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- Jezt merten sie auch wie's thut.„ Von Mitgliedern der liberalen Parteien", schreibt die Frankfurter Zeitung "," welche in den letzten Wochen auf Wahlreisen waren, wird versichert, es sei schwierig, in ländlichen Distrikten Lokale zur Abhaltung von liberalen Wählerversammlungen zu bekommen; die Wirthe fürchten, man werde ihnen die Erlaubniß für Tanz- und ähnliche Vergnügungen nicht gewähren."
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Das ist allerdings nicht sehr angenehm für die Herren Liberalen- Herr 3elle hat in Saarmund bei Potsdam in einem verräucherten Privatzimmer seine Wizze reisen müssen aber schaden kann es nicht, wenn die Herren auch einmal an die Reihe kommen. So niederträchtig wie uns wird ihnen ohnehin nicht mitgespielt werden, gehören sie ja doch immer noch zu den Königstreuen"..
Sicut cadaver. Wie ein Leichnam, ohne eigenen Willen, ohne selbstständiges Denken sollen sie sein! forderte die Jesuitenregel von den Brüdern" der Gesellschaft Jesu . Und wie ein Leichnam, sicut cadaver, sollt ihr sein, euch ohne zu murren und zu mucksen, in blindem Gehorsam der Führung des großen Bismarck anvertrauen! ruft das Bismarck 'sche Leibblatt den Konservativen zu, die Miene machten, eine unabhängige Partei vorstellen zu wollen. Die Konservativen und unabhängig! Es war auch eine gar zu komische Anwandlung. Ganz Recht hat die Norddeutsche", wenn sie den konservativen Herren sagt:" Ihr seid nichts ohne die Regierung! Im Moment, wo sie die Hand von Euch abzieht, hört Ihr auf zu existiren." Ob es aber flug war, es zu sagen, ist eine andere Frage. Denn wenn schon die Konservativen nichts sind ohne die Regierung, so ist die Regierung, welche sich auf keine andere Partei ver lassen kann, doch ihrerseits auch nichts ohne die Konservativen, deren Unterstützung fie dringend bedarf. Freilich, daß dies der Fall, ist der drastischste Beweis für die„ Genialität", mit der Fürst Bismarck zu wirthschaften und ab zuwirthschaften verstanden hat. Denn die konservative Partei, auf welche Herr Bismard sich füßen muß, braucht nicht erst ,, wie ein Leichnam" zu werden, sie ist ein Leichnam und fein wohlriechender.
Volksparteiliche Perfidie. Während es auf der Hand liegt, daß gleich der preußischen und russischen ebenso die ungarische Judenheze von Oben herab systematisch organisirt worden ist, hat das offizielle Telegraphenbureau die Schamlosigkeit, in einem langen Telegramme den schmachvollen Erzeß in Preßburg und Umgegend auf die Machinationen fremder, von auswärts gekommener sozialistischer Agitaoren" zuruckzuführen.
Das ist die alte Polizeimethode, daß alles Unbequeme auf„ Ausländer"( die sprichwörtlichen„ Polen , Juden und Franzosen " von 1848) zurückgeführt wird. Heute find's natürlich fremde Sozialisten. Der Polizei, die, an Ideen arm, ihre alten Dummheiten stets von Neuem wiederfaut, verargen wir solche Albernheiten nicht, sie kann nichts dafür, es ist das ein„ konftitutioneller Fehler". Aber ernsthafte und nun gar freifinnige" oder demokratische Zeitungen dürfen doch solchen Blödsinn nicht so ohne Weiteres, nicht ohne ein Wort züchtigender Korrektur abdrucken.
Alle unsere Feinde wissen genau, daß es die deutsche Sozial. demokratie ist, welche der von dem bankrotten Staats- und Sozialpfuscher Bismard Varzinski inszenirten ,, Antisemitenbewegung" die Spitze abgebrochen hat. Niemand weiß das besser, als die Juden selbst und namentlich Herr Sonnemann in Frankfurt a. M. Trotzdem druckt das Blatt des Herrn Sonnemann, die Frankfurter Zeitung ", in seiner Nummer vom 4. ds. das betreffende Telegramm ohne jeg liche Bemerkung ab, während sogar die durch und durch bourgeoisistische und antisozialistische Wiener Freie Presse" ein kritisches Fra gezeichen macht. Sage man nicht, das Sonnemann'sche Blatt, Hauptorgan der Volkspartei, habe da nur eine Unterlaffungsfünde begangen. In dieser wie in zahlreichen anderen Unterlassungs- und Begehungsfünden ist offenbar Methode. d
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Aus Chemnitz , 3. Oktober, schreibt man uns: Gestern Abend sprach hier Genosse Liebknecht im Saale der Stadt London " über die Gewerkschaften und gewerkschaftliche Organisation. Er gab eine geschichtliche Stizze der gewerkschaftlichen Bewegung in England( Trades Unions) und Deutschland , ermahnte zu gewerkschaftlicher Organisation, und lieferte unter scharfer Kritik der Bismarc'schen„ Sozialreform" den Nachweis, daß eine vernünftige Arbeitergesetzgebung nur durch die Arbeiter und nur bei freier Bahn für die Arbeiter bewegung möglich ist; und daß jeder Versuch imperialistisch- bureautratisch- polizeilicher Sozialreform" von oben bloß zur jämmerlichsten Sozialpfuscherei führen tann.
Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt und die Versammlung mit den Ausführungen des Vortragenden vollkommen einverstanden. Die sehr zahlreich vertretene Polizei, welche sich während des zweistündigen Vortrages anerkennenswerth ruhig verhielt, schritt in der, dem Vortrag folgenden Diskussion dreimal ein: 1) als ein Redner auf die Attentate von 1878 anspielte; 2) als Liebknecht, auf eine Anfrage aus der Versammlung heraus, den„ antisemitischen" Unfug geißelte, und 3) als der Vorsitzende die Thatsache erwähnte, daß bei der letzten, von Geiser abgehaltenen Versammlung das Militär in den Kasernen konfignirt und 21,000 scharfe Patronen vertheilt waren! Jm Uebrigen verursachte die Polizei keine Störung, weshalb auch die Versammlung ohne Störung verlief. Eine merkwürdige Jukonsequenz ist, daß, während die Polizei solche Versammlungen gestattet, fie unseren Genoffen Lauschte wie ein Wild hetzt, blos damit derselbe nicht„ agitiren" tann. Aber Konsequenz war nie eine Tugend der Polizei, deren Wesen ja Willfür, d. i. das Gegentheil der Konsequenz, ist.
Aus Leipzig , Anfang Oktober, schreibt man uns: Am 8. d. M. tommt der Prozeß Künzel- Apitsch- Lauschke in zweiter Auflage hier vor und kann eine Freisprechung, falls die Entscheidungsgründe des Oberlandesgerichts nicht gewaltsam verdreht oder ignorirt werden, mit Beftimmtheit erwartet werden. Das hindert aber die Chemniter Amtshauptmannschaft nicht( siehe oben. Die Redaktion.), Lauschte auf Grund des kassirten Urtheils landes gesetzlich auszuweisen, ebensowenig wie es die hiesige Kreishauptmannschaft daran gehindert, die auf Grund des nämlichen tafsirten Urtheils erfolgte reich 8 gesetzliche ( fozialistengesetzliche) Ausweisung Lauschte's und seiner beiden Genossen mit aller( sächsischen) Gemüthlichkeit" aufrechtzuerhalten. Die Herren Juristen und Polizisten haben zwar bekanntermaßen ihre eigene Logit, die meistens die auf den Kopf gestellte Logik der gewöhnlichen Menschenkinder ist, allein der Satz, cessante causa cessat effectus"( mit dem Aufhören der Ursache hört auch die Wirkung auf) galt bisher doch für allgemeingiltig. Man sieht aber, daß unsere sächsischen Behörden sich vollständig von ihr emanzipirt haben. Die Ursache, d. h. das verurtheilende Erkenntniß, hat aufgehört ist tafsirt worden, trotzdem dauern die Wirtungen fort.sid achisut sto was nun geschehen wird, wenn das frei sprechende Erkenntniß da ist. Aus Gera wird mir die Nr. 87 des dort erscheinenden und von dem Parteigenossen" Brätter redigirten„ Beobachter" zugeschickt. Es befindet sich darin folgendes saubere Artikelchen:
Ich bin blog begierig, was.
( Ift zum wesentlichen Theile in unserer Geraer Korrespondenz abgedruckt.)
Nicht wahr, ein hübscher Erguß. Natürlich haben sich die Arbeiter nicht darum bekümmert, die Lehren des advocatus diaboli, welcher allerdings ein ganz forretter advocatus diaboli, b. h. Anwalt des Teufels Rapital ist, mit der gebührenden Berachtung in den Wind geschlagen und ihre Intereffen mit Nachdruck und Erfolg gewahrt.
Auf das Machwerk des Näheren einzugehen, wäre höchft überflüffig,
es kennzeichnet sich selbst. Es war aber nöthig, das corpus delicti vorzulegen, damit die Parteigenossen sehen, wohin Feigheit und Rechnungsträgerei führen, und damit sie über gewisse Persönlichkeiten in's Klare tommen.
Das fortwährende Steigen der Abonnentenzahl des Parteiorgans ist unserer direktionslosen Polizei ein Räthsel, auf dessen Lösung sie sich mit der ganzen ihr zur Verfügung stehenden Intelligenz wirft. Es will aber nicht gelingen und wird nicht gelingen. An dem gesunden Menschenverstand und dem Rechtsgefühl unserer Arbeiter wird alle Polizeipfiffigkeit zu Schanden. Die Vigilanz( d. h. Wachsamkeit) der Vigilanten ist uns nur ein angenehmer Zeitvertreib und eine gute Uebung. Auch wir find vigilant, d. h. wachsam, und vigilanter als die Herren Vigilanten.
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Vom liberalen Kronprinz" sind jetzt wieder allerhand ,, hübsche Erzählungen" im Schwunge, die ihren Weg auch durch die volksparteiliche Presse Stuttgarter„ Beobachter" 2c. nehmen. Der Geschmack ist verschieden, die meisten dieser hübschen Züge laufen auf nichts als Plattheiten hinaus, dagegen gefällt uns von unserem Fritz" der nachfolgende Zug ganz besonders hübsch", da er den Liberalismus deffelben ins schönste Licht ſtellt:
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,, Bei einer Inspektionsreise in Weftphalen", heißt es ,,, redete der Kronprinz die Gattin eines Bataillonskommandeurs mit den Worten an: Meine gnädige Frau, ich habe Sie, als ich vor zwei Jahren hier war, vermißt, Sie waren damals im Bade, wenn ich nicht irre?" Ganz recht, königliche Hoheit", erwiderte die Angeredete etwas verlegen ,,, ich war damals in Wiesbaden und zwar gerade, als auch Ihr Herr Vater sich dort befand."" Sehr wahr", bemerkte der Kronprinz ernst, Se. Majestät unser aller gnädigster Kaiser waren allerdings zu jener Zeit auch dort anwesend." Dann machten königliche Hoheit eine kurze Verbengung und wendeten sich einer andern Dame zu." sied Nicht wahr, sehr hübsch von dem hohen Herrn? So etwas hat feinen Vater, das wäre ja zu plebejisch!
-Ob fatholisch geschoren, ob protestantisch gescheitelt". In der Schweiz findet demnächst eine Volksabstimmung statt über die Einsetzung eines eidgenössischen Erziehungssekretärs. Der Bundesrath hatte dieselbe beschlossen, um eine Untersuchung darüber anzustellen, ob der Schulartikel der schweizerischen Bundes Verfassung ( Art. 27) auch gehörig durchgeführt werde, das paßte aber den Pfaffen, die in einzelnen Kantonen noch die Herren sind, sowie den übrigen Dunkelmännern nicht in den Kram, und im Namen der Freiheit", die sie meinen, setzten sie eine Referendumsbewegung gegen dieſen Erziehungssekretär in Szene und brachten auch gegen 180,000 Unterschriften zusammen, während 30,000 schon genügen, um eine Volksabstimmung herbeizuführen. Von was für Motiven die Herren dabei geleitet werden, das hat ein konservatives Blatt in Bern , das Intelligenzblatt", neulich ausgeplaudert.
Dieses christliche Blatt ist nämlich gegen ein eidgenössisches Schulgesetz, weil es um den Bestand der Privatschulen fürchtet, jener Schulen, durch welche nicht nur die katholischen von den reformirten, sondern auch die reichen von den armen Kindern getrennt werden sollen; es sei für den Bürger eben doch gruselig, befürchten zu müssen, daß sein Kind in der Volksschule neben den Sprößling eines Holzhauers oder aber eines gewöhnlichen Fabritarbeiters zu stehen tomme. So, so, setzt der„ Grütlianer", dem wir diese Mittheilung entnehmen, hinzu, " gruselig"! Nun wißt ihr's, Arbeiter, was sie von euch halten, die Führer der hehren Voltsbewegung gegen die Schule..
Und wir fonstatiren, daß der christlich soziale„ Reichsbote" lange Artikel für diese Pfaffen- Agitation geschrieben und der Bekämpfung des eidgenössischen Schulgesetzes mit frommem Augenverdrehen den besten Erfolg vom Himmel herabgebeten hat. Auch im Namen der Freiheit". Nämlich der Freiheit, die Kinder verdummen und verkommen zu lassen. Sie sind sich doch überall gleich, diese Priester der christlichen Liebe!
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Oesterreich- Ungarn. Die neueste Nummer unseres Wiener Bruderorgans Wahrheit" ist mit schwarzem Tranerrand erschienen. Der selbe gilt dem Genossen Emil Kaler- Reinthal, von dem unsere Freunde auf Grund eines Briefes, den er an einen derselben geschrieben, schließen mußten, daß er sich selbst das Leben genommen. Nach einer Mittheilung der N. Freien Presse" scheint diese Annahme glücklicherweise eine irrige zu sein und das spurlose Verschwinden Kaler- Reinthals seit dem 26. September in der Verhaftung desselben seine Erklärung zu finden.
Wie dem auch sei, soviel ist sicher, daß der hochbegabte Genosse daran war, sich das Leben zu nehmen, ein Entschluß der auf Konto der öfterreichischen Polizei und der Wiener Anarchisten zu sehen ist. Durch maßlose Verfolgungen, langjährige Haft und allerlei fleinliche Maßregeln hat die Habsburgische Polizei es verstanden, die Energie des einst so feurigen Jünglings zu lähmen, und was die Polizei ihm nicht rauben tonnte, den Troft im Schaffen für seine Partei, das raubte ihm jene Schule der Schreier und Verläumder, die sich die der einzig wahren Revolutionäre" nennt. Kalers Erklärung, die wir in Nr. 33 abdruckten, hatte ihm den Haß dieser Gesellschaft zugezogen: in der letzten Nummer der Zukunft" beschimpfen sie den Mann, der für die Sache unserer Partei Jahre hindurch die größten Entbehrungen erduldet hatte, in ihrer gewohnten Manier, und das scheint ihm den Entschluß, sich das Leben zu nehmen, leichter gemacht zu haben.
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" Ich scheide mit dem sicheren Bewußtsein", schreibt er in dem Brief, von dem er annahm, daß er erst nach seinem Tode in die Hände unserer Genossen gelangen würde, in Bezug auf die Partei nichts gethan zu haben, was mit meinen Grundfäßen in Widerspruch steht- nicht ich habe meine Ideen verrathen, sondern Diejenigen, welche heute in der Partei dominiren, haben die heilige Sache der Befreiung der Menschen von materieller und geistiger Knechtschaft verlassen und sich in eine ideenlose, von den gemeinsten Instinkten beherrschte Bande von feigen Verschwörern verwandelt. Was sie damit für die Armen und Elenden erzielen werden, wird die Zukunft lehren, und ich preise mich glücklich, nichts mehr von den Schandthaten zu erleben, die von Frregeleiteten angeblich im Namen des Sozialismus voraussichtlich begangen werden. „ Weil ich von der jetzt empfohlenen Taktik nichts Gutes erwarte, weil ich nur für den Sozialismus, der Wissenschaft und Menschenliebe verfündet, zu kämpfen bereit bin, aber nichts mit einem Verbrecherthum zu thun haben will, das das Licht der Oeffentlichkeit scheut, vor der Welt frech verleugnet, was es im Dunkeln und unter dem sichern Schutz des Asyls als neues Evangelium predigt, weil ich eine Taktik verurtheile und verabscheue, die herzlos und grausam Hunderte von armen verführten Arbeitern dem Arme der Justiz überliefert, darum habe ich mich von der Agitation losgesagt.
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Wenn andere ihre Ueberzeugung ändern, sollten sie wenigstens so gerecht sein, Diejenigen, welche an dem festhalten, was bisher das gemeinsame Programm der Partei war, zu achten.
„ Der Grund, aus dem ich meinem Leben ein Ende mache, ist zwar ein persönlicher, über den ich schweigen will und muß, aber daß auch Jene, die mich in der letzten Zeit mit giftigem Haffe verfolgten, ihren Theil dazu beigetragen haben, meine Verbitterung zu steigern und meinen Entschluß zu stärken, leugne ich nicht. Wenn der erste Erfolg der Sozialrevolutionäre in Desterreich das Merstallinger- Attentat war, so mögen fie mein Ende als ihr zweites ansehen.
Was ich gefehlt habe, mögen Sie verzeihen, und die Versicherung hinnehmen, daß nicht schlechter Wille, sondern nur Schwäche mich irre geleitet hat. Denjenigen aber, die mich als Abtrünnigen haffen, und die nur durch die allgemeine Hezze verführt wurden, wünsche ich aus
aufrichtigem Herzen, daß fie bald wieder zur alten Fahne zurückkehren mögen."
So Genoffe Kaller- Reinthal. Seine Worte verlieren dadurch nichts an überzeugender Kraft, daß die Polizei ihn verhindert hat, seinen Entschluß auszuführen. Sie werden auch, davon sind wir überzeugt, bei einer großen Anzahl österreichischer Arbeiter auf fruchtbaren Boden fallen.
Jm Brünner Volksfreund" schreibt Genosse Eduard Zacha= rias auf den 15. und 16. Oftober einen allgemeinen öfterreichischen Arbeitertag aus, der in Brünn stattfinden und auf dem über ein einheitliches Vorgehen der österreichischen Sozialisten berathen werden soll. Wir wünschen demselben beften Erfolg!
Die Wiener Buchdrucker agitiren eifrig für Abschaffung der Sonntagsarbeit und für Aufbesserung der Löhne. Die Wahrheit" versichert sie der vollen Sympathie der allgemeinen Arbeiterschaft, fordert sie aber auf, sich selbst mehr solidarisch mit diesen zu fühlen und Antheil zu nehmen am Kampf der Arbeiter um ihre politischen Rechte.
Aus Teplit schreibt man dem„ Volksfreund" folgendes russische Polizeistückchen: Im März, als der Streit auszubrechen drohte, wurde Genosse Choura, Bergmann, verhaftet und dem Kreisgericht in Brür eingeliefert, woselbst im Juni gegen ihn verhandelt und er freigesprochen wurde. Man ließ ihn aber nicht frei, sondern schickte ihn nach Prag an's Landesgericht, und dort sitzt er noch heute, während seine Frau mit fünf Kindern sich im größten Elend befindet. So etwas finden Jung- und Altczechen, liberale wie klerikale Deutsche ganz in der Ordnung. Sich um Volksrechte zu kümmern, dazu hat die Gesellschaft keine Zeit, sie muß ja den heiligen Kampf um Volksunterdrückungsvorrechte führen!
Franz Joseph hat sich breitschlagen lassen und die famose Taaffe 'sche Wahlreform unterschrieben. Dieselbe dehnt das Wahlrecht auf die Fünfgulden- Männer aus, d. h. die Handwerker und Kleingewerbtreibenden, die, soweit sie nicht mit den Arbeitern gehen, meist noch reaktionärer find als die Großbourgeois. Ein schöner Fortschritt!
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neben
-Belgien . Ueber die Agitationsreise unseres Genoffen Vollmar in Belgien haben wir versprochenermaßen noch Einiges nachzutragen. Diese Reise wurde nicht nur auf Verlangen der dortigen deutschen Genossen, sondern auch hauptsächlich auf Wunsch des Bundesausschusses der wallonischen Arbeiterorganisationen zu Lüttich unternommen. Der Hauptzweck des Festes( zu welchem u. A. auch deutsche Genossen aus Verviers , Serraing und dem Rheinland gekommen waren) war, der agitatorisch- propagandistischen Wirkung Anregung zu geben zur Vereinigung der zahlreichen, aber meist unter sich zusammenhangslosen sozialistischen Vereinigungen aller Art in eine feste Parteigliederung. Dementsprechend und nach dem ausdrücklichen Wunsch des Ausschusses bewegte sich auch die( in französischer Sprache gehaltene) Rede Vollmar's auf dem Meeting in Lüttich vorzugsweise auf dem organisatorischen und taktischen Gebiet, wobei namentlich die Erfahrungen ber deutschen Sozialdemokratie in dieser Beziehung zur Erörterung famen. Am Tage nach dem Fest besprach sich Vollmar mit dem Ausschuß eingehender über die erwähnten Fragen und wie die guten und schlimmen Erfahr ungen unserer Partei für die belgische Bruderpartei nugbar gemacht werden könnten. Die belgischen Sozialisten werden im nächsten Frühjahr fast zu gleicher Zeit wie wir ihren Kongreß abhalten, dessen Hauptpunkt eben die Herstellung einer einheitlichen, geschlossenen ParteiOrganisation sein wird, und es wird sich dann zeigen, welche Fortschritte dieser Gedanke bis dahin gemacht und ob er namentlich unter den Lütticher und den wallonischen Arbeitern überhaupt an Boden gewonnen haben wird.
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Am Montag Abend sprach Vollmar in einer deutschen Versammlung zu Lüttich und am nächsten Tage in einer gleichen in Brüssel . Die deutschen Sozialdemokraten Lüttich's bilden einen wackeren Stamm, von deffen Tüchtigkeit zu hoffen steht, daß er unter der zahlreichen deutschen Bevölkerung der Stadt stetige Fortschritte machen wird. Die Brüsseler Versammlung fand in größter Oeffentlichkeit statt und war sehr zahlreich, auch von Belgiern, besucht. Auch einige deutsche Genossen aus Ant werpen waren erschienen und suchten Vollmar zu bestimmen, auch in ihrer Stadt zu sprechen. Leider mußte aber V. für diesmal wegen Zeitmangel ablehnen, versprach aber später zu kommen.
Von den flämischen Genossen eingeladen sprach Vollmar zuletzt noch in Gent . Unser Genter Parteiorgan, die treffliche„ Toekomst ", berichtet ausführlich über die trotz der eiligen Einladung zahlreich besuchte und prächtig verlaufene Versammlung, sowie über Vollmar's Rede und knüpft daran den Wunsch, daß auch der von den dortigen Genossen hochgehaltene Bebel einmal nach Gent kommen möchte. Die Genter Genossen haben eine bewährte Parteischulung und Organisation und wäre nur zu wünschen, daß dieselben von den wallonischen Genossen zu m Muster genommen würden. Vornehmlich die Weber haben eine starte Organisation, durch die sie den ausbeutungsluftigen Fabrikanten mit manchem Erfolg Zügel anlegen. Eine weitere interessante Einrichtung sind die von Sozialisten gegründeten und größtentheils in ihren Händen befindlichen Bäckerei Genossenschaften, über welche wir den Genossen in Bälde Eingehenderes berichten werden.
Im letzten Augenblicke vor der Abreise stattete die Polizei unserem Genossen einen Besuch ab, der indessen keine weiteren Folgen hatte und wohl nur dem Uebereifer der Lokalbehörde zuzuschreiben ist. Im Uebrigen ist Vollmar( im Gegensatz zu früheren Fällen) ganz unbelästigt geblieben, von der üblichen geheimen" Ueberwachung natürlich abgesehen.
Diese Agitationsreise hat auf's Neue Gelegenheit zum Austausch der herzlichsten Sympathiebezeugungen zwischen den deutschen und belgischen Sozialisten gegeben und dadurch zur Förderung des großen Gedankens der internationalen Vereinigung aller Arbeiter beigetragen. Unsern Dank den belgischen Genoffen für ihre gegen die deutsche Sozialdemokratie an Tag gelegten brüderlichen Gesinnungen.
- Italien . Aus allen Theilen Italiens laufen erfreuliche Berichte ein über die Propaganda der italienischen Sozialisten zu den bevorstehenden Wahlen. Selbst die bisher fanatischsten Anarchisten erklären sich Einer nach dem Andern für die Betheiligung am Wahlkampfe. Wenn auch das positive Resultat nicht so günstig ausfallen sollte, wie unsere Genossen vielleicht erwarten, da ja noch immer das Wahlrecht an einen gewissen Zensus geknüpft ist, so steht doch schon jetzt fest, daß die bloße Wahlagitation der Ausbreitung unserer Grundsätze vortreffliche Dienste leistet. Die Versammlungen zur Besprechung der Wahlen erfreuen sich lebhaftester Betheiligung, und die Ausführungen der sozialdemokratischen Redner fallen auf guten Boden. Unter den Kandidaten der Sozialisten begegnen wir von bekannteren Persönlichkeiten Barbanti, Cipriani ( Protestkandidatur), Colojani, Cofta und Gambuzzi.
Rußland. Wegen angeblicher Betheiligung an der Ermordung des Spiones Preiß wurden von den Gesinnungsgenossen desselben zwei Revolutionäre, Namens Nagorny und Jewsseje w zum Tode durch den Strang, zwei weitere, Choch low und Kus jumtin, zu Zwangsarbeit, ersterer auf unbestimmte Zeit, d. h. auf Lebenszeit, lettere zu 15 Jahren verurtheilt. Der milde" Zar hat " Gnade" obwalten lassen und die Urtheile auf direkte Hinrichtung in lebenslängliche Zwangsarbeit, d. h. langsame Hinmordung abgeändert. Vier Menschenleben wegen eines Spions vernichtet! Der Schuft wurde theuer bezahlt.
Korrespondenzen.