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den Feuer jener negirenden Kräfte, vor Allem des Eigen­nutes und der Unwissenheit, welches im Schooße der Gesellschaft heimlich fortglimmt und von Zeit zu Zeit als offene Flamme, weithin Verderben verbreitend, hervorbricht. Eine solche Zeit war es, als Bischof Julius diese Universität gründete. Der Aufstand der Bauern war niedergeworfen, aber die Gemüther waren noch nicht beruhigt."

Es ist ganz unverkennbar, was Herr Virchow unter den ,, negiren­den Kräften, vor Allem des Eigennutes" versteht. Zu deutlich ist der Hinweis auf die Bauernkriege, als daß man einen Augenblick darüber im Zweifel sein könnte, daß der Herr Geheime Medizinalrath, indem er die Niederwerfung der gegen den Feudalismus des Adels und der Städte rebellirenden Bauern ausdrücklich sanktionirt, die Bestrebungen des modernen Proletariats als kulturfeindlich zu denunziren sucht. In der That ein vorzügliches Mittel, den unter dem Drucke eines unerhörten Ausbeutungssystemes nach Erlösung strebenden Arbeitern Achtung vor der Wissenschaft, deren Vertretern und Institutionen beizubringen!

Wenn es sich aber um den Geldsack handelt, dann ade Wissenschaft!

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Staatssozialismus im Klassenstaat. Das Tabak­monopol ist zwar auf einige Zeit von der Bildfläche verschwunden, nichts­destoweniger wird es nichts schaden, zu Nutz und Frommen aller Ver­ftaatlichungsfreunde einige von Paul Brousse in der Bataille" her­vorgehobene Ergebnisse aus dem neuesten Berichte der französischen Monopolverwaltung zu konstatiren.

Es figuriren in dem Budget der französischen Tabakmanufaktur: Tabatarbeiter

für 1873

" 1883

Abnahme

männliche 1654

1649

weibliche

14,184

20,576

5 Zunahme 6,392

Der ganze Zuwachs von mehr als sechstausend Arbeitern beschränkt sich demnach auf die weiblichen Arbeitskräfte. Und die Tragweite dieses Mißverhältnisses zeigt sich erst in ihrer vollen Bedeutung, wenn man die Durchschnittslöhne dieser Arbeiter vergleicht. Dieselben betrugen nämlich für den männlichen Arbeiter Fr. 4. 46, für den weiblichen Fr. 2,20, d. h. noch nicht einmal die Hälfte der Erstern, pro Tag. So produzirt der heutige Klassenstaat. Dant seiner Organisation zieht er die billigsten Arbeitskräfte an sich, Dank seines Einflusses drückt er ihre Bezahlung noch mehr herab und bewirkt so durch sein Beispiel eine allgemeine Verschlechterung der Lebenshaltung der Arbeiter. Der Klassenstaat ist der Ausbeuter par excellence.

Die Demonstration bei der Abfahrt des lezten Schubs" der Berliner Ausgewiesenen soll von der Polizei zu einem großen Auf­ruhrprozeß ausgenügt werden. Ausgenutzt? Der Ausdrud paßt wohl nicht; denn nicht die Polizei, die Sozialdemokratie ist es, der dieser Prozeß nützen wird. Unsere Berliner Genossen, deren Muth und Ausdauer so erprobt sind, werden natürlich nicht in den Fehler ver­fallen, sich auf die Defensive( Vertheidigung) zu verlegen. Sie wer­den den Nachweis liefern, daß das Sozialistengesetz unsere Partei gewalt­sam von dem Boden des Gesetzes abdrängt, daß es eine steigende Erbit­terung in den Gemüthern der Arbeiter erzeugt, daß die Sozialdemokraten, wenn sie auch den Herren Bismard und Konsorten nicht den Gefallen thun werden, einen Putsch zu machen, doch keine Hammel sind, die fich von den Polizeibütteln nach deren Belieben mißhandeln lassen, und daß die Szenen bei der neulichen Demonstration nur ein sanftes Vorspiel dessen sind, was da kommen muß, wenn die systematische Aufreizung, und Verhegung seitens der Polizei weiter getrieben wird. Eine solche Sprache, abgesehen davon, daß sie die einzig würdige ist, dürfte denn doch dem einen oder anderen unserer Gegner zu denken geben.

Unter den gefangenen Sozialdemokraten, welche des Aufruhrs angeklagt find, befindet sich auch eine Frau, Frau Hertel, die mit ihrem ausgewiesenen Mann zum Abschied noch ein paar Worte reden wollte und für dieses Verbrechen von den Polizeischergen auf's Scheußlichste mißhandelt ward.

Die schmählich mißhandelte Frau wegen Aufruhr verfolgt, weil sie sich an den durch einen brutalen Willkürakt von ihr geriffenen Gatten frampshaft anklammert das hatte noch gefehlt, um das Gebäude Bismarckischer Reich sinfamie zu krönen!

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- Loges appellirt nicht! Aus Hannover schreibt man uns: ,, Leider wird auch der zweite Prozeß unseres Genossen Log es nicht vor das Reichsgericht kommen. Loges ist so sehr von der Erfolglosigkeit der Revision überzeugt, daß er sich geweigert hat, seinem Rechtsanwalt die nöthigen Vollmachten zu geben. Es ist dies entschieden zu bedauern. Der Prozeß mit Allem, was drum und dran hängt, war so monströs, daß eine gründliche Beleuchtung desselben unzweifelhaft ebenso nützlich als interessant gewesen wäre. Nicht etwa nüßlich im Sinne einer Aufhebung des Erkenntnisses. An eine solche glaubte ich so wenig wie Loges, aber es wäre doch gut gewesen, die Reichsanwälte gegen selber funttioniten the bett demonstriren zu lassen. Außer in Fällen, wo die Revision oder Berufung dem Verurtheilten positive Nachtheile bringt, z. B.( verlängerte Haft) oder wo die Sache an sich zu unbedeutend ist, soll meiner Ansicht nach unter allen Umständen von den letzten Rechtsmitteln Gebrauch gemacht werden. Es hat dies den doppelten Vortheil, daß es die Erbärmlichkeit unseres Justizwesens zu vollkommener Klarheit und Anschaulichkeit bringt; und daß es unseren Feinden den Einwand abschneidet, wir hätten den In­ftanzenweg zu beschreiten versäumt und es also nur uns selber zuzuschreiben, wenn das von uns für ungerecht gehaltene Urtheil rechtskräftig geworden sei. Aus diesen rein praktischen, propagan­distischen Gründen bedauere ich den Entschluß unseres Genossen Loges."

Wir auch.

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Aus Leipzig , den 22. Juli schreibt man uns: Das Bor 8- dorfer Fäßchen Bier läßt unsere heilige Hermandad immer noch nicht schlafen. Sie schnüffelt fortwährend herum, und bei verschiedenen Gelegen heiten haben die Schnüffler geäußert, wer nach Borsdorf gehe, werde ausgewiesen werden! Schöne Zustände das! Also nicht zu­frieden damit, ehrliche Staatsbürger aus ihrem Heim und ihrer Existenz zu treiben, thut man sie förmlich in den Bann und droht Jedem, der mit ihnen verkehrt, das gleiche Schicksal an. Und da behauptet man, die zivilifirte Gegenwart sei wunders erhaben über die Barbarei des Mittel­alters mit seiner Acht und seinem Bann. Als ob die heutige Gesellschaft um ein Haar breit ihren prinzipiellen Bekämpfern gegenüber toleranter und humaner wäre!

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Die letzten Berliner Ausgewiesenen können von dieser Toleranz und Humanität erzählen! Der Sozialdemokrat" wird durch direkte Berichte und durch den in Berliner Blättern veröffentlichten Brief der Genossen Sendig und Malchert erfahren haben, wie unsere geächteten Ge­noffen, welche Arbeit bekommen hatten, wiederum auf's Pflaster gesetzt worden sind, sobald es Dank den Denunziationen der Polizei bekannt wurde, wer sie waren. Und die Redaktion des " Sozialdemokrat" wird den dunklen Ehrenmännern, die bei dieser schuf­tigen Privatmaßregelung hervorragend thätig waren, vor Allen dem p. p. Lenz in Düsseldorf, sicherlich einen passenden Platz im Ver­brecher Album nicht vorenthalten. Ich bin wahrhaftig ein entschie­dener Gegner der Prügelstrafe, wenn aber ein Bursche wie dieser Lenz, der freiwillig, aus reiner Niedertracht und Bestialität, die Menschen­i agd betreibt und obendrein seine Opfer durch infame Anerbietungen noch beschmutzt wenn ein solcher Bursche einmal( und meinetwegen auch mehreremale) windelweich geprügelt und zum Schluß mit ein paar

Emanzipationskampf des Proletariats eines seiner wirkungsvollsten Fat­toren berauben.-

guten Fußtritten regalirt würde, so hätte ich gegen eine solche vorläufige| bezw. es von der Liste der Arbeiterforderungen streichen, heißt den Abschlagszahlung nichts einzuwenden. Und wohl kein anständiger Mensch! Pfui über dieses Gesindel! Verglichen mit derartigen Subjekten find die regulären Polizisten, die auf Kommando die Jagd gegen uns betreiben, hochachtungswerthe Menschen!

Mit unserem Polizei- Richter scheine ich Recht gehabt zu haben. Der Mann ist in Bad Ems, und sein körperlicher und geistiger Gesund­heitszustand wird als fast hoffnungslos geschildert. Nun möge sich das Schicksal an ihm erfüllen! Er war der Erste nicht und wird wohl auch nicht der Letzte sein!

Apitsch und Lauschke sind, nachdem sie ihre Strafe( für das Verbrechen, menschlich gewesen zu sein) richtig ,, verbüßt", aus Leipzig und dem übrigen im Rayon des Kleinen" befindlichen Gebiet, abge­schubt" worden. Glückliches Leipzig! Glückliches Deutschland!

Ein entlarvter Schurke. Aus München wird uns geschrieben, daß sich der in der Korrespondenz in Nr. 31 des Sozial­demokrat" angedeutete Verdacht bewahrheitet hat. Der Denunziant, der 18 unserer Genossen auf Monate hinaus in's Gefängniß geliefert hat, ist ein Verräther aus den Reihen der Arbeiter selbst. Er heißt Wilke und ist Spenglergehilfe.

Da ihm in München der Boden unter den Füßen etwas sehr heiß geworden ist, so dürfte Wilke im Augenblicke, da wir dies niederschreiben, die Stadt an der Jsar bereits verlassen haben. Die Genossen seien daher auf diesen Burschen aufmerksam gemacht.

Nähere Angaben folgen demnächst.

Ob sie wohl endlich klug werden? Vor einigen Wochen meldeten die deutschen Blätter, daß zwei wichtige sozialdemo­kratische" Emissäre von der Polizei abgefaßt worden seien; der eine in Darmstadt, der andere in Frankfurt a. M. Bei Beiden habe man Rezepte zu Sprengstoffen und ähnliche fürchterliche Sachen, in den Kleidern eingenäht, vorgefunden.

Der in Darmstadt Verhaftete reiste, wie wir f. 3. berichteten, unter dem Namen Jean Fischer. Er hatte sich in Darmstadt an einen ihm von seinen Londoner Freunden bezeichneten Vertrauensmann" gewendet, welcher zuverlässige" Adressat ihn sofort der Polizei in die Hände lieferte. Jean Fischer heißt in Wirklichkeit Otto Ringke, ist Schloffer, leiden­schaftlicher Anarchist und, soviel wir wissen, ein durchaus ehrlicher Mensch. Er ist der Genialität der Musterverschwörer in London zum Opfer gefallen.

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Anders liegt die Sache bei dem zweiten Emissär, einem gewissen Balthasar Grün. Dieser wird heute von der französischen Polizei als der Mörder einer Prostituirten, Namens Celine Renour, reklamirt. Mit einem wahren Triumphgeschrei fährt die deutsche und französische Ordnungs­presse über diesen Fall her, daß ein hervorragender" deutscher Sozialist als ganz gemeiner Mörder sich herausgestellt habe.

Was es mit diesem Grün auf sich hat, zeigt nachstehende, an die Er­flärung unserer Pariser Genossen( Vgl. unsere Korrespondenz) angefügte Note des Citoyen".

,, Vor zwei Jahren wurde ein höherer Beamter der deutschen Polizei von deutschen Sozialisten gezüchtigt( wahrscheinlich ist die Affäre Lehmann gemeint. d. Red.), welche ihm bei dieser Gelegenheit seine Papiere entrissen, und auf der Liste der geheimen Agenten befand sich der Name Grün." Das sonstige Räsonnement des" Citoyen" betrifft die französische Polizei und geht uns hier nichts an. Für uns ist nur soviel interessant, daß der eine der Emissäre einem Polizeiagenten in die Hände spedirt wird, während der andere, vorausgesetzt, daß die Notiz des Citoyen" sich als richtig erweist, selbst ein Polizeiagent ist.

Erinnert das nicht an das berühmte Komplott im Sommer 1880, Neumännlichen Angedenkens? wo sich auch einer der Hauptein­geweihten, der besagte Neumann, der sich beiläufig noch heute wohlbehalten in London seines Lebens freut, als Spigel herausstellte?

Durch Schaden wird man flug, sagt das Sprichwort. Es ist zwar eines derjenigen, welches am häufigsten Lügen gestraft wird, nichtsdesto­weniger sei es uns gestattet, unsere obige Frage zu wiederholen: Ob sie wohl endlich klug werden?!

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-Oesterreich. Die Thatsache, daß die längst vorhandene Spaltung unter den Wiener Sozialisten jetzt offen zum Ausbruch gekommen ist, kann von jedem Freunde der Arbeitersache so traurig diese Spaltung an sich ja ist nur mit Frenden begrüßt werden. Denn ein offener Kampf ist immer besser als ein hinter den Koulissen geführter. Im letzteren wird Der Meister bleiben, der am frechsten zu lügen und zu verläumden versteht, im ersteren aber heißt es mit Gründen, mit Be­ob frither oder später weisen auftreten, so daß die Wahrheit schließlich stegen muß.

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Die Ursachen der Spaltung sind unseren Lesern im Allgemeinen bereits bekannt. Die Hezzereien der Londoner Sozialrevolutionäre" haben bei vielen mit den Verhältnissen in Deutschland nur oberflächlich bekannten Wiener Sozialisten Glauben gefunden, namentlich da die Wiener Zu­funft", von uns wohl bekannter Seite beeinflußt, denselben jeden Vorschub leistete. Mit ihren Londoner Freunden sind denn auch die Macher der " Zukunft" nebst Anhang allmälig in's anarchistische Lager übergelaufen, während die Provinz, sowie ein großer Theil der Wiener Arbeiter am alten sozialistischen Programm festhielten. Die Letzteren gründeten im im vorigen Jahre ein neues Organ, Die Wahrheit", deren Abonnenten­stand erfreulicherweise stetig wächst.

Die gehäffigen Angriffe der Zukunft" auf die deutsche Sozialdemo­kratie hatten schon vor nahezu 2 Jahren Genosse S. Boliger veran­laßt, seine Thätigkeit für dieses Blatt, welches bisher als das Partei­organ der österreichischen Sozialdemokratie galt, einzustellen. Später nahm Genosse Emil Kaler Reinthal die Stelle als Hauptarbeiter der Zukunft" an, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die Angriffe gegen unsere Partei unterblieben, indeß dauerte dieses Verhält­niß nur zwei Monate, wie aus folgender Erklärung, die wir in der neuesten Nummer der Wahrheit" finden, hervorgeht:

" Barteigenossen! Da ich seit Mitte August vor. Jahres nominell als Chefredakteur der in Wien erscheinenden Zukunft" gelte, sehe ich mich in Folge der neuesten Haltung des genannten Blattes zu folgender Er­flärung gezwungen:

Ich stehe bereits seit meiner, Anfangs September v. J. stattgefundenen letzten Verhaftung mit der Zukunft" in keinerlei Verbindung und bin daher an der in derselben vorgenommenen Schwenkung in das anarchistische Lager in keiner Weise betheiligt.

,, Da ich ferner auch zu jenen Personen gerechnet wurde, welchen die Verantwortung für die prinzipielle und taktische Haltung der Zukunft" der Partei gegenüber übertragen wurde, so erkläre ich, daß ich mich hie­mit in aller Form von Jenen lossage, denen die Partei den Schutz und die Pflege der Organisation anvertraute, die aber, das Vertrauen der Genossen mißachtend, eigenmächtig Veränderungen des Parteiprogramms nicht blos zulassen, sondern sogar selbst fördern und an der systematischen Zerstörung der Parteiorganisation sich betheiligen. Mit brüderlichem Gruß!

Graz, am 25. Juli 1882. Emil Kaler Reinthal." Diese Erklärung wird ihre Wirkung nicht verfehlen. Farbe bekennen ist jetzt auch in Oesterreich die Losung, und wenn man sie zwingt, ihr zweideutiges Spiel aufzugeben, dann ist es mit dem Haupttrumpf der Anarchisten vorbei.

Jm Uebrigen wird der von den Brünner Genossen einberufene all­gemeine Arbeitertag zeigen, wie wenig populär die von den Anarchisten ausgegebene Parole: Nieder mit dem allgemeinen Wahlrecht!" in der österreichischen Arbeiterschaft ist. Das Wahlrecht ist ein gutes Recht des Arbeiters, und aus vermeintlichem Revolutionarismus darauf verzichten,

Wenn wir nun auch die Anarchisten in Oesterreich bekämpfen, so müssen wir doch gestehen, daß wir es begreifen, wie man in diesem Lande der Korruption und Niedertracht zum Anarchisten werden kann. So infam, so hundsföttisch wie die habsburgische Polizei und Bureau­fratie gegen die Arbeiter und vorzüglich gegen die Arbeiterpresse vor­gehen, das übersteigt in der That alle Begriffe. Feige und tückisch werden unter dem Deckmantel der Ehrbarkeit und Gesetzlichkeit die schändlichsten Attentate auf Recht und Gerechtigkeit verübt, und kein Hahn kräht darnach, denn es handelt sich ja nur um die recht- und ein­flußlosen Arbeiter! In Deutschland müssen die herrschenden Parteien wenigstens alle drei Jahre um die Gunst der Arbeiter buhlen, und wenn fie dieselben auch belügen und betrügen, so sind sie doch wider Willen gezwungen, den Arbeitern selbst klar zu machen, daß sie ein kräftiges Wort hineinzureden haben in den Gang der Dinge, in Desterreich aber kümmert sich kein Teufel darum, was die Arbeiter denken. Von Zeit zu Zeit gibt die Regierung ihnen ein wenig mehr Spielraum, um die jeweilige parlamentarische Opposition einzuschüchtern, das allgemeine Stimmrecht kehrt als Schreckmittel seine drohende Gestalt nur gegen die Minoritäten in der Gesetzgebung, nicht aber wie in Deutschland als reeler Faktor gegen die Majoritäten. Die anarchistischen Elemente unter den Arbeitern aber verzehren ihre Kraft in Kämpfen untereinander ohne zeitweise Ermunterung durch Wahl- 2c. Erfolge.

Prozesse folgen auf Prozesse; namentlich in Böhmen, wo die Arbeiter der Völkerverhetzungspolitik des Grafen Taafe einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Die Verurtheilungen unserer czechischen Genoffen sind kaum mehr zu registriren, so unerhört brutal rächt das Taafe'sche Richterpack an ihnen das Verbrechen, der jung- und altczechischen Agita­tion Widerstand zu leisten, und in Deutschböhmen wird das entgegengesezte Vergehen, Widerstand gegen die Deutschthümelei, mit Verhaftungen, Kon­fiszirungen 2c. geftraft. Die jüngste Nummer des Reichenberger ,, Arbeiter­freund" ist nicht nur wie üblich konfiszirt worden; durch Verhaftung der Herausgeber und Redakteure, sowie durch Beschlagnahme der Geschäfts­bücher 2c. hat man auch die Herausgabe einer zweiten Auflage unmöglich gemacht, so daß unser waderes Bruderorgan diesmal gar nicht erscheinen

fonnte.

Es ist wirklich kein Wunder, wenn Viele dieser Schandwirthschaft gegenüber die Geduld verlieren. Leider ist es aber mit dem Geduld­verlieren allein nicht gethan.

Schweiz. Die Volksabstimmung vom 30. Juli, in welcher das Schweizervolt mit erdrückender Mehrheit( 254,000 gegen 68,000 Stimmen) das eidgenössische Seuchen- und Epidemiengesetz( Impfzwang) verwarf, ist von vielen Bewunderern der Theorie vom beschränkten Unterthanen­verstand als ein Beweis dafür ausgespielt worden, daß die direkte Volks­gesetzgebung nur die Herrschaft des Unverstandes befördere. Diese Be­hauptung ist mehr wie lächerlich, sie ist geradezu kindisch.

Erstens bedeutet die Verwerfung des Gesetzes durchaus keine gegen die Wissenschaft gerichtete Stellungnahme des Volkes. Das Volk wollte sich nur nicht eine angeblich fanitäre Maßregel zwangsweise auferlegen, über deren Nutzen, bezw. deren Schadlosigkeit, die Männer der Wissen­schaft selbst noch nicht einig sind. Namentlich richtete sich die Stellung des Volkes gegen die hohen Strafen, und ganz besonders gegen die Freiheitsstrafen, mit denen die Nichtbefolgung des Impfzwanges bedroht wurde. Das Schweizervolk nimmt die Entziehung der persönlichen Freiheit nicht so leicht wie gewisse Leute meinen.

Dann aber hat gerade die ländliche Bevölkerung, indem sie das Gesetz verwarf, einen hohen Grad von politischer Reise an den Tag gelegt. Das mit dem Epidemiengesetz verbunden zur Abstimmung gelangte Seuchen­gesetz war für sie sehr vortheilhaft; die Impffreunde hatten ja gerade gehofft, daß infolge dieser Verquidung der unpopuläre Jmpfzwang durch­gehen werde. Indem die schweizerischen Bauern aber den grobmateriellen Vortheil gegen eine Prinzipienfrage hintenanstellten, haben sie selbst wenn sie in der Impffrage irrten gezeigt, daß Diejenigen unverständig waren, welche auf ihren Eigennutz rechneten.

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Drittens, wenn die Verwerfung des Impfzwangs wirklich eine Schä­was aber von vielen digung der Gesundheitspflege in sich begriffe Fachleuten bestritten wird, so träfe diese Schuld nicht die Einrichtung der direkten Voltsgesetzgebung eine der schönsten Errungenschaften sondern diejenigen unter den Impf­der schweizerischen Demokratie freunden, insbesondere unter den Aerzten, welche nicht dafür gesorgt haben, daß das Volk über den Nutzen und die Nothwendigkeit des Jmpfzwanges besser belehrt wurde. Die Volksgesetzgebung macht gerade die unermüd­liche Volksbelehrung zur Ehrenpflicht für Jeden, der sich für einsichtig hält. Ein in letzter Stunde ausgegebenes Flugblatt genügt da nicht. Aber gerade die Herren Gelehrten ziehen es mit wenigen Ausnahmen vor, auf das Volk und die Volksgesetzgebung zu schimpfen anstatt ihrer Pflicht nach dieser Richtung Genüge zu leisten. Und doch ist es Nie­mandem leichter, auf das Volk einzuwirken als gerade den Aerzten.

Wir lassen die Frage über den Werth oder Unwerth des Jmpfzwanges ganz bei Seite, weil wir sie nicht als eine Parteisache betrachten können. Man mag vielmehr über dieselbe denken wie man will, kein Freund der direkten Volksgesetzgebung die ja auch nicht über alle Unzuträglich­teiten erhaben ist braucht sich des 30. Juli zu schämen.

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Einen schönen Zug echt demokratischer Gesinnung, wie sie gerade bei dem schweizerischen Landvolk zu finden ist, wollen wir zur Erbau­ung unserer Leser bei dieser Gelegenheit nachtragen. Als kürzlich in Langwies, einem Dorfe im Schanfiggerthal( Kanton Graubünden) die allgemeine Gewerkschaft von Chur und der Arbeiterverein Frohsinn von Davos zusammenkamen und das Beisammensein durch Abhaltung einer Versammlung feiern wollten, da räumten ihnen die Bauern von Langwies bereitwillig ihre Kirche zur Abhaltung der Versammlung ein, nahmen selbst an derselben Theil und hielten mit ihrem Beifall nicht zurück, als der Redner des Tages, Genosse Seubert von Winterthur, in seiner martigen Weise die Grundsätze der Sozialdemokratie klarlegte. Man denke, in einer Kirche! Das Reich der Gottesfurcht und from­men Sitte würde zusammenbrechen, wenn so etwas in seinem Bereiche vorkäme. Welcher Gräuel vor dem Herrn!

Zu unserer jüngsten Notiz über die Fortschritte der Organisation der deutschen Sozialisten in der Schweiz haben wir noch die erfreuliche Mit­theilung nachzutragen, daß nunmehr auch in Bern eine Anzahl sozia­listischer Arbeiter sich dem Gros der deutschen Sozialdemokraten an­geschlossen haben.

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Belgien. Die meisten Leser des Sozialdemokrat" werden bereits durch die Tagespresse von dem schrecklichen Schlag unterrichtet sein, der unsere Partei in Brüssel betroffen. Unser Freund und Genoffe De Paepe, der unermüdliche Vorkämpfer der Volkssache, der wegen seiner aufopfernden und selbstlosen Hingabe an seinen Beruf allbeliebte Arzt, hat auf seinen langjährigen Freund und Mitkämpfer Arthur Duverger drei Revolverschüsse abgegeben, die den Letztern schwer, vielleicht lebensgefährlich verlegten. Die Motive dieser verzweifelten That find noch nicht bekannt, doch vermuthet man, daß Duverger hinter De Baepe's Rücken ein Verhältniß mit dessen Frau unterhielt. Duverger selbst verweigert jede Auskunft und verweist auf die Aussagen, welche De Paepe machen wird. Wenngleich die Presse aller Parteien in Brüssel die Angelegenheit in einer unserm Freunde durchaus sympathischer Weise bespricht, so steht doch leider zu befürchten, daß die thätige Kraft De Paepe's den belgischen Genossen, die derselben so sehr bedürfen, jetzt auf längere Zeit entzogen bleiben wird.

Unser vlämisches Bruderorgan, die, Toekomst", schreibt zu der Schreckens. nachricht: