der Avantgarde" seinerzeit verstanden hatte. Brousse dagegen und seine Freunde werfen ihren Widersachern vor, sie seien Marristen".

Letzterer Vorwurf macht sich eigentlich ein wenig sonderbar in dem Munde von Leuten, die, nachdem sie vom Proudhonismus zum Anarchis­mus geschritten waren, erst direkt und indirekt durch die Lehren von Karl Marx   zu Sozialisten in dem modernen Sinne des Wortes ge­worden sind.

Das Wort hat aber einen doppelten Sinn, es heißt nicht blos oder soll wenigstens nicht blos heißen: Anhänger der wissenschaftlichen Lehren von Marr, sondern auch Subjekte von Mary, indem Brousse und seine Freunde die Ansicht vertraten, Mary gehe darauf aus, die französische  Arbeiterbewegung von London   aus zu leithammeln.

Wir brauchen für deutsche Leser wohl kaum hinzufügen, daß dies eine ganz unbegründete Furcht war und ist. Mary ist seit Jahren leidend, bis Ende vorigen Jahres hatte er zudem eine todtkranke Frau zu pflegen, und wenn er Zeit zu geistiger Beschäftigung findet, so gilt dieselbe der Fertigstellung seines Hauptwerkes, des Kapital". Man muß überhaupt Marr sehr schlecht begriffen haben, um ihm eine solche Absicht unterzu­schieben. Es ist indeß zu berücksichtigen, daß Frankreich   das Land des ausgeprägtesten Subjektivismus ist, daß man dort von jeher der Theorie der persönlichen Einflüsse in Politik und Literatur gehuldigt hat. Deshalb fand auch diese Ansicht, besonders in Paris  , ein gläubiges Publikum, dem der Gedanke, von einem der bedeutendsten Männer der Jeztzeit beeinflußt zu werden, eine Art Gänsehaut verursachte.

Ein zweiter Vorwurf gegen die Minderheit war der, daß sie auto­ritär" sei und die föderalistischen Grundsätze der Partei, die Auto­nomie( Selbstständigkeit) der Gruppen, nicht hochhalte. Diesen Vor­wurf nahm dieselbe ohne Widerrede auf, verspottete die Autonomanie und reklamirte für die sozialistische Partei das Prinzip der Zentralisation, natür­lich der Zentralisation unter Gleichen.

Alle diese Kämpfe spielten sich in Paris   und Umgebung ab, blieben jedoch nicht ohne Nachwirkung auf die Provinz. Soweit diese Antheil nahm, darf man sagen, daß der Norden mehr auf Seiten der Autori­tären" Guesde Lafargue, der Süden dagegen auf Seiten der ,, Autonomisten" Malon- Brousse stand. Der Nordverband, welcher 41 Gewerkschaften umfaßt, gab z. B. seinen Delegirten zum St. Etienner Kongreß u. A. das imperative Mandat, dafür einzutreten, daß die ,, Considerants" der Partei erhalten bleiben.

Der Kongreß von St. Etienne war sehr stark beschickt worden, 111 Delegirte, welche 350 Gruppen oder Fachvereine vertraten, waren anfangs zugegen. Der erste Punkt der Tagesordnung, Prüfung der Mandate", wurde nicht ohne heftige Debatte erledigt; die Anhänger der ,, Egalité" hatten verlangt, daß diejenigen Delegirten, deren Delegations­toften Bourgeoiskörperschaften*) bezahlt hätten, nur berathende, nicht aber beschließende Stimme haben sollen, da dieselben sonst, z. B. in den Fragen der Taktik, nicht uninteressirt wären. Der Antrag wurde indeß unter Hinweis auf das Verfahren früherer Kongresse abgelehnt.

Zweiter Gegenstand der Tagesordnung war die Frage der Partei­disziplin, d. h. die Entscheidung über den obengeschilderten Streit. Hierzu beantragten die Anhänger der Egalité  ", daß den beiden streitenden Parteien gleiche Redezeit gewährt werde, daß die Debatte in Rede und Gegenrede geführt werde, d. h. abwechselnd einer für" und einer gegen" spreche, und daß bei der Abstimmung über diese Frage diejenigen Delegirten, welche an dem Konflikte betheiligt seien, d. h. die Mitglieder des Nationalkomites, des Föderativverbandes des Zentrums und der Föderation des Zentrums, keine beschließende Stimme haben sollten, weil sie sonst Kläger   und Richter in einer Person wären. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, verließen die Antragsteller und die zu ihnen haltenden Delegirten den Kongreß.

Hören wir, wie sie diesen Schritt in ihrer öffentlichen Erklärung motivirten:

"

Manifest an die Sozialisten. ,, Entschlossen, der Partei jedes persönliche Opfer zu bringen, haben wir uns zum Kongreß von St. Etienne mit dem festen Willen einge­funden, seiner Entscheidung loyal die Differenzen zu unterbreiten, welche seit mehreren Monaten zwischen zwei Fraktionen des streitenden Prole­tariats ausgebrochen sind.

,, Wir forderten nur Eines von diesem nationalen Tribunal, daß es als Gerichtshof in seinem Richterspruch auf die nichtinteressirten Gruppen beschränkt werde, und daß die Gleichheit der Angriffs- und Vertheidigungs­mittel beiden Parteien gewährt werde.

Nachdem diese unerläßliche Garantie uns verweigert wurde, konnten wir uns, wollten wir die in ihren kollektivistisch- revolutionären Grund­säzen angefochtene Partei nicht verrathen, nicht mehr zu dem hergeben, was nur noch eine Rechtsprechungskomödie sein konnte.

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,, Und wie unsere Vorgänger von Havre   nicht davor zurückschreckten, mit den Barberetisten"( eine Art französischer Hirsch- Dunderianer) zu brechen, um die wesentlichen Beschlüsse unseres großen Kongresses von Marseille   zu retten, so haben wir mit den Possibilisten" des Kongresses im Zirtus gebrochen, um das Programm der Expropriation  ( der tapita­listischen Gesellschaft) zu retten, welches die Kongresse von Marseille   und Havre   unserer Partei gegeben haben.

stial splet sind Bon heute ab werden in Roan ue, der Arbeiterstadt, welche sich vor Kurzem durch den längsten und heroischsten Widerstand gegen die Ausbeutung der Unternehmer berühmt gemacht hat, die wahren Assissen der Partei eröffnet werden. Sache Derjenigen, welche weder die Ge­täuschten noch die Mitschuldigen des Arbeiter Opportunismus werden wollen, ist es, sich uns bei unserem Werke der Heilung und Reorganisirung anzuschließen."

Dieses Manifest ist unterzeichnet von Delegirten aus Alais, Bordeaux  , Angoulème  , Commentry  , Lyon  , Montluçon  , Paris  , Roanne 2c. 2c., im Ganzen von 24 Personen, die 37 Gruppen vertraten.

Der Delegirte des Nordverbandes erklärte, den Auftrag zu haben, im Falle eines Konfliktes sich keiner Partei anzuschließen, sondern beiden Fraktionen die Beschlüsse seiner Mandatgeber mitzutheilen.

Andere Delegirte, wie Frau Paula Minck, die mehrere Arbeiter­Vereine in Südfrankreich  , u. A. von Arles  , Perpignan  , Toulon  , Mont­ pellier   2c., vertrat, erklärten, nur in St. Etienne   zu bleiben, um für die Wiedervereinigung zu wirken.

Die Gründe, welche die Majorität in St. Etienne   bewog, auf den Antrag der Egalité"-Anhänger nicht einzutreten, find leicht begreiflich. Wir hätten fit nfzig Mitglieder des Rechtes der Abstimmung beraubt, erklärte der Delegirte Adhemard Lecler, selbst Mitglied des Natio­nalfomites, in öffentlicher Versammlung. Und in der That waren allein 12 Mitglieder des Nationalkomites unter den Delegirten. Diese 50 Dele­girten, zusammen mit den 11 Delegirten aus Marseille   und dem Dele­girten von St. Etienne es sollen nach der Egalité", und der Pro­letaire" bestreitet es nicht, 19 Personen von St. Etienne vom National­tomite mit Mandaten auswärtiger Gruppen versehen worden sein- waren bereits mehr als die Majorität.

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Man mag über die Guesdisten" sonst denken, wie man will, aber unter solchen Umständen ist ihr Verlaffen des Kongresses, deffen Urtheils­spruch schon im Voraus entschieden war, wenn auch nicht sehr rühmlich, so doch erklärlich.

Als die Minorität den Kongreß von St. Etienne verlassen hatte, be­schloß dieser nach Anhörung einer Anklageschrift, welche der Bürger Deynaud verlas und die die Bürger Brousse, Joffrin u. A. noch ergänzten,

,, daß die Mitglieder der Gruppe und des Blattes ,, Egalité", Guesde, Lafargue  , Bazin, Massard, Deville und Frejac nicht mehr der sozialistisch- revolutionären französischen   Arbeiterpartei angehören,

*) Der radikale Gemeinderath von Marseille   hatte z. B. den 11 Dele­girten aus dieser Stadt 3000 Fr. bewilligt.

,, daß die Gruppen, welche fich freiwillig oder nicht, zu ihren Dupes ( Betrogenen) gemacht haben oder machen sollten, sich selbst außerhalb der Partei stellen, wenn sie sie als Mitglieder aufnehmen oder als Kandidaten oder Delegirte wählen."

Und der Kongreß der Minderheit in Roanne   beging die Thorheit, seine Widersacher nachzuahmen und das Nationalkomite seines Mandates für verlustig, den Förderativverband des Zentrums als nicht mehr zur Partei gehörig und den Proletaire" beim streitenden Proletariat in Bann zu erklären.

Digo Sozialpolitiſche Rundſchaut. ICDD

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Zürich  , 11. Oktober 1882. Meineid und Meineid". Das schändliche Bestreben der

ſtrebſamen Richter des Reiches der Gottesfurcht und frommen Sitte, Sozialisten in Prozessen gegen deren Genossen zu unwahren Aussagen geradezu zu verleiten, um sie nachher wegen Meineid zu Zucht­

ja u& verurtheilen zu können, wie erst längst in Tandshut geschehen,

findet ein charakteristisches Gegenstück in dem famosen Prozeß gegen Hans Blum, der sich am 3. Oktober in Magdeburg   abspielte. Hans Blum hatte bekanntlich in Artikeln über den berüchtigten Hochverraths­prozeß Dave und Genoffen" die Spigelwirthschaft der Herren Rumpf, Stillfried c. arg angegriffen er hatte kurz vorher den Typhus über­standen, sagt er jetzt zu seiner Entschuldigung ob dieses Bergehens"

Wie zart aber sucht der Präsident den Mann, der selbst Wahrer des Rechtes sein soll, der studirt hat, vor einer unrechten Aussage zu schützen. " Ich möchte gern Ihr Gewissen salviren!" Ob er so auch einen Ar­beiter fragen würde, der gegen einen Genossen aussagen soll? Sicherlich nicht. Wenn er diesem nachweisen kann, daß er aus politischen Gründen, d. h. um einen Kameraden nicht ins Gefängniß zu bringen, die Unwahr­heit ausgesagt hat, dann diktirt er ihm von Rechtswegen" zwei Jahre Zuchthaus und noch längere Aberkennung der bür­gerlichen Ehrenrechte.

Das nennt man Rechtsprechung ohne Ansehen der Person!

- Die politische Spionage eine berechtigte Reich 8- Institution. Aus dem weiteren Verlaufe des Prozesses Blum wollen wir für heute noch folgende, das politische Spigel- und Provokatoren­thum betreffende Aussprüche hervorheben:

Staatsanwalt Laue, nachdem er ausgeführt, daß der Kern der Beschuldigung, sich bezahlter Agenten bedient zu haben, wahr sei, sagt: ,, Es muß doch immer davon ausgegangen werden, ob die Benutzung geheimer Agenten etwas Zulässiges oder Unzulässiges ift. Ist ste nicht unzulässig, so tommt es auf die Art, wie solche Leute aus­genutzt werden, nicht sehr viel an. Ob beispielsweise Horsch weniger gut oder schlecht ist, das ist für die Sache meines Erachtens von keiner Bedeutung, das zieht die Polizei­behörde nicht herab, eben so wenig die Frage, ob die Leute in den Gefängnissen belauscht worden sind. Wenn es nicht unzulässig ist, geheime Agenten zu benutzen, dann ist es eben so wenig unzulässig, die Leute in den Zellen zu belauschen.

Und der Gerichtshof, außer dem Vorsitzenden aus den Landge­

und stand nun unter Anklage der Beleidigung dieser ehrenwerthen Perrichtsräthen Schäffer, Wendt und von Strombeck, sowie dem

sonen, bezw. der   Berliner und   Frankfurter Polizei vor Gericht. In diesem Prozeß nun, mit dem wir uns noch mehrfach zu beschäftigen haben werden, spielte sich zwischen dem Vorsitzenden, Landgerichtsrath Simon von Zastrow, und dem Zeugen", Polizeirath Dr. Rumpf, folgende charakteristische Szene ab. Wir zitiren nach dem stenographischen Bericht der Mageburger Zeitung":

Vorsitzender: Als Grund der Verhaftung des Horsch haben Sie zwei Gründe angegeben, die, wie ich zugeben muß, nicht ganz oder überhaupt nicht in Uebereinstimmung zu bringen find. 3enge: Zunächst hat mich Horsch, nachdem wahrscheinlich war, daß die Sozialisten dahinter gekommen wären, daß er für die Polizei ge­arbeitet habe, selbst gebeten, ihn zu seinem persönlichen Schutz fest nehmen zu lassen; er wäre seines Lebens nicht sicher.

Vorsitzender: Haben Sie ihn polizeilich inhaftirt oder gerichtlich? 3euge: Polizeilich.

Vorsitzender: Er ist demnächst gerichtlich inhaftirt worden in   Frankfurt?

3euge: Allerdings auch.

Vorsitzender: Aus welchem Grunde ist diese gerichtliche Ver­haftung erfolgt?

Zeuge: Wie aus den Akten ersichtlich, hatte Horsch in seiner letzten Thätigkeit sich gewiffer maßen direkt an den Bestrebungen und der Thätig­feit der Sozialisten betheiligt.

Vorsitzender: Aber doch nur, um die Sozialisten auszukund­schaften, nicht um selber die That auszuführen.

3euge: Fattisch war er dadurch gravirt, daß er den Transport der Chemikalien von   Darmstadt nach   Frankfurt übernommen hatte.

Vorsitzender: Herr Polizeirath! Es scheint mir, als find Sie in diesem Punkt vielleicht zu weit gegangen, und haben bei dem Untersuchungsrichter angegeben, daß Horsch der Mitthäterschaft an diesen Handlungen verdächtig ist. Sie sind selber unmöglich(!) der Ansicht gewesen, daß er der Mitthäterschaft verdächtig wäre, da Ihnen seine Eigenschaft bekannt war. Sagen Sie lieber: Jch habe es bei dem Untersuchungsrichter angegeben, weil sonst die Verhaftung nicht erfolgen konnte, die Horsch selbst wünschte. Das ist doch wohl der wirkliche Grund.

Zeuge: Es war aber immerhin die Möglichkeit(!!) vorhanden, daß etwas Aehnliches vorlag.

Vorsitzender: Daß Horsch sich betheiligen würde? Haben Sie wirklich geglaubt, Horsch würde sich aktiv betheiligen? Ich möchte Ihr Gewissen falviren, sagen Sie doch lieber: So ist es ge­wesen, und ich habe es in der besten Absicht gethan.

3euge: Meine Absicht war, dabei gleichzeitig durch die Untersuchung fonstatiren zu lassen, daß er vollständig nach allen Richtungen hin un­schuldig gewesen ist, daß er sich nicht direkt betheiligt hat. Deshalb war es mir ganz recht, daß er mit verhaftet worden ist. Daß sich seine Ver­haftung so lange hingezogen hat, war von mir nicht abhängig. Durch die Untersuchung sollte festgestellt werden, daß er nicht auf Seite der Sozialisten gestanden, sondern nur vollständig in unserem Interesse ge­handelt hat. Ich konnte vorläufig in den Gang der Untersuchung nicht eingreifen; es war mir nicht Gelegenheit geboten, den Untersuchungs­richter darüber aufzuklären, es mußte durch die Untersuchung fonstatirt werden, ob Horsch wirklich ganz frei dastand. So lange dies nicht er­wiesen war, wäre der Vorwurf berechtigt gewesen, daß er sich aktiv betheiligt hat.

Einer der Beisiger legt dem Zeugen folgende Frage vor: Als Sie die Verhaftung des Horsch veranlaßten, waren Sie feft überzeugt, daß er ſelbſtändig, gegen Ihren Willen, sich weder an   sozialistischen Umtrieben, noch an dem Mordattentat betheiligt hätte, oder hielten Sie es für möglich, daß er vielleicht im Geheimen doch sich den Sozialisten aktiv angeschlossen hätte?

Beuge: Es gab mir seine Thätigkeit allerdings ein Bedenken, daß er gegen das Verbot gehandelt hätte.

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Beisiger: Also bei der Verhaftung waren Sie nicht mehr feft überzeugt, daß er Ihnen blos als Agent diente? Zeuge: Daß er mir als Agent diente, war ich über­zeugt.

Beisiger: Aber Sie hielten für möglich, daß er doch auch selbst­ständig mit den Sozialisten vorging? do solidus ständig mit den Sozialisten vorging?

Zenge: Das nicht. Daß er mit diesen sich in Verbindung setzen würde, und daß er im Interesse der Sozialisten arbeiten würde, habe ich nicht für möglich gehalten.

Beisiger: Haben Sie für möglich gehalten, daß er sich einer ftrafbaren Handlung schuldig machen könnte?

Zeuge: Daß er zu weit gehend von seinem Standpunkt aus ge­handelt und vielleicht den Umstand hätte verheimlichen wollen, daß er die Chemikalien von   Darmstadt herüber gebracht hatte. goodspisat dau tix isid

Borsigender: Ich denke, das hat er Ihnen auch gleich erzählt. Zeuge: Doch nicht. Ich hatte es auf andere Weise erfahren, ehe er es berichtet hat. hat.d

Borsigender: Wie lange dauerte es?

Zeuge: 24 Stunden. Nach 24 Stunden fam er und berichtete es mir, nachdem ich es ihm vorgehalten hatte."

310

Also, weil Horsch möglicherweise eine Sache hätte verheimlichen wollen, die er Herrn Rumpf 24 Stunden nach geschehener That ein­gestanden hatte, ließ ihn der Polizeirath, Doktor der Rechte, Rumpf, gerichtlich verhaften. Mit anderen Worten, es lag gegen Horsch gerichtlich absolut nichts vor, und alle anders lautenden Aus­fagen des Rumpf find Flausen, oder gerade herausgesagt, Schwindel.*)

*) Es geht dies auch aus den Briefen Rump f's an den Stadt­gerichtsrath Hollmann hervor. In dem ersten war als Grund an­gegeben, daß Horsch sich verdächtig gemacht habe bei dem Transport der Chemikalien von   Darmstadt nach   Frankfurt, während in dem Briefe vertraulicher Natur der Sachverhalt angegeben war, wie er

Assessor Schröder bestehend, erklärt in seiner Urtheilsbegründung Hans Blum wurde zu 500 Mark Geldbuße verdonnert daß er ,, auch der Ansicht war, daß allerdings der Polizei in bestimmten Fällen, wo es nicht anders zulässig ist oder ihrem Ermessen überlassen werden muß, dadurch auszukundschaften, daß sie beliebige Leute dingt, die natür­lich(!!) nicht vom besten Rufe sind, zuweilen aber auch aus pa­triotischen Gründen sich hergeben, im Uebrigen aber ganz glaub­würdige Leute sind, und daß diese Thatsachen selbst, so weit sie nicht wahr sind, nicht geeignet sein würden 2c."

Nicht vom besten Rufe, aber ganz glaubwürdig das sind die Stützen der preußisch- deutschen Reichsherrlichkeit! Scham­Loser sprachen sich die korrumpirten Gerichte des zweiten Kaiserreiches in   Frankreich auch nicht aus.

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Was ist Lurus? Auf keine Frage werden die Antworten wohl mehr auseinander gehen, als auf diese. Der Eine hält geistige Getränke, ein Anderer Fleischnahrung, ein Dritter Seife und Pomade, und ein Vierter Prinzipien für Lurus. Es gibt Leute, welche es für Lurus halten, außer bei der eigenen Frau noch bei anderen Damen den Ritter zu spielen, wohingegen die Frankfurter   Zeitung" einen noch viel schlimmeren Lurus fennt, nämlich den Lurus der Zählkan­didaturen. Am 3. Oktober fand bekanntlich im Wahlkreis Ulm­Geislingen- Heidenheim Nachwahl statt, bei welcher sich als Hauptgegner der liberalkonservative Mischmaschkandidat Magirus und der Volksparteiler Karl Mayer'scher Observanz Hähnle gegenüber­standen. Unsere Genossen konnten um so weniger auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichten, als Herr Hähnle fich als Fabrikant in feiner Weise von seinen reaktionärsten Kollegen unterscheidet. Sie stellten Bebel als Bählkandidaten auf, und wenn fie auch keinen großen Erfolg erzielten, so gelang es ihnen doch, 300 Stimmen auf Bebel zu vereinigen und dadurch Stichwahl zwischen Hähnle und   Magirus nöthig zu machen. Darob große moralische Entrüftung bei den Herren von der Volkspartei, die sich in der Frankfurter   Zeitung" folgendermaßen vernehmen lassen:

,, Hätten sich nicht die Sozialdemokraten den Lurus(!) einer Zähltan­didatur erlaubt(!!), die lediglich ihre Schwäche in jenem Wahlkreise enthüllt hat, so würde Herr Hähnle schon am 3. Oktober mit mehr als 400 Stimmen Sieger gewesen sein."

Nach diesem Erguß scheinen die Herren in   Frankfurt die   sozialistischen Stimmen als von Rechtswegen ihrem Kandidaten zukommend zu be­trachten, sie dürften aber damit die Rechnung ohne den Wirth gemacht haben. Unsere Genoffen verspüren gar keine Neigung, bei der Stichwahl für die Herren von der Volkspartei einzutreten, nachdem der Verleger des Wahlflugblattes für Bebel, Genosse Kiene in   Heidenheim, unmittel bar nach Bekanntwerden des Flugblattes von seinem volts partei­lichen Arbeitgeber entlassen wurde.

Was übrigens die Schwäche unserer Partei in jenem Wahlkreise an­betrifft, so ist die Zahl für den Anfang durchaus nicht so winzig, und überdies genügt sie, daß das Bünglein der Wage in der Hand unserer Genossen ruht. Von ihnen hängt es jetzt ab, ob Hähnle oder   Magirus in die Versammlung der Erleuchteten der Nation eintreten wird. Politische Fragen find Machtfragen, und der ist ein guter Politiker, der es versteht, auch mit kleinen Mitteln sich Geltung zu verschaffen. Von diesem Gesichtspunkt aus war die Zählkandidatur, abgesehen davon, daß die Be fräftigung unserer Parteigrundsäge für uns stets als Prinzip in erster Linie in Frage kommt, durchaus tein Luru 8.

Der lieben Frankfurterin aber rathen wir ein wenig in Ausfällen auf die Sozialdemokratie an.

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Sparsamkeit

Wer ist hier ehrlos? Am 5. Oktober verurtheilte das berüchtigte  Leipziger Reichsgericht unter Anführung des Senatspräsidenten Dreck mann den 22jährigen Zuschneider Wunderlich, dem sein Prinzipal das Zeugniß eines sehr fleißigen und sehr tüchtigen Arbeiters gab, wegen nicht einmal erwiesener Verbreitung einiger Exemplare der Londoner Freiheit" zu zwei Jahren Zuchthaus und zwei Jahren Verlust der bürgerlichen Ehren rechte. Der Mitangeklagte Kiefer, der eingestandenermaßen dieselben Nummern verbreitet hatte, fam, weil er gegen Wunderlich belastend aus­gesagt hatte, mit vier Monaten Gefängniß davon, die obendrein durch die Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wurden. Ihm hat man die Ehre nicht aberkannt.

Gegen Wunderlich hatte der Ober- Reichsanwalt" Freiherr von Seckendorff nennt sich der Schuft vier Jahre Zucht haus und vier Jahre Verlust der bürgerlichen Ehren­rechte beantragt.

Wie viel gemeine Schwindeleien und Betrügereien muß Einer schon verübt, oder wie viel Eriftenzen ruinirt, wie viel Leute ins Elend gestürzt haben, ehe gegen einen gemeinen Verbrecher eine solche Strafe bean­tragt wird! Der Sänger Eisenbach, der in ehrlosester Weise seine Kollegen beftahl, erhielt sechs Monate Gefängniß, der Sozialdemokrat Wunderlich für ein politisches Vergehen" zwei Jahre Zucht haus!

In der That, solche Rechts- oder richtiger Un rechtszustände find sprechende Zeugen von der moralischen Zersetzung der heutigen Gesell schaft, der logischen Folge ihrer sozialen Auflösung.

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war; es sei Rumpf höchst unangenehm, es läge nicht im Ju teresse der Sache, wenn es in der Berhandlung vorkäme in diesem Stil war der Brief gehalten. Dann tam ein weiterer Brief, in dem Rumpf schreibt, es beunruhige ihn, daß die Sache nicht erledigt sei; ich möchte gern, daß der Horsch aus der Haft entlaffen wird, ohne daß es zur Cognition eines Gerichts täme oder in die Verhandlung täme, welche Rolle er ge spielt hat. Denn Horsch ist 2-3 Monate in Unter suchungshaft gewefen."

Der Doktor der Rechte und Polizeirath hat also bewußt die Unwahr eit ausgesagt.

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