Bierte Ursache der Selbstmorde: Die Trunksucht; also: Nieder mit der persönlichen Freiheit!

Fünfte Ursache der Selbstmorde: die schlechte Presse; also: Nieder mit der Breßfreiheit!

Un alles das in einem protestantisch- liberalen Blatte!

Natürlich find sich die Herren dieser Konsequenzen ihrer Jeremiaden nicht bewußt. Sie merken, daß etwas faul ist im Staate Dänemark  , sie fühlen den Boden unter den Füßen wanken, aber, jeder radikalen Löfung abgeneigt, bewegen sie sich in beständigen Widersprüchen, preisen heute hoch, was sie gestern bekämpft, und verwerfen heute, was sie gestern in den Himmel erhoben. So verstärken sie wider ihren Willen das Gefühl von der Unhaltbarkeit der bestehenden Gesellschaft und, ob sie noch so sehr wider die verderblichen Lehren der Sozialdemokratie" eifern, die Erkenntniß von der Nothwendigkeit der sozialistischen   Neugestaltung der Gesellschaft, mit anderen Worten von der sozialen Revolution.

Aus England.

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London  , den 9. September 1882. Vergangenen Sonntag hielt Herr Arthur J. Dadson, der in Aussicht genommene sozialdemokratische Kandidat für Marlybone( ein Londoner  Stadttheil), im Saale des demokratischen Zentralvereins von Marlybone einen öffentlichen Vortrag über die Beraubung der Egypter". Der Saal war vollständig besetzt. Zum Vorsitzenden wurde J. Garcia ge­wählt. Herr Dadson verurtheilte in ausführlicher und überzeugender Rede das Verhalten des Minifteriums auf's Schärffte; dasselbe habe den Krieg unter falschen Vorspiegelungen inszenirt, denn während es vorgab, und Nie ihn im Interesse der Egypter zu unternehmen, weiß es mand beffer als Herr Gladstone- daß derselbe in Wahrheit im Intereffe der Wucherer und Spekulanten( Bondholders) geführt wird, sowie zu dem Zweck, dem egyptischen Proletariat die Freiheitsgedanken auszu­treiben. Noch nie sei ein Krieg in so skandalöser und gewissenloser Weise vom Zaun gebrochen worden. Es sei der nackteste Raubzug, und jeder Engländer, der die Schurken, welche ihn angezettelt und unter­stützt haben, nicht bekämpft, mache sich zum Mitschuldigen an diesem Ver­brechen. Herr Dadson wies aus dem offiziellen Blaubuch nach, wie von 90 Millionen Pfund( 1800 Millionen Mark), die angeblich dem vorigen Khedive Jsmail Pascha geliehen worden seien, nur die Hälfte ( 45 Millionen Pfund) in Wirklichkeit ausgezahlt worden sind. Von dieser Summe wurden 16 Millionen Pfund zum Bau des Suezkanals beigesteuert, während die restlichen 29 Millionen Pfund von Ismail Pascha   für Lurus und allerhand Ausschweisungen verschwendet wurden. Trotzdem wolle man das egyptische Volk, welches das Geld weder ent­lehnt, noch von ihm irgend welchen Nutzen gehabt hat, zwingen, die enorme Zinsenlaft zu übernehmen. Die armen Eingeborenen würden unter der Last der Auflagen geradezu erdrückt. 1877 wurden von einem Erträgniß von 9,543,000 Pfund Sterling nicht weniger als 7,473,000 bon den Juhabern der Staatsschuld­fcheine eingefact. Tausende von Europäern erhielten einflußreiche Stellungen und Aemter, und zwar mit vier- und fünfmal höherer Be­soldung als die Eingeborenen. Während die Egypter so schwer besteuert wurden, daß sie ihre Geräthschaften verkaufen mußten, um den Anfor­derungen Genüge leisten zu können, waren die Europäer in Egypten von jeder Steuer befreit; und das zu einer Zeit, wo die Eingebo­renen Kerker und Tortur zu erdulden hatten, weil sie die unerhörten Laften, die man ihnen auferlegte, nicht zahlen konnten. Dieses Raub­system aufrechtzuerhalten, sei Englands Heer und Flotte ausgeschickt worden, und diese Handlung des Gladstone'schen Kabinets würde deffen Namen für spätere Zeiten mit Schande bedecken und ihm das Brandmal der Infamie aufdrücken.

Eine von Herrn James Macdonald beantragte und von Herrn Baggarley unterstützte Resolution, die den Krieg verurtheilte, wurde einstimmig

angenommen.

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Das Christenthum ist doch eine sehr anpassungsfähige Konfession! Seine Bekenner, die bekanntlich Chriftus stets als den Fürst des Frie­dens" anpreisen, wissen trotzdem für jeden Krieg- wie niederträchtig er auch sei eine Rechtfertigung zu finden, wenn ihre Intereffen es erfordern. Abgesehen vom Kabinet hat nicht ein einziges liberales Parlamentsmitglied den Muth gehabt, diesen grausamen Krieg zu ver­theidigen. Aber Narren stilrzen sich dorthin, wo Engel(?) hinzu­treten sich scheuen" zwei bezahlte Nachfolger des Zimmermanns von Nazareth haben Briefe auf Briefe an das Londoner   Echo" gerichtet, um das Ministerium zu rechtfertigen. Indeß, es war von jeher so. Noch nie war eine Handlung zu niedrig, als daß sich nicht ein Pfaffe zu ihrer Vertheidigung und Rechtfertigung gefunden hätte. Wann wird das Volk einsehen, daß die Pfaffen in noch höherem Grade seine Feinde find als die Könige? Die heuchlerischen Pfaffen sind es noch immer, die uns versklaven, sie sind es, die unsern Kindern einpauken um die Worte des englischen Katechismus zu gebranchen unsern Hirten und Herren und alle die, welche zu unsern Behörden eingesetzt sind, zu lieben, zu ehren und ihnen gehorsam zu sein". Der Pfaffe ist noch stets der Verbündete der Landdiebe und Kapitalisten gewesen.

Und wie sie andererseits die Vorschriften ihres Herrn Christus aus­führen! Er sprach: Verkaufe Alles, was du hast und gieb es den Armen!" Der Erzbischof von Canterbury   versteht darunter den Bezug eines jährlichen Gehalts von 15,000 Pfund Sterling( 300,000 Mark). In der That, Carlyle hatte Recht, als er sagte: England ift bewohnt von 26 Millionen Menschen, von denen die Meisten verrückt find."

Die Bewegung zu Gunsten der Nationalisirung( Verstaatlichung) des Grund und Bodens macht hier stetige Fortschritte. Letzten Dienstag war die Memorial- Hall", Harrington- Street, bis zum Brechen gefüllt von einer begeisterten Hörerschaft, welche einem Vortrage Henry George's   über dieses Thema gespannt folgte. Die Bedeutung, welche diesem Meeting, sowie der Agitation überhaupt beigelegt wird, geht daraus hervor, daß die Times" dem Bericht eine ganze Spalte widmete. Noch vor wenigen Monaten machte sich die gesammte hiesige Presse über die Jdee luftig. Den Aristokraten mißfällt dieselbe. Sie begreifen, daß wenn die Nationalifirung des Bodens eine vollendete Thatsache wird, es um Kirche und Aristokratie bald geschehen ist.

Sehr zu bedauern ist, daß die mit der irischen Land- Liga in Konner befindliche Nationale Land- und Arbeitsliga von Großbritannien  ", die namentlich unter den Irländern in London   sehr viel Anhänger zählt, sich auf ihrem Jahreskongreß nicht dazu hat entschließen können, die obige Forderung in ihr Programm aufzunehmen. Sie hätte sicher zu ihrem Wachsthum beigetragen.

In einer jüngst stattgehabten Versammlung chinesischer Kauf. Leute in London   wurde der Vorschlag gemacht, Chinesen hier. her einzuführen, damit sie mit den hiesigen Arbeitern konkurriren und so durch niedrigere Löhne den Kapitalisten Nugen bringen. Dieser Borschlag hat natürlich eine gewiffe Aufmerksamkeit erregt, viele Tages und Wochenblätter haben ihm Leitartikel gewidmet; die Einen stimmten ihm zu, Andere verwarfen ihn. Man hat berechnet, daß ein Chineſe 12-14 Stunden für ein Viertel des Lohnes arbeiten würde, für welchen der europäische   Arbeiter 10 Stunden arbeitet. Das würde natürlich den Kapitalisten passen und sie entzücken, aber es würde für die schon jetzt unter ihren Bedarf ausgelöhnten Europäer den Hungertod bedeuten. Unter solchen Umständen hätte man erwarten sollen, daß die liberale

Preffe, die Organe der Freunde des arbeitenden Boltes", einem dessen Interesse so zuwiderlaufenden Vorschlage Widerstand entgegensezen würden. Weit gefehlt! Die liberalen Blätter stimmen ihm laut zu. Wenn fie etwas thun können, was die Arbeitskosten ermäßigt und den Kapital­profit erhöht, so thun fie dies selbstverständlich mit dem größten Ber­gnügen.

In dieser Frage haben sie jetzt den Pferdefuß gezeigt, fie haben un­vorsichtig die Maske gelüftet und klar erkennen lassen, daß ihre Bestre­bungen für das Wohl des Volkes sofort ein Ende nehmen, wo dasselbe mit ihrem eigenen Interesse in Gegensatz geräth, und daß die Betheuerungen ihrer Sympathie mit dem Proletariat, sowie die Maßregeln, mit welchen fie deffen Wohl zu befördern vorgeben, nur Spiegelfechtereien sind, um die Arbeiter zu blenden und sie von der rechten Bahn abzulenken. Viele von uns wußten das längst; andere werden es jetzt einsehen. Gegen die Chinesen als solche hege ich keinerlei Antipathien, sie sind Men­schen wie wir und haben ein Recht zu leben; aber Niemand hat das Recht, seinen Genossen den Lebensunterhalt abzuschreiden oder zu zer­stören, und der, welcher so handelt, ist gleich einem Mörder, der seinem Nebenmenschen eine Kugel durch den Kopf jagt, und muß gleich diesem bekämpft werden.

So lange das heutige abscheuliche System besteht und der Arbeiter, wenn nicht vollständig, so doch nahezu gezwungen ist, zu den von den Kapitalisten gewährten Lohnsätzen zu arbeiten, ist es verbrecherisch ge­handelt, haufenweise einen bestimmten Arbeitsmarkt zu besetzen, wenn die unvermeidliche Folge davon eine Herabdrückung der bisherigen Löhne sein muß. Würden die Chinesen nicht für geringeren Lohn als die Europäer arbeiten, so würde ihnen gegenüber keine Ausnahme zu machen sein. Wie die Dinge aber liegen, find sie ein Fluch für das Proletariat jedes Landes, in welchem sie sich niederlassen.

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Die sozialdemokratische, von der Landliga unterschiedene Bewegung hat in Irland   Wurzel gefaßt, und jüngst fand in Dublin   ein Meeting statt behufs Organifirung der Partei. Eine große Anzahl von Mit­gliedern trat derselben bei, und es steht zu hoffen, daß im nächsten Winter fräftig fortgearbeitet werden wird.

Der demokratischen Föderation, eine Organisation sozialdemokratischer Richtung, die im vorigen Jahre in London   gegründet wurde, und die bereits an verschiedenen Orten Englands Anhänger zählt, ist neuerdings auch eine Sektion in Birmingham   beigetreten. Mit der Zeit wird es auch bei uns Licht!

Ch. J. Garcia.

Sozialpolitische Rundschau.

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3ürid, 13. September 1882. Aus der Schule geschwat. Großer Jammer herrscht in den Reihen der Bismarckischen Sozialreformer. Die Provinzialforre spondenz", ehedem ihr Stolz und ihre Wonne, hat ihnen plötzlich in einer Bolemit gegen Herrn Bennigsen über die Steuerreform dieses Paradeftück aller chriftlich- sozialfonservativen Stumpredner das so schön eingefädelte Spiel verdorben. Vorbei sind alle Angriffe gegen den Kapitalismus, vorbei alle Brandreden gegen das Börsenspiel, mit denen man die dumme Masse tödern wollte; wer wird ihnen jetzt noch glauben, daß der große Sozialreformer" seinen Freunden Bleichröder   und Ge­noffen ernsthaft zu Leibe gehen wird, nachdem in der Provinzialforre­spondenz" und in der Norddeutschen Allgemeinen" mit dürren Worten au seinandergesetzt worden ist, daß der wahre Sozialismus darin besteht, die Börse und das Kapital zu schonen. Man höre nur den Oberoffiziosus:

Es darf Wunder nehmen, daß die Anhänger der deutschen   Frei­handelsschule, die so wachsam sind, wo sie ein Stück Sozialismus zu sehen glauben ohne zu unterscheiden, ob es sich um wahren oder falschen Sozialismus handelt nicht auf ihrem Boften ge­funden werden, wo es sich um einen der gefährlichsten, zum falschen Sozialismus führenden Weg handelt. Der Trieb der Kapitalbildung ist kein Naturtrieb, sondern eine Eigenschaft, welche der menschliche Charakter durch die Kultur erwirbt, welche gepflegt und geschont sein will. In einem großen Theil der Menschheit, vielleicht in dem zahlreichsten, erheben sich ganze Bevölkerungsschichten noch nicht über ein leicht­finniges oder ein refignirt stumpfes aus der Hand in den Mund leben. Fångt man an, die Gewohnheit der Kapital­bildung mit Hindernissen zu umgeben und gleichsam Strafen darauf zu setzen, so könnte man selbst bei einem Kultur­volk überraschend schnell zur Ausrottung dieser Eigenschaft gelangen, und damit des ersten Hebels der Kultur."

,, Wollte der Staat, wie diese Rathschläge sich zu empfehlen ge­trauen, seinen Bedarf überwiegend dem großen Kapital entnehmen mittelst hoher progressiver Vermögenssteuern, Erbschaftssteuer, prozentualer und progressiver Besteuerung der Börsengeschäfte u. s. w., so würde er den größten materiellen Hebel jeder eigent­lichen Zivilisation, nämlich die Kapitalbildung und das zu derselben gehörige Operationsfeld des Kapitals auf seinem Boden zerstören.

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,, Es ist eine auffällige Selbsttäuschung, darin Gerechtigkeit zu sehen, daß man den Theil des Einkommens, welcher aus Rapitalbefit fließt, überall höher zu belasten vorschlägt."-- Es gibt noch der Blüthen ebenso schöne in diesem Artikel, aber die zitirten genügen uns, um das schöne Bild zu illustriren: Bismarck   als Schützer Nationalliberalen  . Denn des Kapitalismus gegen die Angriffe der Herr Bennigsen verlangte die höhere progressive Besteuerung des Ein­tommens aus Rapitalbesitz. Was, ruft die Oberoffiziöse, das ist ja ein entsetzliches Verlangen, damit kommen wir ja auf den Weg des fal­fchen Sozialismus. Der wahre Sozialismus besteht im Schutz der Kapitalbildung, in möglichster Schonung der armen Rentiers, in der Pflege des Börsenspiels, und in möglichst ausschließlicher Einführung von indirekten Steuern.dk and guided usi Und damit gar kein Zweifel herrscht, wer die Vertreter des falschen Sozialismus find, erklärt die ,, Norddeutsche Allgemeine" in einem späteren Artikel: od blood slid ,, Derartige Vorschläge nämlich prozentuelle Besteuerung der Börsengeschäfte 2c. charakterisirt die Prov. Korr." als sozialistisch im verwerflichen Sinne und wendet sich damit offen bar gegen den, Reichsboten" und verwandte Blätter wie gegen verwandte Berliner   Volksredner."

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Das ist zuviel! Stöder, Wagner, Cremer, Schulze, Vertreter des falschen, des verwerflichen Sozialismus! Man stelle sich den Schmerz des Reichsboten" vor. Es ist uns nie in den Sinn ge­tommen", wehtlagt er, den Unterschied von Arm und Reich wegwischen er ,,, den zu wollen." Der arme verkannte Reichsbote! Und an einer andern Stelle droht er und weist auf die guten Dienste hin, die er der Regie­rung schon geleistet; hilft ihm aber Alles nichts, es geht jetzt zu den Landtagswahlen, und da gilt es, die kapitalbesigende Klasse zu gewinnen. Weg also mit dem christlich- sozialen Bauern­fang, hoch die Börse, hoch der Kapitalismus! Und dieser Ruf ist aufrichtig gemeint.

Uns kann ein so offenes Geständniß natürlich nur recht sein, es ist eine Bestätigung Alles dessen, was wir von jeher über das Bismarckische System geschrieben; wir lieben die klaren, die offenen Spiele. Und um

dem Bismarckischen Leibblatt unsere Erkenntlichkeit für den Dienst, den es uns durch seinen Artikel erwiesen, zu dokumentiren, wollen auch wir aus der Schule schwaßen und ihm in der nächsten Nummer den Nachweis liefern, daß es wie der Berliner sagt ja so Recht hat, und daß die Beschützung der Börse und der Kapitalbildung in der That der wahre Sozialismus ist.

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Es ist einmal gesagt worden, Fürst Bismarck   sei der Mann, über den jetzt am Meisten gelogen werde. Wir geben zu, daß sehr viel über ihn gelogen wird, was übrigens nicht zu verwundern, da er selber, vermittelst seiner Reptilienpresse, das Meifte in puncto des Lügens besorgt. Trotzdem gibt es Leute, über die noch viel mehr gelogen wird, und das sind wir Sozialdemokraten, und wir haben dabei vor Fürst Bismard den günstigen Umstand voraus, daß wir die Lügen nicht zu bezahlen brauchen. Was hat die gegnerische Presse nicht in den letzten Wochen geleistet?

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Da liegt Mary in den letzten Zügen, Liebknecht   reist nach Paris  , um ihn auf dem Sterbebette zu trösten; die sozialdemokratischen Führer" pflegen in Berlin   lange Verhandlungen mit Stöcker und Konsorten. Nach glücklicher Beendigung dieser Verhandlungen begeben sich die sozial demokratischen Führer" nach München  , halten dort eine Konferenz ab, in welcher eine Parteispaltung improvifirt und die Parteitaktik für den Fall eines Thronwechsels in Berlin   festgestellt wird. Hierauf ver­schwinden die sozialdemokratischen Führer" für einige Zeit vermuth­lich im Gottthardtunnel um plötzlich in Wyden aufzutauchen, wo auf den geschundenen Leichen der alten und neuen Raubritter" von ihnen ein toller Herensabbath aufgeführt wird und so weiter.

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Es gibt ohne Zweifel in Deutschland   eine ganze Kompagnie von Menschen, die aus dem Reptilienfonds ausdrücklich dafür besoldet werden, über die Sozialdemokratie zu lügen. Wir find über dieses Geschäft feineswegs ungehalten. Unsere Grundsätze verbieten es uns, Reklame für uns zu machen, wenn aber die Feinde Reklame für uns machen und selber die Kosten der Reklame bezahlen, dann kann es uns nur recht sein.

Aber die Sache hat noch eine andere gute Seite. Die falschen Nachrichten, die über uns in Umlauf gesetzt werden, haben den außer­ordentlichen Nutzen, daß fie unsere Feinde über unser Handeln und unsere Bewegungen täuschen. Das spart uns viel Mühe und Arbeit und bringt une große Vortheile. Hätten z. B. die Reptilienspitzel nicht gelogen, daß unsere Konferenz in München   gewesen sei, so würde die Polizei von der Züricher   Konferenz vielleicht rechtzeitig erfahren haben. Kurz wir haben keine Ursache, uns über die Lügen der Feinde zu beklagen. Im Gegentheil.

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-Das böse Gewissen schlägt den Ausbeutern gewaltig, indeß gilt auch von dieser Menschengattung das bekannte Sprichwort: Furcht, aber feine Besserung! Man lese nur folgende Korrespondenz, welche das Wiener   Kapitalistenblatt Neue Freie Presse" jüngst aus Pilsen   veröffentlicht:

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Die Arbeiterfrage in Nürfcha u. Die Sommerszeit neigt sich ihrem Ende zu und je näher der Herbst, die eigentliche Kohlensaison", heranrückt, desto weniger erfreulich gestalten sich die Verhältnisse in dem Pilsener Kohlenbecken. Schon im Frühjahre, als der Streit der Bergleute im Pilsener Revier, speziell in Nürschau, beendet und die Arbeit wieder aufgenommen wurde, erklärten die Führer der streikenden Arbeiter, dieser Abschluß der Arbeitseinstel lung sei nur ein provisorischer; werde im Laufe des Sommers den Wünschen der Arbeiter nicht vollauf Rechnung getragen, das heißt, die Arbeitszeit von 10 auf 8 Stunden herabgesetzt, der Lohn da­gegen erheblich erhöht, so werde die Streitbewegung im Herbste von Nenem beginnen und diesmal nicht auf das Pilsener Becken beschränkt bleiben, sondern die sämmtlichen Kohlenreviere Böhmens   erfassen. Seither haben auch die Durer und Brüger Kohlenarbeiter einen ,, Streit auf Probe", wie ihre Führer sich ausdrückten, in Szene gesezt, theilweise mit besserem Erfolge, theilweise mit dem gleichen Mißerfolge. Gleichwohl läßt sich nicht verkennen, daß die Streite Organisation extensiv wie in­tensiv stetige Fortschritte macht. Speziell im Pilsener Kohlenbecken sind die Werksbesitzer jeden Augenblick auf den Ausbruch einer Streitbewegung gefaßt. Daß es unter den Arbeitern unausgesett gährt, bewies unter Anderem das Dynamitattentat auf das Beamten haus der Pankraz- Zeche, von welchem ich Ihnen seinerzeit telegraphische Mittheilung machte; außerdem ist notorisch, daß die Arbeiter Dyna­mitvorräthe aufgehäuft haben(?), in deren Besitz fie bei der wenig vorsichtigen Gebahrung mit diesem tagtäglich ge­brauchten Sprengmaterial mit großer Leichtigkeit gelangen können, und die Wortführer der Streitpartei unter den Bergleuten künden heute schon mit aller Gelassenheit an, daß der für den Herbst ge­plante Streit nicht so ruhig verlaufen werde, wie jener des ver­floffenen Frühjahrs.

Dieser Tage erhielten aber die Besitzer der Nürschauer Werke eine Zuschrift der Bezirkshauptmannschaft Mies folgenden Inhalts: Seit dem letzten Streit seien die Löhne der Arbeiter nicht erhöht md worden, wohl aber der Preis der Kleinkohle per Meterzentner um anderthalb Kreuzer gestiegen; da nun für den Herbst ein neuerlicher Streit bevorstehe, gebe die f. t. Bezirkshauptmannschaft den Werk­befizern zu erwägen, ob es nicht angezeigt sei, die Arbeiter an dem durch die Erhöhung des Kleinkohlenpreises erzielten Mehrgewinne partizipiren, respektive ihnen eine Lohnerhöhung zu Theil werden zu laffen.

Daß die Preise der Groß- und Mitteltohle gewichen sind, scheint die t. t. Bezirkshauptmannschaft nicht zu wissen oder nicht wissen zu wollen. Selbstverständlich lehnten alle Werts­ans besizer das Anfinnen der Behörde, das sofort den Arbeitern bekannt geworden war, entschieden ab. Von Vorsichtsmaß­regeln der f. t. Behörden für den Herbststreik hört man noch immer nichts."

Was das für Vorsichtsmaßregeln" find, die da vermißt werden, liegt auf der Hand. Die t. t. Behörden haben den Herren Werksbesitzern noch nicht genug Polizisten und Soldaten zur Verfügung gestellt, diesen Herren", die selbstverständlich(!!) das Anfinnen der Behörde ab­lehnten, den Arbeitern auf Grund der Steigerung der Kohlenpreise eine Kleine Lohnerhöhung zu bewilligen. Denn das Weichen der Preise der Groß- und Mittelkohle" scheint doch nur leere Redensart zu sein, um dem liberalen Zeitungsphilifter Sand in die Augen zu streuen. Wäre etwas Wahres daran, so hätte der betr. Soldschreiber der Herren Werks­besitzer ficherlich ebenso die Ziffer des Weichens der Preise angegeben, wie der Bezirkshauptmann die der Steigerung der Kleinkohle. Aber das hat er schönstens unterlassen.

Daß die Herren wissen, bis zu welchem Grade der Verzweiflung fie die Arbeiter getrieben haben, geht aus der ganzen Korrespondenz, ins­besondere aus dem Schlußsat, hervor. Sie fühlen es, welcher Haß in den Herzen der Arbeiter sich gegen fie aufgespeichert hat. Aber solange fie noch Soldaten zur Verfügung haben, um die Kanaille" mit Gewalt willfährig zu erhalten, solange denkt dieses Raubgesindel aller Rassen und Nationalitäten gar nicht daran, auch nur die kleinste Konzession zu machen. Da können sie sogar der Behörde gegenüber entschieden ablehnen, sie, die sonst jeder entschiedenen Opposition abhold find. Wissen sie doch, daß die Ober behörden bis zur höchsten Person im Staate", bis zum bielgeliebten", guten" Kaiser Franz Joseph   mit ihnen die gleichen Inter­effen vertreten. Darum nur immer so fortgetrieben ,, nach uns die Sintfluth!"

Hoffentlich wird sie noch über Euch kommen!

In dem Berliner   Mousreprozeß sind die Untersuch­ungsakten geschlossen und ist die Anklage auf Aufruhr erhoben. Widerstand gegen die Staatsgewalt" genügte nicht, man will durch­aus einschüchtern. Das wird den Herren allerdings nicht gelingen. Mit

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