sollte, um den obengenannten Verdienst zu erschwingen, so stellt er seine Frau und Kinder mit ein, und man kann da öfters sehen, wie 10-12jährige Kinder, auch noch jüngere, gar tüchtig mit drehen müssen, was auf das Wachsthum und die Gesundheit derselben sicherlich von größtem Nachtheile ist.

Die Waarenvermittelung an die Kaufleute es werden hier ausnahmslos Strümpfe gefertigt liegt in der Hand von einigen dreißig Faktoren- ein Umstand, der nur dazu beitragen kann, die Löhne herabzudrücken, denn jeder Faktor will viel Aufträge haben, um sein Geschäft möglichst groß zu betreiben, und der Kaufmann gibt natürlich zuerst dem seine Aufträge, der sie ihm am billigsten ausführt. Jedoch stehen sich die Strumpfwirker an den Orten, wo es nur wenige oder nur einen Faktor gibt, auch nicht besser; denn dieser Eine sucht dann seine Arbeiter in eine mehr oder minder abhängige Lage zu bringen und läßt den entsprechenden Mehrverdienst in seine Tasche wandern. Ein befferer Erfolg ließe sich nur erzielen, wenn die Meister in Masse zu sammenträten und ihre Waaren selber an die Kaufleute beförderten; in unserem Orte ließe sich das leicht bewerkstelligen.

Außer der Hausindustrie gibt es hier noch mehrere Fabriken ( Strumpffabriken) mit Dampf- oder Wasserbetrieb, welche zusammen auch einige hundert Arbeiter oder Arbeiterinnen beschäftigen. Die Lage der Fabritarbeiter wird so ziemlich die Waage halten mit der der Kleinmeister, dafern sie ja lange nicht die Auslagen haben wie die Letztern und auch ihre Arbeit eine leichtere ist, nur daß sie mehr gebunden find. ( Wir bitten unseren Korrespondenten um genaue Angaben der Lohn­verhältnisse der Fabrikarbeiter. Red. d. Sozialdem.)

Noch eine dritte Kategorie von Arbeitern darf nicht unerwähnt bleiben, welche der eigentlichen Hausindustrie mit angehören. Es sind dies die auf Handstühlen arbeitenden Gesellen. Diese stehen sich am schlechtesten. Wenn sie nicht fast alle unverheirathet wären, könnten sie auch bei den bescheidensten Ansprüchen nicht auskommen. Der höchste Verdienst bei ihnen ist 8-9 Mart.

Dies über die Arbeitsverhältnisse hiesigen Orts. Der Leser wird aus Vorstehendem die Konsequenz ziehen, daß auch die Strumpfwirkerei immer mehr der Maschinen resp. Fabrikindustrie zutreibt, daß also auch hier die Zunftsapostel mit ihren Marimen etwas zu spät kommen.

Auch von der Wirthschaftspolitik des Fürsten Bismarck kann sich der Arbeiter schon deshalb nicht viel versprechen, weil seine Waaren meistens in das Ausland kommen, mithin für ihn kein Schutzzoll gemacht werden kann. Er hat daher vom Schutzzoll nur den Nachtheil, daß er seine zu Kleidung und Nahrung unentbehrlichen Bedürfnisse the uerer be­zahlen muß. A. Z.

( Wir bitten unsern Korrespondenten um weitere Zusendungen. Bei der großen Wichtigkeit solcher Mittheilungen drücken wir den lebhaften Wunsch aus, daß uns aus allen Theilen Deutschlands über die Arbeitsverhältnisse wahrheitsgetreue Berichte aus Arbeiter­treisen zugehen mögen. Die Redaktion des Sozialdem.")

Das Recht und die Majorität.

Wir haben schon des Deftern nachgewiesen, daß es in der kapitalistischen Gesellschaft keine Gerechtigkeit gibt, noch geben kann, weil die Grund­bedingung alles Rechts, die Gleichheit der Bürger, fehlt. Wenn wir also die Ungerechtigkeit der Zustände und Einrichtungen in Bezug auf den Einzelnen schon als bekannt voraussetzen dürfen, so wollen wir heute die Gesetzgebung selbst oder das Recht der Majoritäten näher untersuchen. In despotisch regierten Ländern, z. B. in Rußland , in der Türkei oder in China u. s. w. regiert ein Einzelner, der Herrscher, und die Masse muß sich beugen, sie wird vergewaltigt. Ein solches System ist unter denkenden Menschen ohne Diskussion zu verurtheilen. In den modernen konstitutionellen Monarchien ist die Berechtigung, Gesetze zu erlassen, zwischen dem Monarchen und der wählbaren Volks­vertretung getheilt. Die meisten Fürsten haben sich jedoch zum Zwecke der Schwächung der Bolksvertretungskörper noch eine erste Kammer, Herrenhaus, Senat, Oberhaus, oder wie sie die Schlinge, welche der Volksvertretung gelegt wird, auch nennen mögen, beigelegt. Die Volks­vertreter der konstitutionellen Staaten gehen aus Wahlen hervor, die Wahlberechtigung der Bürger ist aber in den meisten Fällen noch ge­wissen Beschränkungen wie bei uns unterworfen, so daß die große Masse des Volts selbst noch von der Ausübung dieses unter solchen Umständen praktisch fast ganz unbedeutenden Rechtes ausgeschlossen bleibt.

-

Die überwiegende Mehrheit des Volkes muß sich also wehrlos den Kompromiß- Diktaten der aus Minderheitswahlen hervorgegangenen Volksvertreter mit dem Monarchen unterwerfen. Daß auch ein solches System sehr weit davon entfernt ist, gerecht zu sein, ist einleuchtend. Nun gibt es im Gegensatz zur absoluten und konstitutionellen Regierungsform noch eine dritte Regierungsform, nämlich die republikanische. In der Republik gibt es keine übernatürliche Weisheit, keine historischen Privi­legien und keine besondere Vorsehung mehr. In der Republik wird das ganze Volk zur Wahl der Gesetzgeber herbeigezogen; in der Republik herrscht angeblich das Volk selbst und zwar ausschließlich. Die Republik , so mird behauptet, ist daher unter allen Umständen befähigt, Gerechtigkeit zu üben. Diesen Satz bestreiten wir. Die Republik ist nur unter ge= wiffen Bedingungen befähigt, Gerechtigkeit walten zu lassen, nicht aber unter allen Umständen.

Wir behaupten sogar, daß es bisher noch keine Republik gegeben hat und daß es auch gegenwärtig feine einzige Republik gibt, in der Gerech­tigkeit geübt wird. Wir behaupten ferner, daß es unter dem System des Kapitalismus auch beim besten Willen nicht möglich ist, selbst bei der gewissenhaftesten Beobachtung der Wünsche der Majorität, Gerechtig feit zu üben, sondern daß die Herrschaft des Rechtsstaates erst unter der Periode des Sozialismus etablirt werden kann. Wir können trotz dieser unserer Behauptung ruhig zugeben, daß es Republiken gibt, in denen unbestritten die Majorität der Bürger herrscht. Wir wollen sogar noch darüber hinausgehen und sagen: In den Vereinigten Staaten von Nord- Amerika entsprechen die Gesetze den Willen der Majorität der Bürger. Dieser Satz tann zwar mit vielen und guten Gründen bestritten werden aber wir wollen ihn hier als zutreffend gelten laffen, denn er hebt unsere Behauptung, daß es in der kapitalistischen Gesell­schaft keine Gerechtigkeit gibt, durchaus nicht auf. Mit anderen Worten würde dies freilich heißen: Trotzdem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika die Majorität des Volkes die Gesetze macht, gibt es dennoch teine Gerechtigkeit, denn die Majoritätsherrschaft ist noch lange keine Rechtsherrschaft. Majorität und Recht sind also sehr verschiedene Dinge. Es ist das jedenfalls ein schwieriger Standpunkt, besonders nachdem wir die Alleinherrschaft des Despotismus verurtheilt und die Minoritäts­herrschaft des Konstitutionalismus verworfen haben.

Die Einzelherrschaft ist unvernünftig und brutal, die Minoritätsherrschaft ist ungerecht und verwerflich und die Majoritätsherrschaft, wie wir sie in den heutigen Klassenstaaten, vulgo Republiken, antreffen, ist gleichfalls einfache Gewaltspolitik. Aber, so wird man sagen, dann gibt es ja überhaupt nirgends Gerechtigkeit, und andererseits taucht die Frage auf: wie ist es denn überhaupt möglich, Gerechtigkeit zu üben, wenn der Willensausdruck der Majorität nicht als Gerechtigkeit gelten soll? Darauf hätten wir zu antworten: Leider gibt es bekanntlich kein Recht, denn die Boraussetzung allen Rechtes ist die Gleichheit der Individuen. Auf die Frage: wie kann man Gerechtigkeit üben, wenn selbst der Willensausdruck der Majorität nicht als Gerechtigkeit gelten soll, antworten wir: Die Majoritätsherrschaft ist so lange eine reine Gewaltherrschaft, wie nicht ein gauzes Volt in allen seinen Individuen zur vollen Unabhängigkeit gelangt ist, und so lange nicht alle seine gleichmäßig unabhängigen Bürger auch auf gleicher Bildungsstufe stehen und der Kampf um's Dasein inner­

halb der Volksgemeinschaft aufgehört. Der Kampf um's Dasein besteht nur unter Ungleichen.

Der Kampf um's Dasein ist der Ausfluß der Bethätigung der Sonder­intereffen. Der Kampf um's Dasein ist eben ein Kampf, und in jedem Kampfe entscheidet Lift oder Gewalt. Lift und Gewalt find aber noch lange tein Recht. Die menschliche Rasse wird zwar fortwährend den Kampf um's Dasein tämpfen müssen, aber doch nicht gegen die eigenen Raffengenossen, sondern nur gegen die Naturgewalten und gegen die der menschlichen Raffe feindlichen Lebewesen oder gegen die den Menschen unangenehm oder seine Wohlfahrt störenden natürlichen Hindernisse.

Die Menschen als solche haben vernünftiger Weise gemeinsame Jntereffen und Allen gemeinsame Rechte. Diese müssen also auch gemeinsam erstrebt werden. Gerade die Eroberung der höchsten Wohlfahrt der menschlichen Raffe im Kampfe mit der Natur und den nicht menschlichen Lebewesen und das Prinzip der vollständigen Gleichberechtigung Aller muß früher oder später eine Harmonie aller dieser Gleichberechtigten, dieser Gleich­interesfirten herbeiführen. Damit hört der Kampf der Menschen unter­einander und damit der Kampf um's Dasein innerhalb der Menschenwelt auf. Das Prinzip der Gleichberechtigung führt zur Gemeinsamkeit der Interessen und diese führen zur Harmonie, tie Harmonie aber liegt in der Gleichheit, und in der Gleichheit liegt das Recht.

Wenn alle Menschen vollständig rationell gebildet werden, wird auch, weil Alle gleiche Interessen mit gleicher Intelligenz verfolgen, die Majoritätsherrschaft im Großen und Ganzen eine Rechtsherrschaft sein. Heute hingegen, wo auf der ganzen Linie der Kampf um's Dasein tobt, wo also Jeder Sonderinteressen hat und die Bildung der Bürger die denkbar ungleichste ist, wird das Recht der Masse durch die Lift der ge­bildeten Minderheit und durch die Dummheit der Majorität selbst in den meisten Fällen zu Gunsten der liftigen und privilegirten Minderheit ver­gewaltigt. Nur im Klassenstaat, also auch in den heutigen Republiken, ist die Majoritätsherrschaft keine Rechtsherrschaft, weil die Interessen­harmonie und die Bildungsgleichheit fehlt.

Nur in einer Gesellschaft von Gleichen wird das Recht zur Herrschaft gelangen, aber die Gleichheit kann erst durch den Sozialismus ermöglicht, resp. herbeigeführt werden. Schafft daher die Gleichheit, und Ihr bringt das Recht zur Herrschaft. Chicagoer Vorbote".

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 30. August 1882. Unsern Todten. Die vorliegende Nummer erscheint am Todestage unseres fühnen Vorfämpfers Ferdinand Lassalle . Die deutsche Sozialdemokratie hat es seit Jahren für ihre Pflicht gehalten, an diesem Tage nicht nur ihres zu früh dahingeschiedenen großen Agita­tors zu gedenken, sondern überhaupt aller Vorkämpfer der Sache des arbeitenden Volkes, welche der Tod aus unsern Reihen geriffen.

Das verflossene Jahr hat die Zahl derselben leider unverhältnißmäßig erhöht, eine Reihe tüchtiger braver Mitstreiter sind den Strapazen er­legen, welche infolge der brutalen Handhabung des infamen Sozialisten­gesetzes auf sie hereinbrachen. Wir haben nicht nur Verluste zu beklagen, wir haben auch Verluste zu rächen.

Wir gedenken heute dieser Todten, wir gedenken Ferdinand Las­falle, wir gedenken unseres Geib, unseres Bracke, unseres Rein­ders, sowie der vielen ungenannten Gefallenen im Streite, wir ge­denken aber auch der Anlauf, der Lange und der übrigen Opfer der Verfolgungswuth unserer Gegner, und wir geloben uns, in ihrem Sinne raftlos fortzuarbeiten, unermüdlich thätig zu sein, bis das Ziel ihres Strebens erreicht ist, bis der Tag der Befreiung des Volkes, der Tag der Sithne gekommen sein wird.

Ju Bourgeois- und sonstigen reattionären Blättern treibt sich ein Bericht über angebliche Verhandlungen der Stöder und Konsorten mit sozialdemokratischen Führern" herum, und zwar Ver­handlungen, die vor einigen Wochen stattgehabt hätten. Alles, was der Bericht enthält, ist von A bis 3 erlogen. Abgesehen von den bekannten Verhandlungs versuchen, die Herr Stöcker und Kon­sorten bei den vorjährigen Stichwahlen machten, und die zu der im ,, Sozialdemokrat" veröffentlichten Erklärung Bebel's und Lieb­ knecht's führten, ist nichts vorgekommen, was zu einer derartigen Mittheilung berechtigte. Verhandlungen haben nie stattgefunden und können nie stattfinden. Der Fußtritt, den die Herren Stöcker und Konsorten erhielten, wird ihnen die Lust zu ähnlichen Versuchen wohl auch auf immer vertrieben haben. Es gibt Fußtritte, deren Logik selbst einem Stöcker einleuchten muß!

Auch die hier und da auftauchenden Berichte, als beabsichtigten unsere Genossen in einzelnen preußischen Städten in den Wahlkampf zum preußischen Landtage einzutreten, sind mit äußerster Vorsicht aufzunehmen. Uns ist nicht bekannt, daß irgendwo ein dahingehender Beschluß gefaßt worden wäre, und wir könnten auch nur mit aller Entschiedenheit vor einem sochen warnen. Ein selbständiger Wahlerfolg für unsere Partei ist bei dem Dreitlassenwahlgesetz absolut ausgeschloffen, es bliebe also, abgesehen von dem sehr zweifelhaften agitatorischen Nutzen nur das Kom­promißeln mit irgend einer der bürgerlichen Partei übrig, eine sehr ge­fährliche Sache, da der politischen Korruption auf diese Art Thür und Thor geöffnet würde, doppelt gefährlich, weil die Oeffentlichkeit der Be rathungen für unsere Partei ausgeschloffen ist.

iHalten wir also an dem Grundsatz, Wahlenthaltung bei dem Drei­Klaffenwahlsystem, feft. Die grundsätzliche Politik ist noch stets die beste Bolitik gewesen.

Krieg im Frieden. In dem bekannten Moser'schen Lustspiel, welches diesen Titel führt, erscheint das spezifisch preußische Kriegspielen im Frieden sehr amüsant, denn die Zeiten sind ja längst dahin, wo die Schaubühne das Spiegelbild des wirklichen Lebens darstellte. In diesem ist nämlich Krieg im Frieden" nichts weniger als ein Lustspiel. Man lese nur die nachfolgenden Notizen, die wir in einer Nummer der Berliner Volksztg." finden:

Ein hoffnungsvoller junger Mann, der Einjährig­Freiwillige im Garde- Jäger- Bataillon, Paul Schlösser aus Pots­ dam , ist am Montag bei einer Marschübung, die das Bataillon bei Beelitz veranstaltete, vom Hitschlage getroffen worden und war sofort todt. Es wurde an diesem sehr heißen Tage eine Marschübung von Morgens 6 bis Nachmittags 2 Uhr abgehalten. Nach dem schon mehrere Jäger erschlafft waren, trat dieser Zustand auch bei Schlösser ein, der es jedoch nicht über sich ge­winnen konnte, sich krank zu melden, sondern weiter marschirte. Die Anstrengung war jedoch zu groß, denn Schlösser fiel plötzlich um und war todt.

Wir fügen hieran folgende Notiz aus Cöslin , 15. August: Gestern früh rückte von hier das 54. Infanterieregiment nach dem Manöver­Terrain ab. Leider kamen heute schon schlimme Nachrichten über den ersten Marschtag. Heute Morgen wurde der Einjährig Frei­willige Schulz von hier to dt zurückgebracht, in Mocker ist derselbe am Hizschlag verstorben. Von der Musik wurden vier Hautboisten, von den übrigen Mannschaften etwa 50 Füsiliere ohnmächtig, und schließlich mußten die Tornister sämmtlicher Soldaten gefahren

werden."

Welchen Ausgang die Erkrankung der ca. 60 Soldaten genommen, darüber wird nicht berichtet, es ist aber nur zu wahrscheinlich, daß wie gewöhn­lich die Betroffenen Zeit ihres Lebens unter den Folgen dieser Abrackerei zu leiden haben werden. Und ähnliche Nachrichten liegen aus allen Gegenden des glücklichen Milliardenlandes vor.

-

Selbstmorde berüchtigter Sozialistenfresser scheinen in neuerer Zeit auf der Tagesordnung zu stehen. Es wäre eine ganz interessante Arbeit, die Motive, aus denen die edlen Stützen der moralischen Ordnung dieser unmoralischen Welt den Rücken kehren, feft­zustellen. Soweit es in unseren Kräften steht, d. h. soweit die Genossen uns dabei unterstützen, wollen wir unser Theil gern dazu beitragen und die Moralstatistik um eine interessante Rubrik bereichern.

Heute haben wir über den Selbstmord des Kriminalpolizisten Rhein­länder zu berichten, der sich in Mülhausen im Elsaß bei hellem Tag und auf offener Straße erschossen. Es gehen, wie man uns von dort schreibt, die verschiedensten Gerüchte über diesen unsauberen Sozialistenfresser in Mülhausen herum, den Herren" liegt daran, die Wahrheit so viel wie möglich zu vertuschen und schreiben sie deshalb den Vorfall den zer­rütteten Familienverhältnissen des Rh. zu. Es ist dem aber nicht so. Derselbe hat sich erschoffen, weil er ein junges Mädchen genothzüchtigt und deshalb schlimme Strafe in Aussicht hatte. Rheinländer hatte sich bei der Mülhauser Polizei- Affäre im letzten Winter, wobei die 18 Sozialisten verhaftet wurden, am stärksten betheiligt, wie er überhaupt die Sozialisten Mülhausens bis jetzt mit am heftigsten verfolgte. Es sind noch drei von der Sorte hier, schließt unser Korrespondent, die das gleiche Schicksal mit ihrem Vorgänger theilen sollten. Saubere Sipp­schaft das!

Arbeiter Elend. Ein drastisches Gegenstück zu der in Nr. 34 von uns veröffentlichten Liste der Schlesischen Latifundienbesitzer liefert nachstehende Zuschrift, welche die ultramontane Germania " von Arbei­tern aus Oberschlesien erhält. Das genannte Blatt erklärt, daß es die entsetzlichen Details kaum glauben könnte, wenn nicht die Unterschriften der betreffenden Arbeiter und die ausdrückliche Versicherung, daß alle gemachten Angaben auf Wahrheit beruhen, dieselben als glaubhaft er­scheinen ließen." Die Zuschrift selbst lautet:

,, Vor nicht langer Zeit machten 30 bis 40 3intarbeiter in Lipine ,, Strife", weil ihnen der Lohn gekürzt wurde, um die Arbeiterinen beffer zu lohnen, welche auch die Arbeit niederlegen wollten. Die Lage der Arbeiter ist verzweifelt. Ein Hintermann bekommt pro Zentner 24 Pfg. und leistet acht bis neun Zentner, verdient also M. 1.92 bis 2.16. Da muß er aber schon seine Frau oder die Kinder, selbst unter 15, ja 12 Jahren, zu Hilfe nehmen. An einem Ofen arbeiten höchstens zwei Hintermänner, die übrigen verdienen weniger. Am meisten arbeiten Mädchen und Knaben von 15 bis 18 Jahren, je zwei auf eine Schicht. Bald bekommt auch dieses junge Volt krumme Beine und Brustkrant­heiten von zu schwerer Arbeit und von den Zinkausdünstungen. Wenn der Arbeiter eine Schicht in der Woche versäumt, verweigert ihm der Zinkmeister den Vorschuß, schimpft, flucht und haut darauf los. Zerbricht er dabei einen Stock, so holt er sich den zweiten. Geht man zum Hüttenmeister, so bekommt man anstatt Schuß einige Bad­pfeifen oder Stockschläge und wird zur Thüre hinausgeworfen. Es gehen dann die Frauen hin und bitten, man möge den Männern doch Arbeit geben, wenn auch noch so schlecht bezahlte, damit die Fa­milie nicht verhungert. Bei den Kaufleuten gibts feinen Kredit. Es existirt hier ein herrschaftlicher Konsumverein, doch was hilft das? In der einen Stube bekommen wir Geld, in der andern müssen wir es für Waaren be­zahlen und gehen ohne Geld hinaus.( Trucksystem?) Die Frauen jammern, die Kinder weinen, die Männer fluchen. Als keine Vorschüsse gezahlt wurden, machten wir dem Gerichte bekannt, daß wir feine Steuern zahlen könnten; auch verlangten wir von dem Amtsvor steher Armuthsattefte. Der wollte uns aber gar nicht sprechen und zeigte uns die Thüre. Ein Invalide bekommt, wenn er schon so schwach und taput ist, daß er sich nicht kämmen und die Hosen nicht selber anziehen kann, und zehn bis zwölf Jahre gearbeitet hat, sechs bis neun Mark monatlich! Wenn uns kein Glauben geschenkt wird, so bitten wir, daß Se. Majestät der Kaiser selber zu uns herkomme oder einen Rath sende, um sich zu überzeugen, wie elend es mit uns bestellt. Wenn aber ein töniglicher Kommissar sich an die Direktoren und Beamten und nicht an die Arbeiter wendet, so wird er freilich nichts sehen." dug

Und Alles das passirt auf Gruben, deren Besitzer gute tönigs- treue Konservative sind, eifrige Anhänger Bismarcks und der neudeutschen Zoll und Wirthschaftspolitik desselben! Gegen diese Kapitalhyänen von Sr. Majestät dem Kaiser" Schutz zu erwarten, dazu gehören allerdings Arbeiter, welchen durch die Lektüre ultramontaner Blätter der offene Blick abhanden gekommen ist. Und wie es mit der fatholischen Arbeiterfreundlichkeit selbst in letzter Instanz bestellt ist, dafür liefern die unter" Frankreich " berichteten Vorkommnisse in Monceau - les­Mines den besten Beweis. Weder der Kaiser noch der Papst werden den Arbeitern helfen, dieselben haben vielmehr nur einen Ausweg aus ihrem Elend, und das ist die Selbsthilfe. Freilich nicht die Selbst­hilfe à la Schulze- Delitzsch , deren Zwecklosigkeit aus dem obigen Bericht bis zur Evidenz hervorgeht, wohl aber die organisirte Selbsthilfe der Arbeiterklasse, die energische Geltendmachung der Arbeiterforderungen bei jeder Gelegenheit und mit allen Mitteln. Ehe die oberschlesischen Ar­beiter sich nicht von der Vormundschaft ihrer ultramontanen Freunde" befreien, ist für sie absolut keine Aussicht auf Besserung vorhanden.

Ein Geständniß, welches der Bourgeoisie und Sozialdemokratie gleichzeitig Genugthuung bereitet, hat jüngst ein Berliner Fabrikant, Herr Wilh. Borchert, dem bekannten Prof. Böhmert gegenüber abgelegt. Herr Böhmert hat sich bekanntlich weiland sehr für die sog. Partnership( Theilhaberschaft) begeistert, und Herr Wilh. Borchert wiederum war es, der, angeregt durch den Geheimrath Engel, diese die Harmonie zwischen Kapital und Arbeit wiederherstellende" Einrichtung in seinen Berliner Messingwerken einführte. Nach allerhand Experimenten nun ist Herr Borchert schließlich glücklich in den Hafen der Musterausbeutung Gruppenatford- ein­gelaufen und schreibt darüber au Böhmert, wir zitiren nach der ,, Neuen Züricher Zeitung":

,, er sehe die Ergebnisse des mit der Gewinnbetheiligung gemachten Versuchs jetzt fühler an: für ihn sei dieselbe endgültig auf­gegeben. Sie möge im einzelnen Falle bei begünstigen­den Umständen, wenn den Eigenthümlichkeiten des betreffenden Betriebes richtig angepaßt, beide Theile befriedigen. Das werde aber sicher nur Ausnahme sein einer der vielen Ver­suche, welche die soziale Frage kommen und verschwin­den lasse. Dann fügt Herr Borchert bedeutungsvoll(!) hinzu: Die heutige Zeit, wo der Staat sich getraut, die Arbeiterfrage durch Staats-, Unfall und Invaliditäts- Versicherungs- Anstalten lösen zu können, ist wahrlich nicht geeignet, Privat- Industrielle anzuregen, derartige humane Einrichtungen mit besonderem Eifer und großer Liebe einzuführen und zu fördern. Der Staatssozialismus erschüttert den Glauben und die Aner­kennung der Arbeiter für solche Gebilde, und der Unternehmer hat sicher pekuniäre Opfer, wahrscheinlich Undank obendrein zu erwarten."

Der Schlußsatz ist allerdings bedeutungsvoll, nur schade, daß er ziem­lich zweideutig ist. Unverkennbar ist nur Eines, das Mißbehagen über den Staatssozialismus. Wenn aber Herr Borchert weder in diesem noch in der Gewinnbetheiligung ein Mittel zur Lösung der sozialen Frage erblickt, deren Eristenz er in keiner Weise leugnet, dann bleibt doch nur der Schluß übrig, daß diese Mittel durchgreifender, radikaler sein müssen. Mag daher die manchesterliche Bourgeoisie über das Geständniß des Herrn Borchert in Wonne schwelgen, wir gönnen ihr das Vergnügen und denken: Wer zuletzt lacht, lacht am Besten.

Herrn Virchow's Jugendsünden. Angesichts der fortschrittlichen" Aeußerungen des Herrn Geheimen Medizinalraths in Würzburg ist es von Interesse, zu hören, was derselbe Herr im Jahre 1847 in einer Broschüre über die Ursachen des schlesischen Hungertyphus