passende Uniform für diese ,, Unabhängigen"( von Recht und Logit| größten Theil von einer gesetzlichen Ordnung der Dinge keinen unabhängig!) vorschlagen.

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Wie im Sinne des Königs Recht gesprochen wird. Aus Hannover , den 20. Juli, schreibt uns unser Korrespondent: Unser famoses Landgericht hat sich selbst übertroffen. Am Montag, den 17. d., wurde Genosse Loges auch in seinem zweiten Prozeß schul­dig befunden und zu einer Zusatzstrafe von zwei Monaten ver urtheilt. Umsonst machte der Vertheidiger Rechtsanwalt Fischer II, in glänzender, für jeden Unbefangenen überzeugender Rede geltend, daß in dem bloßen objektiven Referat einer reichsgerichtlichen Prozeßverhand­lung ein Verstoß gegen§ 131 nicht enthalten sein könne; umsonst wies er darauf hin, daß das inkriminirte Referat nicht von Loges herrühre, sondern von den Anwälten des Reichsgerichts, deren Bericht wörtlich, ohne Zusatz und ohne Abkürzung, in Haus und Welt" auf­genommen sei; umsonst betonte er den offiziellen Ursprung dieses Referats, das unter der Redaktion des Oberreichsanwalts, Freiherrn von Seckendorf, verfaßt ist; umsonst zeigte er, daß man von Loges doch keine genauere Kenntniß dessen, was Recht ist, ver­langen könne als von den obersten Gesetzeswächtern des deutschen Reiches

das Landgericht entschied:" Da Loges notorisch Sozialdemokrat ift und das verbotene Blatt Haus und Welt" notorisch eine sozialdemo­kratische Tendenz und sozialdemokratische Leser gehabt hat, so steht für das Gericht fest, daß Loges den Artikel lediglich in der Absicht zum Abdruck gebracht hat, um damit Staatseinrichtungen verächtlich zu machen". Und so wurde Loges denn wegen Vergehens wider§ 131 ver­donnert natürlich von Rechts wegen" und auf Kommando. Daß es im ,, Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte" und unter der Herrschaft des infamen Sozialistengesetzes ein Verbrechen ist, Sozialdemokrat zu sein, das wußten wir seit Jahren. Und seit Jahren wissen wir, daß ein Blatt durch die einfache Thatsache, sozialdemokratische Leser zu haben, der Unterdrückung geweiht ist. Neu ist aber, daß ein deutscher Gerichtshof die Schamlosigkeit hat, zu bekennen, er verurtheile die Tendenz.

Bisher haben auch die servilsten deutschen Richter sich mit Entrüstung gegen die Infinuation verwahrt, sie machten Tendenz prozesse. Hier erklärt das Gericht ungenirt, mit zynischer Offenheit, es ma che einen Tendenz prozeß und verurtheile nicht strafbare Handlungen, sondern eine Tendenz.

Und das ist ein Fortschritt. Man sieht, wie herrlich weit wir es gebracht haben"!

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Natürlich wird Loges die Revision vor dem Reichsgericht beantragen. Nicht als ob er erwartete, zu seinem Rechte zu kommen und die Kassirung des nichtswürdigen Urtheils zu erlangen. Allein es ist nothwendig zumal Loges durch die Wortbrüchigkeit der Staatsanwaltschaft in dem ersten Prozeß schnöde um sein Recht geprellt worden ist, die Erbärmlichkeit unserer sogenannten ,, Rechtspflege" bis in die höchste Instanz ad oculos zu demonstriren und den Herren Reichsrichtern, namentlich aber den Herren Reichs anwälten die Gelegenheit zur, thatsächlichen Feststellung" ihrer Niedertracht zu geben. Man kann in der That ge­spannt sein, welche Sophismen die Herren Reichsanwälte aufwenden werden, um den juristischen Nachweis zu liefern, daß ihr eigenes Machwert ein Vergehen wider den§ 131 des deutschen Strafgesetz­buches ist und daß sie selber wider besseres Wissen" Staatseinrichtungen geschmäht und verächtlich gemacht haben, ohne jedoch selber eines Ver­gehens schuldig zu sein. Denn so weit werden die Herren ihren Haß gegen die Sozialdemokratie sicherlich nicht treiben, daß sie, um ihr Müth­chen an einem Sozialdemokraten zu fühlen, aus purer Bosheit" sich mit dem Sozialdemokraten Loges solidarisch und für ihren Artikel verant­wortlich erklären und einen Strafantrag gegen sich selber stellen! Interessant wird's jedenfalls.

Wie sehr die Praxis des hiesigen Landgerichts sich der Deffentlichkeit entzieht und das Licht scheut, das erhellt recht deutlich daraus, daß der vom Vertheidiger des Loges gestellte Antrag auf Aushändigung einer Abschrift des Erkenntnisses in dem Majestätsbeleidigungs­prozesse abgelehnt worden ist. Loges hat den Antrag nun per sönlich gestellt- ob mit besserem Erfolge, das wollen wir abwarten. Ich hätte den Herren Landrichtern wirklich nicht die Schwäche zugetraut, ein so schlechtes Gewissen zu haben.

Ehe ich mich für heute von unseren Herren Richtern verabschiede, habe ich noch pflichtgemäß die Namen derjenigen, welche den Montagsprozeß verübten, an den Pranger zu schlagen.

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Die Straffammer I des königlichen Landgerichtes Hannover um den Titel vollständig zu geben, welche sich dieses neuesten Attentates gegen das Recht schuldig machte, war wie folgt zusammengesetzt: Präsident: Landgerichtsdirektor von Stockhausen. Richter: Landgerichtsrath Bergmann, ditto Bunsen, ditto Scholz und Gerichtsassessor Reiff.

Der Staatsanwalt, welcher sich durchaus ,, auf der Höhe seiner Mission" hielt, führt den Zunamen Wilhelm, was hoffentlich keine Majestätsbeleidigung ist.

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Unsere Polizei hat vorgestern wieder einmal das Vaterland gerettet durch ein halbes Dutzend Haussuchungen. Gefunden hat sie nichts. Natürlich war das Parteiorgan das Objekt der ver­Tornen Liebesmühe.

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Zum Schluß noch ein Polizei- Kuriosum: Auf dem diesjährigen Schützenfeste, welches in voriger Woche hier stattfand, hatte auch Schankwirth Loges gar nicht verwandt mit unserem Loges ein Zelt, auf welchem vorne mit rothen Buchstaben auf weißem Grunde sein Name stand. Der Name Loges ist an sich schon ein Verbrechen, und nun gar mit rothen Buchstaben geschrieben! Die Polizei fam in Aufregung und Bewegung. Dreimal kurz hintereinander erschien die heilige Hermandad zwei Mann hoch( ein Wachtmeister und ein Schutz­mann) im Auftrage des Polizeipräsidiums bei dem Sünder, um ihn zu veranlassen, den verbrecherischen Namen schwarz, oder mit irgend einer anderen Farbe als dem verbrecherischen Roth, zu überstreichen, widrigenfalls er zu gewärtigen habe, daß er verhaftet, und die Umfärbung auf seine Kosten von der Polizei vorgenommen würde. Beim dritten Erscheinen der heiligen Hermandad wurde der Haftbefehl auch vor­gezeigt. Schankwirth og es mußte sich unter solchen Umständen fügen. Schließlich hatte er noch auf die Polizeiwache zu gehen und dort ein Protokoll zu unterschreiben, das etwa folgenden Inhalt hatte: Der Schantwirth Georg Loges, Sozialdemokrat, hat vor seinem Zelte mit rothem Abzeichen(!!) demonstrirt(!!), indem er seinen Namenszug mit rothen Buchstaben anbrachte. Er hat diesen sofort zu entfernen, und ist im Weigerungsfalle, mit vier Wochen Haft zu bestrafen. Das tönigl. Polizeipräsidium."

Ein Kommentar ist überflüssig.

Außerdem wurde Georg Loges vor einigen Tagen mit drei Mark bestraft, weil er am Sonntag während der Kirche Bier verschenkt hat, was beiläufig von allen andern hiesigen Wirthen un­beanstandet geschieht. Die Polizei stützte sich dabei auf die alte ( England entlehnte) Hannöver'sche Sabathordnung, die extra für Loges aus dem Aftenstaub hervorgesucht worden ist, und natürlich nur auf ihn angewendet wird um die Gleichheit" vor dem Gesetz recht anschaulich zu machen.

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Wenn diese Schweinereien, sagte ein hiesiger, hochgestellter Mann, welcher der Sozialdemokratie fern steht, anläßlich der letzten Gerichts- und Polizeithaten wenn diese Schweinereien fort­dauern, dann müssen wir bald den Nihilismus haben. Das ist ja russische Wirthschaft!

Der Mann hat Recht. Nur daß es noch weit schlimmer ist als russische Wirthschaft, denn Deutschland hat ein politisch entwickeltes Volk und Rußland ist ein halbbarbarischer Staat, dessen Bewohner zum

Begriff haben.

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Ein charatteristisches Gespräch. Als einen Beweis, wie ,, tiefe Wurzeln" der geistreiche Ausspruch Moltke's von der Nütz­lichkeit der Kriege an sich geschlagen hat, führt die Berliner Volksztg." ein Gespräch zwischen einem Polizeikorporal, einem Postbeamten und einem Handwerker über das Bombardement von Alexandrien an. Der Hand­werker", heißt es da, sprach sein Bedauern über dasselbe aus und be­flagte die verlorenen Menschenleben und die zerstörten Gebäude, worauf abwechselnd der Polizeikorporal und der Postbeamte ihn von der Nütz­lichkeit derartiger Kriegsvorfälle zu überzeugen suchten. Zunächst kämen die Zerstörungen an Kriegsmaterial der Industrie zu Gute, ferner aber würden die Nationen durch solche heilsame Kanonaden, resp. durch die Kriege überhaupt, vor Erschlaffung bewahrt. Der Handwerker aber blieb bei seiner Verurtheilung der Kriege, was die beiden anderen Herren sehr übel nahmen, so daß er sein Urtheil dahin modifizirte, daß ein Krieg zur Vertheidigung des Vaterlandes allerdings berechtigt sei; Eroberungs­oder frivole Kabinetskriege halte er aber nach wie vor für ein Unglück und eine Schmach zugleich. Aber da kam unser Handwerker schön an. Jeder Krieg sei ein Glück, weil dadurch die Menschheit aufgerüttelt, aus der Versumpfung herausgeriffen würde, das Volk würde geläutert und gestählt, und kein Geringerer habe diese Ansicht ausgesprochen, als Moltke . Es half dem Handwerker nichts, daß er auf die Greuel, die in allen Kriegen verübt würden, aufmerksam machte, daß er all' den Jammer der Mütter, Wittwen und Waisen vorführte, daß er zerstörtes Geschäftsleben und zerstörtes Familienglück beklagte, es half ihm nichts. Moltke hat's gesagt und der weiß es, so tönte es ihm immer wieder und wieder entgegen. Und dabei blieb e: Die Kriege sind eine göttliche Einrichtung, heben Sitte und Moral, asien die Nationen und sind ein Glück für die Menschheit." Und jomit", setzt die Volksztg." hinzu, ,, ist auch das Bombardement von Alexandrien eine göttliche Ein­richtung."

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Sehr gut gesagt und um so anerkennenswerther, als gerade die ,, Volks­zeitung" sich mehr als irgend ein anderes deutsches Blatt für das Bom­bardement Alexandriens und für die Orientpolitik Englands in's Zeug gelegt hat. Im Leitartikel derselben Nummer, wo sie dieses Gespräch bringt, theilt sie der Köln . Zeitung" eine Anzahl sonst wohlverdienter Peitschenhiebe aus, weil das Weltblatt vom Rhein aus Liebedienerei für Bismarck über England hergezogen war, und eine Nummer vorher konnte der friedliebende fortschrittliche Handwerksmann Berlin's in eben dieser ,, Volkszeitung" folgenden Hymnus auf die Beschießung von Alexandrien lesen:

,, Der moralische Eindruck auf die Pforte und das Palais ist bis jetzt ein höchst zufriedenstellender, würde jedoch sehr abgeschwächt werden, wenn nicht weitere Schritte erfolgten. Für die( beiläufig von den Europäern angezettelten! Red. d. Sozialdem.") Massakres vom 11. Juni indeß ist die Züchtigung noch lange nicht genügend. Für die Sicherheit der Euro­päer im Orient muß noch viel mehr Blut fließen, und vor allen Dingen muß der Geldbeutel Egyptens tüchtig ge­leert werden und besonders darf man nicht den eigentlichen Anstifter des Imbroglio( Wirrwar) vergessen."

Wer so brutale Anschauungen propagirt, der darf sich auch nicht wundern, wenn schließlich bei seinen eigenen Leuten Moltke's Kriegs­lüfternheit mehr Anklang findet als die schönsten Abrüstungsartikel.

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Volksparteiliches. Wir haben unseren Lefern schon manches Pröbchen volksparteilicher Fürstenanwinselei mitgetheilt, das Stärkste in diesem Artikel aber hat vor Kurzem unstreitig der Führer der Mannheimer Volkspartei, der Landtagsabgeordnete und Stadtrath Ferdinand Schneider auf dem Festbankett des sechsten mittelrheinischen Ver bandsschießens geleistet. Auf Wunsch Mannheimer Genossen wollen wir wenigstens einen Theil dieser demokratischen" Feftrede hier den Ge­noffen zur Kenntniß bringen. Der große Demokrat" sagte u. A.:

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Große Ereignisse haben wir seit unserem letzten Schützenfeste erlebt, Deutschlands Einheit wurde fest gegründet unter der her­vorragendsten, patriotischen Betheiligung unseres Fürsten. Wie sein edles Herz erfüllt ist von Liebe zu seiner badischen Heimath, so glüht es auch von Liebe zu unserem deutschen Vaterlande. Bei Badens Großherzog zuerst(!) fand die Sehnsucht des deutschen Volkes nach einem einigen, freien deutschen Reich lebendigen Wider­hall, die Vaterlands- und Freiheitsliebe seines deutschen Herzens war die Richtschnur seines Handelns, und so ist er auch mit in erster Reihe einer derjenigen, welcher mächtige Bausteine hinzugetragen hat zum Aufbau des deutschen Reiches.( Das dank ihm der Volksparteiler, daß er das preußisch deutsche Kaiserreich mit seinen 2 Dutzend Fürsten errichten half, dieses weder einige, noch freie Reich!) Er hat aber nicht nur zum äußeren Bau mitgeholfen, er hat in unserem badischen Lande das Muster errichtet für die innere Vollendung."( Diese ,, innere Vollendung" hat sich noch nicht einmal zum allgemeinen Wahlrecht auf­schwingen können.)" Sein Regierungsgrundsatz: Volkswohl und Bil­dung, Freiheit und Recht ist ein hohes Beispiel für Alle, die jetzt und in Zukunft berufen sind, die Geschicke unserer Völker zu lenken!"( Daß die Völker einmal in Zukunft" daran denken könnten, selbst ihre Geschicke zu lenken, dafür scheint dem ,, Demokraten " jedes Verständniß zu fehlen.) Diese Liebe verbunden mit innigster Theilnahme haben wir Alle ihm entgegen­gebracht während der Zeit seines schweren Leidens und heute erfüllt es unsere Herzen mit um so größerer Freude, daß wir sagen dürfen, die Tage des Leidens sind vorüber, unser Großherzog ist uns wiedergegeben(!), er geht der völligen Wiedergenesung mit raschen Schritten entgegengehen, und bald wird er wieder an der Spitze der Regierung stehen zum heil und Segen seines Volkes. Doppelt werth muß uns sein, was wir gewonnen, wenn wir bedenken, was wir verlieren konnten! Und hier

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lassen Sie uns auch gedenken unserer allverehrten Großherzogin, die eine ächte deutsche Frau, während der Krankheit ihres Gatten pflegend und helfend, schützend und schirmend ihm zur Seite stand. In der Wieder­genesung ihres hohen Gemahls findet sie den schönsten Lohn, das höchste Glück, und dieses Glück muß unser Fürstenpaar in schönster Weise gerade heute empfinden, an dem Tage, an welchem der Erbgroßherzog mit ihnen seinen 25jährigen Geburtstag feiert! Glaube, Liebe, Hoff­nung!" Dieser deutsche Sinnspruch strahlt heute in glänzenden Lettern von der Mainau über den herrlichen Bodensee durch das badische Land: Der Glaube ist es, an unseren freigesinnten, bürgerfreundlichen Großherzog, Die Liebe zu seiner edlen Gemahlin, Die Hoffnung auf unseren Erbgroßherzog! Das sind die Gefühle, die heute auch uns bewegen und denen wir einen kräftigen Ausdruck verleihen wollen, mit dem aus treuem liebenden Herzen kommendem Rufe: Großherzog Friedrich, der Freund der Frei­heit und seines Volkes, er lebe hoch!"

Nach dieser Probe wird man den Widerwillen der Mannheimer Ge­nossen gegen diese demokratische" Gesellschaft, deren Stolz Herr Schneider ist, begreifen und theilen.

Aus Leipzig , den 22. Juli schreibt man uns: Unser Herr Polizeidirektor Richter ist krant, ernstlich krank. Auf der einen Seite der Aerger, daß er sein Wort nicht einlösen kann, unsere gute See­stadt" von der Peft der Sozialdemokratie zu reinigen, daß im Gegentheil unter seiner genialen Leitung diese Best" reißende Fortschritte macht; auf der anderen Seite die blaffe Angst vor sozialdemokratischem Gift und sozialdemokratischen Dolchen das hat die Nerven" des verun­glückten Gesellschaftsretters so total erschüttert, daß er seit einigen Wochen arbeitsunfähig ist und demnächst eine längere Badekur unternehmen soll zu unserem großen Leidwesen, da seine die gemeinschädlichen Umsturz­bestrebungen der Sozialdemokratie" so wirksam fördernde Thätigkeit

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uns dann entgeht. Und nun gar, wenn der Unglückliche unheilbar krank würde und sterben müßte. Nicht an Gift, nicht an einem Dolchstoß, wohl aber an der Furcht vor Gift und Dolch. Das ist bekanntlich eine förmliche Krankheit der Gesellschaftsretter. Ich erinnere an Gauvain und andere Kommunarden- Mörder in Frankreich , und an verschiedene Sozialistentödter in Deutschland als neuestes Exempel an den Frankfurter Polizeirath Rumpf, der schwer darniederliegt und wahrscheinlich, falls er förperlich genesen sollte, in ein Frrenhaus gebracht werden muß kurz an das schlechte Ende der meisten Subjekte, welche in hervorragender Weise sei es als Richter, Polizisten, Denunzianten - bei politischer Verfolgung thätig gewesen sind. Von den traurigen Helden der ersten Demagogenhete( Tzschoppe z. B. starb in der Zwangs­jacke, nachdem er jahrelang im Irrenhaus gelebt, Georgi, der Mörder Weidig's, am Säuferwahnsinn) bis zu den noch traurigeren Helden der Sozialistenhetze hat unser Deutschland eine erkleckliche Anzahl solcher Elenden geliefert, die, von den Furien der Angst und des bösen Gewissens gepeitscht, nach furchtbaren förperlichen und seelischen Leiden dem Wahn­sinn verfallen sind. Man könnte diese Krankheit die Krankheit der Staatsverbrecher, euphemistisch ausgedrückt, nennen. Die Ver folgungs wuth schlägt durch einen sehr natürlichen psychologischen Prozeß in Verfolgungs wahn um, die Jäger werden gejagtes Wild und die Geister der Verfolgten, der in den Kerker, in Noth und Tod getrie benen Opfer vollstrecken an ihnen das Werk der Nemesis, zu welchem das Volk noch nicht den nöthigen Muth oder die nöthige Kraft hat. Ob die Krankheit unseres Herrn Polizeipräsidenten mit dieser Krank­heit etwas zu thun hat?

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Da ich gerade beim Thema bin, sei zu Ihrer Information einer That­sache erwähnt, welche man sorgsamst zu verbergen sucht. Es war jüngst in der Presse die Rede davon, daß die Herren Reichsrichter sich so rasch ,, abnutzten" und es wurde dies der aufreibenden Arbeit" der Herren zugeschrieben. Der Sozialdemokrat" wies seinerzeit auf das Lächerliche dieser Erklärung hin. Er war damals aber nicht vollständig unterrichtet. Die Wahrheit ist: von den 7 Reichsrichtern, welche seit der Gründung des Reichsgerichts sich definitiv abgenutzt" haben, sind vier todt und drei toll! Frrsinnig im eigentlichsten Sinne des Wortes. Der eine der letzteren hat notorisch noch Recht gesprochen", als die Krankheit in ihm bereits ganz ausgebildet war! Und da war er wohl kaum ein schlechterer Richter als die anderen.

Die Krankheit der Reichsrichter" scheint eine besondere Abart der obenbeschriebenen Staatsverbrecher- Krankheit zu sein.

Hans Blum ist, gleich, unserem Braun", jetzt unter die ,, Reichsfeinde" gegangen oder gegangen worden", was immerhin ein amisantes Zeichen der Zeit ist. Er wird sich nächstens wegen Beleidigung des Frankfurter Polizeirathes Rumpf vor dem Landgericht Mag de= burg zu verantworten haben, weil er bei Besprechung des berüchtigten, vom Reichsgericht inszenirten Leipziger Hochverrathsprozesses" in einem Artikel der Magdeburger Zeitung" sich über den genannten Herrn in nicht gerade schmeichelhafter Weise ausgedrückt hatte. Herr Blum, mit dem Bismard einst feierlich die famose Allianz geschlossen( siehe die Vorrede zu dem Hans'schen Buch über Robert Blum ) ift heute auf seinen ehemaligen Abgott so erbost, daß er nicht ansteht, öffent­lich zu erklären: wenn er vor Gericht befragt würde, ob er schon bestraft sei, werde er sagen: Ja! Das eine Mal als Redakteur des Grenz boten" auf verleumderische Beleidigung des verflossenen Herrn von Dalwigt( bundestäglichen und antiborussisch- duodez­staatlich- partikularistischen Angedenkens) zu einer Geldstrafe von 500 Mt. Der verleumderische Artikel war verfaßt vom Fürsten Bismarc und die Strafe wurde bezahlt vom Fürsten Bismarck."

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Da Herr Blum vor Gericht vielleicht nicht so tapfer ist, wie am Wirthshaustische, wollen wir diese hübsche Anekdote vor dem Todt= geschwiegen werden bewahren. Und welches Blatt eignet sich besser zur Veröffentlichung als der ,, Sozialdemokrat", der von unseren sämmt­lichen Ministern, Staatsmännern, Richtern und Polizeibeamten- d. h. so ziemlich von der gesammten offiziellen Welt mit größerer Pünktlichkeit und Aufmerksamkeit gelesen wird, als der langweilige ,, Reichs­und Staats- Anzeiger".

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Denunziationsstatistit. Nach amtlichen Mittheilungen der Berliner Polizei haben die dortigen Spizzel seit Inkrafttreten des Sozialistengesetzes 466 Denunziationen wegen Uebertretung dieses Schand­gesetzes eingebracht, nur 67 Fälle haben aber zu einer Verurtheilung geführt 399 haben sich als unbegründet erwiesen. Von je sieben Denunziationen war also durschnittlich in runder Summe nur un­fähr eine begründet und zwar nach Urtheil der Richter. Wie viele in Wirklichkeit begründet waren, das läßt sich nicht fest­stellen. Bei der Schuftigkeit und Dummheit unserer politischen Polizei wird das Mitzverhältniß ein noch viel größeres gewesen sein. In­dessen, auch diese amtlichen, von der Polizei selbst, d. h. von der Partei, welche das lebhaftefte Interesse hat, die Nichtswürdigkeit( im doppelten Sinn des Wortes) der sog. politischen Polizei", zu deutsch : des Spizelgesindels, zu verhüllen, mitgetheilten Ziffern sprechen schon deutlich genug und müssen, jeden anständigen Menschen zur Ver­urtheilung des abscheulichen Spionensystems bestimmen.

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Genosse Jbsen ist, wie uns aus Cassel geschrieben wird, bei seiner Freilassung von den dortigen Genossen in würdigster Weise empfangen worden. Bravo!

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In eigener Sache. Herr Mehring, dieser charakterlose Haufirer mit abgelegten Guido Weiß'schen Redewendungen, der feige Renegat, der unserer Partei nach den Attentaten den Eselsfußtritt versetzte, hat vor Kurzem wiederum in der Weserzeitung" einen ganzen Häringssalat von Verleumdungen über unsere Partei und speziell den Sozialdemokrat" von sich gegeben, die wir indeß, wie bisher, einfach umbeachtet lassen würden, wenn uns in diesem Falle nicht der Zuflüsterer des edlen Mehring ganz besonders interessirte. Dieser Zuflüsterer hatte sich nämlich bis in die neueste Zeit hinein als Parteigenosse gerirt, und wenn seine parteigenössische Thätigkeit in den letzten Jahren auch fast lediglich darin bestand, seiner Rachsucht gegen den Sozialdemokrat" zu fröhnen er glaubt sich nämlich persönlich beleidigt, und, wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so dürftet seine Seele nach Rache" gegen den Sozialdemokrat", so sahen wir uns doch bisher nicht veranlaßt, gegen ihn vorzugehen, da er sich bisher darauf be­schränkte, bei Sozialisten sein Gift gegen uns zu verspritzen. Wir haben ihm vielmehr dieses zwar nicht sehr harmlose aber für uns und unsere Sache ziemlich ungefährliche Vergnügen nach dem Grundsatz gegönnt, daß man verschmähter Liebe etwas zu gute halten soll. In dem Augenblick aber, wo seine Rachsucht so weit geht, einen notorischen Gegner unserer Sache in den Stand zu setzen, ehrenwerthe Genoffen zu verleumden und zu denunziren, hört diese Nachsicht bei uns auf. Verschiedene Gründe veranlassen uns, heute den Namen des Mehring'schen Kompagnons noch nicht zu nennen, wir werden aber, sobald der Herr es wagen sollte, sich fernerhin in Parteikreisen als Genosse aufzuspielen, ihn mit Namensnennung in die Gesellschaft ver­weisen, wohin er gehört!

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Zur Charakteristik der gegen uns ausgeheckten Verleumdungen diene folgendes: Mehring flunkert von einem Zirkular, in welchem Mary und Engels vor dem Sozialdemokrat" gewarnt haben. Ein solches Zirkular hat aber nie existirt, wie denn Marr und Engels, wenn sie sich verpflichtet gehalten hätten, vor dem Sozialdemokrat" zu warnen, dies sicher vor aller Welt gethan hätten. Das weiß Mehrings Kompagnon so gut als wir, ebensogut weiß er auch, daß Marx und Engels von der Redaktion des, Sozialdemokrat" eine Verbourgeoisirung" unserer Partei in keiner Weise befürchten, was ja schon daraus hervorgeht, daß Engels in Nr. 19 und 20 des, Sozialdemokrat" mit Namensunterschrift einen Aufsatz über

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