landsfreunde(!) beklagen hören, daß die Verhandlungen des Reichstags mitunter einen allzuschroffen Ton trugen. In dieser Richtung möchte er sich erlauben, zu sagen, daß hier Manches dem Fernerstehenden in schlimmerem Lichte erscheine, als es in Wirklichkeit sei; er gebe aber gern zu, daß bei den Reichstagsverhandlungen von jeder Partei, von Rechts und Links, die verschiedenen Ansichten in durchaus offener, frei­müthiger Weise zum Ausdruck gebracht werden, und man sollte denken, daß diese Gewohnheit nicht verdiene, beklagt zu werden. Ueber den Weg, welcher für das Wohl des Volkes und unseres lieben theueren Vater­landes einzuschlagen sei und eingeschlagen werde, werde es stets ver­schiedene Meinungen geben; insbesondere bei volkswirthschaftlichen Fragen liege es nahe, daß nach der Natur der Dinge widerstreitende Ansichten zu Tage treten, was jedoch im Interesse einer gründlichen, den Gegen­stand nach allen Seiten hin beleuchtenden Berathung nur erwünscht sein tönne. Hoch über allem Streit und Hader der Parteien erhaben aber stehe die Persönlichkeit unseres ehr­würdigen greisen Kaiser sundman(!) dürfe wohlsagen, daß in seiner Verehrung keine Partei der andern den Vorrang lassen wolle. Wir verehren ihn besonders auch darum, weil wir heute in ihm den Wächter und Hüter des europäischen   Friedens erblicken; und wenn auch vielleicht die Bande der Freundschaft, die nach gewiffer Seite hin an seine Person sich knüpfen, ihre frühere Wirksamkeit allmälig nicht mehr zu bewähren scheinen, so glauben wir doch nicht, daß ihm am Abend seines thatenreichen Lebens das Schicksal noch ein­mal den Degen in die Hand drücken werde. Welches Geschick aber auch von der Vorsehung uns vorbehalten sein mag, die Einheit unseres Volkes unter unserem ruhmreichen Kaiserhause(!) wird ein fester Damm sein gegen jeden Angriff, von welcher Seite er auch kommen möge, und die deutsche Einheit, die Einheit unseres Volkes, darauf bitte ich Sie mit mir zu trinken, sie lebe Hoch!"

Und begeistert ob der Rede ihres" demokratischen" Abgeordneten stimmt die ganze national- servile Gesellschaft in das Hoch ein, Herr Hentges, der eben noch zürnende, springt auf und erklärt, unter stürmischem Jubel", daß er an den biederen deutschen   Gesinnungen des Herrn Härle nie gezweifelt. Das aber, was unser Herr Abgeordneter heute geäußert, das sei das schönste Programm, welches er je von ihm gehört habe!"" Der Schluß dieser kurzen Rede", heißt es weiter", bestehend in einem Hoch auf unsern Reichstags­abgeordneten Härle, war unter dem Jubelruf der Versammelten kaum mehr zu vernehmen."

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Kurz, Alles war ein Herz und eine Seele. Natürlich wurde noch ein Hoch auf den eisernen Kanzler ausgebracht ,,, von dem die Geschichte noch nach tausend und abertausend Jahren erzählen wird, während von den Abgeordneten, die ihm entgegengetreten, bald kein Mensch mehr reden wird." Auch in dieses Hoch stimmte ,, Demokrat" Här le ein, und warum sollte er auch nicht? Seine volksparteilichen Wähler lassen sich auch das von ihm gefallen. Es fällt ihnen gar nicht ein", schreibt uns ein Ge­noffe, ihren" Härle zur Rede zu stellen. Sie ziehen es vor, wie der Vogel Strauß, den Kopf in den Sand zu stecken; sie sind eben ihres Abgeordneten vollkommen würdig. Schade nur, daß Herr Ludwig Pfau  in Paris  , auch ein Heilbronner   und ein Freund Härle's, aber im Unter­schied von diesem ein wirklicher Demokrat, seine Rede wahrscheinlich nicht zu Gesicht bekommt. Der würde sich gewiß nicht lange befinnen, dem Renegaten die Freundschaft zu kündigen."

So unser Genosse. Wir aber empfehlen dem Moniteur der Volks­ partei  ", der biederen Frankfurter Zeitung  ", ihren fortschrittlichen Freunden gegenüber, wenn diese den Republikanismus abschwören, den Mund nicht gar zu voll zu nehmen, sondern erst einmal ihrem volks­parteilichen Genossen einen jener schönstylisirten, selbstbewußten Leit­artikel zu widmen, mit dem Motto:

Sie haben Königsmördern Ruhm verliehen, Sie haben hoch die Republik   geschrieen, Jetzt sind sie liberal, doch stets erbötig,

Den Rock zu wechseln und die Haut, wenn nöthig!

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- Er ruhe in Frieden, der Staats- Sozialist" nämlich, der selig im Herrn entschlafen ist. Er starb einen schönen Tod, denn er sinkt in dem erhebenden Bewußtsein dahin, daß seit Deutschlands   glorreichster Kaiser die Lösung sozialer Fragen im christlichen Sinne mit feierlichen Worten als den Schlußakt seiner wunderbar ge­segneten Regierung proklamirt hat und das Streben dafür der reichen Krone hohenzollerscher Traditionen als eine kostbare Perle eingefügt hat, diese Perle nie wieder aus jener Krone entfernt werden kann".

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In der That, sehr trostreich, dieses Bewußtsein notabene für den deutschen   Spießbürger. Die deutschen Arbeiter aber, roh und pietätlos wie sie sind, denken fühl: wat wir uns davor koofen für die kostbare Hohenzollernperle nämlich.

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, Ein Exempel aber wollen wir den Gelehrten des Staatssozialist" noch zu guter Letzt auf den Weg geben: Der Staatssozialist" erscheint offen im deutschen Reich, an ihm arbeiteten Männer mit, denen man Wissen und Geist nicht absprechen kann, und trotzdem muß er seien wir offen! Der an Abonnentenschwind sucht eingehen. " Sozialdemokrat" erscheint in der Schweiz  , neben sich ein Blatt mit gleicher Tendenz, seine Verbreitung ist in Deutschland   verboten, das bloße Abonnement bereits gefahrvoll für den Leser, der Preis um die Hälfte höher als der des Staatssozialist", sein Leserkreis, da die Bourgeoisie heute viel zu feige ist, ein verbotenes Blatt zu lesen, besteht lediglich aus Arbeitern, deren Lage mit jedem Tage, trotz der Kaiserlichen Botschaft, eine schlechtere wird, und trotzdem steigt das Abonnement des" Sozialdemokrat" von Woche zu Woche, und zwar derart, daß wenn der Staatssozialist" nur den dritten Theil unserer Auflage hätte, er nicht im Vertrauen auf die kostbare Perle" auszuhauchen brauchte, sondern blühen und Früchte tragen würde.

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Und nun denkt einmal darüber nach, Ihr Herren, was die Moral davon ist! Wo ist der Wille und wo die Kraft, dem Kapitalis­ mus   den Garaus zu machen?

Aus Darmstadt   wird uns geschrieben: Die Polizei­schuftereien und Niederträchtigkeiten, gepaart mit grenzenloser Dummheit, nehmen bei uns einen Charakter an, welcher geradezu an's Unglaubliche grenzt. War da am 20. März Frohme aus Bockenheim   bei uns, flugs war denunzirt, Frohme ist mit einem schwarzen Paket zu Müller, und Binkert ist auch dort. Frohme und schwarzes Paket, zwei Objekte, die zum Mindesten einen Hochver­rath involviren. Darum die ganze Polizeimannschaft, lauter Tagediebe und Taugenichtse, die als Arbeiter und Handwerker nicht den zehnten Theil soviel Eifer entwickelten, als jetzt bei der Sozialistenhezze, auf die Beine! Resultat bei ungefähr 10 Haussuchungen: 0. Kaum war die Haussuchung bei Genosse Müller vorüber, so erfolgte eine zweite, vorge­nommen von anderen Tagedieben, die das Paket bestimmt finden sollten. Resultat: 00. So war der 20. März unser, d. h. uns gewidmet von der Polizei. Die Genossen werden sich vorstellen können, welches Aufsehen eine so geführte Sozialisten- oder Polizeihazz in einem Residenzstädtchen, wo nur faule Schlemmer leben, macht. Wir sind ja so daran gewöhnt, daß wir, selbst wenn sie bei Nacht kämen, wie Genosse Geiser einmal schrieb, höchstens ärgerlich gähnten. Am 23. März war ein Vortrag an­gekündigt von Frau Guillaume- Schack( der ja im Parteiorgan schon Erwähnung geschah) über die Sittlichkeitsfrage. Das Auditorium bestand aus ungefähr 300 Männern und Frauen aus allen Kreisen. Als die Rednerin den Nachweis führte, wie die Polizei die Prostitution groß­zieht, unterstützt und pflegt, wie die Polizei den unglücklichen Opfern der Wüftlinge den Weg zur Besserung verlegt, und wie es auf die Willkür der höheren Polizeibeamten ankommt, ein einmal unter Sittenkontrole stehendes Mädchen wieder freizulassen, da verließ den überwachenden

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Revierkommissär Becht die Geduld. Wie der Storch im Salat schritt er auf die Vortragende zu und erklärte die Versammlung man höre und staune! wegen Verstoß wider die Sittlichkeit für aufgelöst!*) Welches Glück, daß die Dummheit keine Steuern zu zahlen braucht, dieser Becht käme das ganze Jahr über nicht vom Steuerbureau herunter.

Und nun etwas Internes und gleichzeitig als Warnung. Wir haben hier einen Spitel entdeckt, der den Sozialdemokrat" und die Freiheit" für die Polizei per Post bezieht. Derselbe heißt Seiffert oder Seibert, was ja wohl im Postabonnentenbuch der Expedition nach­geschlagen werden kann.**) Die Londoner Freiheits" männer dürfen sich darum auch nicht wundern, wenn sie erfahren, daß der Pseudo- Jean Fischer, welcher angeblich als Emisfär von der Schweiz   aus Deutsch­ land   bereisen sollte, hier nur dadurch verhaftet wurde, weil sie ihn an besagten Seibert wiesen. Darum vorsichtig, Ihr schon so oft gewarnten Londoner Freiheit" sunvorsichtige, damit Ihr nicht Leute ganz un­nöthig in's Gefängniß bringt; aber auch Vorsicht in unseren Reihen, damit die Polizei keine unnöthige Beute macht.

Und nun, trotz Genosse Breuel und seinen angeblichen Tausenden von Arbeitern, die hinter ihm stehen, die zeitgemäße Frage: Wann wird end­lich der Tag der Vergeltung für alle die Polizeischurkereien kommen, an dem wir nach Gebühr heimzahlen können, was jetzt an uns gesündigt wird? Trage Jeder sein Scherflein dazu bei, daß der schon morsche Bau seinem Einsturz nahegeführt werde!

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Ludwig V. von Gottes Gnaden.

Aus dem Reiche der Polizei. Jn Magdeburg ist Genosse Dworsak wegen angeblicher Majestäts- und Bismarc beleidigung verhaftet worden. Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch mittheilen, daß der in Breslau   wegen Sitzenbleibens beim Hoch auf Wilhelm zu neun Monaten verurtheilte Maler Heil ein guter Parteigenosse ist.

In Berlin   hat die Polizei wieder einmal eine Zusammenkunft von Sozialisten aufgehoben. Es ist wirklich hohe Zeit, daß an den Spitzeln, die ihr schuftiges Handwerk mit einer Schamlosigkeit sonder Gleichen betreiben, wieder einmal ein gehöriges Erempel statuirt wird!

Oesterreich. Aus dem Lande der Niedertracht er­halten wir soeben den wackeren Reichenberger ,, Arbeiterfreund". Die ersten zwei Spalten unseres Bruderorgans glänzen wiederum in der Farbe der Unschuld. Der Leitartikel hat in den Augen des K. K. Staats­retters keine Gnade gefunden, nur die Ueberschrift ist geblieben: März- Erinnerungen. Und diese Ueberschrift, der als Text auf jeder Spalte nur das eine Wort ,, Konfiszirt", und auch das noch in Klammern, folgt, spricht deutlich genug. Eine furchtbar beredte Sprache, welche unsere Genossen in Nordböhmen   sicher verstehen werden. März- Erinnerungen--- Konfiszirt! Deutlicher kann man gar nicht sprechen.

Die Erweiterung des Wahlrechts auf die Fünf guldenmänner ist im österreichischen Reichsrathe angenommen worden; ob die vereinigten Ultramontanen und Czechen sich lange dieses Sieges freuen werden, bleibt abzuwarten. In Wien   hat unter Betheiligung des demokratischen Abgeordneten Kronawetter eine Arbeiterversammlung stattgefunden, in welcher gegen die Versuche, die österreichischen Arbeiter für den Anti­semitismus zu gewinnen, protestirt und das allgemeine Wahlrecht gefordert wurde. Ein Theil der Arbeiter wollte auch hievon nichts wissen, da sie vom Parlamentarismus überhaupt nichts erwarten. So berechtigt die letztere An­sicht nun auch an sich ist, so wenig berechtigt sie zu dem Schluß, daß deshalb das allgemeine Wahlrecht zu verwerfen sei. Allgemeines Wahlrecht und Parla­mentarismus sind zwei sehr verschiedene Dinge, und es heißt die Arbeiter­bewegung, eines ihrer wichtigsten Hebel berauben, wenn man diese For­derung aus vermeintlichem Radikalismus fallen lassen zu müssen glaubt.

Tapfere Frauen. Aus dem Nürsch aner Streik erzählt der Arbeiterfreund" noch folgende Episode:

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,, Einige Frauen warfen jene Arbeiter, welche trotz des Streikes ein­gefahren waren, eines Abends, als sie aus dem Schacht kamen, wegen dieser ihrer Handlungsweise mit Erdschollen und Steinen. Diese Frauen wurden mittelst Gendarmerie und einer Militärpatrouille verhaftet und in der Gendarmerie- Kaserne untergebracht. Nach Kurzem brachten andere Frauen den Verhafteten deren kleine Kinder. Die Gendarmerie verweigerte die Uebernahme dieser Kinder, allein die Frauen machten, was man so sagt, kurzen Prozeß: legten die Kinder der Verhafteten auf die Stiege und gingen fort. Dort konnten dieselben nicht liegen bleiben, also über­gab man sie den Müttern, nahm dann mit den Verhafteten ein Protokoll auf und entließ sie. Nachträglich wurden 15 dieser Bergarbeiterfrauen zu je 48 Stunden Arrest verurtheilt; sieben Frauen wurden freigesprochen." Herzergreifend sind die Schilderungen des Arbeiterelends, welche wir in den Korrespondenzen des Arbeiterfreundes" finden. Die Lohnverhältnisse sind entsetzliche und die Art und Weise, wie die Kapitalisten unausgesetzt die Arbeiter zu schinden wissen, geradezu empörend. Mit besonderer Schamlosigkeit wird die Ausbeutung in einer Eisengießerei in Biela betrieben. Nicht genug, daß die Arbeitszeit ohnehin eine übermäßige ist, wird den Arbeitern auch noch die Mittagsstunde dadurch verkürzt, daß die Uhr, wenn es auf Zwölf geht, zurückgestellt, kurz vor Eins aber wieder nachgedreht wird. Das schlimmste aber ist die Auszahlung. Der Herr Fabrikant, Richter heißt die Kanaille, zahlt den Arbeitern nie den vollen Lohn aus, sondern behält noch einen Theil zurück, mit dem er Wucher treibt. Verheirathete Männer werden oft mit 2-3 Gulden Lohn pro Woche abgefertigt, deu Rest behält der Gauner trotz aller Bitten der verzweifelten Familienväter zurück. Und angesichts solcher Schändlichkeiten soll man noch die philo­sophische Ruhe bewahren, und nicht mit heißer Sehnsucht den Tag herbei­wünschen, an dem die Arbeiter mit starker Faust dreinschlagen und dem

wenn wir bei solchen Infamien ruhig bleiben könnten!

Die Bourgeoispresse heult natürlich ob dieser Folge der Zügellosigkeit der Arbeiter. Mit Recht hebt aber Ch. Longuet in der Justice" her­vor, wie die französischen   Arbeiter ganz im Gegensatz zu ihren englischen Brüdern noch bei jedem Streik bis in die neueste Zeit hinein eine fabelhafte Mäßigung an den Tag gelegt haben. In Eng= I and verlief früher selten ein Streit ohne Gewaltthätigkeiten, noch vor 15 Jahren lynchte in Sheffield   eine organisirte Vehme die Verräther an der Arbeitersache. Diejenigen, welche nur den phlegmatischen Bühnen­Engländer kennen, haben natürlich keine Ahnung von der angelsächsischen Leidenschaft. Erst seit die Trades- Unions eine anerkannte Macht sind, verlaufen in England die Streiks ruhiger. Und eine Macht wurden fie durch ihre Ausdauer, Energie und innere Disziplin!

In Bar le duc haben 6 Strickereifabriken ihren Arbeitern eine Lohnreduktion von ca. 20 Prozent angekündigt. Der Lohn würde von Fr. 2,10 per Tag auf Fr. 1,65 herabgehen, d. h. wenn man die zeit­weiligen Stockungen einrechnet, noch nicht Fr. 1,25 per Tag. Auf einen solchen Hungerlohn erklärten die Arbeiterinen sich nicht einlassen zu kön­nen und legten einmüthig die Arbeit nieder. Die Bevölkerung sympathi­firt mit ihnen, ob aber diese Sympathie ihnen den Sieg verschaffen wird, ist uns nach Roanne   mehr wie zweifelhaft. Die Hungerpeitsche ist mäch­tig, und die Kapitalhyänen wissen das leider zu gut. Der Streit in Noirans dauert fort.

Das Fremden geset, welches die Regierung aus Veranlassung des Falles Lawroff eingebracht hat, ist ebenso reaktionär, als das be­stehende. Nur diejenigen Flüchtlinge, welche bereits mehr als drei Jahre in Frankreich   weilen, sollen einen gewissen Schutz genießen, alle anderen bleiben vogelfrei. Wenn die Deputirtenkammer nicht ganz gehörige Aen­derungen vornimmt, so können sich die europäischen   Regierungen in's Fäustchen lachen. Die Republik   ist ihnen nicht gefährlich.

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Italien  . Eine Erzschurkerei haben Bourgeoisie und Regierung im Bunde vor einiger Zeit gegen den muthigen Revolutionär Hamilcar Cipriani begangen. Cipriani hat unter Garibaldi   für die Freiheit Italiens   und im Jahre 1870/71 für die französische Republik  , später für die Kommune von Paris   gekämpft, wo er als Adjutant Flourens' fungirte. Jm vorigen Jahre hatte die dankbare franzö­sische Republik den Mann, der 1870 für sie geblutet, von ihrem Terri­torium ausgewiesen. Cipriani ging nach Italien   zurück, wo er sofort gefangen genommen wurde. Vor mehreren Jahren hatte Cipriani als Flüchtling in Alexandrien  , als er von mehreren Individuen aus dem Hinterhalt überfallen wurde, drei derselben in der Nothwehr tödtlich verwundet, auch das wurde jetzt gegen ihn ausgespielt und das Schwurgericht von Ancona   verurtheilte den verhaßten Sozialisten wegen Mordes, wegen politischer Verschwörung und Desertion zu 25 Jahren Strafarbeit.

Ein Schrei der Entrüstung ging durch die Bevölkerung, als das Urtheil bekannt wurde, Alles strömte zum Gerichtsgebäude, und als Cipriani aus demselben herausgeführt wurde, ertönte ein tausendstimmiges " Hoch Cipriani, hoch der heldenmüthige Kampfer der Kommune!" Ohne eine vorherige Aufforderung, ohne irgend ein Signal ließ der Führer der in weiser Voraussicht aufgebotenen Truppen dieselben auf das wehr­lose Volk, auf Frauen und Kinder mit gefälltem Bajonnet losgehen. Die Schmerzensschreie der Verwundeten waren herzzerreißend, aber ohne Rücksicht hieben Polizisten und Soldateska auf die sich flüchtenden Ele­mente ein. Später wurden dann auch noch die landesüblichen Ver­haftungen vorgenommen.

Treffend stellt der Avanti" diesem infamen Verdikt das von gleicher Gesinnung zeugende der Bourgeoisgeschworenen von Padua   gegenüber, welche den ihrer Klasse angehörenden Joseph Parra aus Pisa  , der einen arbeits- und mittellosen Proletarier umgebracht hatte, freisprachen. Als der freigesprochene Mörder nach Pisa   kam, schrie die entrüstete Volksmenge: Tod den Mördern! Die Logik der Bourgeoisie sprach Parra frei und verurtheilte Cipriani, das Gefühl des Volkes ver­urtheilte Parra und sprach Cipriani frei.

Und mit dem Volke rufen auch wir: Hoch Cipriani!

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Anarchistische 8. Der Londoner   Spigelmoniteur lagert in seiner neuesten Nummer eine ganze Fluth von Schimpfworten gegen uns ab, als Antwort auf unsere Notiz gegen den sauberen Herrn Ganz und aus Wuth darüber, daß dieser Ehrenmann sein Ergaunertes nicht mit seinen Kumpanen Schneidt, Deichsel und Konsorten getheilt hat, nach Ansicht dieser Herren das einzige Verbrechen ihres ehemaligen Freundes. Hätte er mit ihnen, wie es sonst Spitzbuben zu thun pflegen, redlich getheilt, so

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,, würden wir ganz entschieden für ihn eintreten, und dem Züricher Sozialdemokrat" wollten wir dann gewiß nicht rathen, Ganz ob seines Thuns in den Koth zu zerren."

Das ist wenigstens deutlich gesprochen, und nur logisch von Leuten, die es mit ihren sozialrevolutionären" Genossen für vereinbar hielten, der Eine die Hamburger, der Andere die Berliner   Ar­beiter zu bestehlen.

Nicht jenen Schurken, wohl aber denjenigen ihrer bisherigen Anhänger, welche noch selbständig zu denken gewohnt sind, legen wir die Frage vor: Gibt es etwas Infameres, als den Versuch, die­jenige Klasse, welche noch allein in der Lage ist, die heutige durch und durch korrupte Gesellschaft zu re­generiren, das Proletariat, zu Spitbüberei und Betrug zu verleiten, die korruption der heutigen Gesellschaft in die Reihen der Vorkämpfer dieser Klasse zu tragen, Treu und Glauben in den Reihen der Arbeiter zu untergraben?!

Ding ein Ende machen! Wir müßten kein Blut in den Adern haben, Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten und Gemaßregelten nicht!

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In Klumetz a. d. E. hatte ein Fabrikant, Tritsch, bei dem der Wochenlohn 3 Gulden betrug, die Schamlosigkeit, zweien seiner Arbeiter zuzumuthen, einen sogenannten Fabrikball zu arrangiven. Als ihm geant­wortet wurde, daß die Arbeiter für Bälle kein Geld übrig hätten, drohte er den Betreffenden mit Entlassung, und richtig zog der Eine der Beiden es vor, seiner Wege zu gehen, ehe er sich entschloß, seinen Leidens­gefährten zuzumuthen, mit hungrigem Magen zum Ruhme ihres Aus­beuters, denn darauf war es abgesehen, zu tanzen.

Das sind auch Zeichen der Zeit, die eine deutliche Sprache reden!

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Frankreich  . Der Streik in No anne ist so gut wie zu Ende; die Mehrzahl der Arbeiter ist durch den Hunger gezwungen worden, sich in's alte Joch zurückzubegeben, nur die Fabrik von Brèchard, dem schuf­tigen Anstifter der Aussperrung, ist noch gesperrt. Ein durch den Streif in's äußerste Elend gestürzter 19jähriger Arbeiter, Fournier, suchte sich vor wenigen Tagen an dem Zerstörer seiner und seiner Brüder Eri­stenz durch einen Revolverschuß zu rächen. Der Schuß ging fehl, der von der ganzen Bevölkerung Roanne's gehaßte Blutsauger tam unver­sehrt davon, während der Proletarier im Gefängniß sitzt und dem Wahr­spruch der Gerechtigkeit" entgegensteht.

*) Jetzt ist Frau Guillaume- Schack gar wegen groben Unfuges" vor Gericht gefordert worden. Das ist allerdings der Gipfel der Polizeiweisheit! Anm. d. Redakt.

**) Georg Ludwig Seibert ließ 1881 adressiren Schwanen­straße 36, später 39, sodann 1882 große Kaplaneigasse 42 und gegen­wärtig wieder Schwanenstraße 39. Als seine Quittungsdevise im Brief­tasten bestimmte er die hehren Worte: Gleiches Recht für Alle". Möge ihm also gleiches Recht mit allen Spigeln werden.

Korrespondenzen.

Aus Württemberg  . Wie der Sozialdemokrat" bereits be­richtet hat, fand im Monat Februar eine Konferenz der Württembergischen Genossen statt, welche von 13 Orten beschickt worden war. Zunächst wurde ein Rückblick geworfen auf unsere Thätigkeit seit der letzten all­gemeinen Besprechung, auf welcher wir die Maßnahmen für die damals bevorstehende Reichstagskampagne berathen hatten. Dieselbe wurde damit eröffnet, daß wir die im Jahre 1880 begonnene Flugblattagitation fort­setzten und im Januar 1881 das Flugblatt Ein Wort an die land­wirthschaftliche Bevölkerung", im April das Flugblatt Aufgepaßt!" im ganzen Lande verbreiteten. Beide Blätter machten guten Eindruck. Ferner wurde versucht, die im Frühjahr 1881 den Reichstag beschäf­tigende Frage der Arbeiterunfallversicherung öffentlich in unserm Sinne erörtern zu lassen, indeß wurden unsere Versammlungen fast alle von vornherein verboten, so daß wir im Wesentlichen darauf angewiesen waren, in Versammlungen der Gegner unsere Meinung zur Geltung zu bringen. Dies geschah namentlich in Stuttgart   der sogenannten Volks­partei gegenüber und es gestaltete sich unser Auftreten, mit wohlorgani­sirtem Massenbesuch, zu solch imposanter Demonstration, daß von da an unseren Freiheitsmännern" der Muth verging, sich der freien Diskussion auszusetzen. In gleicher Weise, und ebenfalls mit großem Erfolg, wurde auch den Hirsch- Dunker'schen Harmonieaposteln entgegengetreten bei Gelegenheit des Kongresses der deutschen   Gewerkvereine( was s. 3t. im im Sozialdem." berichtet wurde.

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Die herannahende Wahl zwang uns, frühzeitig für die nöthigen Geld­mittel zu sorgen; schon im Frühjahr verbot uns die Stuttgarter   Polizei

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