Meine Herren, der Schluß, den die Polizei beziehungsweise die Regierung an diese Anführungen knüpfen, ist selbstverständlich wie in der Messe das Amen: der Belagerungszustand ist nicht entbehrlich und muß weiter gehandhabt werden. Nun, meine Herren, wenn man die Polizei fragt, ob sie eines ihrer Machtmittel zu entbehren vermöge, oder wenn Sie den Belagerungszustand erst dann abschaffen wollen, wenn die Wirkungen erzielt find, welche die Polizei damit zu erzielen wünscht dann wird der Belagerungszustand niemals abgeschafft
werden können.
Meine Herren, ich könnte nun die Taktik beobachten, daß ich meine Partei, ihre Bestrebungen, ihre Taktik, alle ihre Mittel als möglichst harmlos, dagegen die von der Polizei angeblich erzielten, Erfolge", gestützt auf die Ausführungen der Polizei selbst als möglichst bedeutend darstelle, um so vielleicht einige Stimmen gegen den Belagerungszustand zu gewinnen. Ich werde diese Taktik indeß nicht befolgen, weil ich fie für eine unser unwürdige halte. Nur eine schwächliche Sache kann in so schwächlicher, kleinlicher Weise behandelt werden. Ich bin stets der Meinung gewesen, daß das Beste in allen diesen Dingen die Offenheit ist, und daß das Wort zutrifft, das einmal der Reichskanzler für seine Politik gebraucht hat womit ich indessen die Politik des letzteren in keinerlei Zusammenhang mit unserer Bewegung bringen will, daß die starken Spiele offen gespielt
werden.
Nun, meine Herren, begreife ich ja vollständig, daß Sie sich solcher Mittel bedienen müssen- Ihre Sache ist ja auch danach! Aber man sollte doch mindestens das Geld nicht so wegwerfen! Wenn Sie einmal die Polizeimanipulationen des napoleonischen Kaiserreichs nachmachen müssen, dann sollen Sie doch auch seine Geschicklichkeit nachmachen.
( Heiterkeit.)
Kurz und gut, fassen wir alle diese Geschichten zusammen, so bleibt das Eine bestehen, was mir Niemand wird bestreiten wollen. Wenn wir todt zu machen wären durch derartige äußere Mittel, dann wären wir es längst. Und daß wir es nicht find, ich meine, das ist der allerbeste Beweis gegen die Art von Gesetzen, wie Sie sie gegen uns gemacht haben.
"
-
Als ein nothwendiges Mittel gegen uns wurde vor allem die Unterdrückung unserer Presse bezeichnet. Meine Herren, Sie haben allerdings unsere Presse in Deutschland unterdrückt; aber die Preffe überhaupt zu unterdrücken, ist Ihnen nicht gelungen. Sagt doch die Vorlage selbst: daß der Sozialdemokrat" d. h. das offizielle Parteiorgan ,, in einer großen Anzahl von Exemplaren in Deutschland verbreitet sei". Man nennt Ihnen die Zahl von 13,000 Stück, welche in einem einzigem Vierteljahr erwischt worden seien. Ich sage ,, erwischt", denn der größte Theil ist selbstverständlich nicht erwischt worden. Ich halte es natürlich nicht für nothwendig, Ihnen zu sagen, wie viele Exemplare verbreitet wurden; aber das kann ich Ihnen sagen, daß die Zahl von Schriften, die all wöchentlich verbreitet werden, d. h. nicht nur das Parteiorgan, sondern auch andere Schriften, nicht allzuweit von der 3iffer sich entfernen, was Sie in einem Vierteljahr erwischt haben! Allerdings ist diese geheime Presse ungeseglich, wie überhaupt unsere gauze Existenz ungesetzlich ist; aber indem wir diese Presse verbreiten, sind wir im Stande, uns auf einen Ausspruch des Herrn Reichskanzlers zu stützen, der im Jahre 1876 sagte: er glaube, es wäre viel nüßlicher, die sozialdemokratischen Blätter mehr zu verbreiten und nachzudrucken... wenn dieselben an Luft und Sonne fämen, so müßten sie in ihrer Unausführbarkeit und verbrecherischen Thorheit erkannt werden". Nun, wir wollen dem gar nicht entgegentreten, daß man uns in unserer verbrecherischen Thorheit und Unausführbarkeit" erkennt, und wir sind loyal genug, Ihnen die Mittel hiefür selbst zu liefern. Da werden Sie uns doch nicht entgegentreten und von einem illoyalen Kampfe" sprechen können.
Ueber die Organisation, da habe ich nicht nöthig, viel zu sagen. Es ist schon in dem Bericht niedergelegt, daß der Polizei es sogar in dem Gebiete des Belagerungszustandes nicht geglückt ist, unsere Organisation zu sprengen, sondern daß sie sich im Gegentheil immer mehr festigt, was ich in der That nur bestätigen kann.
Nun der letzte und wichtigste Punkt, den Sie in der Vorlage finden. Ich möchte Sie vorher erst noch einmal daran erinnern, daß, als das Ausnahmegesetz gemacht wurde, namentlich als Zweck angegeben worden ist, daß man den Boden wieder ebnen müsse für ein, positives Wirken". Ich frage Sie nun, was in dieser Beziehung erzielt worden ist? Die Vorlage wird in Bezug hierauf geradezu wehmüthig, und sie hat auch volle Ursache dazu. Sie sagt nämlich:
Auch die Hoffnung, durch die sozialpolitischen Gesetzvorlagen dieselbe( nämlich die Sozialdemokratie) in ruhigere Bahnen gelenkt zu sehen, hat sich nicht erfüllt. Man wird sich jetzt der Ueberzeugung nicht verschließen dürfen, daß auf eine richtige Würdigung der auf die Hebung des Wohls der Arbeiterbevölke rung abzielenden Bewegungen des Staats seitens der sozialdemofratischen Partei kaum noch gerechnet werden kann. Meine Herren, Sie finden darin nur eine Bestätigung dessen, was ich in der Lage war Ihnen bei den Verhandlungen über das Tabakmonopol zu erklären. Uebrigens muß ich sagen, daß mir die Art, wie die Arbeiter, die Sozialdemokraten, die Vorlage würdigen, gerade die richtige Würdigung zu sein scheint. Wer dem Herrn Reichstanzler als Leiter der Politif im Allgemeinen und auch als verantwortlichem Leiter der Politik gegen die Sozialdemokratie weis gemacht hat, daß die Sozialdemokraten für das Linsengericht einiger Kleinigkeiten das Recht ihrer Erstgeburt hergeben, der hat ihn ganz bedeutend getäuscht, oder er hat sich selbst getäuscht.
Feuilleton.
Zur Erinnerung.
Da die junge Generation nicht weiß und die alte es leider vergessen hat, wie die preußische Armee unter dem Kommando des Prinzen von Preußen( jezigen Kaisers von Deutschland ) 1849 in Baden hauste und für den Gedanken der deutschen Einheit und Freiheit", welcher nach der neuesten Geschichtsschreibung den Prinzen von Preußen schon damals beseelt haben soll, prattische Propaganda machte, so wollen wir nachfolgend aus dem Tagebuche eines konservativen badischen Regierungsbeamten aus jener Zeit einige Auszüge bringen.*) Bemerkt sei noch zur Orientirung, daß die badisch pfälzische Armee im Jahr 1849 offiziell für die, von den deutschen Fürsten nicht anerkannte, vollkommen zu Recht bestehende Reichsverfassung fämpfte und, wie die seit 1871 tausendmal gehörte Phrase lautet, das erstrebten, was sich durch die Gründung des deutschen Reiches, mit dem Prinzen von Preußen als Kaiser, so herrlich erfüllt hat".
Wir geben die Auszüge in der Reihenfolge, wie die Stellen sich im Tagebuch finden.
Standrechtliche Erschießung Biedenfeld's. Biedenfeld, pensionirter badischer Major, hatte sich dem Aufstande angeschlossen, das dritte Jufanterie- Regiment mit Auszeichnung kommandirt und auch während der Belagerung von Rastatt ebensoviel Muth wie Umsicht bewiesen. Er wurde vom Standgericht zum Tode verurtheilt. Und nun laffen wir unseren Gewährsmann reden:
,, Vom preußischen Kriegsgericht zum Tode verurtheilt, hatte er mit männlicher Ergebung zu demselben sich vorbereitet. Früh 3 Uhr besuchte ihn noch der Seelsorger seines Bekenntnisses. Unter Gesprächen, wie der Ernst der Stunde fie erforderte, brachte er die Stunde bis Sonnenaufgang( wo er erschossen werden sollte) in seinem Gefängnisse zu, dann im Hof der Bastion XXX, wo dasselbe sich befand. Immer zögert der Todesbote; endlich wird dem Berurtheilten gesagt, die
*) Es ist das um so mehr am Blaze, als man neuerdings auf reattionärer Seite wieder eifrigst bemüht ist, die Revolution von 1848 mit niederträchtigen Verleumdungen zu überschütten. Ganz besonders zeichnet sich ein Vertreter der christlichen Liebe", Gustav Schlosser aus, der in der Sonntagsbeilage des Reichsboten" seinen Geifer ablagert.
97
"
Anmerkung der Redaktion,
-
Man möchte gern, daß wir uns wie die Norddeutsche Allgemeine Zeitung vor einiger Zeit sich ausdrückte nicht auf das Gebiet der hohen Politik" begeben, sondern lediglich auf das ökonomische Gebiet beschränken. Da will ich Ihnen nun sagen, daß die Sozialdemokratie seit alter Zeit weiß, daß sozialökonomische Zugeständnisse auch zu sehr reaktionären 3weden gemacht und ge= braucht werden können. Zu gewissen Zeiten ist es sogar die Regel und ein Mittel, durch derartige kleine und anscheinend groß aussehende Zugeständnisse zur Verstärkung des Absolutismus beizutragen. Wir aber sind Sozial demokraten, und deshalb wollen wir das können Sie aus allen unseren Programmen von Anfang an bis jetzt ersehen-- nicht nur fleine Nachbesserungen und Flickereien, sondern für uns ist die soziale und die politische Emanzipation untrennbar! Schon Lassalle und nach ihm die Internationale und die Partei bis auf unsere Zeit haben in erster Linie die politische Macht angestrebt, das ist namentlich in dem bedeutendsten und ältesten Aktenstück unserer Partei, dem kommunistischen Manifest einer der Verfasser desselben ist der bekannte Defonom Karl Marx , dem wohl auch Sie seine Stellung in der Wissenschaft nicht bestreiten werden schon ausgedrückt, indem es sagt: daß der erste Schritt in der Arbeiterrevolu tion die Erhebung des Proletariats zu der herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie" sei. Und weiter sagt das Eisenacher Programm: Die politische Freiheit ist die unentbehrliche Vorbedingung zur ökonomischen Befreiung der arbeitenden Klassen. Die soziale Frage ist mithin untrennbar von der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im demokratischen Staate".
Es ist da die Rede vor allem von revolutionären Festen im Auslande. Ich weiß nicht recht, wie das, was im Auslande geschieht, auf den Reichstag einwirken soll. Was aber speziell das Fest in Wyden, auf das Bezug genommen ist ein Fest, dem unter anderen drei Mitglieder dieses Hauses beigewohnt haben und ich persönlich-, so erlaube ich mir einfach mitzutheilen, wer der Bericht erstatter der Regierung über dieses Fest ist. Nun, der einzige Bericht, den die Regierung über dieses Fest hat, ist geliefert worden von dem betrügerischen Bankerotteur und Polizeispion Schmidt! Wir haben die Beweise dafür in Händen, daß er dafür die Summe von 150 Mark bekommen hat; ob der Bericht das werth war, weiß ich nicht. Uebrigens leugne ich gar nicht, daß wir auf dem besagten Feste frisch von der Leber weg gesprochen haben. Ich sehe auch gar keine Ursache ein, warum wir dies nicht thun sollten. Wir haben uns nicht in Deutschland be funden, sondern in der schweizerischen Republit, und annoch ist Niemand in Deutschland so sehr man das an ge wissen Stellen wünschen mag im Stande, der schweizerischen Republit Befehle zu ertheilen! In der Schweiz gibt es nur einen Souverän, das ist das Volk. Das schweizerische Volf hat aber nichts dagegen, daß wir uns äußern wie wir wollen, und ich sehe nicht ein, wie Jemand dazu kommen kann, derartige Dinge, die im Auslande gesetzlich zulässig sind, hier als Begründung für etwas aufzustellen, was man anderweitig nicht zu begründen vermag.
-
Sodann ist man darauf gekommen, daß in polnischen Landestheilen nunmehr ebenfalls eine sozialistische Bewegung entstanden sei und dieselbe namentlich von dem sogenannten Londoner Zentralfomite ausgegangen sei. Ich halte mich verpflichtet, es hier sowohl im Namen der deutschen Sozialdemokraten zu erklären als bin ich namentlich dazu ermächtigt auch von unseren polnischen Gesinnungsgenossen daß die Bewegung in Bosen absolut nichts zu thun hat mit einer angeblichen, in der That gar nicht existirenden„ Londoner Internationale", sondern daß dieselbe eine sozialdemokratische ist, und daß die polnischen Gesinnungsgenossen in Posen sich in vollkommener Uebereinstimmung befinden mit den dortigen deutschen Genossen.-
Nun tomme ich zum letzten Punkt aus diesem Bericht. Es wird da angeführt, daß die deutsche Sozialdemokratie immer mehr in das sozialrevolutionäre Fahrwasser gerathe", so daß schließlich zwischen den beiden angeblich neben einander eristirenden Bewegungen„ tein fundamentaler Unterschied mehr bestehe". Es wird weiter hinzugefügt, die Zahl der Anhänger der Most'schen Richtung sei, im Steigen begriffen". Sie werden mir gestatten, daß ich dieser Sache einige Worte der Erläuterung widme; denn sie wird immer und immer wiederholt. Ich will Ihnen zeigen, wie es sich mit dem angeblich vorhandenen oder nicht vorhandenen fundamentalen Unterschied" verhält.
"
Meine Herren, ich bin weit entfernt, etwa Vorwürfe auf eine Richtung zu häufen, die allerdings nicht die meinige ist diese Vorwürfe habe ich an anderer Stelle erhoben und bin bereit, sie an anderer Stelle wieder zu erheben; aber Ihnen hier dieses Schauspiel za gewähren, dazu kann ich mich nicht entschließen.
"
Der Unterschied zwischen der Most'schen Richtung, der sogenannten sozialrevolutionären", von der hier die Rede ist, der Richtung der " Freiheit", und der sozialdemokratischen Partei liegt einfach in folgendem die genannte Richtung ist, um mich der herkömmlichen Barteibezeichnung zu bedienen, nicht sozialistisch, sondern blanquistisch. Sie fußt auf dem alten jatobinischen Grundsatz, daß man im Stande sei, zu jeder Zeit Revolution zu machen, und es genüge, einige Hunderte oder Tausende von Leuten zu überzeugen, daß es nicht in der bisherigen Weise weiter gehen könne, daß man dann einen Gewaltftreich unternehme, um Paris und damit ganz Frankreich in die Hände zu bekommen 2c. Das ist ein alter, aber vorsozialistischer Grundsatz. Der Sozialismus, das sollten Sie aus den zahlreichen Reden, die von uns in diesem Hause gehalten sind, wissen, hat andere Ziele, er hält diese Taktik für eine verkehrte, und weiß, daß man die Revolution nicht machen kann, sondern daß thatsächlich der ganze Gesellschaftszustand
Hinrichtung sei aufgeschoben. Wie man damals sich erzählte, war dieser räthselhafte Vorgang durch ein Schreiben des Generals von der Gröben an den Gouverneur von Holleben veranlaßt worden. Auf Bitte der angesehensten Rastatter Einwohner hatte der General sich bewegen lassen, ein Begnadigungsgesuch au den Prinzen von Preußen einzubegleiten, welches dieser freilich, als nicht in seine Kompetenz gehörig(!) zurüdwies. Die dadurch bewirkte Verzögerung aber tam, nach dem Buchstaben des Gesetzes, einer Begnadigung gleich, denn das Gesez verordnete, in 24 Stunden müsse das standrechtliche Urtheil vollzogen sein. Deswegen verlangte nach Ablauf der gefeßlichen Zeit der Vertheidiger, Anwalt Strauß, seinen Schüßling aus den Händen der standrechtlichen Behörde heraus, und da diese damals der höchste Gerichtshof in Baden war, so entstund fogar die Frage, ob Biedenfeld denn nur auch noch vor ein anderes Gericht gestellt werden könnte. Die Sache machte ungeheures Aufsehen. Das Standgericht, die standgerichtliche Untersuchungsfommission wollten über diese Mißachtung ihrer Stellung und Gewalt sich auflösen. Vom Kriegsministerium in Karlsruhe tam, vielleicht im Hinblick auf das Berdrießlich e( 1) dieses Zwischenfalls(!), ftatt einer Begnadigung die Anfrage, warum denn die Hinrichtung nicht schon vollzogen sei? Da erscheint des zweiten Morgens der zu diesem Geschäft befohlene Geistliche vor Biedenfeld's Bette, ihn auf die fofort angeordnete Eretution vorzubereiten. Damals ist das Herz des Soldaten gebrochen, der früher so oft dem Tode durch die Kugel, seine kurze Pfeife rauchend, mit Gleichmuth entgegensah. Das ist hart", sagte er, und Thränen rannen ihm über die Wangen. Wer wollte bei so widerstreitenden Erschütterungen diese Thränen auch dem Muthigften verargen?
"
Dennoch hat er sich bald gefaßt und zeigte im ernsten letzten Augenblicke dieselbe unerschrockenheit, die ihn im Leben ausgezeichnet hatte."
Wohlgemerkt, der dies erzählt, ist ein Gegner der Sache, für welche Biedenfeld gekämpft hat und gestorben ist. Und ein Mann, der in seiner Eigenschaft ale Beamter über Alles unterrichtet war.
Eines Kommentars bedarf die Erzählung nicht. Erwähnt sei nur, daß der Prinz von Preußen die höchste Stellung in der preußischen Armee einnahm, daß das Begnadigungsrecht zwar eigentlich seinem Bruder, dem König, zustand, von diesem aber ausdrücklich für die Standrechtssachen au die obersten Militärbehörden in Baden übertragen worden war, und endlich, daß die badischen Militärbehörden in absolutester Abhängigkeit von den preußischen waren.
dazu disponirt sein muß. Daß, wenn diese Disposition vorhanden ist, die Partei allerdings sich nicht regungslos verhalten, sondern die Revolution aufnehmen wird, ist wohl wahr. Aber die Revolutionen das ist schon so und so oft gefagt werden nicht gemacht, sondern machen sich selbst; das ist der Unterschied zwischen den beiden Richtungen.
-
-
-
- Nein, meine Herren, die deutsche Sozialdemokratie wird nicht sozialrevolutionärer, aber sie wird immer revolutionärer! Das ist eine Thatsache, und diese Thatsache ist lediglich und nothwendig durch das Ausnahmegesetz hervorgerufen worden. Ich will noch hinzufügen: Wenn Sie die Thatsache, daß die Partei troballedem ungebrochen dasteht, als Grund für Belagerungszustand und Sozialistengesetz anführen wollen, so sind Ursache und Wirkung noch nie in unerhörterer Weise verwechselt worden. Was ich jest sage und was jest ist, das ist eine Folgedes Ausnahmegesetzes; und ich werde Sie darum fragen, ob Sie glauben, daß es in Ihrem Intereffe gelegen ist, daß diese Folgen noch länger fortdauern und sich immer mehr steigern! Ja, wir sind revolutionärer geworden, freilich nicht in Bezug auf das Prinzip, denn dies ist ein absolut revolutionäres, das nicht minder oder mehr revolutionär gemacht werden kann; sondern in Bezug auf die anzuwendenden Mittel, die Taktif." Nun, meine Herren, zum Schluß!
-
-
( Unruhe.)
Meine Herren, wir reden nur einmal im Jahr, und da muß es uns wohl gestattet werden, unseren Beschwerden entsprechenden Ausdruck zu geben. Das ist die Lage der Dinge: eine neue gesellschaftliche Ordnung ist im Werdeprozeß, im Geburtsprozeß; dieser Prozeß kann gehemmt werden, aber hindern können Sie ihn wahrlich nicht. Im Gegentheil! Je mehr er gehemmt wird, desto gewaltsamer wird der Ausbruch sein. Und da frage ich Sie: scheint es Ihnen wirklich in Ihrem Interesse zu liegen, diese Hemmung vorzunehmen, damit nothwendig, wie das B auf das A folgt, ein derartiger gewaltsamer Ausbruch eintritt? Die Antwort darauf geben Sie sich selbst.
Was aber uns Sozialdemokraten betrifft, so sage ich Ihnen: was auch tommen möge, man wird uns für alle Fälle bereit und auf dem Posten finden als die Vorkämpfer des unterdrückten und ausgebeuteten arbeitenden Volkes! ( Bravo ! bei den Sozialdemokraten.)
-
Sozialpolitische Rundschau.
Bürid, 20. Dezember 1882.
Der Belagerungszustand zum fünften Male vor dem deutschen Reichstage. Was wir in voriger Nummer vorhergesagt, ist eingetroffen: die sozialdemokratische Ecke hat kräftig dreingeschlagen, so kräftig, daß unsere Gegner gezwungen wurden, aus ihrer Reserve herauszutreten und Farbe zu bekennen. Und das ist fast das Einzige, was wir in diesem Reichstag erreichen können.
Die Debatte eröffnete Genosse Vollmar, der in ausführlicher Rede die famosen„ Denkschriften" mit ihren inneren Widersprüchen zerzauste, den Nachweis liefernd, wie das Ausnahmegesetz bis jetzt in keiner Weise den an dasselbe geknüpften Hoffnungen entsprochen habe und auch nicht entsprechen werde, und mit der Erklärung schloß, daß wir nun und nimmer von unserem Kampfe zur Befreiung des Proletariats ablassen werden. Wenn wir frei und offen unser Urtheil über Vollmar's Rede abgeben sollen, so müssen wir sagen, daß sie bis auf einen Bunft unseren vollen und ungetheilten Beifall findet. Dieser eine Punkt betrifft die Kritik der schreienden Handhabung des Sozialistengesetzes, die Behandlung unferes Anklagematerials. Hier war nach unserer Ansicht trotz aller gemachten Erfahrungen ein lebhafterer Appell an das Rechtsgefühl geboten. Denn so wenig wir auch in diesem Punkte von unsern Gegnern erwarten, so müssen wir doch immer wieder den Rechtsstandpunkt hervorheben, gerade weil er die schwache Seite unserer Gegner ist. Lassen wir ihn fallen, und wenden wir uns nur an den kühlen Verstand, an das nackte Interesse, so verlieren unsere Reden die Sprache der Leidenschaft, welche der Partei der politisch und und sozial Unterdrückten geziemt. Und so macht, allerdings bei der Lektüre, dieser Theil der Vollmar'schen Rede einen fühlen, geschäftsmäßigen Eindruck.
Um so glänzender ist der übrige, im eigentlichen Sinne politische Inhalt derselben, und bedauern wir nur, daß wir selbst diesen nur bruchfiückweise wiedergeben können. Kühn, ohne provokatorisch zu sein, ententwickelte Vollmar mit unerbittlicher Logik den revolutionären Standpunkt unserer Partei, mit stolzem Hohn rief er den Gegnern zu: Wir sind die Sieger und ihr die Besiegten! Und wenn die reaktionäre Preffe diesmal auf Vollmar's Rede schimpft und sie nicht so„ bedeutend" findet, als die Monopolrede, so ist das nur der Verdruß darüber, daß Vollmar teine Redekunststüdchen verübte, sondern wieder die einzige sozialdemokratische Rede", das ceterum censeo unserer Partei hören ließ. Schwach und dürftig war Puttkamers Antwort. Um doch einigen Eindruck zu erzielen, verlas er wieder einige angebliche Kraftstellen aus " Freiheit" und" Sozialdemokrat", fiel aber jämmerlich damit ab. Es machte einen überaus fomischen Eindrud, wie Buttkamer beim Berlesen eines weder durch die Neuheit noch durch die Kühnheit seiner Gedanken hervorragenden Artikels über Ehe und Familie, sich, als Alles kühl blieb, von Zeit zu Zeit mit den Worten unterbrach: jetzt aber kommt
Muiewsky, einer der polnischen Offiziere bei der badisch: pfälzischen Armee, wurde nach dem Uebergang über den Rhein auf den, wie jetzt zweifellos feststeht, völlig unbegründeten Verdacht des Verrathes hin von den badischen Truppen festgenommen und zu Karlsruhe in Haft gehalten. Dort vergaß man ihn beim Rückzuge.
" Vergebens bat Mniewsky, als die Preußen sich bei Durlach schlugen, als ihre Signalhörner in der Stadt ertönten, den ihn bewachenden Offizier der Bürgerwehr um Freilaffung.„ Er sei im Wachtbuche eingetragen und müsse bei der Ablösung übergeben werden" war die troftlose Antwort, die er erhielt ,, Alors je suis perdu"( dann bin ich verloren) seine Entgegnung.
Nach der Uebergabe von Rastatt wurde er dorthin abgeliefert und das standrechtliche Verfahren gegen ihn bald nach der Hinrichtung Biedenfeld's eröffnet. Da er des Deutschen nicht fundig war, diente Bantier J. S. Mayer dem Gerichte als Dolmetscher. Ueber den Ausgang des Verfahrens konnte um so weniger Zweifel sein, als das Gericht den einzigen polnischen Führer vor sich hatte, welchen der Zufall in seine Hände geliefert. Er wurde zum Tode verurtheilt. Ohne durch ein Zuden seiner Miene zu verrathen, was in ihm vorging, verneigte er sich mit Anstand dankend gegen Major Wild, der den Spruch des Gerichtes verfündete, und gegen die Richter. Erst als der katholische Stadtpfarrer Buchdunger mit Bankier Mayer ihn besuchte, hatte verzweiflungsvoller Schmerz ihn übermannt. Er beklagte sich über die Willkür, welche seinen Lebensfaden abschneide, blos weil er ein Polesei.„ Ma pauvre patrie, c'est mon seul délit, la cause de ma mort!"( Mein armes Baterland, das ist mein einziges Verbrechen, die Ursache meines Todes!) rief er aus und drückte die Spur seiner Zähne in einer Medaille der Madonna ein, die er an sich trug. Doch auf die Vorstellung des Geistlichen, daß dies die Gesinnung nicht sei, mit welcher ein Christ aus dem Leben scheide, beruhigte er sich. Er verzieh seinen Richtern und bereitete fich auf den letzten Gang vor. Das Anerbieten eines französischen Andachtsbuches, welches die Scheidenden ihm machten, lehnte er ab. „ Er wolle mit Gott in seiner Muttersprache reden, in welcher er beten gelernt habe."
Noch des gleichen Abends war die Hinrichtung, damit es war Samstag das Blutwert nicht auf den Tag des Herrn falle. Die Sonne neigte sich zum Untergange, als er mit seiner Begleitung der Boterne nahte, durch welche die Verurtheilten in den trocke nen Graben geführt wurden, wo man das Urtheil zu vollstrecken pflegte, Die Tageszeit hatte eine Menge Zuschauer, theils gegen Gin trittstarten in den Graben selbst, theils auf die Wälle gelockt,