Maße überhand. Regierung und Parlamente aber erweisen mit jedem Tage mehr ihre totale Unfähigkeit, auf dem Boden der heutigen Gesell­schaft Abhilfe zu schaffen. So drängt auch hier Alles zur gewaltsamen Katastrophe, die wir zwar nicht machen können, die aber auch die Feinde der Volkssache mit all' ihren Intriguen nicht aufhalten werden. Wenn sie sich am sichersten wähnen, wird sie sie überraschen, uns aber, die Partei des Proletariats wird sie nicht unvorbereitet finden. In die Reihen der Volksfeinde wird sie einschlagen wie ein Blitz aus heiterem Himmel, uns aber, dem arbeitenden Volke, wird sie aufgehen, wie die langerfehnte Frühlingssonne nach dunkler Winternacht, erleuchtend, be­lebend und erwärmend. Und wie es der Osten ist, in dem die Sonne am Firmament emporsteigt, so blicken Tausende von Proletariern sehn­süchtig nach Often, den Tag erwartend, an dem es heißen wird: Seht, wie von Osten her nach West,

So hell die Flamme loht!

Run wallt, ein feuriger Protest,

Hoch unsere Fahne roth!

Die Gesetzlichkeit" der herrschenden Klassen bekundete sich neulich recht hübsch im preußischen Landtage. Der fleritale Abgeordnete Lieber tadelte die Handlungsweise eines Landrathes, eines gewissen von Runkel , und wurde dafür, obgleich das Duell durch das Straf­gesetz verboten ist, von diesem Wächter des Gesetzes zum Duell heraus­gefordert. Herr Lieber war so vernünftig, dem Landrathe einen Korb zu geben. Ob dieses seines gesetzlichen Verhaltens wurde er nun in der Landtagssitzung vom 20. d. von der Rednertribüne herab auf's Ge­meinste angegriffen. Ein Graf Limburg Stirum zieh ihn indirekt der Feigheit, und als Herr Lieber dann auf England und Belgien hin­wies, wo die Kultur und gute Sitte das Duell vollständig verdrängt habe, und sich schließlich auf die Religion und das Strafgesetzbuch stützte, da lachten die Herren von der Rechten mit ihrem bekannten Ge­wieher, das sie im Pferdeft a Il gelernt haben.

Thatsache ist: das Duell verträgt sich nicht mit dem praktischen oder unpraktischen Christenthum, das die Herren von der Rechten, d. h. die Staats- und Gesellschaftsspitzen", stets im Munde führen; und That­sache ist: es verträgt sich nicht mit dem Gesetz, als dessen Hüter par excellence die Herren von der Rechten sich aufspielen.

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Thatsache ist aber, daß diese nämlichen Herren von der Rechten trotz ihres angeblichen Christenthums und gesetzlichen Sinnes nicht blos dem Duellunfug selber huldigen, sondern auch Jeden, der ihm nicht huldigt, der Ehre verlustig erklären und in Acht und Bann th unt.

Es ist das allerdings nur ein relativ unbedeutender Punkt; aber dies fleine Beispiel zeigt recht schlagend, was von dem Christenthum und der Gesetzlichkeit unserer Staats- und Gesellschaftsspitzen zu halten ist.

- Die sozialen Kurpfuscher gleichen sich alle darin, daß jeder seine bestimmte Panacee hat, welche sämmtliche Uebel der heutigen Gesellschaft prompt und unfehlbar heilt. Der Eine glaubt, daß die Gold­währung an allem Elend schuld sei, und kurirt die ganze Noth der franken Zeit mit Doppelwährung oder Bimetallismus. Der Andere leitet die Volksverarmung, den Untergang des kleinen Hand­werkerstandes und des Kleinbauernthums aus dem Wucher her, und glaubt, das irdische Jammerthal würde sich sofort in ein himmlisches Paradies verwandeln, wenn man den Wucher gewaltsam unterdrückte, und, zur allgemeinen Aufmunterung, dann und wann ein paar Juden todt­schlüge. Wieder Andere und mit dieser Spezies wollen wir uns jetzt ein paar Minuten beschäftigen haben im Hausirhandel die Wurzel aller wirthschaftlichen und sittlichen Uebel erkannt, und schlagen als soziales Universal- Wunderheilmittel das Verbot des Hausirhandels vor. Hören wir nun einen der Herren:

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Der Haufirhandel ist die Wurzel schwerer wirthschaftlicher und sittlicher Mißstände; er saugt das Volk aus, und so lange er nicht beseitigt wird, helfen auch die Kreditgenossenschaften, die man hier und da errichten will, nicht viel. Dieser Hausirhandel muß eben einfach gesetzlich verboten werden. In früherer 3eit, wo in vielen Dörfern noch keine Fleischer oder Krämer waren, mag der Hausirhandel ein Bedürfniß gewesen sein, in einzelnen abgelegenen Ortschaften mag er es mit gewissen Lebensbedürfnissen noch sein, aber im Allgemeinen ist er kein Bedürfniß mehr, sondern das größte wirthschaftliche Verderben für unser Volk und muß des halb beseitigt werden. Wer Handel treiben will, soll sich einen Laden halten, und warten, bis die Leute zu ihm kommen, um ihre Bedürfnisse zu kaufen. Wir sind überzeugt, daß dann die Leute auf dem Lande nicht halb so viel Geld in verfehlter und gemeinschädlicher Weise ausgeben oder borgen, daß dem Wucher­thum der wirksamste Riegel vorgeschoben und der Wohlstand unseres Volkes in ungeahnter(!) Weise sich heben wird. Wenn unser Bauernstand früher wohlhabender war als jetzt, so ist der Hauptgrund der, daß ihm die Hausirer nicht so Tag sür Tag vor der Thüre lagen, wie das jetzt der Fall ist."

Genug!

Dieser schreckliche Hausirhandel! Im Allgemeinen saugt er das Bolt aus, und im Besonderen richtet er den seßhaften Krämer zu Grunde. Gäbe es keine Hausirer, so würde das Volk nicht ausgesogen, so würde der seßhafte Krämer auf einen grünen Zweig kommen. Also nieder mit dem Hausirhandel!

Der grimme Hausirerfeind denkt nicht daran, sich einmal die Frage vorzulegen, wo denn eigentlich der Reichthum hinkommt, welchen der Gottseibeiuns von Haufirer dem Volf im Allgemeinen und dem seßhaften Krämer im Besonderen aus der Tasche nimmt. Der Haufirer selbst kann

unmöglich den Reichthum behalten, denn er ist notorisch ein armer Teufel, ein halbverhungerter Schlucker. Er müßte also, aus irgend einer raffi­nirten diabolischen Berechnung, vielleicht um der Welt eine Nase zu drehen, den Raub wie einen Nibelungenhort aus Bosheit irgendwo ver­steckt haben, wo Niemand hindringen kann.

Scherz beiseite! Daß der seßhafte Krämer dem Haufirer nicht hold ist, begreifen wir sehr wohl; wir geben auch zu, daß er von ihm einigen Schaden zu erleiden hat. Aber doch nur in ganz unbedeutendem Maße. Indeß, so ist es nun einmal; das letzte Gläschen ist's, welches den schwankenden Zech bruder umwirft, und es ist die letzte Feder, welche den Rücken des überlasteten Kameels zerbricht. Der Haufirer und der Wucherer, das sind die letzten Federn, welche den Rücken des Kleinhand­werkers, Kleinhändlers, Kleinbauern, kurz des Kleinen Mannes", zer­brechen. Die Zentner, welche schon aufgepackt waren, die erdrückende Wucht der großkapitalistischen Konkurrenz das Alles zählt nicht; der arme Tropf von Hausirer, der dem schon banterotten Kleinkrämer für ein paar Groschen Kundschaft entzogen hat; der Wucherer, diese Hyäne des ökonomischen Schlachtfeldes, die das in den letzten 3ügen daliegende Opfer des Konkurrenzkampfes bis auf die Haut auszieht und ausplündert sie sind an dem Bankerott schuld und an den verderblichen Folgen des Konkurrenzkampfes. Und so gewiß sie daran schuld sind, so gewiß wird das Verbot des Haufirens und des Wuchers die kranke Gesellschaft wieder gesund machen.

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Es ist wirklich schwer, an die Aufrichtigkeit solchen Aberwizzes zu glauben. Freilich, wenn es sich um Leistungen der Dummheit handelt, namentlich auf ökonomischem Gebiete, dann.gibt es kein ,, un­möglich". Und nun gar erst, wenn sich, was meistens der Fall, zu der Dummheit der böse Wille und gleißnerische Heuchelei geſellt!

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- Der Pferdefu ß. Die arbeiterfreundlichen" Innungs­schwärmer fühlen sich ihrer Sache schon so sicher, daß sie ungenirt den Pferdefuß präsentiren, der diese Geister und ihre Bestrebungen in's rechte Licht stellt. In der Innung", redigirt vom Dr. Pole­towski, schimpft da ein ,, Arbeiter" mit den üblichen Redensarten der Spießbürger über die Trunksucht unter den Arbeitern, und der langen Rede kurzer Sinn ist der, daß der Passus der Gewerbe- Ordnung, nach welchem der Lohn des Arbeiters nicht mit Beschlag belegt werden darf, vom Uebel ist und im Interesse von Arbeiter und Handwerker" beseitigt werden muß. Vorläufig soll jeder Gläubiger das Recht haben, wenigstens 10% vom Lohn zu pfänden. Durch diese Einschränkung würde ein großer Schritt zur Besserung des Arbeiters erfolgen und wieder Ehrlich­feit und gute Sitten an Stelle der heutigen Verwilderung treten!" In der That ein Schlaumeier, dieser Arbeiter". Während heute

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der Schankwirth, der einem Trunkenbolde leiht, und so die Trunksucht befördert, kein Mittel hat, derartige Schulden einzutreiben, würde er nach diesem Vorschlage noch extra dazu ermuntert werden, durch die Aussicht, auf den Lohn Beschlag legen zu dürfen! In Wahrheit aber handelt es sich hier gar nicht um den Trunkenbold, bei dem vom Lohn gewöhnlich herzlich wenig die Rede ist, es handelt sich vielmehr darum, die tüchtigen, klassenbewußten Arbeiter in wirksamere Sklaverei zu bringen. Die Lohnbeschlagnahme soll wieder gute Sitten" einführen.

Und das Blatt, welches solche Vorschläge macht, ist antisemitisch und bekämpft angeblich die Herrschaft des Geldsacks. Eine schöne Be­kämpfung! Würdig jener christlich- germanischen Ehrenmänner, welche über den jüdischen Schwindel zetern und sich nicht scheuen, ganz ernst­haft ihren Gesinnungsgenossen zuzurufen:

Betrügst du den Juden mit' nem lahmen Schimmel,

So freuen sich alle Engel im Himmel! Und das Gesindel wundert sich, daß die Arbeiter ihm verachtungsvoll den Rücken kehren!

3ur Märzfeier. In Genf hatte der Verein Die junge Schweiz " ein Bankett zur Feier des 18. Märzes arrangirt, welches, wie der Précurseur" mittheilt, einen ausgezeichneten Verlauf nahm. Das Lokal war schon vor der angesetzten Zeit überfüllt, so daß die später Kommenden umkehren mußten. Nachdem die Bürger Mayer, Héritier und André die Bedeutung des Tages in feurigen An­sprachen hervorgehoben, erhielt unser wackerer Vorkämpfer Johann Philipp Becker das Wort. Der Anblick dieses alten Kämpfers, dieses Veteranen der Revolution, heißt es im Bericht des Précurseur", rief begeisterten und frenetischen Beifall hervor, der den Saal erdröhnen machte. Becker erklärte zunächst, daß man nicht Sozialist sein kann ohne Revolutionär zu sein, wie man nicht Revolutionär sein könne ohne Sozialist zu sein; er gibt darauf eine kurze Schilderung der Revolution des 18. März 1848 in Berlin und bedauert, daß die Revolutionäre, als sie den König zwangen, vor den Opfern des Straßenkampfes den Hut abzunehmen, ihn nicht auch zwangen, den Kopf zu lassen. Nicht Hut ab! sondern Kopf ab! hätte es heißen sollen( donnernder Beifall)." Noch sprachen mehrere Redner, darunter auch verschiedene deutsche Arbeiter, sowie Genosse B. Limanowski, welcher der Betheiligung der polnischen Revolutionäre im Kampf für die Pariser Kommune gedenkt. Die Versammlung schloß mit einem Hoch auf die sozialdemokratische universelle Republik .

- Volksparteilich demokratisches. In Heilbronn war's, und die ehrenwerthe Bürgerschaft feierte auf einem Bankett den Geburtstag des deutschen Kaisers, Wilhelm der Siegreiche genannt. Der Bankdirektor hatte als erste Notabilität" die Schweifwedelei mit dem Hoch auf den Kaiser eröffnet, der Rektor als zweite wedelte das Hoch auf den württembergischen Landesvater. Als dritter im Bunde trat ein Herr Louis Hentges auf, und wetterte mit jener sittlichen Entrüftung, die allen Bedienten so schön ansteht, gegen die bösen Men­schen los, die es wagen, mit den heutigen Zuständen in Deutschland unzufrieden zu sein. Wir heben aus der Rede dieses Bismärckers einige foftbare Perlen heraus:

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Auch die vielen Milizhelden werden stille, um nicht dem Fluche der Lächerlichkeit zu verfallen, und die stets von ihnen grau gemalte Armee nimmt wieder eine helle Farbe au."

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,, Nichts Neues unter der Sonne", sagt ein altes Sprichwort. Wenn wir das vor mehr als 3000 Jahren aus Egypten gezogene Israel in seinem damaligen Zustande betrachten, so bietet sich manche Aehnlichkeit mit uns Deutschen . Hier wie dort Sträuben und Murren, das begonnene Werk zum Austrag zu bringen, auf Seite des Volkes bei jedem scheinbaren Hindernisse, bei den Führern dagegen unsägliche Ge­duld und den Undank im steten Gefolge; die Fleischtöpfe Egyptens, das bessere Theil der vergangenen Zeiten, bleibt im Gedächtnisse, aber die Schmach der Fremdherrschaft, der Mißachtung und nationalen Niedrig­keit sind längst vergessen. Noch stehen der Kaiser und Kronprinz mit Männern wie Bismarck und Moltke und ihren Geistesverwandten an der Spitze des diplomatischen und militärischen Regiments, aber die Meisten sind in einem Alter, wo jeder Tag eine für uns sehr un­liebsame Aenderung bringen kann".

Wenn im Gegensatze jene Heißsporne, welche unserem berühmten und großen Kanzler das Leben verbittern, zeitweilig oder ganz vom Schauplatze abtreten, wird wenig Herzeleid im Volke entstehen, denn für die Geister der Streitfucht und Zwietracht gibt es leider in Deutschland noch reichlichen Ersatz."

So der Bismarcker. Und nun erhebt sich einer der Angegriffenen, der volksparteiliche Abgeordnete Härle, der auf diesem Bankett der Bourgeoisie nicht fehlen durfte, und spricht wir zitiren nach der Neckar Zeitung folgende, seine" Demokratie" ins hellste

Licht stellenden Worte:

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,, Wir haben, äußerte Redner, in letzter Zeit häufig und auch heute hier aus dem beredten Munde eines unserer wärmsten Vater­