ihn vor den Präsidententisch. Dann beschwört er die Wahrheit seiner Aussagen.
Wittig dagegen behauptete rundweg, die Aussagen Wolf's seien unwahr. Der Präsident wendet sich an die übrigen Beamten mit der Frage, ob sie etwas über den Vorfall auszusagen wüßten. Es erfolgt keine Antwort! Darauf erklärt der Präsident, er müsse dann die Sache im bejahenden Sinne auffassen, und nun behaupteten plötzlich sämmtliche Spizel,„ daß sie nichts von dem Vorfall gemerkt hätten!"
Soweit der Bericht, aus dem ganz unwiderlegbar hervorgeht, daß 1) Spigel als Agents provokateurs thätig gewesen sind;
2) Spitzel willkürliche Verhaftungen von Unschuldigen vornahmen; 3) der Präsident Alles aufbot, um die Spitzel reinzuwascher. Des Weiteren konstatirt der Briefschreiber, daß die sogenannten " Faulen" weit belastender gegen unsere Genossen aussagten als die uniformirten Schußleute. Von diesen sagte z. B. der Eine auf die Frage, warum er den Angeklagten Weiß arretirt habe, ganz harmlos:„ Weil er der größte war." Die Spitzel dagegen, vor Allen der schon früher gekennzeichnete Stuhlmann, sowie ein gewisser Müller, logen in der unverschämtesten Weise darauf los. Letzterem wurde durch drei Zeugen nachgewiesen, daß er schon ein halbes Jahr früher in der Dornschen Gastwirthschaft gesagt hatte:„ Ich hasse keinen Menschen, aber wenn ich Pötting der ihm früher einmal Anstand gelehrt hineinlegen kann, dann thue ich'8"; nichtsdestoweniger wurde seine Aussage als glaubwürdig angenommen und Pötting zu fünf Monaten Gefängniß verurtheilt.
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Müller und Stuhlmann, schreibt unser Gewährsmann, haben einen ungeheuer großen Mund, Stuhlmann rühmte sich vor Gericht seiner ftarten Knochen, aber sie wagen es nicht, uns, sobald es dunkel ist, in's Freie zu folgen, da bleiben die Herren schönstens daheim!"
Zum Schluß wollen wir auch ein erfreuliches Faktum dem Bericht unseres Genossen entnehmen. Er schreibt:
,, Von 4-5 Uhr wurde Pause gemacht. Wir benutzten dieselbe, um mit den Angeklagten eine Verbindung herzustellen, was uns auch gelang. Jm Moabiter Keller" hatten wir eine Tellersammlung vorgenommen und für den Erlös Lebensmittel( Schinken, Wurst und Käse) gekauft, diese stellten wir unseren Brüdern auf der Anklagebank zu, welche fie während der Urtheils entscheidung verzehrten."
Ein Bravo! unseren wackeren Berliner Genossen. Nieder mit der infamen Spitzelbrut und ihren Brotgebern!
Wider die Arbeitsbücher haben in den letzten Wochen gegen 100 Arbeiterversammlungen in Deutschland stattgefunden. Von den gegen die konservativen Unterdrückungspläne angenommenen Beschlüssen gefällt uns namentlich der in Nürnberg nach einem Referate unseres Genossen Grillenberger gefaßte, der dahin geht, das Büreau der sehr gut besuchten Versammlung solle einen Protest an den Reichstag , aber ohne Motivirung, absenden, da die Thatsache, daß dem Reichstage ein derartiger Entwurf vorgelegt werde, schon eine Beleidigung und Entwür digung des gesammten deutschen Arbeiterstandes bedeute", sowie folgende Resolution, welche unsere braven Berliner Genossen in zwei großartig besuchten Arbeiterversammlungen annahmen:
" In Erwägung, daß die Behauptung, die Arbeiter wünschen die Einführung der Arbeitsbücher, eine bewußte Lüge ist, und daß die allgemeine Einführung der Arbeitsbücher eine Verlegung des§ 4 der preußischen Verfassung in sich schließt; in fernerer Erwägung, daß die Urheber sich der Folgen wohl bewußt sind und nichts weiter bezwecken, als den Arbeiter schließlich unter die Gesindeordnung herabzutreten, erklärt die heutige Arbeiterversammlung, daß die Urheber der Einführung obligatorischer Arbeitsbücher die Verachtung aller Arbeiter ver dienen und an den Schandpfahl der Geschichte gehören."
Das ist eine verständliche Sprache!
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Immer langsam voran. Im letzten Sommer erschoß betanntlich ein preußischer Füfilier in einem Anfall von Wahnsinn Sonnenstich einen Arbeiter, der eine Frau und drei unmindige Kinder hinterließ. Jetzt, nach fast sechs Monaten, lesen wir in Berliner Zeitungen folgende offiziöse Notiz:
,, Was nun die hinterbliebene Wittwe des erschossenen Bünte und ihre drei kleinen Kinder betrifft, so ist derselben vom Landrath des Kreises Teltow , dem Prinzen Handjery, ein Schreiben zugegangen, in welchem ihr mitgetheilt wird, daß sich das Landrathsamt im allerhöchsten Auftrag an das Generalkommando des Gardekorps gewendet habe, um eine entsprechende Abfindung der ihres Ernährers beraubten Familie herbeizuführen, und daß er ihr nach Abschluß der bezüglichen Berhandlungen das Weitere mittheilen werde." Wirklich! Will man so gut sein? Und wie lange werden die„ bezüglichen Verhandlungen" wohl noch danern? Inzwischen dürfte wohl der Winter vergangen sein.
Es ist ein niederträchtiger Standal, diese bureaukratische Bequemlichteit, wo es sich darum handelt, eine infolge des herrlichen Militarismus ihres Ernährers beranbte Familie zu entschädigen. Hätten die arme Frau nicht private Wohlthäter geholfen, sie wäre schon zehnmal verhungert, ehe der nimmersatte Militärmoloch auch nur einen Nickel von den Millionen, die er verschlingt, herausgerückt hätte. Ja, wenn es sich um einen Offizier oder dergleichen gehandelt hätte! Aber es betrifft ja nur die Frau eines Erdarbeiters.
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Sie sind aber nicht immer so langsam, die Herren vom Generaltommando des Gardekorps. Wer sie schnell bei der Arbeit sehen will, der braucht sie nur am Pointd'honneur" zu packen. Dazu ist es gar nicht nöthig, daß er fie elende Zopfgesellschaft oder gar aufgeblasene Schmarotzer nennt, er braucht vielmehr nur einigen Zweifel an dem Nutzen dieses ehrenwerthen Institute überhaupt zu äußern, und er fann ficher sein, sehr bald, oder, wie es im Offiziersjargon heißt, sehr plöglich" mit einem duftigen Billet, Strafantrag genannt, bedacht zu
werden.
Der demokratische babische Hauptmann von Ehrenfeld hat das zur Genüge erfahren.
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Die Bauernfänger in ihrer eigenen Schlinge gefangen. Am 29. Dezember schrieb der Stöcker'sche Reichs. bote" einen großen Artikel für Einführung der Arbeitsbücher, in welchem es heißt:
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,, Wann ist es früher den Handwerksburschen eingefallen, eine Unehre darin zu sehen, daß sie ein Wanderbuch führen mußten und Niemand wird behaupten wollen, daß unsere alten wandernden Handwerksgesellen weniger ehrenhast gewesen, als die gegenwärtigen. Viel eher noch kann man eine Geringschäzung der Arbeiter darin finden, wenn man sie ohne Arbeitsbuch, aus welchem sie ihre Person und ihre Leistungen jedes Mannes höchste Ehre dokumentiren tönnen, ohne solche Legitimation herumlaufen läßt und sie nur als Nummern und Material behandelt, das man einstellt und entläßt, ohne zu fragen, woher und wohin. Jeder Vater, der etwas auf seinen Sohn hält, wird verlangen, daß er ein Arbeitsbuch führe- und diese Agitatoren wollen behaupten, das Arbeitsbuch sei ein Brandmal an der Ehre der Arbeiter! Welche Verirrung und Verwirrung des sittlichen Urtheils! Gerade wenn die Arbeitsbücher obligatorisch, allgemein gültig, eingeführt sind, kann Niemand darin etwas Entwürdigendes sehen, und der redliche, brave, fleißige Arbeiter hat darin das beste Schutzmittel seiner Ehre, mit welchem allein er es verhüten kann, daß er mit dem Bummler auf gleiche Linie gestellt und ebenso wie der behandelt werde. In dieser richtigen Ertenntniß find denn auch bereits eine große Anzahl
von Petitionen von Arbeitern und Arbeitgebern um Einfüh rung obligatorischer Arbeitsbücher beim Reichstage eingelaufen." Seitdem haben allerorts die Arbeiter so kräftig gegen die Arbeitsbitcher protestirt, daß selbst ihren aus irgend welchen Gründen der chriftlich- sozialen Partei beigetretenen Kollegen die Schuppen über diese christliche Arbeiterbeglückung von den Augen fallen und sie gleichfalls Lärm schlagen. Das„ Christlich- soziale Korrespondenzblatt" sieht sich in seiner neuesten Nummer gezwungen, dies einzugestehen, weigert sich aber, zu der Frage überhaupt Stellung zu nehmen, weil dieselbe nicht spruchreif" sei. Während das Blatt in seiner vorigen Nummer selbst mitgetheilt hatte, die deutsch - konservative Fraktion habe den Antrag auf Einführung obligatorischer Arbeitsbücher gestellt, sagt es jetzt:„ Der betreffende Antrag, der so viel unnüßen(?) Staub aufgewirbelt hat, ist unseres Wissens nicht von der deutsch - konservativen Fraktion im Abgeordnetenhause(!), sondern, wenn er überhaupt gestellt ist, nur von einigen Abgeordneten in der Gewerbekommission persönlich gestellt, und wie es heißt( auch im Original gesperrt gedruckt), dort angenommen worden. Authentische Aufklärung konnten wir nicht erlangen. Die Abgeordneten Hofprediger Stöcker und Prof. Wagner haben unseres Wissens jenen Antrag nicht unterzeichnet, sind auch nicht Mitglieder der Gewerbekommission. Die Sache ist noch durchaus unklar und muß das Weitere abgewartet werden."
Das ist nichts anderes, als die Sprache des bösen Gewissens. Sämmtliche konservative und ultramontane Mitglieder Gewerbeordnungskommission haben für die Arbeitsbücher gestimmt, sonst wäre er bereits in der Kommission gefallen. Die Herren ,, und mit ihnen ihr Fraktionsgenosse Stöcker" haben sich dem süßen Wahn hingegeben, die Arbeiter würden diese Degradirung ruhig über sich ergehen lassen, wenn man ihnen vorschwindelt, sie werde ihnen materiellen Vortheil( Wanderunterstützung 2c.) bringen. Aber sie sind zu ihrem Schrecken belehrt worden, daß die„ rohen materialistisch gesinnten" Arbeiter ihre Unabhängigkeit nicht um ein Linsengericht verkaufen. Deshalb ist die Frage auch mit einem Male noch nicht„ spruchreif", und deshalb werden auch Stöcker, Wagner und Genossen schließlich aller Wahrscheinlichkeit nach gegen die Arbeitsbücher stimmen. Damit wäre dann das Schicksal desselben besiegelt, was die Arbeiter aber nicht der Stöcker'schen besseren Einsicht, sondern ihrer eigenen entschlossenen und kräftigen Haltung zu verdanken haben werden. Darum heute und in Zukunft: Nur nicht verblüffen lassen, immer feste druff!
Obiges war bereits gesetzt, als aus Berlin der Bericht über die prächtige Demonstration der Arbeiterversammlung vom 8. Januar eintraf. Stöcker mit Zischen, Genosse Kayser mit stürmischem Beifall begrüßt, nach der Auflösung Massengesang der Mar seillaise - das ist eine Sprache, welche selbst die begriffs tuigsten, Staatsmänner" begreifen werden!
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Auf der schiefen Ebene. 3u einer offiziösen Notiz, daß das Reich sich mit der Frage der zweckmäßigeren Regulirung des Rheinstromes befassen werde, bemerkt die Berliner Volkszeitung":
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Wir können nur wünschen, daß diese guten Absichten sich realisiren und zu praktischen Ergebnissen führen. Ein Wiesbadener Blatt betont angesichts der furchtbaren Kalamität am Rhein die Nothwendigkeit, daß vom Bodensee bis zum Meere der Flußlauf nach einheitlichen Grundsäßen behandelt werde, die Berge müßten bewaldet, ein langsamer Abfluß der Hochwasser bewirkt werden; dann könten wir wieder ruhig leben." Drastischer können die in unserem Leitartikel gemachten Ausführungen gar nicht bestätigt werden. Daß bei dieser ,, einheitlichen Behandlung" des Flußlaufes nicht nur das Recht des Besizers, mit seinem Eigenthum nach Belieben zu schalten, zum Teufel geht, liegt auf der Hand, ebenso fällt auch die famose Staatssouveränetät dem Interesse der Gesellschaft zum Opfer, denn der Rhein fließt durch drei Länder: die Schweiz , Deutschland und Holland . Was aber dem Einen Recht ist, ist dem Andern billig. Warum dem Befizer von Bergwerken, von Maschinen, überhaupt von Kapital, ein Recht lassen, welches man den Waldbesitzern nimmt? Sind die wirthschaftlichen Krisen etwa weniger verderbenbringend als Ueberschwemmungen? Also ein wenig mehr Konsequenz, wenn's beliebt! Wer A sagt, habe auch den Muth, B. zu sagen.
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3 ahlen, die zum Nachdenken auffordern. Die ,, NewVorker Tribüne" veröffentlicht eine statistische Zusammenstellung der in den legten 12 Jahren in Newyork verübten Selbstmorde. Während dieses Zettraumes haben 1687 Personen( 1326 Männer und 361 Frauen) sich das Leben genommen. Gist wählten 540 Personen, während 272 den Tod durch Erhängen vorzogen. Die Zahl der Deutschen , welche sich entleibten, betrug 701, die der selbstmörderischen Irländer nur 241.
Un dabei ist die irische Bevölkerung Newyorks bedeutend zahlreicher als die deutsche.
Es wäre nun verfehlt, daraus ohne Weiteres den Schluß zu ziehen, daß die Irländer erheblich muthiger und widerstandsfähiger wären als die Deutschen . Vielmehr ist die Hauptursache der schreienden Differenz die, daß der Deutsche im Allgemeinen sein moralisches Elend viel tefer empfindet als der durch jahrhundertelange Unterdrückung herabgedrückte Irländer, der lieber im Rausch Betäubung sucht und findet, bis er auch physisch zu Grunde geht. Aber soviel lehren diese 3ahlen, daß ein grauenhaftes Elend unter den Deutschen in Newyork herrscht und daß die Deutschen , wenn es ihnen schlecht geht, viel schneller als irgend ein anderes Volk bei der Hand find, fich freiwillig aus dem Leben zu trollen. Dafür zu sorgen, daß es anders werde, ist Aufgabe der Sozialdemokratie.
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-Orühre, rühre nicht daran, nämlich wo still ein Kapitalist seine Zinsen verzehrt. Dies rufen mit ergöglicher Angst die Bismardschen Konservativen aus, fie, die noch vor Kurzem so pathetisch gegen das mobile Kapital und deffen Heckfähigkeit zu donnern wußten. Es soll hecken, es muß heden, im Jnteresse der Kultur, nur teine progressive Einkommen-, nur teine Kapitalrentensteuer! Rothschild muß das Herz im Leibe lachen, wenn er in dem Leitartikel des antisemiischagrarischen„ Deutschen Tageblattes" vom 4. Januar den Satz findet:
,, Welche Form man auch erfinnen möge, den Gläubiger zu fassen, man wird, wenn nicht immer, so doch häufig nur den Schuldner fangen. Die Steuer auf den Koupon eines Werthpapieres wird sich in dem Kourse ausdrücken und die Belastung einer Hypothek eine Erhöhung des Zinsfußes zur Folge haben, so daß in jedem Falle die angestrebte besondere Kapitalrentenftener in eine Schuldenfteuer umschlagen würde."
Moral: Laßt das Kapital ungeschoren, Ihr„ Steuer und Wirthschaftsreformer", denn sonst geht es Euch selbst an den Kragen. Nur indirekte Steuern find das einzig Wahre!
Wir aber ziehen aus der famosen Abwälzungstheorie die Konsequenz, daß unter den heutigen Eingenthumsverhältnissen der Dieb überhaupt nicht zu faffen ist, und daß es daher keine Möglichkeit gibt, ihm beizutommen, als eine gründliche Umgestaltung derselben. Abschaffung alles arbeitslosen Erwerbes, das ist unsere Antwort auf diese steuerpolitischen Winkelzüge, und diese ist nur möglich durch die Beseitigung der kapita listischen Produktionsweise.
Bis dahin aber bleibt es für uns bei der einen progressiven Einkommenssteuer.
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Werlacht da? Ueber die Reichstagsreden unserer Abgeordneten bemerkte Herr Stöder am 15. Dezember u. A.:
,, Ein Abgrund sittlicher Verkommenheit aber eröffnet sich, wenn man die sozialdemokratischen Vertreter über die freie Liebe " als„ philosophischen Grundsatz" deklamiren hört. Die Auflösung unserer Begriffe
von Ehe und Familie ist nicht ein philosophischer Grundsaß, sondern thierische Gemeinheit!"
Und der Mann ist Hofprediger des alten Wilhelm! Wer lacht da?
Der Retter in der Noth. Folgendes erbauliche Gespräch gelangte vor einiger Zeit zu den Ohren eines heimlichen Anhängers der Sozialdemokratie.
Ort: die weltberühmte Universitätsstadt Marburg .
Dr. med. Heusinger: ,, Nun, wie werden sich denn die Sozialdemokraten zu den Landtagswahlen stellen?"
Herr Koch, Redakteur des oberhessischen Wurstblattes: ,, Für die hat der Staatsanwalt gesorgt."
Nun wissen wir doch endlich, schreibt uns ein Marburger Genosse, warum wir mit einem absolut haltlosen Prozesse wegen Verbreitung verbotener Druckschriften beehrt wurden. Aus Furcht, wir könnten uns an dem Dreiklassenwahlrummel betheiligen. O diese Schild- pardon! Marbürger lichen Staatsretter! Sie haben den Stein der Weisen entdeckt: Man steckt vor den Wahlen sämmtliche Sozialisten hinter Schloß und Riegel und der Staat ist gerettet. Probatum est!
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Gut gegeben. Von den beiden Berliner Versammlungen wurde die eine, welche im„ Neuen Gesellschaftshause" stattfand, polizeilich aufgelöst, weil ein Arbeiter, der Böttcher Volkmann, die Aeußerung that,
,, daß man dem Herrn Minister des Innern auf deffen im Reichstage gemachte Aeußerung, der Abgeordnete Vollmar und seine Fraktionsgenossen verdankten ihre Anwesenheit im Reichstage nur der„ Zersplitterung der staatsfreundlichen Parteien", erwidern könne,„ die Herren Konservativen im Reichstag hätten ihre Wahl nur der Dummheit der Arbeiter zu verdanken."
Daß auf diese Worte hin der Polizeilieutenant die Versammtung auflöfte, zeigt, daß sie den Nagel auf den Kopf treffen.
Ueber die Auflösung selbst noch ein Wort zu verlieren, hieße Waffer ins Meer gießen. Derartige Niederträchtigkeiten gehören in PreußenDeutschland zum„ System".
- Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen, namentlich wenn sie vom Stande" sind. In Berlin ist vor Kurzem eine Gaunerbande, die jahrelang vermittelst eines Revolverblattes unverschämtester Gattung,„ Der Unabhängige" genannt, Erpressungen aller Art verübte, auf Veranlassung eines ihrer Opfer dingfest gemacht worden. Der notorische Führer dieser Bande nun, ein Herr von Schleinitz, Neffe des Ministers von Schleinit, wurde einen Tag nach seiner Verhaftung ohne jeden Grund freigelassen, weil er dem Offizierstorps angehörte, und ging schleunigst auf Reisen.
Das nennt man in Preußen Gleichheit vor dem Gesetz! Der„ Unabhängige" machte nebenbei in Antisemitismus und Bismarckverherrlichung er wußte wohl warum. Sind doch von jeher Bordellwirthe die besten„ Patrioten" gewesen. So guten Unterthanen gegenüber drückt die Polizei gern einmal ein Auge zu, manchmal auch zwei.
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Früchte der Polizeiära. Im Friedrichshain , dem belebtesten Parke Berlins , schreibt die demokratische Südd. Post", haben 3 Polizisten ein grauenhaftes Attentat verübt. Ein Arbeiter saß dort mit seiner Braut. Unter den nichtigsten Vorwänden wurde er von einem dieser Polizeistrolche verhaftet, während die beiden anderen diese Gelegenheit benutzten, um die schutzlos zurückgebliebene Braut in dem öffentlichen Park zu- nothzüchtigen.
Das sind die nothwendigen Konsequenzen des niederträchtigen Systems der Polizeiallgewalt in Preußen. Diese Ordnungshüter dürfen sich eben alles erlauben, denn kaum der Hundertste wagt es, ihre Schandthaten an die Oeffentlichkeit zu bringen. Und find die beiden behelmten Schurken etwa schlechter als ihre Vorgesetzten, die dasselbe zwischen vier Wänden thun, was sie an der Braut des Arbeiters verübt? Sicherlich nicht. Und diese Schandwirthschaft wird nicht eher ein Ende nehmen, als bis mit dem ganzen Polizeistaat aufgeräumt wird.
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Aus Leipzig , Anfang Januar, schreibt man uns: Herr Bretschneider, der neue Staatsanwalts- Polizeidirektor unserer großen Seestadt, wurde am 2. ds. in einer Plenarversammlung des ehrsamen Stadtraths von dem Herrn Oberbürgermeister Georgi feierlich eingewiesen". Bei dieser Einweisung" dachte der stark gesellschaftsretterisch angehauchte Herr Oberbürgermeister im Grunde seines Herzens mehr an das Aus weisen als an das Ein weisen, denn er meinte, der Herr Polizeidirektor werde alle seine Kraft darauf zu verwenden haben, die Stadt, zwar nicht vom Tyrannen, aber doch von den staats- und gesellschaftsfeindlichen Elementen" zu befreien, worunter ein Vertreter des Geldproßenthums bekanntlich nicht die Unterdrücker und Ausbeuter von Staat und Gesellschaft versteht, sondern die Gegner der Unterdrücker und Ausbeuter. Wir leben ja in der verkehrten Welt!
Herr Georgi sprach dann auch von den schlimmen sozialen Zuständen", welche jetzt das Regierungshandwerk erschwerten, meinte aber damit komischer Weise die sozialistische Bewegung, und nicht die faulen sozialen Bustände, auf deren Abschaffung die sozialistische Bewegung hinwirkt. Daß ein Oberbürgermeister der zweiten Hauptstadt des deutschen Reiches " ( welche Ehre wir dem famosen Reichsgericht verdanken) nicht einmal die Bedeutung des Wortes sozial" und den Unterschied zwischen ,, sozial" und sozialistisch" tennt, ist allerdings ein bemerkenswerthes Pröbchen moderner Kulturgeschichte.
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Ueber die ,, mit höchster Befriedigung aufgenommene, sehr warme Antwortsrede" des neugebackenen Polizeidirektors schweigt des Berichterstatters Höflichkeit. Wir wissen blos, daß sie das begeisterte Lob des verunglückten Vorgängers und das Versprechen, dieſem mit aller Kraft nachzueifern, enthielt. Wir können Herrn Bretschneider nur den gleichen Erfolg wünschen, wie ihn Herr Richter gehabt hat. Wir werden dann am Schluß des Jahres 1883 die nämlichen Erfolge zu verzeichnen haben, wie am Schluß des Jahres 1882.
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Die Dummen werden zwar dem Sprichwort zufolge ,, nicht alle", es werden ihrer aber allmälig doch weniger, und mancher Dumme wird ,, helle." Klei. Die geradezu skandalös- alberne Begründung des Leipziger " durch die sogenannte ,, Denkschrift"( so betitelt, weil sie nur für Solche bestimmt ist, die nicht denken) hat gar Manchem den Staar gestochen. Und noch aufklärender hat der elende ,, Krieg in Sicht". Rummel gewirkt, der unseren Geschäftsleuten das sich anfangs recht gut anlassende Weihnachtsgeschäft schmählich verdorben hat. Da es feinem 3weifel unterliegt, daß dieser Rummel von Oben her kommandirt und arrangirt worden ist, und daß es sich dabei blos einerseits um ein Börsen. manöver niederster Sorte, anderseits um ein Attentat auf den Geldbeutel des deutschen Voltes gehandelt hat, so ist die eine allgemeine. außer bei den hoffnungslos Vernagelten Entrüstung Sollte es zu der angedrohten Auflösung des Reichstages kommen, so würde fich ein gewaltiger Umschwung der Stimmung befunden. Würde heute hier in Leipzig gewählt, so wäre die Niederlage des nationalliberalen Kandidaten ficher. Und Alles deutet darauf hin, daß die Lage sich für uns immer günstiger gestalten wird. Unsere Feinde sind nachgerade in eine so schiefe Stellung gerathen und haben so vollständig den Ueberblick über die Entwicklung der Dinge verloren, daß sie blos noch Fehler machen und uns in die Härde arbeiten können.
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Die Partei ist auf dem Posten, in der Stadt und in der Umgegend. So weit der ,, Kleine" reicht, pfeift" die Sozialdemokratie längst auf das ,, infame Gefeß" und zeigt den Gegnern bei jeder Gelegenheit, daß sie lebt und wächst. Die Gemeinderathswahlen haben dies in unseren Borstadt Dörfern glänzend bestätigt. Ueberall die Partei in schönster Kraft