wahren Fanatismus über diejenigen herfielen, welche, wenn auch nur auf Grund der vagften, unbegründetsten, meistens noch dazu anonymen Denunziationen der Majestätsbeleidigung und sonstiger politischer Ver­gehen beschuldigt wurden. Meine politischen Freunde und ich, wir haben genügend Gelegenheit gehabt, zu erfahren, was es mit dem Werthe der im Strafgesetzbuch enthaltenen Bestimmungen auf sich hat, wonach der Beamte, welcher vorsätzlich zum Nachtheil einer Person eine Untersuchung beginnt, eine Haft verfügt oder verlängern läßt, bestraft wird! Wir So­zialdemokraten wenigstens leben seit Jahren unter dem Druck von Ver­hältnissen, die es nur zu sehr berechtigt erscheinen lassen, wenn wir be haupten, daß wir in sehr vielen Fällen von der Justiz nicht deshalb verfolgt werden, weil wir wirklich ein Verbrechen begingen, nein des­halb, weil man nach oben hin beweisen will, wie sehr man sich die Ge­sellschafteretterei angelegen sein läßt.

Präsident: Ich kann nicht zulaffen, daß der Herr Redner in der eben geschehenen Weise unseren Richterstand beleidigt. Ich rufe ihn wegen der eben gehörten Aeußerung zur Ordnung.

Abgeordneter Frohme: Ich habe nicht vom Richterstand ge­sprochen, sondern von der Justiz überhaupt. Jetzt werde ich Ihnen einige Fälle vorführen, an denen Sie erkennen können, wie sehr in den letzten Jahren die Polizei bemüht gewesen ist, sich des Staatsanwalts und des Richters zu bedienen, um ihre gegen mißliebige Personen, gegen Sozialdemokraten, gerichteten Verfolgungen durchzusetzen. Zunächst erin nere ich Sie an das, was in Betreff des ersten Leipziger   Hochverraths Prozesses bereits in voriger Session hier gesprochen und festgestellt wor den ist. 1030min

Präsident: Ich habe ebensowohl Veranlassung, die Polizeibehörden in Schutz zu nehmen; ich kann nicht dulden, daß die Polizeibehörden in der eben gehörten Weise beleidigt werden, und rufe daher den Herrn Redner zum zweiten Male zur Ordnung."

Bei der Stellung, welche wir zum heutigen Parlamentarismus über­haupt einnehmen, kann uns der Ordnungsruf an sich ziemlich gleichgiltig sein. Aber Alles hat seine Grenzen. Und so lange unsere Abgeordneten in ihren Reden diejenigen Schranken innehalten, welche die Vertreter der anderen Parteien sich gleichfalls auferlegen, haben sie auch die gleichen Rechte wie diese zu beanspruchen und brauchen sich nicht als Abgeord­nete zweiter Klaffe behandeln zu lassen. Noch ist das Ausnahmegesetz nicht auf die Reden im Reichstage ausgedehnt.

Wir wollen mit diesen Worten natürlich Frohme teinen Vorwurf machen, während seiner Rede ist ihm das Unerhörte der von Herrn Levetzow beliebten Maßregelung wahrscheinlich kaum aufgefallen, denn er fümmerte sich gar nicht um den zweiten Ordnungsruf und sagie weiter, was er zu sagen vorhatte. Es ist vielmehr die Empörung, welche uns beim Lesen des stenographisch en Berichtes überkam, die uns veranlaßte, hier eine Anregung zu geben, welche für zukünftige Fälle vielleicht von Nuzen sein wird.

- Die Spaltung in der Fortschrittspartei wird von stoff- und gedankenarmen Blättern aufgebauscht, als handle es sich da um ein weltbewegendes Ereigniß. Und wie unbedeutend ist die ganze Geschichte! Der ehrgeizige Hänel will sich auf jeden Fall sein Minister portefeuille sichern und hält sich daher zu Bennigsen, dem Zukunfts­fanzler, Eugen Richter   aber traut dem liberalen" Kronprinzen nicht und denkt, beffer Führer der Opposition als Werkzeug eines Stre­bers zu sein. Das ist Alles! Von einer Schwenkung nach links ist gar teine Rede; Richter's   Flügel bleibt nach wie vor gut hohenzollerisch", und für das Hohenzollernthum ist die gegenwärtige Fortschrittspartei bereits das non plus ultra!

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Ein allerliebstes Terzett verüben die drei Regierungen von Preußen, Sachsen   und Hamburg   in ihren Denkschriften über die Verlängerung des Kleinen Belagerungszustandes über Berlin  , Leipzig   und Hamburg- Altona  ", die soeben zur Vertheilung gelangt sind. Es ist wahr­haft beluftigend, zu sehen, wie sie sich abquälen, dem Spießbürger ans Herz zu legen, welch' vorzügliche Wirkung das Sozialistengesetz, insbeson dere der Belagerungszustand, bereits ausgeübt habe und daß Letzterer unbedingt fortdauern müsse, weil er bis jetzt eigentlich noch gar nichts genügt hat. Das ist das Leitmotiv, welches von den Sängern Madai, Noftiz- Wallwitz und Kuhnhardt nicht gerade sehr kunstvoll aber defto gekünftelter verarbeitet wi und zum Schluß in die unendliche zukunftsmusikalische Melodie ausartet: es muß noch viel mehr ausgewiesen werden.

Hamburg   singt den Mezzosopran, wie sich das für eine ehrbare Patrizierstadt geziemt. Wohl uns, beginnt es, die Führer, die ,, geübten Agitatoren", haben wir ausgewiesen, es fehlt an Persönlichkeiten, die zur Uebernahme einer Führerrolle mit hinlänglichem Geschick und Ansehen ausgerüstet wären". Aber, ach! noch ist keineswegs auf ein Erlöschen oder auch nur auf ein Ermatten der sozialistischen   Bewegung zu hoffen, auf eine Anerkennung unserer Bemühungen zur Hebung des Wohles der Arbeiter darf kaum noch gerechnet werden". Beständig steigt der Absatz der verbotenen sozialistischen   Blätter, die Hef  tigkeit und der Cynismus der Sprache des Sozialdemokrat" ist kaum noch einer Steigerung fähig. Schrecklich sind die Reden, die auf den Kongressen im Auslande und noch jüngst in Wyden Abschwenkung auf das Thema: Herr Schmidt, Herr Schmidt, was theilt der Spiel mit! gehalten wurden, immer größer wird die Zahl der Anhänger der sozialen Revolution. Das ist das bisherige Resultat des Belagerungs­zustandes und deßhalb- laßt uns ihn verlängern.

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Preußen singt, seiner Ausschneidernatur entsprechend, den Helden­tenor: Unsere Sozialisten sind die Scheußlichsten der Scheußlichen, selbst der Sozialdemokrat" ist ihnen nicht energisch genug, sie wollen nichts von ihm wissen. Wir aber find froß und unsere Erfolge sind daher iroßartig. Was sich muckt, schmeißen wir' raus, und darum haben wir immer Ruhe. Wenn wir aber nicht mehr' rausschmeißen dürfen, dann können wir uns begraben laffen, was ein Weltunglück wäre. Hört Ihr, wie in Frankreich   die Revolutionäre schon die neue Carmagnole fingen? So wird es auch in Deutschland   kommen, wenn wir nicht mehr wirthschaften können wie es uns paßt. Darum verlängern wir den Be­Lagerungszustand.

Und im feinsten Distant flagt das gemüthvolle Sachsen  : Ei, Herrje­mersch, nee! Wir haben doch ausgewiesen was wir konnten, aber wir haben die beesen Rothen" nicht kleene gekriegt". Im Gegentheil, fie find immer größer geworden. Wenn wir den Belagerungszustand wieder aufheben würden, dann würden die Rothen denken, daß wir einsehen, was für Esel wir eigentlich find. Und das könnte unserer Autorität schaden. Autorität aber muß sein, und darum, bitte, verlängert uns den Belagerungszustand!-

Nicht wahr, ein komisches Terzett! Nur flingen die Stimmen ein bischen dünn, man merkt, daß sie aus den höhern Regionen kommen. Das thut zwar der komischen Wirkung keinen Eintrag, indeß sehnen wir uns schließlich doch zur Erholung nach den kräftigen Tönen eines gesunden Baffes. Und daß es an diesen nicht fehle, dafür wird, wie wir hören, die sozialistische Ecke im Reichstag gehörig Sorge tragen.

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Arbeiter und Handwerker. Wenn man die Kämpfer für obligatorische Jnnungen reden hört, dann sollte man meinen, beffere Freunde der Arbeiter könne es gar nicht geben als diese Art Handwerker. That­fächlich liegt die Sache natürlich umgekehrt. Eines der Hauptmotive, we ßhalb die Herren für die obligatorischen" schwärmen, oder vielmehr das Hauptmotiv, ist die Sehnsucht nach der alten Herrschaft über die Arbeiter. Der Großindustrie gegenüber, dus wiffen die Herren, können sie wenig ausrichten, deßhalb sollen die Arbeiter die Sündenböcke abgeben für ihre entschwindende Herrlichkeit. Das hat man bisher nicht offen gesagt, aber zwischen den Zeilen war es deutlich zu lesen, und die Arbeiter in ihrer übergroßen Mehrheit haben das auch von Anfang an gemerkt. Für die, wenigen Hineingefallenen haben nun jüngst in Berlin   in einer Zusammen­tunft von Delegirten der Berliner   Drechslergehilfen mit den Innungs­meistern diese Letzteren die Maske vollends gelüftet, etwas zu früh

für jene Herren, denn die obligatorischen" find bekanntlich noch nicht Gesetz. Da fühlten sich die Herren bereits so sicher, daß der Ober­meister Meyer zweifelsohne der famose chriftlich- soziale Reichstags­kandidat dem Arbeiterbelegirten Müller auf die Frage, ob die Ar­beitsbücher wohl dazu dienen sollen, daß die Meister eine Kontrole über die Gesellen ausüben, die paßige Antwort gab: diese Kontrole möchten sie nicht nur, sondern sie würden sie bestimmt wieder ein­führen, damit sie nicht Jedem, der möglicherweise aus dem Zuchthause entlassen sei, ihre Werkstatt anvertrauen müßten". Dann provozirte Herr Meyer durch falsche Wiedergabe der Worte eines andern Arbeiterbelegirten einen Standal, worauf er die Delegation der Arbeiter in brutalster Weise aus dem Lokal verwies. Der Vorstand des Vereins der Berliner   Drechsler­gehilfen hat infolge dessen erklärt, daß derselbe auf jedes Zusammen gehen mit den Jnnungsmeistern verzichte und jeden Schritt bedaure, den er in dieser Sache gemacht habe.

Man kann den Herren Meyer und Konsorten nicht genug danken, daß sie bei Zeiten gezeigt haben, was die Arbeiter von ihnen zu erwarten hätten, wenn ihr Wunsch verwirklicht würde.

Arbeiter und Handwerker können nur dann zusammenwirken, wenn die Handwerker zu den Arbeitern gehen und mit diesen gemeinsame Sache machen, nicht um Altes wieder herzustellen, sondern zur ökonomischen Befreiung der Arbeit vom Joche der tapitalistischen Ausbeutung.

Auch ein Grund zur Versammlungsauflösung. In Forst( Niederlaufit) sprach am 3. Dezember in einer sehr gut be­suchten Versammlung Genosse Kayser über die Arbeitergesetzgebung im deutschen   Reichstage". Bei den Worten:

,, Die gepriesene ,, Arbeiterfreundlichkeit" ginge überhaupt nicht weit. Das beweise z. B. das Verbot der Geldsammlungen für die streiken­den Weber in Crimmitschau  , wo es sich doch lediglich um eine Lohn­erhöhung für die Arbeiter gehandelt habe, die aber trotzdem von dem Berliner   Polizeipräsidium auf Grund des Sozialistengesetzes verboten worden sei"

sprang der überwachende Bürgermeister- Enzmann heißt der Herr- plötzlich auf und erklärte mit erregter Stimme:" Wegen des letzten Passus löse ich die Versammlung auf!" Demnach scheint die Erwähnung eines Verbotes bereits für staatsgefährlich zu gelten. Gar nicht so un­logisch, denn die Arbeiter müßten ja Fischblut in den Adern haben, wenn sie so etwas nicht aufreizte.

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Also doch! Die Wahlkommission des Reichstags hat beschlossen, dem Reichstag zu empfehlen, die Wahlen von Ebert( Stollberg­Schneeberg) und Leuschner( Glauchau Merane) zu bean­standen und beim Reichskanzler Untersuchung über dieselbe zu bean­tragen. Es ist bereits mehr als ein Jahr seit Zusammentritt des Reichstages verstrichen. Geht die Untersuchung, vorausgesetzt daß der Reichs­tag den Antrag annimmt, einen ebenso schnellen Gang als die Wahlprüfung, so ist die erfreuliche Aussicht vorhanden, daß, nachdem die Wahl für un­giltig erklärt und eine Neuwahl, mit deren Ausschreibung sich in diesem Falle die sächsische Regierung natürlich nicht beeilen wird, ausgeschrieben worden ist, etwa im Sommer 1884, d. h. gegen Ende der diesmaligen Legislaturperiode, die Wähler der genannten Wahlkreise zu ihrem Rechte kommen und von einem Sozialdemokraten im Reichstage vertreten sein werden. Notabene, wenn der Reichstag   nicht vorher aufgelöst wird. In ähnlicher Lage befindet sich der Leipziger   Landkreis.

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Wie heißt es doch? Das freie Wahlrecht ist das Zeichen, in dem wir fiegen" Das freie Wahlrecht! Ja, wenn wir es nur erst hätten! Zeichen der Zeit. Die Berliner   Bildhauer haben am 4. Dezember in der Lehrlingsfrage eine Resolution gefaßt, welche der fortschrittlichen Volkzeitung" ein gelindes Entsetzen verursachte, den Herren von der Handwerkerpartei aber nicht minder fatal sein dürfte. Herren von der Handwerkerpartei aber nicht minder fatal sein dürfte. Sie haben nämlich mit allen nach der Volkszeitung" waren 300 Bildhauer, darunter 20 Prinzipale, anwesend gegen 15 Stimmen eine Petition an den Reichstag   angenommen, in der sie verlangen:

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,,§ 1. Gänzliche Abschaffung der heutigen Lehrlingsverhältnisse, und zwar so, daß kein Prinzipal oder Gehilfe einen oder mehrere Lehr­finge ausbilden und beschäftigen darf.

§ 2. Errichtung von Staatswerkstätten zur alleinigen praktischen und theoretischen Ausbildung der Lehrlinge."

Bezeichnend ist, daß der Referent, der diese Resolution zur Annahme empfahl, selbst ein Prinzipal ist, und daß mehrere der anwesenden Prin­zipale fie vertheidigten. Ueber die Konsequenzen dieser Forderung mögen fich wohl nicht alle klar gewesen sein.

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Stimmt! In einem im Allgemeinen sachlich gehaltenen Artikel über den Stand der sozialdemokratischen Bewegung in Deutschland  " schreiben die Chriftlich- sozialen Blätter" des katholischen Kaplans Aloys Bongart:

" Der Summe des Elends, welches das Sozialistengesetz erzeugte, ent­spricht eine noch größere Summe von Haß und Rache. Die Sozialdemo­fraten sind eben keine Geistlichen und Ordensleute, die sich geduldig aus der Heimath vertreiben lassen und draußen in der Verbannung noch für ihre Feinde beten."

Das ist so richtig, daß wir es dem Verfasser nicht weiter anrechnen wollen, daß er die Sprache des Parteiorgans ftellenweise roh und brutal" findet, obwohl das nicht stimmt. Es ist die Leidenschaft, die uns die Feder führt und uns Worte gebrauchen läßt, die im Koder des feinen Tones allerdings verpönt sind. Wir reden die Sprache der Unter­drückten, wenn Herr Bongart wissen will, was roh und brutal ist, dann empfehlen wir ihm zum Studium die königlich- preußische Anti­semitenpresse.

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Aus Leipzig  , Anfang Dezember, schreibt man uns: Herr Perls, fortschrittlich- volksparteilich- demokratischer Redakteur der hiesigen Bürgerzeitung", die sich weidlich Mühe gegeben hat, sozialdemokratische Abonnenten zu ergattern, protestirt jezt in dem Tageblatt" gegen den entsetzlichen Vorwurf, daß er Sozialdemokrat sei. Herr Sparig habe ihn in der famosen Prozeßverhandlung durch diesen de­nunziatorischen Vorwurf auf's Tieffte gekränkt und auch in seinen Interessen bedroht. Könnte man nicht seine Bürgerzeitung" als sozialdemokratisches Umsturzorgan auf Grund des Sozialistengesetzes unterdrücken und ihn selber aus der hübschen Seestadt ausweisen? Hu, bu! Man hört ordent­lich, wie dem armen Teufel die Zähne klappern! Nein, nein, lieber Herr Perls, beschwichtigen Sie Ihre Angst es hat Sie noch Niemand für einen Sozialdemokraten gehalten und wird Sie wohl auch Niemand für einen halten. Es hat Sie noch Niemand für einen Verschwörer genom­men. Es hat Sie sogar noch Niemand für ernst genommen mit Aus­nahme des verflossenen Hitttner und des noch nicht verflossenen Sparig, die in Erwiderung der unverdienten Ehre dafür auch von Ihnen ernst genommen worden sind. Also beruhigen Sie sich!

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Wenn Herr Perls in seinem herzerbarmenden Nothschrei noch weiter berichtet, wie er die Sozialdemokraten stets heftig bekämpft" habe und auch von ihnen heftig bekämpft" worden sei, so müssen wir allerdings gestehen, daß uns hiervon nichts bewußt ist. Ich kenne keinen von uns, der sich je mit Herrn Perls in eine Polemik( und noch obendrein in eine heftige") eingelassen hätte, und ebensowenig habe ich je bemerkt, daß wir von Herrn Perls heftig bekämpft" worden wären. Er hat es vielleicht gemacht wie jener Fischmensch in Martin der Findling" von Eugen Sue  , der sich an seinem Beiniger dadurch rächt, daß er ihm heim­lich in die Suppe spuckt, wovon dieser jedoch nie etwas erfährt. Sollte Herr Perle gleich diesem Fischmensch die vorsichtige Heimlichkeit so weit getrieben haben, daß wir von seiner heftigen Bekämpfung" gar nichts verspürten? Klein genug ist er. Und auch die übrigen Eigenschaften gehen ihm nicht ab.

- Sozialistische Wahlen. Ju Braunschweig haben unsere Genossen bei den Stadtverordnetenwahlen wiederum gezeigt, daß fie noch unverzagt auf dem Blaze find. Genosse Riete, Maurer, würde wieder- und Genoffe Günther, Buchdrucker, neu­gewählt. Bravo!

Jn Wurzen( Sachsen  ) haben bei den Ergänzungswahlen zum Stadt­verordnetenkollegium trotz verzweifelter Gegenagitation unsere Genoffen einen glänzenden Sieg errungen. Ihr Kandidat, Genosse Kögel, siegte mit 393 Stimmen, während es die übrigen Gewählten nicht auf 300 Stimmen brachten.)

J: 19 10

Auch in Lunzen au haben unsere Genossen einen Sieg errungen.

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-Aus Oesterreich  . Der Prager Mo'n ft re- Prozeß gegen 51 böhmische Sozialisten( Czechen und Deutſche  ) wird auf An trag der Staatsanwaltschaft geheim geführt mit Rücksicht auf die öffentliche Ordnung". Die Anklageschrift stützt sich auf der Polizei ,, im vertraulichen Wege" zugegangene, verläßliche" Mittheilungen, d. h. Spitzel­berichte, sowie auf bei Haussuchungen ergattertes Material. Von Letz terem heißt es: Das bei den vorgenommenen Haus- und Personendurch­suchungen saisirte höchst umfangreiche Beweismaterial ist für die Ange­tlagten fast(!!). erdrüdend und ist erwiesen, daß sämmtliche Ange­flagte im Besitze zahlreicher, meist verbotenen Druckschriften und schrift­lichen Auszeichnungen fozialdemokratischer Tendenz gewesen, daß sich ein großer Theil derselben auch mit der Weiterverbreitung derarti ger Druckschriften befaßte, daß viele Angeklagte im schriftlichen Ver­tehre mit den hervorragensten Führern der Sozialdemokraten Carl Kautsty in Zürich  , 2öw y'in Berlin  , Frankl in Pest  , Emil Kaller- Reinthal in Graz, Volbracht in Wien   ftanden, piele im Besize des soge­

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nannten Stieber ſchen Berdrußes, bas in einer Anleitung zur Geheimschrift oder anderen Schlüsseln zur geheimen Chiffernschrift waren, daß mehrere der Angeklagten Sammlungen für die in­haftirten Genossen und deren Gemahlinnen oder Familien veranstalteten oder doch zu diesen Sammlungen beige­tragen haben, lauter Umstände, welche den Verdacht rechtfertigen, daß die Angeklagten Mitglieder, 35 von ihnen sogar Leiter oder Vors steher des obbezeichneten Geheim bundes gewesen sind und wurder beßhalb gegen fie die Anklage wegen des Vergehens nach den§§ 285, 286 und 287 lit. c beziehungsweise lit. e St.-G. erhoben."

Eine größere Gemeinheit ist gar nicht denkbar. Das erdritcende Material ist, bei Lichte befehen, fchamloser Humbug. Der Befit verbotener Schriften ist bekanntlich nicht einmal strafbar; hätten die Briefe einen ftrafbaren Inhalt gehabt, so würden auch die betreffenden Korrespondenten, Kautsky  , Kaller Reinthal 2c. angeklagt worden sein, und so bleibt als Hauptverbrechen nur die Sammlung für Juhaftirte und deren Familien übrig. Und daraufhin hält man 50 Arbeiter monatelang in Untersuchungs­haft, urtheilt sie hinter verschloffenen Thüren ab und die Preffe, welche schon aus der Anklageschrift ersehen muß, welch ein Stild infamer Kabi netsjustiz da verübt wird, hält feige und charakterlos den Mund. Ja, wenn einer der Herren Verfassungstreuen auch nur eine Stunde unrecht­mäßig in Haft gehalten würde, welches Geschrei würde sich da erheben! Aber 50 Sozialisten, 50 Proletarier, wegen derer lohnt es sich nicht, mit der Regierung anzubinden.

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Mit wohlüberlegter Berechnung wirft die Anklage Sozialrevolutionäre und Sozialdemokraten in einen Topf, so daß ein bei einem Wiener   So zialrevolutionär aufgefundener Brief kompromittirende Briefe aufheben scheint der Mann für die Pflicht eines Revolutionärs gehalten zu haben des Angeklagten Waicz, der von der Anfertigung von Explosionsstoffen nach dem Rezept des Rebell" handelt, als melodramatisches Effektstück zur Beleuchtung sämmtlicher Augeklagten im Lichte der Polizei benutzt wird. Die Prozeßverhandlung soll, wie die Blätter berichten, mindestens drei Wochen in Anspruch nehmen; warten wir das Urtheil ab.

In Wien   sind bereits 2 Serien" der Theilnehmer an den Straßen­Tumulten vom November abgeurtheilt worden. Die Verhandlungen legten Zeugniß für die Richtigkeit unserer Beurtheilung des Schuh­macherkrawalls" ab. Von revolutionären Demonftrationen" teine Spur; die Leute waren erbittert über die Polizeibrutalitäten und gaben dieser Erbitterung in gereizten Worten, durch Widerstand gegen Gewaltthätig­feiten und Verhaftungen Ausdruck. Das ist Alles und die Strafen find verhältnißmäßig geringfügig; fie zählen nach Wochen.

Die Wiener   Schriftseter kämpfen mit heroischer Festigkeit für ihre im Grunde so maßvollen Forderungen. Die gesammte Arbeiterschaft sympathifirt" mit ihrem Kampf. Unsere Genossen von der Wahrheit" haben einen warmen Appell zur Sammlung pon Unterstütz ungen versandt, dem wir uns hiermit anschließen. Es handelt sich hier um mehr, als um eine bloße Lohnfrage. Der Kampf ist von prinzipieller Bedeutung für die ganze Arbeiterschaft.

Unterstützungen find zu senden an die Administration der Wahrheit", Wien V  , Rüdigergasse 14.

-Aus Frankreich  . Die Verhaftungen von Sozialisten nehmen in einem Grade überhand, daß es taunt möglich ist, alle zu registriren. Vorige Woche haben auch die Prozesse begonnen. In Lyon   wurbe der Redakteur der anarchistischen ,, Etendard- revolutionäre", Bordet, wegen Aufreizung der Soldaten zur Emeute zu einem Jahr Gefängniß und 3000 Fr. Geldstrafe, vier andere Anarchisten wegen Aufreizung zum Morde 2c. zu je 2 Jahren Gefängniß und 3000 Franken Geldstrafe ver­urtheilt. Reiner der Angeklagten war zur Berhandlung erschienen.

In Lille   wurden der Redakteur und der Drucker unseres Bruder­organs Forgat" wegen Beleidigung eines Fabritantei zu je 500 Fr. Geldbuße und 100 Fr. Entschädigung verurtheilt. Die Beleidigung be­stand in dem Satze, daß der Fabrikant einen Arbeiter, unbarm herzig auf's Pflaster gesetzt habe." Nette Richter und nette Gesetze!

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In Lille   streiten bekanntlich" die Arbeiter in den Zwirnereien. Der Forçat veröffentlicht jetzt einen Brief aus London  , in welchem die vereinigte Gewerkschaft der Mechaniker, Schloffer, Spinner und Model­leure dem Streittomite ein Darlehen von 50 Pfund Sterling( 1000 Mart) zur Verfügung stellt. Weiter ist, eine Delegirtenkonferenz der Ge werkschaften ausgeschrieben, auf deren Tagesordnung der Antrag steht, den Streifern von Lille   50,000 Franken zu senden. Das ist eine befferer Beweis von Solidarität als die Delegation im Interesse der Kanalban Gesellschaft.

Der sozialistische Nordverband hat auf seiner Delegirtenkonferenz seine Zustimmung zu den Beschlüssen des Roanner Kongresses erklärt.

Korrespondenzen.

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Ratibor  , 20. November.  ( Schluß.) Ein anderes Bild deutscher   Rechtspflege Als voriges Jahr ein auf die Straße geworfener verzweifelter Familienvater seinen Beiniger So then turz­weg erschoß, da lamentirte die gutgesinnte Presse über solche unerhörte Mordthat", das arbeitende Volt aber bezeugte seine Sympathie mit dem Mörder" und weit und breit ertönte es: Recht hat er es gemacht. Und Boltes Stimme ist ja bekanntlich Gottes Stimme. Auch der So­zialdemokrat" bezeugte seine Sympathie mit dem Mörder, und mit Recht. Daraufhin versuchte Herr v. Putttamer, dies unseren Abge­ordneten im Reichstage unter die Nase zu reiben. Das Gegenstück zu der Wiener   Affäre spielte sich vorigen Sommer vor dem hiesigen Schwurs gerichte ab. Der Gutsbesitzer von Leesen in der Umgegend schoß auf drei Knaben, welche angeblich Besenruthen stahlen, drei Schüsse ab; eine Kugel traf, und der getroffene Junge fiel sofort todt nieder. Von Leesen aber wurde nicht etwa, wie der Mörder" von Sothen, wegen Mordes zum Tode verurtheilt, nein, die Bourgeoisgeschwornen fanden ihn nur

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