Eine solche Agitation ist bei uns Jedem gestattet, solange die Entschei­dung nicht gefallen. Außerdem hat der Verfasser hinzuzusetzen vergessen, daß wohl Guesde nicht minder agitirte und das um so leichter konnte, da er vor seinen Gegnern den Vortheil hatte, über ein täglich erscheinendes Blatt, den, Citoyen", zu verfügen. Freilich blieb er trotzdem bedeutend in der Minderheit.

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8odulis

Sozialpolitische Rundschau.

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Zürich , 15. November 1882.

Eine Lokalnotiz." Der im vorigen Jahre wegen Hoch­verrath verurtheilte Schuhmacher Bünger von hier ist im 3ucht­hause zu Salle geftorbeer

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Also zu lesen in Nr. 315 der Frankfurter Zeitung ". Kein Wort weiter, fein Sterbenswort. Und doch ist der Frankfurterin nicht unbekannt, daß Bünger das Opfer eines infamen Justizmordes ist, daß er von dem schuftigen Reichsgericht wegen nicht einmal bewiesener, und thatsäch­lich auch nicht einmal erfolgter ,,, Beihilfe" beim Ankleben eines ange b- lich hochverrätherischen Flugblattes zu drei Jahren Zuchthaus verurtheilt worden war, und daß die Aerzte festgestellt hatten, daß er das Zuchthaus nicht überleben würde. Aber freilich, über diesen Fall würde es sich nicht schicken, in der bekannten geistreichelnd- ironifirenden Weise zu spötteln, da ist nur eine Sprache am Platze, die der Entrüstung, des leidenschaftlichen Zornes und wie paßte die heutzu­tage in die Frankfurter Zeitung"?!

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Im Zuchthaus gestorben! Vielleicht zu Tode gequält von der forrupten Beamtenfippe, welche gegen einen politischen Verbrecher, und namentlich, wenn es ein Proletarier ist, sich Alles herausnimmt. Im Zuchthaus gestorben! Vielleicht die letzten Augenblicke vergällt durch die entehrende Behandlung, der ehrlose Richter den Unschuldigen preisgaben, weil er ihr politischer Gegner war!

Schmach über die elenden Mörder! Unablässig wollen wir sie bekämpfen, nicht rasten und nicht ruhen, bis der Tag gekommen, der ihrer Herrlichkeit ein Ende macht!

Dann wollen wir Deiner gedenken, armer Genosse, dann wollen wir uns die bitteren Gefühle wieder zurückrufen, die uns erfüllten, als wir die Nachricht von Deinem Tode lasen, jene nichtssagende und doch so viel enthaltende Lokalnotiz!

Die Berliner Spigel vor Gericht. Der in voriger Nummer bereits von uns gekennzeichnete, Aufruhr" Prozeß gegen unsere Berliner Genossen ist so reichhaltig an interessanten Details, daß wir im Interesse unserer Leser zu handeln glauben, wenn wir an dieser Stelle ausführlich darauf zurückkommen. Wir lassen zunächst die uns mittler­weile zugesandte Anklageschrift, die sich trotz der polizeilichen ,, Mache" in den Augen Jedes, der noch einen Funken von Rechts- und Freiheitsgefühl in fich trägt, als eine Anklage gegen die infame Berliner Polizeiwirthschaft herausstellt, ihrem Wortlaute nach folgen:

,, Berlin, den 19. September 1882. Staatsanwaltschaft beim Königl. Landgericht I.

J. III D. 447182.

Antlageschrift gegen

1) den Klempnergesellen Carl Friedrich Franz Pötting, geboren den 14. März 1851, zu Löbbeke, Kreis Lübbeke in Westfalen, in Berlin, Gesundbrunnen, Grünthalerstr. Nr. 21 wohnhaft, evangelisch, Ersatzrefer­vist 2. Klasse, noch nicht bestraft;

2) den Tischler Carl Heinte, geboren den 13. März 1832 in Fröbeln, Kreis Brieg, in Berlin, Weberstraße Nr. 15 a wohnhaft, evan­gelisch, nicht Soldat, nicht bestraft;

3) die Arbeiterfrau Marie Härtel, geb. Roßberg, geboren den 13. Oktober 1854 in Burg bei Magdeburg, in Berlin, Adalbertstr. Nr. 28 wohnhaft, evangelisch, nicht bestraft;

4) den Drechsler Carl Theodor Paul Weißer, geb. den 14. März 1854 in Berlin, ebenda, Lausitzerstr. Nr. 19 wohnhaft, evangelisch, Ersatz­Reservist 2. Klasse, nicht bestraft;

5) den Schneider Carl Gottlieb Edebrecht, geb. den 14. Oktober 1839 in Baudendorf, Kreis Sprottau, in Berlin, Pallisadenstr. Nr. 10 wohnhaft, evangelisch, nicht Soldat, nicht bestraft;

6) den Arbeiter Wilhelm Gerts, geboren den 26. August 1847, in Neu- Hammer, Kreis Groß- Glogan, in Berlin, Pallisadenstraße Nr. 10 wohnhaft, evangelisch, nicht Soldat, nicht bestraft;

7) den Schriftsetzer Carl Gustav Paul Mühl, geboren den 3. Juni 1858, in Tschiondorf, Kreis Sagan, in Berlin, Stallschreiberstr. Nr. 60 a wohnhaft, evangelisch, nicht Soldat, nicht bestraft;

8) den Tischler Hermann Laut, geboren den 24. August 1855, in Frankfurt a. O., in Berlin, Rüdersdorferstr. Nr. 10 wohnhaft, evan­gelisch, nicht Soldat, bestraft durch Erkenntniß des Königl. Landgerichts Berlin I im Jahre 1881 mit 3 Tagen Gefängniß wegen Veranstaltung einer Lotterie zum Besten der Familien der ausgewiesenen Sozialdemo­fraten;

9) den Tischler Ferdinand Strube, geboren den 9. März 1848 in Bismard, Kreis Stendal, in Berlin, Zoffenerstraße Nr. 47 wohnhaft, evangelisch, nicht Soldat, nicht bestraft;

10) die Wollarbeiterin Cäcilie Malchert, geb. Schiefer, geboren den 24. Februar 1852 in Croffen a. D., in Berlin, Stralsunderstraße Nr. 3 wohnhaft, evangelisch, nicht bestraft;

11) den Tischler Friedrich Eduard Bernhard Pohl, geboren den 28. August 1844 in Fessenberg, Kreis Wartenberg, in Berlin, Brizerstraße Nr. 38 wohnhaft, evangelisch, dem Landsturm angehörig, nicht bestraft. Ad 1-7 in Untersuchungshaft wegen Aufruhrs.

Am 15. Juli 1882, Abends 9 Uhr, hatten sich etwa 500 dem Hand­werker- und Arbeiterstande angehörige Männer und Frauen im Wartesaal 3. Klaffe des hiesigen Anhalter Bahnhofs zusammengefunden, um mehre­ren ausgewiesenen Sozialdemokraten, welche Berlin mit dem um 11 Uhr Abends abgehenden Zuge verlassen mußten, das Geleite zu geben.

Die bei weitem größte Anzahl der Anwesenden trug als Erkennungs­zeichen eine rothe Nelke im Knopfloch oder am Hut; als gegen 10 Uhr das Treiben der versammelten Menge einen tumultuarischen Charakter annahm und das Gedränge in den Wartesälen derartig zunahm, daß für die Reisenden mit Gepäck der Aufenthalt daselbst unmöglich wurde, hielten die anwesenden Exekutivbeamten ein Einschreiten für geboten.

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Es wurde indessen den Anordnungen der Beamten, welche das Frei­geben der Paffage und das Niederhalten des Lärms betrafen, keine Folge geleistet, als Antwort auf die Anordnungen der Beamten ertönten laute Hochrufe auf die Sozialdemokratie und Hurrahgeschrei, auch wurde die Arbeiter Marseillaise gesungen. Zugleich rief die Menge: Haut fie! Schlagt fie todt, die Hunde! Die Blauen, die Spitzel!" 2c. Der an wesende Polizeilieutenant Hente stieg auf einen Tisch und forderte von hier aus die Menge zum Auseinandergehen auf. Niemand leistete Folge, vielmehr riefen die Versammelten abermals Hurrah!" und ließen die ausgewiesenen Sozialdemokraten und die Sozialdemokratie leben. Polizei­Lieutenant Hente gab nunmehr den anwesenden Schutzleuten den Be­fehl, den Wartesaal mit Gewalt zu räumen. Dies gelang den Beamten nur in der Weise, daß sie jeden Einzelnen aus dem Saal herausbringen mußten, wobei Jene sich den Beamten entgegenstemmten und von der Menge vielfach versucht wurde, die Festgenommenen loszureißen.

Etwa 200 der Anwesenden lösten alsdann am Billet- Schalter Billets nach Lichterfelde und fuhren in demselben Zuge mit den Ausgewiesenen unter lauten Hurrahrufen davon. Die Zurückgebliebenen, welche die Treppen und Flur des Bahnhofgebäudes füllten, wurden von den Schutz­

leuten auf die Straße zurückgedrängt und hier mit Hilfe der herbeige­holten Schuyleute zerstreut.

Bei diesen vorstehend geschilderten Aufruhrs haben die Angeschuldigten fich in folgender Weise betheiligt:

1) Der Angeschuldigte Pötting schrie sofort bei Eintritt in den Wartesaal übermäßig laut und suchte durch sein Benehmen die Schutz­leute, die im Saal postirt waren, zu reizen. Auf dem Perron, auf den er mit seiner Ehefrau durch die von ihm nach Lichterfelde gelöften Billets gelangt war, höhnte er die in Zivil befindlichen Beamten ( das heißt: die Spigel! Die Redaktion), indem er zu dem Schutz­manne Müller sagte: Ich kenne Sie, gleichviel was für einen Bart Sie auch tragen"; ferner zu dem Wachtmeister Joly: Na, Sie neugebackener Wachtmeister, sind Sie auch da?" und zu dem Polizeirath Krüger: Wir kennen Sie Alle, ob dick oder dünn!" Auch bemerkte er: Laßt die Faulen stehen!" Als später Siftirungen vorgenommen wurden, lief er hinter den Schußleuten her und rief wiederholt laut auf die uniformirten Schußleute zeigend: Schlagt die blauen Hunde todt!" Darauf wurde er festgenommen.

2) Der Angeschuldigte Heinke schrie:" Haut zu, haut zu!", als einige Sistirte an ihm vorüber zur Wache gebracht wurden; in Folge dieses Rufes drängte sich eine Anzahl Personen hervor, ohne aber die Schutz­Leute, welche die Siftirten wegbrachten, zu erreichen.

3) Die Angeschuldigte verehelichte Härtel, Ehefrau des Ausgewiese­nen Härtel, welche eine rothe Nelfe trug, erhob, nachdem der Polizei­Lieutenant Henke zur Ruhe ermahnt hatte, den Arm und brachte auf die Ausgewiesenen ein Hoch aus, in welches die Menge jubelnd ein­stimmte; als sie deshalb zur Ruhe gewiesen wurde, sagte sie: Ich kann hochrufen, mein Mann ist ausgewiesen, rauswerfen lassen wir uns nicht, roth ist unsere Farbe!" Ferner schrie sie, als seitens der uniformirten Schußleute Siftirungen vorgenommen wurden, aus voller Kehle: Den Hunden von Achtgroschenjungen müssen die Knochen entzweigeschlagen werden", und reizte die Menge zum Widerstande durch die Worte: Seid Ihr Männer und laßt Euch dies gefallen; warum haut Ihr nicht auf die Hunde los; raus mit ihnen aus dem Saal; haut ihnen lieber die Knochen entzwei!" Es entstand darauf im Saal neuer Tumult, Viele warfen sich auf die sistirenden Schußleute mit dem Rufe: Loslassen!" und suchten die Festgenommenen loszureißen und die Schutzleute zurückzu­drängen. Beim Einsteigen in die Waggons schrie fie: Hoch!" und gab wieder Veranlassung zu neuem Skandal. Als sie fistirt werden sollte, erschwerte sie durch Losreißen und Sträuben ihre Festnahme.

4) Der Angeschuldigte Weißer eilte im Saale von Tisch zu Tisch, von Gruppe zu Gruppe, bewegte sich besonders bei den Ausgewiesenen und deren Angehörigen, hielt bei Allen eindringliche Reden, stets mit dem Schlußsazz: Nachher das Hoch." Später brachte er mehrere Hochs auf die Ausgewiesenen und die Sozialdemokratie aus und lärmte ohne Auf­hören; unter Anderem schrie er: Das Banner der Freiheit lebe hoch!" worauf von der Menge jubelnd eingestimmt wurde.

5) Der Angeschuldigte Ecke brecht bewegte sich fortwährend im Saal herum, trat zu den verschiedenen Gruppen, welchen er herabwürdigende Aeußerungen über die anwesenden Beamten sagte und rief, in der Nähe eines in Zivil gekleideten Beamten angekommen:" Da steht wieder so ein Tagedieb, Hallunke, Spitzbube." Auch stellte er sich vor die Beamten hin, spuckte vor denselben aus und rief: Pfui!" und: Ein ehrlicher Arbeiter, den ehre ich und achte ich; aber alle Anderen sind Hallunken und Bummler! und Aehnliches. Bei den Hochrufen betheiligte er sich besonders lebhaft. Dem Schutzmann Ruß, welcher ihn wegen seines Lärmens zur Ruhe verwies, antwortete er: Sie können uns

!" und spuckte demselben vor die Brust; als Ruß ihn nunmehr fistiren wollte, warf er sich auf den Perron nieder, hielt sich an einer über denselben zur Absperrung gezogenen Leine fest und mußte von der selben gewaltsam losgerissen und zur Wache getragen werden.

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6) Der Angeschuldigte Gerts schrie laut u. A.: Es müßte was ' raus geben" und rannte den Wachtmeister Mazzel wiederholt vorsätzlich an. Er wurde, da er sein Treiben nicht unterließ, von Mazel zur Wache sistirt. Auf dem Wege dorthin weigerte er sich, mitzugehen, suchte sich loszureißen und ging nicht von der Stelle. Dann warf er sich auf den Berron nieder, hielt sich an der auf demselben gezogenen Leine fest und schlug um sich. Hierbei zerkrage er den Schutzmann Strunk erheblich im Gesicht.

7) Der Angeschuldigte Mühl schrie, als gegen 10%, Uhr wegen des großen Lärms die Hauptschreier festgenommen wurden, laut: Ihr Knechte!" Er wurde darauf durch Schußmann Kelm sistirt und suchte sich einmal auf dem Wege zur Wache loszureißen.

8) Der Angeschuldigte Pohl brachte einen Hochruf auf die Ausge­wiesenen aus und äußerte zu den Umstehenden mit Bezug auf die Be­amten: Ihre Arbeit besteht nur im Umherstehen und nach dem Molken­markt Laufen."

9) Der Angeschuldigte Struve brachte mit den Worten: Unseren scheidenden Kollegen wollen wir ein hoch ausbringen!" das erste Hoch aus; jubelnd stimmte die Menge ein. Als er trotz des Verbotes des Wachtmeisters Rohlfint nochmals" Hoch!" rief, wurde er feft­genommen.

10) Der Angeschuldigte aut rief gleichfalls mit hoch!" Er wollte dann anfänglich dem Schutzmann Berlin nicht zur Wache folgen, in­dem er erklärte, dreimal aufgefordert werden zu müssen. Als Berlin ihn mit Gewalt festnehmen wollte, widersetzte er sich dadurch, daß er die Füße gegen den Boden stemmte und sich an der Saalthür festhielt.

11) Die Angeschuldigte verehelichte Malchert trug eine rothe Nette und betheiligte sich an den Hochrufen auf die Ausgewiesenen und die Sozialdemokratie.

Es werden daher die elf Angeschuldigten angeklagt:

in zu Berlin am 15. Juli 1882 an einer öffentlichen Zusammen­rottung, bei welcher den zur Vollstreckung von Befehlen berufenen Beamten in der Ausübung ihres Amtes mit vereinten Kräften isdurch Gewalt Widerstand geleistet worden, theilgenommen zu haben.

Vergehen gegen§§ 115 Abs. 1 und 113 des Strafgesetzbuches. Beweismittel sind Zeugniß:

( Es folgen die Namen von 1 Polizeilieutenant, 2 Polizeiwachtmeister und 29 Schußleuten. Kein einziger Belastungszeuge aus dem Zivilstande! Die Redaktion.)

Ich beantrage:

die Hauptverhandlung vor der Straftammer stattfinden zu laffen und die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Berlin, den 19. September 1882.

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Der erste Staatsanwalt:

An die Strafkammer III hier." So die langathmige Anklageschrift.

J. V.: Simon v. Zastrow.

Jn nächster Nummer werden wir die Schilderung der Verhandlung bringen.

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Eine treffliche Lektion. Die Berliner Arbeiter bewähren den guten Ruf, den sie unter den Sozialisten Deutschlands genießen, wo sie nur können. So haben sie jüngst dem Vergolder Ewald, von dem fie vermutheten, mit wie viel Recht, wollen wir hier nicht untersuchen

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daß er sich mit den Antisemiten eingelassen habe, eine Lektion ertheilt, die nicht nur für ihn, sondern auch für andere Leute eine gute Lehre sein dürfte. In einer Metallarbeiterversammlung hatte Ewald die reaktio­nären Beschlüsse des Magdeburger Handwerkertages kritisirt, und zwar, wie wir zu seiner Ehre bemerken müssen, durchaus verurtheilend, dennoch gaben einige seiner Aeußerungen, namentlich die, daß die Arbeiter teinerlei Unterschiede in Betreff der Parteien zu machen, vielmehr das

auch bas hers bes Boltes au

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Gute und Vortheilhafte, das ihnen die eine oder die andere Parteinzu bieten vermöge, unbedenklich anzuerkennen oder anzunehmen hätten, gleich­viel woher es komme", Veranlassung zu lebhaften Erörterungen. Ein Arbeiter der Name ist in dem Bericht nicht genannt warf ihm, heißt es, nichts Geringeres als halbheit, 3 weideutigkeit und Prinzipienverlegung behufs Frreleitung der Arbeiter zu Gunsten gewisser Strömungen und kon­servativer Jnteressen vor, wobei der Angreifer unter stürmischem Beifall der Majorität der Versamm­lung mit dem bekannten Reimspritchlein schloß, demzufolge, gleich- wie des Menschen Herz auf der linken Seite schlägt, auf Seite der Linken schla­gen wird. Ewald, der das Wort darauf begehrte und erhielt, ver­wahrte sich entschieden gegen eine Verdächtigung, die offenbar nur auf einem Mißverständniß beruhe." Um durchaus nicht mißverstanden zu werden, hätte er über die fragliche Affäre mindestens sechs Stunden lang zu reden gehabt. Er habe aus jener staatssozialistischen Broschüre( einem Buche des Dr. Stolp über die Jnnungsfrage) vorgelesen und einzelnen Punkten zugestimmt, jedoch nicht ohne schließlich zu erklären, daß dieselbe mit dem Arbeiterprogramme nicht übereinstimme. Das habe der Angreifer ganz unberücksichtigt gelaffen. Wer ihn( E.) länger kenne, der wisse, daß er das Arbeiterprinzip" stets hochgehalten habe und hochhalten werde. Das Arbeiterprogramm" sei und bleibe ihm leitendes Grundgesetz", das er niemals verlegen werde. Leider handle es sich, so schloß er, jetzt nur wieder um die alte Geschichte, daß wir armen einfältigen Arbeiter uns von unseren Gegnern oder falschen Freunden gegen einander aufhetzen und uns zu ihrem Besten und unserm Schaden verleiten lassen, uns selbst zu verdächtigen und zu entzweien. Nachdem sich nun der betreffende Angreifer durch die Erwiderung des Herrn E. für befriedigt erklärt hatte, brach die Versammlung abermals in nicht enden wollenden Beifall aus, als Ernstgenannter versicherte, er sei überzeugt, daß der Kommandorus: Rechts schwenkt! Marsch!" von Seite der Berliner Arbeiter und der Arbeiter überhaupt niemals ausgeführt werden würde!"

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Dem haben auch wir nichts weiter hinzuzusehen als ein begeistertes Bravo!

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Der Streit in Crimmitschau, schreibt man uns, ist miß- lungen. Die Arbeiter haben kein Geld, die Arbeitgeber haben durch Konzessionen einen Theil derselben in die Fabriken gelockt, und so ist denn der Kampf hoffnungslos. An Zusammenhalt, soweit er durch Gemeinsamkeit der Interessen und das Bewußtsein dieser Gemeinsamkeit erwirkt wer­den kann, hat es nicht gefehlt, aber das genügt für einen solchen Kampf nicht, in welchem die Arbeiter stets unfehlbar verloren sind, wenn sie teine gefüllten Kassen haben. Die unmittelbar vor, oder gar erst nach Ausbruch des Streifes im provisirte Unterstützung durch Sammlungen nüßt nichts, weil sie zu spät kommt und auf die Dauer nicht ausreicht. Ohne Streitkassen( wie sie nun heißen mögen) tein Streit, geradeso wie ohne Kriegstassen fein Krieg. Das müssen sich die Arbeiter ein- für allemal gesagt sein lassen. Die Bewegung für Lohnerhöhung macht inzwischen, nament­lich unter den Webern, immer weitere Fortschritte. Auch in Hohen­ stein Ernstthal und Lichtenstein Callnberg haben die Arbeiter mehr Lohn gefordert und sind deshalb mit den Arbeitgebern in Unterhandlungen, die für die Arbeiter günstig stehen sollen.

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Das Christenthum geht hausiren. Ein größeres Armuthszeugniß ist wohl kaum denkbar, als wenn eine Lehre, die seit ziemlich zweitausend Jahren unablässig gepredigt wurde, für die mit allen Mitteln der Staatsgewalt Propaganda gemacht wurde, die einen weit­verzweigten, reichlich ausgestatteten Organismus zu ihrer Verfügung hat, wenn für eine solche Lehre noch tagtäglich um Hilfe gerufen wird, wenn in einem Bolte, dem sie von Kindesbeinen an eingepaukt wird, noch be­sondere Agitationen zu ihrer Verbreitung nöthig sind. Ein solches Armuthszeugniß in Bezug auf das Christenthum liegt uns heute vor in Gestalt eines Flugblattes Nr. 2 des Vereins für christliche Volksbildung in der Rheinprovinz und Westphalen". Fabrikanten, Kaufleute, Juristen, Lehrer von Pastoren gar nicht zu reden- fordern da ,, in der Ueber­zeugung, daß im Evangelium von Christus die einzig heilende, gesund erhaltende und ordnende Lebensmacht für alles liegt, was unser Volks­leben bewegt", ihre lieben" Mitbürger auf, mitzuwirken an ihrem großen Werke der Volksverdummung, dem Herrn der Christenheit zur Ehre, dem deutschen Volte zum Heil!" Es ist wirklich traurig, daß das Christenthum bis heute dem deutschen Volke dieses Heil vorenthalten hat.

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Die Genossen, welche uns dieses Flugblatt zusenden, ersuchen uns, auch auf seinen Inhalt, einen Vortrag über das chriftliche deutsche Haus", etwas einzugehen. Derselbe ist ein im höchsten Grade spieß­bürgerliches Gewäsch über die angeblichen und wirklichen Schönheiten des häuslichen Lebens, welches bekanntlich dem Arbeiter, Dank der heiligen Eigenthumsordnung, unter den heutigen Verhältnissen immer mehr ge­raubt wird. Natürlich muß das christlich- deutsche Haus auch ein Bet­haus sein", denn es wäre ja entsetzlich, wenn z. B. der Proletarier, be­vor er sein tärgliches Mittagsmahl notabene wenn er überhaupt eins zu sich nehmen kann zu sich nimmt, nicht dem lieben Gott" seinen tiefgefühltesten Dank dafür abstattete, daß er es ihm überhaupt noch bei seiner schweren Arbeit ermögliche, Speise und Trank zu genießen. Zu lang darf übrigens das Tischgebet nicht sein, denn die chriftlichen Fabrikanten sind durchaus nicht freigebig in Punkto der Mittagspausen. Auch ein patriotisches Haus" muß das christlich- deutsche Haus sein, das Bild des Kaisers und seiner großen Staatsmänner und Helden" darf da nicht fehlen, wobei wir dem christlich- deutschen Familien­vater übrigens rathen, auf jeden Ministerwechsel Obacht zu haben, damit er pünktlich die Bilder wechseln kann.

Dienstboten.

Zu einem christlich- deutschen Haus gehören auch die Das nimmt uns nicht Wunder, muß ja doch der fromme Christ, und sei er der ärmste Proletarier, in seinem Glaubensbekenntniß Gott dafür danken, daß er ihm Knecht und Magd" gegeben habe. Von den Dienst­boten heißt es dann: Wenn wir auch nicht der familiären Gleichheit das Wort reden wollen, aber zum Haus und zur Familie sind sie zu rech­nen." Ein bequemes Christerthum, fürwahr! Ein Christenthum für die gute" Gesellschaft, die ein eigenes Heim hat und Dienstboten hält. Die Arbeiter aber bedanken sich für solch ein Christenthum, welches die Lohnsklaverei und Ausbeutung aufrecht erhält und das Volk zur Unterwürfigkeit und Denkfaulheit erzieht. Sie haben denken gelernt, und man mag ihnen noch so viel von den Schönheiten des Reiches Gottes auf Erden" vorschwazen, ein Blick auf das wirkliche Leben zeigt ihnen, daß alles derartige Gerede eitel Humbug ist, und daß es für sie nur einen Ausweg aus ihrem Elend gibt: die Errichtung des Reiches der Menschheit auf Erden auf Grundlage der Gleichheit und Brüderlichkeit, mit anderen Worten der freien sozialistischen Gesellschaft.

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Neudeutsche Justiz. Ein Krüppel, der das eine Bein im " heiligen" Krieg verloren hat, Holzdrechsler seines Handwerks, aber seit suchte Langem ohne Arbeit der Mann heißt Moritz Eduard Franz sich vor etwa acht Wochen in der Umgegend von Leipzig Beschäftigung und erbat sich auch in einem Dorfe das übliche Geschenk". Aus dem einen oder anderen Grunde gerieth er mit einem Gutsbesitzer in Wort­wechsel, es wird ihm die Thür gewiesen; er rumort draußen--. Der Ortspolizist kommt dazu, gebietet Ruhe im Namen des Gesetzes", der verschiedene andere ergrimmte Krüppel" pfeift" auf das Gesetz" und Personen, auf letztere in Ausdrücken, die nach Ansicht des Ortspolizisten eine Majestätsbeleidigung involvirten. Der Krüppel wird verhaftet,

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