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erst das Fürchterliche" und das Fürchterliche trotzdem nicht kommen wollte. Ebenso verunglückte die Verlesung eines Artikels ,, Von Gottesgnaden" aus dem Sozialdemokrat". Das wirklich Fürchterliche", nämlich den Nachweis, welch' saubere Vorfahren die Herren von Gottes Gnaden" haben, ließ er aus Dezenz( Schamgefühl) und Ehrerbietung fort, und so blieben nur einige, allerdings nicht zartfühlende Schlußbetrachtungen übrig, die zwar einigen Pfaffen und pommerschen Junkern großes Entsetzen verursachten, aber auch nur diesen. Puttkamer's Geständniß, daß ihm die Sozialrevolutionäre ,, eigentlich noch lieber wären" als wir, wurde mit Recht sofort von unseren Genossen festgenagelt. Wiederholt behauptete der Herr Minister, daß diese Fraktion„ kühner" sei als unsere Partei und großen Anhang in Deutschland habe, blieb aber für das eine wie für das andere hartnäckig den Beweis schuldig.
Uebrigens fönnen wir nicht umhin, unserer Befriedigung über die schlagfertigen Unterbrechungen Ausdruck zu geben, mit welchen unsere Genossen Herrn Buttkamer auf den Sand setzten.
Im Ganzen gibt die Buttkamer'sche Rede mit ihren Zitaten eine so vorzügliche Agitationsschrift für uns, daß wir, und zwar allen Ernst es, den Vorschlag machen, fie ganz selbständig als Flugblatt herauszugeben. Die Rede des Staatsministers von Puttkamer zu verbieten, dazu wird die deutsche Polizei schwerlich je den Muth haben.
Nach Buttkamer sprach Nostiz- Wallwitz, womöglich noch dürftiger als jener. Er versuchte es, die Vollmar'schen Ausführungen durch freches Ableugnen zu entkräften, was ihm aber sehr schlecht bekam.
Recht energisch trat der Demokrat Köhl für unsern Antrag ein, der dahin ging, der Reichstag solle erklären, daß er die angeführten Gründe nicht für ausreichend halte, die Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes zu rechtfertigen.
Nach Köhl's Rede wollten die Herren von der Rechten Schluß der Debatte herbeiführen, unsere Leute drohten aber mit Auszählung, um die Beschlußunfähigkeit des Reichstags zu konstatiren, und so wurde die Debatte vertagt.
Am nächsten Tage eröffnete der Fortschrittler Hänel den Reigen. Er bekämpfte natürlich das Ausnahmegesetz, aber nicht ohne zwischen den Zeilen seine Verschärfung der Strafgesetze anzubieten, womit er bei Buttkamer, der ihm sofort antwortete, keine Gegenliebe fand.
Weit energischer als Hänel trat der Fraktionsgenosse deffelben, Herr Dr. Wendt, ein Hamburger Lehrer, gegen Puttkamer ein. Er hatte den Muth, fich offen als Republikaner zu bekennen wofür er nachher
von Stöcker denunzirt, von Eugen Richter , der sofort mit Hänel fonferirte, desavouirt wurde, ein Beweis, wie wenig prinzipiell der Kampf zwischen diesen beiden Fortschrittshelden ist.
Am meisten interesfirt uns aus Dr. Wendt's Rede die Betonung der Thatsache, daß der Hamburgische Senat nur mit großem Widerstreben" fich von Preußen hat herumkriegen lassen, den Kleinen zu verhängen, und daß die Motive zur Verlängerung auch diesmal nicht etwa von einem Hamburger Vertreter unterzeichnet" sind, sondern daß der preußische Vertreter in bundesfreundlicher(!) und nachbarlicher Gesinnung auch die Motive für die Anordnungen des Hamburger Staats gleichzeitig mit vorlegte."*)
Die Krone der Erbärmlichkeit erwarb sich der polnische Junker von Ezarlinski, der auf die Bemerkung Vollmar's bezüglich der pol nischen Sozialisten mit der charakteristischen Erklärung antwortete, daß seine Landsleute alle sozialistische Flugschriften 2c. sofort der Polizei ausliefern, überhaupt jede sozialistische Regung sofort denunziren, und daß der Begriff„ Pole und Sozialist" Unsinn sei, denn die beispiellose Vaterlandsliebe und das unerschütterliche Festhalten am Glauben ihrer Väter" bewahre seine Landsleute vor solchen ,, Verirrungen".
Sehr richtig antwortete ihm Grillenberger, der nach ihm zum Wort kam, daß diese Art Patriotismus spezielles Privilegium der polnischen Aristokratie sei, nicht aber des polnischen Volkes. Dann aber wandte sich Grillenberger gegen Buttkamer, und wir können nicht umhin, den Wunsch auszusprechen, daß dem Herrn Minister immer so trefflich gedient werde, wie es von Seiten unseres Genossen geschah. Das war die kernige leidenschaftliche Sprache eines echten Vertreters der Arbeit. So unverblümt ist noch selten im Reichstag den Herren die Wahrheit gesagt worden. Wir werden in nächster Nummer auch einen Auszug aus dieser Rede bringen, für heute wollen wir nur noch unserer Genugthuung Ausdruck geben, daß Grillenberger auf die heuchlerische Entrüftung wegen der sozialistischen Ansichten von Ehe und Familie mit dem Hinweis auf Bismard's Söhnchen Herbert und Alexander den Zweiten und dessen noch lebende Kollegen einen so derben Trumpf gesetzt hat, daß den Herren die Luft vergehen dürfte, dieses Thema so bald noch einmal zu berühren.
Buttkamer, dem Grillenberger nachgewiesen hatte, daß er das Wydener Fest nach dem Bericht des Spitzel Schmidt geschildert, zog sich mit der lahmen Erklärung aus der Affäre, daß er nach dem, was Grillenberger und Vollmar im Reichstage erklärt, die Verlesung der in Wyden gehaltenen Reden überhaupt für unnöthig halte. Und Herr Nostiz- Wallwitz wußte sich aus der Enge, in die ihn Grillenberger gejagt, nicht anders herauszuhelfen, als mit der noch lahmeren Erklärung, daß er sich nicht verpflichtet halte, mit Revolutionären zu diskutiren."
Nun schoß der Ultramontane Windthorst mit tiefer Betrübniß"
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*) Senator Kuhnhardt hat also in dem Terzett nicht mitgesungen. Letztere grüßte Mniewsky mit der Mütze und den Worten: Adieu mes amis!"( Lebt wohl, meine Freunde!) und stürzte sodann in den Graben hinab, wo er auf das Ersuchen des Offiziers, der die Hinrichtung befehligte, sich die Augen verband, sodann, auf französische Weise tnieend, die tödtlichen Kugeln erwartete, nachdem er sich das Hemd über der Bruft zurückgeschlagen hatte.
Nach wenigen Minuten trugen die Todtengräber auf offener Bahre Jeinen Leichnam in das neben Tiedemann( den ebenfalls erschossenen Kommandanten von Rastatt ) bereitete Grab."
Mniewsky hatte Recht sein Vaterland war sein einziges Verbrechen. Er hatte keinen Fahneneid gebrochen, nichts gethan, was einen juristischen Grund oder Vorwand für seine Standrechtlung bot. Er war Pole und hatte für die Freiheit gekämpft das war genug, ihn zu erschießen!
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Das Schicksal dieses Mannes, der in ein fremdes Land ging, um der Sache der Revolution zu dienen, als Fremdling das Mißtrauen seiner eigenen Kameraden erregt, als freundloser Fremdling auf der Flucht vergessen und dem Feind in die Hände gespielt wird, der ihn als Fremdling erschießt erregt in besonderem Grade unser Mitgefühl. Er ist gestorben wie ein Held die Verzweiflung", von der in obigem Bericht die Rede ist, war wie bei Biedenfeld der Ausdruck rein menschlicher Empfindung. Der Abschied, den er, der Fremdling, von den Fremden in fremder Sprache nahm, ehe er die Brust den mörderischen Standrechtskugeln darbot, hat etwas naiv Erhabenes, und die Abschiedsworte, dieses herz liche Adieu mes amis! gerade als gelte es einen Spaziergang, statt den Todesgang, find in ihrer Einfachheit großartig.
Für das Blut des braven Mniewsky, der dem thörichten Mißtrauen deutscher Revolutionskämpfer zum Opfer gefallen, find wir den Polen noch Sühne schuldig.
Erichießung von Gefangenen. Heute, am 30. Juli, wur den Volkswehren aus dem Amte Kort, die von den preußischen Ulanen bei Iffezheim überfallen wurden, auf rathloser Flucht nach dem Rhein niedergemacht oder nach weggeworfenen Waffen um Schonung flehend, durch die Soldaten der 12. Kompagnie des 24. Regimentes im Walde( bei Rastatt ) erschossen!"
Tiedemann's Standrechtlung. Tiedemann, Gouverneur von Rastatt während der Belagerung, wurde von dem elenden Corvin ( der sich für das wohlverdiente Mißtrauen und die ebenso gerechtfertigte Berachtung feines Vorgesetzten und seiner Kameraden durch wißig sein sollende, aber nur des Verfassers Erbämlichkeit wiederspiegelnde Pasquille zu rächen versucht hat) auf das Nichtswürdigste farrifirt. Und leider ist
gegen unsere Genoffen los, und es machte einen überaus komischen Eindruck, wie die kleine Exzellenz dramatisch wurde und die Revolution mit dem Schwert niederzuschlagen drohte. Nebenbei diente ihm seine Entrüstung als vortreffliche Draperie für die gewundene Motivirung der Ablehnung unseres Antrages.
Daß der christlich- soziale Liebes apostel Stöcker für das Sozialistengesetz mit allen seinen Härten, ja womöglich für eine Verschärfung desselben eine Lanze einlegte, wird Niemand Wunder nehmen, der diesen heuchlerischen Patron kennt. Es fehlten natürlich nicht die übrigen Phrasen des Hofpredigers auf Reisen: Verherrlichung der Kaiserbotschaft, Denunziationen und dergleichen. Nebenbei hatte Herr Stöcker die Frech heit, unsern Leuten den Vorwurf zu machen, warum sie ihm nicht in den öffentlichen Versammlungen entgegentreten.
Der Sezessionist Schröder erklärte Namens seiner Freunde, daß sie sich gleichfalls aus staatsrechtlichen Gründen um die Abstimmung über den Antrag unserer Genossen herumdrücken werden.
Und zu guter Letzt desavouirte Eugen Richter seinen Kollegen Wendt wegen dessen Bekenntniß zur Republik und polemisirte dann in bekannter Weise gegen Stöcker.
Nach einer Reihe von persönlichen Bemerkungen erfolgte darauf die Abstimmung, in der für den Antrag unserer Genossen nur die Fortschrittspartei, die Boltspartei, sowie die Zentrum 8- mitglieder Stößel und Freiherr von Fürth stimmten. Das ist trotz der Reden von Windthorst, Schröder 2c. bereits ein Vorzeichen für die Aussichten auf Verlängerung des Sozialistengesetzes. Die Sozialdemokratie kann mit dem Verlauf der Debatte nur zufrieden sein. Durch die offene und rückhaltlose Sprache unserer Genossen sind die Gegner gezwungen worden, Farbe zu bekennen. Wenn die Herren glauben, ihre Feigheit mit dem Hinweis auf die Erklärung, daß wir eine Revolutionspartei seien, bemänteln zu können, so täuschen sie sich. Diese Erklärung ist nicht erst von heute und entschuldigt in keiner Weise die gegen uns angewendeten Unterdrückungsmaßregeln, denn noch führen wir den Kampf auf geistigem Gebiete. Mögen sie indeß thun, was sie nicht lassen können, sie werden uns nicht abhalten, unablässig und mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu kämpfen, bis der Sieg unserer großen Sache errungen ist. Und daß wir siegen werden und stegen müssen, diesem stolzen Bewußtsein haben Vollmar wie Grillenberger in ihren Reden Ausdruck gegeben, die ihre Wirkung da nicht verfehlen werden, wo das entscheidende Wort gesprochen werden wird: beim Volke.
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Reptiliengefluuter. Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Oberreptil vom Rhein, die„ Kölnische Zeitung", einen großen Reklameartikel über Bismard's geniale auswärtige Politik, deren Genialität bestehen soll in der Bewerkstelligung des deutsch österreichi
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schen Schutz und Trutzbündnisses. Nun fragen wir jeden Menschen, mit welchem Großstaat Deutschland unter Bismard heute überhaupt noch ein Bündniß eingehen kann, und ob ein solches Schutzund Truzbündniß mit dem verrottetsten, lebens un fähigsten derselben, mit Desterreich, das jeden Augenblick aus dem Leime zu gehen droht, gerade ein so großes Glück für Deutschland ist! Dabei hat Bismarck selbst dafür gesorgt, daß Oesterreich immer mehr zu einer slavischen Großmacht wird, früher oder später also nothwendig mit Rußland faramboliren muß. Und richtig, kaum ist die Reklame vom Stapel gelassen, so schreit auch gleich hinterher der offiziöse Chor über die bedrohlichen Rüstungen Rußlands, welches vollständig von deutschfeindlichen Elementen beherrscht werde, und bereitet den deutschen Michel vor auf weitere Mehrforderungen für das Militär. Alles das, nachdem Wilhelm vor wenigen Wochen dem preußischen Landtag kundgethan, daß„ der Friede auf Jahre hinaus gesichert sei".
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An einem Kaiserwort soll man allerdings, wie Herr Stöcker neulich im Reichstag talauerte, nicht drehen, noch deuteln" am besten thut man nämlich, wenn man es mit schwarzer Kohle in den Rauchfang schreibt und wollen wir daher den 86 jährigen Lenker Deutschlands" seinen Ohnmachtsanfällen überlassen, uns intereffirt weit mehr Bismarck's nervöser Zahnschmerz", tic douleureux genannt. Wir glauben es wohl, daß der große Staatsmann" von argen Zahnschmerzen geplagt wird, denn seine geniale Politik" ist auf dem Punkte, schmählich bankerott zu machen. Alles, was freiheitlich denkt in Europa, hat der Mann, der die Rechte der Völker mit Füßen tritt, gegen sich, wo aber sind seine Freunde? Nirgends! Und was Bismard gesündigt, muß das deutsche
Volt ausbaden.
Der Absolutismus, ob mit oder ohne konstitutionelles Feigenblatt, mit dem Bismard und seine Helfershelfer Deutschland heimgesucht, ist die beständige Kriegsgefahr, nur die Demofcatie, nur die Republik, die in Deutschland eine soziale sein muß, ist der Friede. Darum nieder mit dem Monarchismus, es lebe die Republik!
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- Ein allerliebstes Weihnachtsgeschenk haben verschiedene konservative und ultramontane Arbeiterfreunde" dem deutschen Arbeiterstande zugedacht, nämlich die definitive Einführung obligato rischer Arbeitsbücher. In der Gewerbeordnungskommission des Reichstages ist ein dahingehender Antrag mit 11 gegen 8 Stimmen angenommen worden, mit dem Hinweis, es seien zwar Petitionen für Einführung der Arbeitsbücher, aber keine dagegen eingegangen. Als ob es üblich wäre, Petitionen zur Erhaltung eines Zustandes abzufassen, ehe ein bestimmter Versuch zur Beseitigung desselben vorliegt.
dem großen Publikum nur die Karrikatur bekannt. Um die ganze Nichtswürdigkeit der Corvin'schen Handlungsweise zu begreifen, muß man sich vergegenwärtigen, daß dieser Mensch, wenn er Rastatt nicht direkt an die Preußen verrathen und verkauft, doch sich jedenfalls eines indirekten und bewußten Verrathes schuldig gemacht hat, indem er die Uebergabe der Festung unter Umständen erwirkte, die für ihn selbst vortheilhaft, für seine Kameraden aber verderblich waren, und an seiner Verlogenheit und Charakterlosigkeit keinen Zweifel laffen. Wir werden vielleicht noch Gelegenheit haben, uns mit diesem Herrn zu beschäftigen.
Genug, Tiedemann, den der Glücksritter Corvin( ein in's PseudoDemokratische übersetzter Lichnowski- Schnapphansti), nicht zufrieden, ihn dem Standrecht überliefert zu haben, auch noch der Lächerlichkeit zu überliefern versucht hat, war ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle, tapfer, ritterlich, eine merkwürdige Mischung von mittelalterlicher Romantit und antiker Seelengröße.
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Unser Gewährsmann ein Konservativer, was man nie zu vergeffen schreibt über ihn:
,, Tiedemann war früher badischer Dragoneroffizier gewesen, hatte aber den Abschied genommen und war in griechische Dienste getreten. Er verheirathete sich mit einer Eingeborenen, die ihm einen Sohn, Demetrius, geboren hat. Die Entlassung der Ausländer aus dem griechischen Heere wies ihn auf den mäßigen Ertrag des Vermögens seiner Frau und der Schwiegereltern an. Im Frühjahre 1849 machte er, mit Zurücklaffung seiner Familie, eine Reise und fam gerade beim Ausbruch der badischen Revolution in Deutschland an. Er folgte dem Rufe der provisorischen Regierung, die Offiziere für ihre Armee suchte. Schon in seiner Jugend hatte er sich als Polterer nicht als Poltron und gesättigt von romanhaften Ideen gezeigt; so habe ich ihn auch in den letzten Tagen seines Lebens wieder gefunden. Aus diesem Gesichtspunkt läßt sich sein wunderliches Gebahren bei der Armee, sein Streben nach hervorragender Stellung richtig erklären, sowie seine für Rastatt so unheilvolle Freude und Zähigkeit im Festhalten, als er endlich diejenige Stellung erlangt hatte, deren Ziel und Ende der Tod im Festungsgraben war. Sonst hat er überall persönlichen Muth gezeigt. Beim ersten Bombardement hatte ich Gelegenheit, seine Unerschrockenheit zu beobachten; über sein Benehmen beim Ausfall meldet Corvin, von dessen Feder man gewiß kein schmeichelndes Bild erwarten darf, ein Gleiches. Seine Heftigkeit hat in Rastatt fein gutes Andenken hinterlassen( bei den Philistern!); seine Gutmüthigkeit habe ich mehr als einmal zu erproben Gelegenheit gehabt. Es tam mir vor, als sei er manchmal nicht ohne Ahnung seines
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Die Herren berufen sich darauf, daß das obligatorische Arbeitsbuch auch in Frankreich noch bestehe, vergessen aber, hinzuzufügen, daß noch auf jedem französischen Arbeiterkongreß, ob sozialistisch oder nicht, die Abschaffung des Arbeitsbuches gefordert wurde. Das Minimumprogramm nennt es treffend„ La mise en carte du prolétariat"( Unterwerfung des Proletariats unter die Sittenkontrole der Prostituirten.). Und als solche würde sie von den deutschen Arbeitern mit Recht empfunden werden. Wenn die Herren„ chriftlichen Sozialreformer" sich start genug fühlen, der gesammten Arbeiterklasse diesen Schlag in's Gesicht zu versetzen, dann mögen sie ihn führen. Er wird ihnen mit Zins und Zinseszinsen zurückbezahlt werden.
Einstweilen dürfte es zweckmäßig sein, wo immer nur möglich Protestversammlungen abzuhalten.
- Armuth eine Schande. Aus Heidenheim bringt die ,, Nedarzeitung" vom 23. November folgende Korrespondenz:
,, Diesen Morgen fand man die Leiche eines 45- jährigen armen Tagelöhners von hier in der Brenz. Er zog den Tod seinem kümmerlichen Leben vor. Als seine Frau gestern Abend von der Fabrikarbeit heimtehrte, hatte er sich schon entfernt, und auf dem Tische stand, mit Kreide von seiner Hand geschrieben, welchen Entschluß er gefaßt habe. Trop. seiner Armuth genoß der Unglückliche doch(!) einen guten Ruf und wird daher recht bedauert."
Es kommen ja fast tagtäglich solche erschütternde Tragödien, von denen die Armen meist nur in nächster Nähe erfahren, in den Leibblättern der Satten zu Tage, wo sie zum Frühstück genossen werden mit und ohne Bedauern", aber bezeichnend ist doch für das Blatt, welches dem volksparteilichen Eunuchen Här le für Landtag und Reichstag Stimmen wirbt, dieses, doch", das es an den Ruf des armen Opfers heftet! Ja, die reichen Kanaillen haben natürlich einen guten Ruf", der redliche Arme hat ihu( diesmal) dennoch trotz seiner redlichen Armuth!
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Auch nicht übel. An und für sich bietet aber kein Geheimbund eine Gefahr für den Staat, wenn nicht die innere age den Zündstoff aufgehäuft hat, den ein äußerer Anlaß in Flammen sehen kann." Also zu lesen im tonservativen ,, Reichsboten" vom 13. Dezember 1882. Freilich in einem Artikel aus und über Frank. reich; auf Deutschland einen so vernünftigen Satz anwendbar zu finden, würde Verfasser wie Redaktion mit Entsetzen verweigern. Aber da sieht man, wie die republikanische Luft selbst ein altpreußisch- konservatives Gemüth verderben kann.
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-Spottet ihrer selbst und weiß nicht, wie!"- nämlich die fortschrittliche Berliner„ Volkszeitung", die in ihrem Leitartikel vom 14. Dezember folgenden Satz zum Besten gibt:
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,, Nicht die wahren Vertreter des Volkes sind die Steuer- und Zollverehrer, sondern die Parteien, welche einen Triumph darin fladen, Gelder bewilligen zu dürfen, und die Einbildung hegen, ein Großes zu leisten, wenn sie nöthigenfalls auch ein Weniges versagen."
Und auf wen trifft dieser ironisch gemeinte Satz besser zu als auf Herrn Eugen Richter und seinen fortschrittlichen, budgetbewilligenden Anhang?
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Recht flegelhaft benahm sich in der Debatte über die Verlängerung des Sozialistengesetzes der ultramontane Wizmacher Schor- lemer Alst. Dieser westphälische Junker, der sich den Bauernvater nennen läßt, fiel ohne jede Provokation in einer persönlichen Bemerkung wie ein Besessener über den Fortschrittler Wendt her, weil derselbe es gewagt hatte, sich als prinzipiellen Anhänger der Republik zu bekennen. In der That, sehr charakteristisch diese klerikalen Helden der Gewissensfreiheit, daß sie aus dem Bekenntniß einer Ueberzeugung sich das Recht anmaßen, jemanden als einen Aussäßigen zu behandeln.
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Daß Liebknecht den Sitzungen des Reichstages. bisher nicht beiwohnen konnte, geht doch nicht so ganz mit richtigen Dingen zu, wie in preußischen und sächsischen Regierungsblättern der= sichert wird. Die Sache hat ihren Haken. Liebknecht, der mehrmals verurtheilt ist, gegen den aber Ende September noch kein Urtheil rechtsträftig war, die Urtheile schwebten noch beim Reichsgericht, in dem einen Falle hat der Reichstag das Verfahren eingestellt wünschte aus begreiflichen Gründen die Strafen getrennt abzusitzen. Da er nun aber jedenfalls den Reichstagsfizungen von Anfang an beiwohnen wollte und aus seiner bisherigen Praxis wußte, daß, wenn mehrere aus gleichzeitigen Prozessen erwachsene Gefängnißstrafen vorliegen, ein sogenanntes Nachtragserkenntniß( Gesammtstrafe) erfolgen muß, und daß vor dessen Erlaß keine der Strafen ganz abgesessen werden darf, so wandte er sich, nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt, an den zuständigen Staatsanwalt des Leipziger Landgerichts mit der Anfrage: ob, falls er( Liebknecht) auf die gegen das Leipziger Erkenntniß( 2 Monate) eingelegte Revision beim Reichsgericht verzichte und Mitte Oktober die Strafe antrete, am 29. November, also am Tage vor Beginn der Reichstagssitzungen, seine vorläufige Entlassung erfolgen und er dann bis zur Erledigung des durch den Reichstag sistirten Prozesses auf freiem Fuß bleiben werde. Dies wurde von dem Staatsanwalt unbedingt bejaht. Daraufhin zog Liebknecht die Revision gegen das Leipziger Urtheil zurück und trat am 17. Oktober seine Strafe an.
nahen Endes gewesen, wiewohl er am Tage der Uebergabe noch darüber scherzte. Im Gefängnisse, wo er freilich bessere Behandlung hatte als viele seiner Gefährten, vor dem Standgerichte, bei der Vertheidigung, nach der Verkündigung des Todesurtheils benahm er sich gefaßter, als man ihn vielleicht je im Leben gesehen. Die Aussage eines Gefangenen, daß Tiedemann irgendwo eine beträchtliche Geldsumme verborgen habe, verschaffte mir Gelegenheit, seine letzten Schreiben zu lesen. Sie waren neugriechisch verfaßt und wurden mir vom Gouver nement zur Uebersetzung mitgetheilt. Sie waren mit fester Hand und fließender Schrift geschrieben; nur auf einem, auf dem an seine Frau, war die Spur einer herabgefallenen Thräne sichtbar. In dem einen, an den Archimandriten von Athen, ersuchte er diesen Seelsorger, sein armes Weib, sein Kind auf die Nachricht vorzubereiten, die er, mit seinem Trofte, ihnen mittheilen möge, und die Dulderin in den Schooß der himmlischen Vorsehung zu empfehlen.
„ Der Brief an seine Frau lautete also:
Mein geliebtes Weib! Mit bitteren Thränen gebe ich Dir Nachricht vom Ende meines Lebens, denn morgen frith um die vierte Stunde werden die Preußen mich zum Tode bringen. Erwünscht ist mir der Friede. Ich bitte Dich um Verzeihung für Alles, wodurch ich Dich vielleicht beleidigt hätte; und als gute Christin wirst Du mir wohl Verzeihung gewähren. Beffer, wenn Du nicht allzusehr um mich leidest. Als edler Mensch( kalos anthropos) wirst Du auch das Herbe tragen, Vieldulderin, für unser Kind. Meine Eltern werden mein Erbtheil meinem geliebten Demetrius aushändigen. Armes Weib, vielduldende Gefährtin! Der allmächtige Gott möge Dich heil bewahren. In der anderen Welt sehe ich Dich wieder. Ich umarme Dich im Geiste."
,, Es ist meine Sache nicht, die Urtheile jener Tage abzuwägen oder mit ihnen zu rechten; das aber glaube ich sagen zu dürfen, nachdem das Grab, das allversöhnende, sich über Tiedemann's Gebeinen geschlossen hat, daß ich trotz aller Auswüchse seinen Charakter für einen der besseren erkannte, die in der letzteren Periode des Aufstandes sich der Betrachtung darboten."
Man muß die Parteistellung des Mannes, der dieses Urtheil fällt, in's Auge fassen. Und was unser Urtheil betrifft, so wird es sich bei Tiedemann so wenig wie bei einem Lincoln an dem durch Erziehung und Umgebung erzeugten Makel der Christlichkeit stoßen. ( Fortsetzung folgt.)