Gerichte, an ihrer Spizze als höchste Instanz der deutsche Kaiser, welche den Offizieren das Duell rundweg zur Pflicht machen, sobald die „ Ehre" dieser Herren nur im Geringsten angetastet wird, bei Strafe der Entlassung. Und welche sonderbare Begriffe von„ Ehre" in diesen ,, Ehren " gerichten obwalten, dafür liegt uns ein kurioses Schriftstück vor, dessen wesentlichen Inhalt wir schon deswegen unsern Lesern nicht vorenthalten wollen, weil die Sache vor wenigen Wochen einen höchst charakteristischen Quasi- Abschluß gefunden hat.
Im Jahre 1878 hatte ein Lieutenant T. des 9. bairischen Infanterieregiments in Würzburg an den Studenten H., den er für seinen Freund hielt, eine Wette auf vier Flaschen Sekt verloren. Verhindert, am selben Abend die Wette auszumachen, ließ er sich durch einen Kollegen entschuldigen und stellte sich am nächsten Abend auf der Kneipe ein, seiner Verpflichtung nachzukommen. Sein Anerbieten wurde nun aber mit einer banalen Phrase abgelehnt, worauf T. erklärte, das Geld für den verlorenen Wein beim Wirth zu deponiren, die Herren mögen denselben trinken, wenn es ihnen beliebe. Am Tage darauf erhielt T. einen Brief des H., in welchem ihm vorgeworfen wurde, daß er seine Pflichten als Offizier nicht fenne und auch nicht zu wahren wisse".
Durch einen mit H. befreundeten Kollegen, den Lieutenant Ho., ließ T., der seinen Augen nicht traute, seinen bisherigen Freund anfragen, ob der Brief wirklich von ihm herrühre, er könne an eine solche ,, Perfidie und unverschämtheit" nicht recht glauben. Die Folge war eine Aufforderung, diese Ausdrücke zu revoziren und depreziren( zurücknehmen und abbitten), d. h. das Zugeständniß, daß der Brief echt sei. Daraufhin war T. als Offizier gezwungen, um seine Ehre" wieder herzustellen, seinen ehemaligen Freund auf Pistolen zu fordern". Es spielen nun noch eine Reihe von Zwischenträgereien, bei denen namentlich ,, Kamerad" Ho. sich im schönsten Lichte zeigte, und die damit enden, daß der inzwischen auf's Aeußerste erregte T. darauf einging, seinem Gegner das Recht der Erstforderung zu überlassen, damit die Sache überhaupt zum Austrag käme.
Am Abend vor dem beabsichtigten Duelle kam plötzlich und unerwartet der Befehl, daß am Sonntag Vormittag 10 Uhr sämmtliche Offiziere der Garnison dem neuangekommenen General Grafen Verri della Bosia vorgestellt werden sollten. Nun konnten von dieser Vorstellung unmöglich T. als Paukant, ein Offizier als Sekundant, ein Offizier als Zeuge, ein Offizier als Unparteiischer, Lieutenant Ho. als Sekundant des H. und der Bataillonsarzt als Arzt T.'s wegbleiben, weshalb T. wie auch sein Sekundant und der Unparteiische den H. oder einen seiner Freunde an den verschiedensten Orten aufsuchten, um ihn zur Verschiebung des Duells von Vormittag 10 Uhr auf Nachmittag 2 Uhr zu bewegen. T. traf endlich Ho., theilte ihm sein Anliegen in Gegenwart fast der ganzen Studentenverbindung Adelphia mit, und vor dieser Gesellschaft erklärte Ho., was er später eidlich ableugnete, daß H. damit einverstanden sei. T. begab sich nun beruhigt auf die Kneipe des Corps Bavaria, wo ihm plötzlich mitgetheilt wurde, daß H. ihn für„ satisfaktionsunfähig" erklärt habe, folglich sich auch nicht mit ihm schlagen werde.
Und nun kommt die Sache vor das Militär- Ehrengericht. T. wird vorläufig suspendirt, seine erbetene Entlassung aber wegen der im Gesuch enthaltenen Motivirung- Nachweis des parteiischen Vorgehens des„ Ehrengerichtes" verweigert. Das„ Ehrengericht" ladet nur Belastungszeugen vor, auf die Erklärung T.'s, daß die Aussagen des Lieutenant Holler auf Pflicht, Ehre und Diensteid falsch sind", antwortet der damalige Premierlieutenant Wiedemann kurzweg:„ Das macht ja gar nichts zur Sache!!" T. wird der Verletzung der Standesehre für schuldig" erklärt und seine Entfernung aus dem Offiziersstande gefordert, Ludwig, der gottbegnadete Mondscheinritter, bestätigt das Urtheil, indem er es durch den Zusatz verschärft Verletzung der Standesebre unter erschwerenden Umständen".
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Alle Schritte, welche der auf diese Weise für ehrlos Erklärte T. versuchte, um zu seinem Rechte zu gelangen, waren erfolglos. Die heilige Behme hatte gesprochen, sie ist so unfehlbar wie der Papst, so unverletzlich" wie der König, denn der Vorgesetzte hat immer Recht! ,, Was nützte es T., heißt es wörtlich in dem uns vorliegenden Schriftstück, den man nicht nur allein Standesvorurtheilen, sondern ein gut Theil auch der Feigheit geopfert hatte waren doch die Standale mit den Studenten unabsehbar, wenn man dem Manne sein Recht widerfahren ließ! daß er, nachdem man ihm Existenz und die Ehre vor den kleinlich denkenden Menschen und das sind doch die meisten genommen, ja geradezu geraubt hatte, um die Mittel zur Gründung einer neuen Existenz bat? Nichts! Brutal, wie ein gemeiner Verbrecher, wurde der vom Kastengeist und der verlotterten Gesellschaft, die einen„ Ehrenrath" unter sich duldete, dem„ der Meineid eines Kameraden nichts zur Sache macht", Geächtete stets vom Kriegsminister abgewiesen. Vom Kriegsminister, denn an den König kamen die Beschwerden ja nicht!
Und wenn sie an ihn gekommen wären, würde der Mann, dem sein lächerlicher Stolz verbietet, mit seinem Kabinetssekretär die gleiche Luft zu athmen, das Unrecht, das er durch Verschärfung des schon ohnehin unrechten Urtheils begangen hatte, auch einzusehen? Schwerlich! Warum aber hatte man T. sein gutes Recht vorenthalten?
Weil er, anstatt allerunterthänigst und treugehorsamst zu bitten, das was ihm gebührte, forderte, weil er feinen Anstand nahm, Vergleiche zu ziehen zwischen der ihm und Anderen, die mit Hochdruck- Protektion dienten, widerfahrenen Behandlung anzustellen, weil er durchblicken ließ, daß er sein Recht sich nehmen werde, wenn man es ihm nicht gebe.
Der Kriegsminister aber, eingedenk der Jesuitenmoral:„ Wen man zum Schweigen bringen, will, den muß man depauperisiren", wollte gebeten, unterthänigst gebeten sein und vorenthielt das Recht. Endlich, um dem völligen Ruin zu entgehen, entschloß sich T., zu bitten; das sollte seine letzte Bitte sein an Leute dieses Schlages.
Und nun, nachdem er fast vier Jahre unter den Folgen jenes Urtheiles fürchterlich gelitten, geipährte man ihm zur Gründung einer Existenz einen monatlichen Sustentationsgehalt von 20, sage und schreibe zwanzig Mark auf zwei Jahre!
Die„ Ehre" des baierischen Offiziersstandes ist also wieder hergestellt. Einer der Wiederhersteller dieser Ehre aber, der damalige Premierlieutenant und inzwischen zum Hauptmann avanzirte„ Ehrenrichter" Wiedemann ist vor einigen Wochen unter Zurücklassung enormer „ Ehren " schulden aus Würzburg entflohen, um sich der Bestrafung wegen Schändung kleiner Mädchen zu entziehen!
Nicht wahr, es ist Etwas herrliches um diese Standesehre? Da kommen sie in geschlossenen Konventikeln zusammen, und je nachdem Einer hohe Verwandte oder allerhöchste Protektion hat, werden die ehrlosesten Handlungen vertuscht. Handelt es sich aber um einen armen Teufel, dann wird er um des geringsten Formfehlers willen der„ Ehre des Standes" zum Opfer gebracht. Ein Pharisäerthum scheußlichster Art macht sich da breit, und der große Haufe glaubt an den Schwindel und äfft ihn nach. Daher das Anwachsen des DuellUnfuges.
Wir aber lassen uns von dem mystischen Dunst, mit welchem sich diese europäischen Chinesen umgeben, nicht nasführen, sondern wollen alles daransetzen, das heuchlerische Kliquenwesen, welches hinter diesen Ehren" 2c. Gerichten steckt, dem Volke in seiner nackten Gestalt zu zeigen.
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Nieder mit dem Chinesenthum von Stande sehre!
Heimgeleuchtet!
Eine gar erbauliche und lehrreiche Historie. Motto:
So ist einer von diesen Lumpenhunden wieder einmal gründlich abgeblitzt. Genosse Christian Waiblinger schreibt uns aus Frauen feld , den 28. März:
Mit welch' unverschämter Dummheit oder dummen Unverschämtheit unsere deutschen Reichspolizeihallunken ihr sauberes Handwerk betreiben, mögen die Genossen aus Folgendem ersehen. Heute Nachmittag kam ein Knabe zu mir mit dem Auftrage, ich möchte gefälligst zu einem Herrn Lemke in eine bezeichnete Wirthschaft kommen. Sehr erfreut, wieder einen alten Genossen zu treffen, beeile ich mich, dessen Wunsch nachzukommen; aber zu meinem nicht geringen Erstaunen stellte sich mir statt des stattlichen Lemke ein bocksteifes Subjekt vor, welches in jeder Bewegung den deutschen Polizeiesel durchblicken ließ! Auf meine Frage, ob er denn ein Bruder des derzeit in London sich aufhaltenden Genossen G. Lemke sei, erklärte er mir, daß er der Betreffende selbst sei und sich seit acht Tagen in Zürich aufhalte. Und in der That zeigte er mir die Ausweisungsordre, auf Leinwand geklebt, vor, ausgestellt auf G. Lemke, Tischler, und unterzeichnet vom Berliner Polizeipräsidium, Datum 15. Mai 1879. Da ich G. Lemke auf einer Generalversammlung in Dresden persönlich kennen gelernt hatte, so wußte ich sofort, daß ich einen Spion vor mir hatte.
Nachdem ich mich ihm recht vertraulich gezeigt hatte, platte er mit seinem Verlangen heraus, weshalb er angeblich von Zürich gekommen sei. Da er sich nur noch eine Stunde aushalten könne, indem er in Winterthur sich zu lange aufgehalten hätte, so müsse er mir die Sache furz sagen, und schaute dabei stets auf die Uhr. Am letzten Sonntag Abend wären die Genossen Fischer, Morf und Krüger mit der Redaktion des„ Sozialdemokrat" eine bedeutende Wette eingegangen; sie hätten nämlich erklärt, innerhalb drei Tagen herauszubekommen, wie viele Exemplare des„ Sozialdemokrat" durch Vermittelung der Genoffen in Winterthur , Frauenfeld , Konstanz , Rorschach und Schaffhausen ins Reich befördert werden und an welche Adressen. Ich erwiderte ihm, daß von hier mehrere Hundert weggeschickt würden, er solle mich nur zu einem Genossen begleiten, der die Sache besorge, woselbst wir ihm die Adressatenliste abschreiben lassen würden. Und führte ihn auf einem Umwege zur Stadt heraus. Draußen prügelte ich ihn dermaßen durch, daß ihm für fernerhin derartige Unternehmungen gewiß vergehen werden, auf seinem Rücken wird er seinen schuftigen Auftraggebern die Wege zeigen können, welche der„ Sozialdemokrat" ins Keich macht. Noch bemerke ich, daß der Hallunke sich auch erkundigte, über welches Thema Liebknecht in Schloß Wyden referirt habe. Mit Gruß! Chr. Waiblinger."
Bravo!
Wie die Parteigenossen urtheilen.
Nach sechswöchentlicher Unterbrechung gehen wir heute wiederum daran, die Zuschriften der Genoffen über die Haltung des ,, Sozialdemokrat" zu veröffentlichen. Wir glauben nunmehr diese Rubrik abschließen zu können und werden eventuelle weitere Zusendungen je nach ihrem Charafter im Korrespondenztheil, Sprechsaal oder an sonst geeigneter Stelle zum Abdruck bringen. Nachdem wir die Diskussion einmal eröffnet, glauben wir keine Stimme aus Parteikreisen, seien es anerkennende oder tadelnde, unterdrücken zu dürfen.
Da die Zuſchriften sämmtlich zustimmende sind, so seien uns einige Bemerkungen dazu gestattet. Die Redaktion glaubt diese Zustimmungen nur auf die vorliegende Frage, d. h. auf die prinzipielle Beurtheilung der Situation und Stellung unserer Partei, beziehen zu sollen. Die Genossen stimmen mit uns überein, daß wir rücksichtslos über unsere Gegner, über die Volksbedrücker und Volksbetrüger, die Geißel des Hohns, der Satire und vor Allem der Entrüstung schwingen, dem Haß der Unterdrückten und Geknechteten ebenso wie ihrem Ra chegefühl Ausdruck geben sollen.
Um den Ansprüchen, welche nach den verschiedensten Richtungen hin an dasselbe gestellt werden, gerecht zu werden, muß das Parteiorgan nach unserer Ansicht folgendermaßen bestellt werden:
Zunächst ein allgemein agitatorischer Artikel, die wirthschaftlich- soziale Lage des Volkes, die schlechten Einrichtungen der heutigen Gesellschaft besprechend und auf die Nothwendigkeit der sozialen Revolution hinweisend. Dann ein parteipolitischer oder auch polemisirender Artikel, Briefe über die sozialistische Bewegung in anderen Ländern und dergleichen. In der Rundschau sollen die für uns interessanten Vorgänge im öffentlichen Leben in drastischer, dem Charakter unserer Partei entsprechenden Weise besprochen werden, das Feuilleton der Schilderung geschichtlicher 2c. Ereignisse, der Erörterung der doktrinären Fragen und dergleichen gewidmet sein. Der Korrespondenzentheil, durchaus nicht der unwichtigste, liefert ein Bild der Stimmung unter den Genossen, und für sonstige Bedürfnisse dienen dann der Sprechsaal und die Spezialrubriken. So soll das Parteiorgan beschaffen sein, und unser Bestreben ist es, dieser Aufgabe zu entsprechen.
Noch ein Wort über den Wunsch nach einer wissenschaftlichen Beilage. Wir glauben, daß eine solche mehr Schwierigkeiten machen würde, als die Genossen sich vorstellen. Wirklich wissenschaftliche Arbeiten lassen sich nicht kommandiren, und für Verwässerungen unserer schon vorhandenen Broschürenliteratur fönnen wir uns nicht begeistern. Naturwissenschaftliche, geschichtliche 2c. Fragen können ja größtentheils noch im Reiche erörtert werden und werden auch erörtert, für die Beilage bliebe also die Aufgabe, das sozialwissenschaftliche Gebiet eingehender zu behandeln, als Raum und Charakter des Parteiorgans es diesem gestatten. Solche Arbeiten aber wirken nach unserer Ansicht viel besser, wenn sie in selb ständigen Broschüren, als wenn sie bruchstückweise in einer Beilage erscheinen. Man bedenke nur, welche Unzuträglichkeiten es z. B. zur Folge haben muß, wenn einmal eine Partie solcher Beilagen den Schnapphähnen in die Hände fällt. Eine Vermehrung unserer Broschürenliteratur erscheint uns dagegen sehr zeitgemäß. Manches mittlerweile Veraltete könnte dafür ausgemerzt werden.
Dies vorausgeschickt, lassen wir jetzt die Zuschriften folgen:
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An die Redaktion des„ Sozialdemokrat". Werthe Genossen!
Die hiesigen Genossen sehen es als ihre Pflicht an, ihre Anschauungsweise bekannt zu geben, welche dieselben zu der Haltung des Parteiorgans einnehmen! Wir sind mit der Haltung resp. Ausdrucksweise des Parteiorgans voll und ganz einverstanden, denn, wenn man, wie wir im preußisch- deutschen Reich, mit so viel Niederträchtigkeit, Frechheit und Gemeinheit zu kämpfen hat, sähe es doch wunderlich aus, wenn wir unsere elende gegnerische Sippschaft mit Sammetpfötchen angreifen wollten. Nein! Auf alle Schlechtigkeit derselben gehört eine Ausdrucksweise, als fielen wuchtige Keulenschläge; ja wir wünschen, daß unsere Vertreter im Reichstag eine schärfere Sprache führten, denn da ist der einzige Ort, wo die Schandthaten unserer machthabenden Hallunken an den Pranger gestellt werden können.
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Im Auftrage der pfälzischen Abonnenten des„ Sozialdemokrat" soll ich der Redaktion die vollste Anerkennung für Haltung und Schreibweise ausdrücken.
Mögen alle Halben und Feiglinge sich zurückziehen, damit mehr Klärung in die Sache kömmt! Gruß!"
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,, Nach stattgehabter Rücksprache mit den Genossen unseres Kreises*) erkläre ich im Auftrage derselben, daß wir die Schreibweise des ,, Sozialdemokrat" nicht nur billigen, sondern für ganz dringend erfor derlich halten. Die akademische Diskussion ist heute für uns nicht Hauptzweck, wennschon wir dieselbe aus dem Parteiorgan nicht verbannt sehen möchten. Es gilt in der Sprache des Volkes zu schreiben, und offen auszusprechen, was Tausende und Abertausende in Deutschland beim Lesen der Schändlichkeiten, wie sie sich vor unsern Augen abspielen, denken aber nicht sagen dürfen. Vom Main .
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C. Th."
Kalk bei Köln , 12. März 1882. Verehrliche Redaktion des„ Sozialdemokrat". Die hiesigen Genossen können es nicht unterlassen, auch ihre Meinung bezüglich der Unterstellungen und Krafehlereien", die sich in letzter Zeit im Sozialdemokrat" breit machen, auszusprechen. Die Meinung läßt fich dahin formuliren, daß wir mit der Redaktion vollständig einverstanden sind und deren Schreibweise uns vollständig konvenirt. Wir sind mit dem Artikel des Herrn J. Dietgen auch der Meinung, daß„ revolutionäre Kraftphrasen" ebensogut am Platz sind wie gemäßigte Form des Ausdrucks."
Die Kalter Genoffen wenden sich dann gegen die vielen Krakehlereien, die sich im Parteiorgan noch breitmachen, die vielen Erklärungen, Erwiderungen 2c. schaden der agitatorischen Wirkung bedeutend, und fahren fort:
" Daß der„ Sozialdemokrat" eine revolutionäre Sprache führt, das liegt eben in den jetzigen Verhältnissen, die wahrhaftig nicht mit Glaceehandschuhen angepackt werden dürfen. Nur so fortgefahren!
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Wir sprechen uns ferner für eine wissenschaftliche Beilage aus, damit der Sozialdemokrat" hauptsächlich ein Agitationsblatt bleibt, dann ist für gemäßigte Form des Ausdrucks" und auch für„ revolutionäre Kraftphrasen" gesorgt.
Allen Genossen möchten wir aber empfehlen, die„ inneren Streitigteiten" möglichst zu vermeiden und der Redaktion das Leben nicht sauer zu machen, oder man besetze dieselbe mit päpstlichen Unfehlbarkeitskandidaten. X
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Resolution.
" In Erwägung, daß die sozialistische Arbeiterpartei eine revolutionäre ist, der gegenüber alle anderen Parteien nur eine reaktionäre Masse sind, haben die von der Partei gewählten Vertreter dem heutigen Klassenstaat gegenüber eine energische, den Interessen und Bestrebungen der Partei entsprechende Stellung zu nehmen.
In fernerer Erwägung, daß es Pflicht und Aufgabe des Parteiorgans ist, neben den Interessen der Partei, die Gefühle und Kundgebungen der Parteigenossen zum Ausdruck zu bringen, spricht der Kommunistische Arbeiterbildungsverein, 49 Tottenham Street in London , seine volle Zustimmung zu der Haltung und Schreibweise des, Sozialdemokrat" aus und wünscht, daß das Organ in dieser Weise fortfahren möge, den Maßregelungen und Verfolgungen gegenüber die Stimme des Protestes zu erheben, die Massen durch Aufklärung und Aufdeckung der Schandwirthschaft zu überzeugen und den Geist zu revolutioniren, um der heutigen schmachvollen Knecht- und Ausbeuterschaft ein baldiges Ende zu setzen." Im Auftrage: G. Lemke.
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Aus Philadelphia schreibt Genosse Grohspietsch im Namen verschiedener dortiger Genossen: „ Wir sind mit Ihrem Artikel ,, Entweder oder" ganz und voll einverstanden; wir lieben kein Versteckensspielen, unsere Farbe ist roth."
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Aus New Yort schreibt Genosse Carlson, Ausgewiesener aus Altona : Immer so tapfer wie sonst. Nehmen Sie nur keine Notiz von der Objektivität“. Aus Altenburg schreibt Genoffe Chr. Hadlich, Ausgewiesener aus Leipzig u. A.:
„ Es sei vorausgeschickt, daß ich voll und ganz auf dem Standpunkt der Redaktion stehe, der Artikel in Nr. 6„ Nieder mit" 2c. ist die schönste Antwort auf das Geschreibsel derer, die sich an die Rockschöße der Fortschritts- und Volkspartei hängen, es ist unter sothanen Umständen unbedingt nöthig, daß das Banner, welchem wir folgen, hoch getragen wird und nicht verhüllt, weil man fürchtet, es könne vom Wetter leidenich bin aber auch überzeugt, daß H. und B. diesen Standpunkt theilen, und als Abgeordnete zum Reichstag erst recht daran festhalten müssen; ich denke, man kann ohne Hasselmanniaden und Most'sche Revolutionshanswursterei doch recht gut den prinzipiellen Standpunkt wahren, das Volk versklavt so schon genug; wenn nun auch noch unsererseits zum Retiré geblasen werden soll, dann hört schon Alles auf. Die Redaktion hat nur darauf zu achten, daß ihr wahrheitsgetreue Berichte zugehen und nicht solche, welche ein Desaven nothwendig machen, wie dies neulich bei Dresden der Fall war. Wir müssen auch als„ Vogelfreie" unsern Charakter wahren dürfen, und wenn wir noch so sehr verleumdet werden, den Feinden nur mit wahren Thatsachen dienen. Die Vertheidigungsrede des„ rothen" Becker dürfte als Feuilleton eine recht gesunde Lektüre sein; wenn möglich, bringen Sie dieselbe, zur Freude der Alten" und zum Nußen der„ Jungen".
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Ferner liegt uns noch ein Brief eines Genossen aus einem kleineren Orte Westdeutschlands vor, in welchem es am Schluffe heißt:
„ Eigentlich ganz unnöthiger Weise erlaube ich mir, Ihnen noch zu versichern, daß Sie in der neulichen Polemik über die zu führende Sprache ganz Recht haben. Diese ewige Vor-, Um-, Nach- und Rücksichtsmeierei führt zu nichts, und es ist gewiß kein Grund vorhanden, Brutalitäten anders als gebührend zu behandeln." Aehnlich sprechen sich noch Genossen aus Berlin , Kassel , Magde burg und Plauen aus.
Sozialpolitische Rundschau.
Wieschant's aus? Eine ereignißreiche Woche ist es, über die wir heute zu berichten haben, und erfreulicherweise lauten die meisten Ereignisse günstig für die Sache der Unterdrückten, bedenklich, höchft bedenklich aber für die Sache der Volksfeinde.
Am 30. März, am Tage bevor in Kronstadt der edle Revolutionär Suchanoff, von den Kugeln der zarischen Garden durchbohrt, sein der Befreiung des russischen Volkes geweihtes Leben aushauchte, gelang es seinen Gesinnungsgenossen in Odessa , das russische Volf von einem Bluthund schlimmster Art, dem Generalgouverneur Strelnikoff, zu befreien. Strelnikoff war ein in jeder Beziehung verabscheuungswitrdiges Subjekt, feige, hinterliftig und grausam. In den Prozessen, die er gegen unsere russischen Genossen führte, beantragte er, bevor noch die Attentate gegen Alexander II. stattgefunden hatten, schon stets den Tod, was bei der Zusammensetzung der russischen Gerichtshöfe so gut wie