nicht in den letzten 30 Jahren mit Lügen bedruckt worden, um dem dummen Volk in Frankreich und in Deutschland weiß zu machen, daß Bonaparte, Bismarck , Gambetta und noch ein paar andere, sehr gewöhnliche und nach jeder Richtung hin sehr fragwürdige Persönlichkeiten wunderbare Staatsmänner, übermenschliche Genies, Götter in Menschengestalt seien, von der gütigen Vorsehung dem dummen" unmündigen Volke geschickt, damit sie es, das selbst nicht der Schmied seines Glückes sein fönne, vermittels ihrer Wundereigenschaften beglücken. Stirbt einer dieser ,, heroes", dann passirt es freilich mitunter, daß diese Gözenanbeter die Hohlheit des wurmstichigen, verrotteten Gözen erkennen und ihn auf den Misthausen werfen, welches unzweifelhaft der geeignetste Ort für lebendige und todte Gößen ist. Also ist es geschehen mit Louis Bona parte , diesem ekelhaften Gemisch von Blut und Koth, das aber bei Lebund Ruhmeszeiten sich noch servilerer und allgemeinerer, wenn auch etwas weniger plumper Anbetung erfreute, wie heute sein würdiger Nachfolger und Schüler Bismarck . Ein ähnliches Schicksal hat der franzöfische Doppelfinger Bismarcks, der„ Erdiktator" und bankrotte Jntrigant Gambetta , für den die Bismarckische Presse, weil der RevancheWauwau für unseren schnapsbrennenden Herrn Reichskanzler ein nothwendiges Inventarstück ist, auf's Eifrigste die Reklametommet gerührt hat und noch rührt. Noch heute, nachdem der Götze, der Halbgott,„ der größte Mann Frankreichs ", einen jämmerlichen Tod gefunden hat. Müssen doch sogar konservative Blätter die Plumpheit bedauern, mit welcher z. B. das Leibblatt des Fürsten Bismarck seinen Merger über den Tod des Revanche- Wauwau verräth. Derselbe war aber auch unbezahlbar und ist aller Wahrscheinlichkeit nach unersetzlich.
Es fällt mir nicht ein, Gambetta als eine komplette Null hinstellen und ihm jegliches politische Verdienst absprechen zu wollen. Die Thatsache kann jedoch unmöglich bestritten werden, daß er in den letzten fünf Jahren, d. h. seit der Entfernung Mac Mahons, eine unwürdige Rolle gespielt, und seine Grundsätze, sowie das Wohl Frankreichs , seinem niedrig- demagogischen Ehrgeize geopfert hat. In Frankreich war er seit dem kläglichen Fiasko des großen Ministeriums" todt, in Deutschland hat ihn die Bismarck 'sche Presse zu den bekannten Erpressungszwecken am Leben erhalten und systematisch aufgepufft. Und trotzdem war er ein großer Mann so gut wie die andern großen Männer, mit denen heute Gößendienst getrieben wird.
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Als der Götze Bonaparte in Stücke zerbrach, da jubelte die Welt, und dachte, es werde nun Friede sein auf Erden. Sie vergaß, daß das Bonaparte'sche Geschäft in Deutschland fortgesetzt wurde, und sicherlich nicht in verbesserter Ausgabe.
Als man die Nachricht von Gambetta's Tod in Paris erfuhr, riefen die Leute unwillkürlich aus: Nous aurons la paix maintenant! Wir werden jetzt Friede haben. Das Volk begreift, daß es des Friedens bedarf, und daß diese großen Männer insgesammt gemeinschädliche Friedensstörer sind.
Wäre Bismarck gestorben, der erste Gedanke würde der nämliche gewesen sein.
Wann werden die Völker lernen, daß die Gößen und Götter nur Menschenwerk sind, nur das Produkt menschlicher Dummheit? Und wann werden die Völker auf die Stimme der Vernunft und Wissenschaft hörend, die lebendigen Gözen ten todten Gözzen und Göttern nach werfen in die Düngergrube der Weltgeschichte?
H- e.
Boden des Gesetzes und der Gesezlichkeit abgedrängt und ich begreife in der That nicht, wie man uns den in Wyden gefaßten Beschluß, das Wort„ gesetzlich" aus unserm Programm zu streichen, ernst lich zum Vorwurf machen kann. Hier in diesem Hause hat man uns mit großer Majorität außerhalb des Gesezes gestellt, und wir haben einfach die Position afzeptirt, die man uns aufgezwungen hat. Man will nicht, daß wir gesetzlich existiren; gut! darauf antworten wir: wir werden eristiren, sei es gefeglich oder nicht gesetzlich. Ein Gesetz, welches in unser Menschenrecht eingreift, uns das Recht der Existenz rauben will, erkennen wir uicht an; feine Partei in diesem Hause würde unter ähnlichen Umständen anders handeln. Erkennten wir ein solches Gesetz an, so wären wir elende Feiglinge; die Herren von der äußersten Rechten erinnere ich daran, wie die royalistische Partei sich in Frants reich verhalten hat, als am Ende des vorigen Jahrhunderts die Revo lution ausbrach. Haben die Royalisten etwa abgedankt? Trat nicht im Gegentheil ihre Presse mit größter Heftigkeit gegen die neuen Einrichtungen auf? Haben die Royalisten nicht, als sie geächtet waren, mit allen Kräften und Mitteln gekämpft gegen die Revolution, gegen die
revolutionären Geſetze? War es nicht ihr Recht, welches sie für sich in
Anspruch genommen, und welches sie ausgeübt haben? Dasselbe Recht nehmen auch wir für uns in Anspruch, das Recht zu existiren. Wenn Sie uns nicht in gesetzlicher Weise existiren lassen, dann existiren wir ungesetzlich, und an dieser, der nichtgesetzlichen Fortexistenz der Partei sind Sie schuld, auf Ihnen ruht die Verantwortlichkeit. Wir be. stehen fort, und wir werden fortbestehen.
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Man hat uns Sozialdemokraten den Mangel an schöpferischer Kraft vorgeworfen, gesagt, wir wollten und könnten blos negiren, blos zerstören. Diesen Vorwurf werfen wir auf die Urheber des Sozialistengefeges zurid; die Sozialdemokratie ist nicht eine Partei der mechanischen Zerstörung, fie glaubt an die organische Fortentwicklung der Menschheit nach nothwendigen Naturgesetzen, und dieser Anschauung gemäß bahnte unsere Partei die Organisation der Arbeiter, die organische Lösung der Arbeiterfrage nach allen Richtungen hin an. Sie war mit bestem Erfolg schöpferisch thätig, und Sie, meine Herren, die Urheber des Sozialistengesezes, Sie sind die Partei der Negation, Sie haben blos zerstört, und jetzt auf den Trümmern der Arbeiterorganisation suchen Sie vergebens etwas zu schaffen. Wenn aus den Arbeitergesetzen, die gegenwärtig dem Hause vorliegen, etwas werden soll, dann, meine
bie bem Safe bout cas zurüdgreifen müssen,
was wir gethan haben, dann werden Sie das als richtig anertennen müssen, was unsere Partei von Anfang an erstrebt hat. Wenn die Organisation der Arbeitsverhältnisse nicht auf den Schultern der Arbeiter selbst ruht, wird sie in der Luft schweben, werden Sie nur eine polizeilich bitreaukratische Maschine zu Stande bringen, die gänzlich Lebensunfähig ist. Soll die Arbeitergesetzgebung ihren Zweck erfüllen, so muß sie sich auf freie autonome Arbeiterorganisationen stützen, die, von den Arbeitern geschaffen, ähnlich wie die englischen Tradesunions durch die Arbeiter selbst, die ihre Jutereffen am besten kennen, die Arbeiterangelegenheiten und die Arbeitsverhältnisse regeln.
Sie sehen, ich hatte Recht: man zieht einen förmlichen Kordon um uns herum, und um dies zu ermöglichen und einen genügenden Apparat zur Ueberwachung von Tausenden und Abertausenden von Sozialdemokraten herzustellen, hat man ein System der Spionage eingerichtet, wie es ähnlich bisher nirgends und ich habe Erfahrungen in solchen Dingen, wie es meder in Frankreich noch in irgend einem anderen Lande je ähnlich bestanden hat.
Ich wurde im Laufe des vorigen Sommers von einem Russen besucht; als er die Ueberwachung, deren Gegenstand ich war, beinerkte und von mir einige Polizeierlebnisse erfuhr, meinte er: so schlimm, wie es mit der Spionage in Deutschland ist, ist es ja nicht einmal bei uns schlimm sein, aber wahrscheinlich ist Ihre Polizei ein flein wenig geschidter, denn unsere Polizei geht bei der Ueberwa yung mit einer Plump heit zu Werke, die geradezu skandalös ist
Die Sozialdemokratie und die Ausnahme- in Rußland . Ich bemerkte darauf: es wird vielleicht in Rußland ebenso
Gefeße.
Aus der Rede Liebknechts vom 11. Januar 1883.
( Dem stenographischen Bericht entnommen.)
Meine Herren, nicht bloß Bücher, sondern auch Anträge haben ihr Schicksal. Der Antrag, den ich jetzt in diesem Hause vertreten werde, ist bereits zum zweiten Male eingebracht worden. Er war schon ein gebracht in der vorigen Session des Reichstags; er wurde gleich bei Beginn dieser sehr lange dauernden Session eingebracht, und erst über ein Jahr nach der ursprünglichen Einbringung kommt er zur Verhand lung. Die Thatsache, daß wir die Abschaffung sämmtlicher Ausnahmegesetze beantragen, beweift Ihnen, daß wir in dieser Frage uns auf den rein prinzipiellen Boden stellen. Es ist von verschie denen Seiten augeregt worden, wir sollten bloß einen Antrag auf Abschaffung des Sozialistengesetzes einbringen. Das können wir nicht; hätten wir den Rath befolgt, so würden wir nicht bloß den Boden des Prinzips verlassen, sondern auch der irrigen Vorstellung Raum gegeben haben, als hätten wir ein ganz besonderes Bedürfniß, dieses Gesetz los zu werden. Es hätte uns als ein Akt der Schwäche ausgelegt werden tönnen. Indem wir aber rein prinzipiell vorgehen und, unserem Biogramm gemäß, gleiches Recht für Alle verlangen, haben wir diesem Vorwurf von vornherein die Spize abgebrochen.
Ich beginne mit dem Sozialistengeset. Unmittelbar vor den Weihnachtsferien haben Sie bei Besprechung der Dents christ über die Verhängung des Belagerungszustandes Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen, daß die Regierungen außer Stand gewesen sind, für die gegen uns getroffene Maßregeln irgend welche hinreichend zutreffenden Gründe vorzubringen. Nicht einer der Herren Abgeord neten hat hier ausgesprochen, daß er durch das befriedigt sei, was in jener Denkschrift zur Motivirung dieser Maßregeln angeführt worden ist, und ich behaupte ferner, daß dasjenige, was von Seiten der Herren Minister, insbesondere von Seiten der Herren von Buttkamer und von Nostiz- Wallwiz mündlich erklärt worden ist, ebensowenig eine ernsthafte Motivirung bildet als die gedruckte Denkschrift.
Es ist in der Dentschrift gesagt worden, daß es gelungen sei, unsere Bewegung durch das Sozialistengesetz einzuschränken und ihr einen Damm zu setzen; man habe nicht die Absicht gehabt, unsere Partei zu zerstören; aber es sei wenigstens prophylaktisch"( vorbeugend) für die Zukunft gewirkt worden; wir hätten nicht in weitere Kreise dringen Tönnen; wenn man das Sozialistengesetz nicht erlassen hätte, wäre unsere Partei weit stärker geworden, als sie jest sei. Meine Herren, das ist eine durch und durch unbegründete Behauptung. Hätten Sie die R. fultate der letzten Wahlen geprüft, häuen Sie die Thatsache ins Auge gefaßt, daß wenige Tuge nach Verhängung des Belagerungszustandes über Leipzig und Umgegend Bebel im belagerten Leipziger Landkreise mit großer Majorität zuma Laadtagsabgeordneten gewählt worden ist, und und daß gerade da, too„ die schneidigste Waffe des Sozialistengesetzes" in schneidigster Weise gegen uns gehandhabt wird, in Hamburg , in Berlin und in Leipzig , entweder fein Rückgang oder gar, wie in Leipzig , ein entschiedener numerise er Fortschritt unserer Partei zu verzeichnen ist, dann würden Sie zu dem Schluffe gekommen sein, daß die von einigen Theilen des Hauses und von der Regierung erwartete und erhoffe Wirkung des sozialißengesetzes vollständig ausgeblieben ist. Es fällt mir hier nicht ein, einen Appell an das Mitt id machen zu wollen; es ist aber nöthig, daß ich Ihnen nach einigen Richtungen zeige, wie dieses Sozialisten geseg gewirkt, zu wel empörenden Handlungen und Praktiken es geführt hat. Wir sind zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Regierungen und Behörden gar nicht mehr daran denken, unsere Partei direkt unterdrücken zu können; wir glauben, man will blos einschüchtern, man will Existenzen zerstören, man will gewissen Persönlichkeiten, von denen man thörichter Weise glaubt, daß sie die Partei repräsentiren, den Aufenthalt in Deutschland verleiden, sie mürbe machen.
Nun, meine Herren, dieser Versuch ist nicht gelungen und er wird Ihnen niemals gelingen. Was Sie erreicht haben, ist, daß Sie Tausende ins Unglück gestürzt haben, daß Sie in Hunderttausenden und Willionen das Bewußtsein der absoluten Rechtlofi, feit erweckt und eine Erbitterung erzeugt haben, wie sie in früherer Zeit, vor Proklamirung des Sozialisten gesezes auch nicht annäherud vorhanden gewesen ist.
Man hat gesagt: das Sozialistengesetz soll der revolutionären Entwickelung der Partei einen Riegel vorschieben. Das Gegentheil ist erzielt worden; Sie haben durch dieses Ausnahmegesez unsere Parter neit mehr nach links gedrängt, als es vorher der Fall gewesen ist. Sie selbst haben durch Ihr Ausnahmegesez die Partei von dem
Noch einen Zug zur Vervollständigung des Bildes ich will nicht Namen nennen, aber den Herren Ministern od Jedem sonst, der die Namen wünschen sollte, stehen sie zur Verfügung. Ein sozialdemokratischer Abgeordneter hat nahe Verwandte hier in Berlin , Berwandte, die der Sozialdemokratie ganz fernestehen, die sogar Beamtenkreisen angehören. Der Sozialdemokrat besucht seine Verwandten. Sofort werden diese der Gegenstand einer persönlichen Ueberwachung, die sich in wahrhaft schamloser und skandalöser Weise äußert, so daß der sozialdemoki atische Abge ordnete, um nicht seinen Verwandten noch größere Unannehmlichkeiten zu bereiten, genöthigt ist, sich von ihnen ierne zu halten. Dieses Beispiel fönnte ich verzehnfachen und verzwanzigfa hen. Ich kann mich hier nicht auf nähere Details einlassen; aber denken Sie sich die Sache aus, neh men Sie an: Jemand, den Sie besu uen, findet pötz ih, daß von Leuten mit tonfiszirten Gefichtern an der Thüre gescheült wird, daß da an der Thüre gefragt wird: hören Sie, hat hier ein Herr gewohnt des und des Namene?" daß man unter fingiriem Auftrag mit fingirten Botschaften hinkommt, daß man fragt: ist in diesem Zimmer Der und Der gewesen?" daß man die Bedienten zu bestechen, die Unterbeamten des Beamten zur Spionage gegen ihn zu benützen sucht, daß man ihnen Geld bietet, damit sie erklären sollen, ob denn auch der Beamte mit seinen sozialdemokra tischen Verwandten in häufigem und intimem Verkehre ist! Was sagen Sie dazu? Ist das nicht eine geradezu niederträchtige wirthschaft? Und diese niederträchtige Wirthschaft ist die nothwen dige Folge des Sozialistengesezes, des Ausnahmegefeges.
-Der Spion Schmidt ist in Zürich für einen Attentatsfond" thätig gewesen, und in den Briefen, welde von den sächsischen Polizeibeamten an diesen Betrüger und Spion geridtet worden sind, ist davon vorstehe. Ist hier nicht ein Wint mit dem Scheunentbor gegeben, daß man für diesen Fall ein Attentat wünscht? Bedenken Sie das, meine Herren, bedenken Sie, daß das Sozialistengesetz angeblich erlassen worden ist, weil die Sozialdemokratie an den Attentaten des Jahre 1878 schuld gewesen sei! Von jenen Attentaten hat sich erwiesen, daß die So
ziemorate bu absolut nichts mit ihnen zu thun hatte, und von keiner
Seite ist die Behauptung aufrecht erhalten worden, daß jene Attentate von Sozialdemokraten verübt oder veranlaßt worden seien. Aber wenn wir fragen: cui bono? wem haben die Artentate genügt? dann kommen wir zu eigenthümlichen Schlußfolgerungen. Einer der Herren der Sezessionistenfraktion hat in einem Vortrage über die politische Lage und den Stand der parlamentarischen Angelegenheiten im vo igen Winter erklärt was vollständig übereinstimmt mit dem, was meine Parteigenossen und ich immer ertlärt haben, daß die Atten tate nur der Vorwand für die Ausnahmegeseze und für die reaktionären Maßregeln waren, die seitdem auf wirthschaftlichem Gebiete in Deutschland getroffen worden sind. Wir hätten die Ausnahmegesetze unter allen Umständen bekommen, und mochten die Attentäter auch den uns feindlichsten Parteien angehören!
Ich komme hier auf den Vorwurf, den man uns zu machen pflegt, daß unsere Bewegung in Deutschland identisch sei mit dem Nihilismus. Meine Parteigenossen haben sich über diese Frage klar genug ausgefprodjen. Also nur turz: Die deutschen Verhältnisse und die russischen Verhältnisse sind vollständig verschieden. Der Nihilismus ist ein nothwendiges Produkt der russischen Verhä tnisse und die nothwendige Folge des auf die Spitze ges triebenen Polizeisystems, welches dem freiheitlichen Gedanken absolut teinen Spiel aum gewährt. Der Nihilismus ist die Frucht und zugleich die reductio ad absurdum( Nachweis der Lächerlichkeit. Die Red.) des Polizeistaates, den die Herren von der Rechten anfireben, und angesichts dieser nihilistischen Vorkommuisse sollten Sie( nach rechts), die Sie an die allmächtige Gewalt der Polizei glauben, denn doch in Ihrem Glauben erschüttert worden sein! Die Sozialdemokratie in Deutschland hat trot der Ausnahmegefete, trotz der Polizei und tro 3 aller Ve folgungen noch immer die Fähigkeit, sich geltend zu machen. Gegen jeden Schachzug, den unsere Feinde machen können, haben wir auch noch immer unseren Gegenzug. Thun Sie, was sie wollen wir werden im Stande fein, Ihnen zu antworten, und feien Sie überzeugt: wir werden unsere Gegner und unsere Feinde schließlich noch matt zu setzen missen!
Aber Eins steht fest: soweit sind unsere Kulturzustände in Deutschland , ist unsere ganze politische Entwickelung noch nicht herab
gedrückt, daß hier der Nihilismus zur Nothwendigkeit geworden wäre. Sie aber durch Ihre Ausnahmegesetze, meine Herren, Siet hnn, wie ich Ihnen vor mehreren Jahren schon gesagt habe, Ihr Möglichstes, um den Nihilismus zu erzeugen, den Sie als Schreckbild auszuspielen lieben. Wenn in Deutschland nihilistische Attentate vorkom men sollten, dann find Sie( nach rechts) die Urheber, meine Herreu! Die Väter des Sozialistengefeßes sind dann die Urheber des deutschen Nihilismus!
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Ich schloß im vorigen Reichstag meine Rede gegen den Gesetzesvorschlag der Regierung auf Verlängerung des Sozialistengesezes mit den Worten:„ Dieser Kampf gegen uns wird pro nihilo( für nichts, vergeblich) sein, und sollte er nicht pro nihilo sein, dann wird er pro Nihilismo sein. Wenn Sie wirklich Ihren Zwed erreichten, wenn es Ihnen gelänge, unsere Partei zu erdrücken und unsere Organisation zu zerstören, was Ihnen bisher nicht gelungen ist und meiner Ueberzeugung nach nie gelingen wird. wenn Ihnen das aber gelänge, wenn die Sozialdemokratie aufhörte zu eristiren, gut! dann hätten Sie in Deutschland einfach den Nihilismus, dann waschen wir unsere Hände in Unschuld, dann haben Sie, was Sie gewollt haben. Wer den Wind säet, erntet den Sturm und hat sich nicht zu beklagen!
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( Schluß folgt.)
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Sozialpolitische Rundschau.
Eine ,, verlorene Schlacht." Die gesammte Ordnungspresse, von der agrarisch- konservativen bis zur volksparteilich, demokratischen", ist darüber einig, daß im deutschen Reichstage am 11. Januar die deutsche Sozialdemokratie die ie die„ Schlacht" verloren habe. Die„ Frank furter Zeitung", zwar nicht das muthigste, aber das größte Organ der bürgerlichen Demokratie, erklärt, es sei„ unklug" gewesen, den Antrag auf Abschoffung aller Ausnahmegesetze in dieser Form zu stellen. Und die Frankfurter Zeitung ", deren Sonne - mann ja Meister in der Kunst ,, ftaatsmännischen" Lavirens ist, muß es doch wissen!
Eine verlorene Schlacht!
Was wurde verloren, oder vielmehr, was stand auf dem Spiele? Handelte es sich um das Sozialistengesetz? Liebknecht wies ausdrücklich diesen Gedanken von sich. Das Sozialistengesetz läuft am 1. April 1884 ab; hat die deutsche Sozialdemokratie es bis heute auszuhalten vermocht, so wird sie es auch wohl noch ein weiteres Jahr aushalten. Nein, Ihr Herren, um das Sozialistengesetz handelte es sich nicht. Der Liebfnecht'sche Antrag hatte vielmehr den Zweck, gewisse Leute auf die Probe zu stellen, sie zu zwingen, Farbe zu bekennen, eine Farbe, über welche die Sozialdemokratie nie im Zweifel war.
Was war das nicht für ein Jubel nach den Reichstagswahlen vom 27. Oftober 1881! Jetzt hatten ja die Parteien, welche, grundsätzliche" Gegner der Ausnahmegesetze sind( Zentrum, Fortschritt und die kleinen Fraktionen), die Majorität im Reichstage, jetzt war die goldene Zeit der bürgerlichen Freiheit angebrochen. Schön, sagte die Sozialdemokratie, wir wollen Euch Gelegenheit geben, Eure Prinzipien zu bewahrheiten; hier ist ein Antrag auf Abschaffung aller Ausnahmegesetze, jetzt flimmt einmal dafür. Und als Antwort ertönt ein: Ja, so war's nicht gemeint, da gibt es doch allerhand zu bedenken. Und die Herren entpuppen sich als prinzipienlose Rechnungsträger. Das soll eine verlorene Schlacht für uns sein? Nein, liebe Frankfurterin, die Geschlagenen fitzen auf einer ganz anderen Seite, die Sozialdemokratie konnte gar nicht geschlagen werden. Sie hatte Zentrum und Fortschrittler in die Arena gestoßen, um mit der Rechten zu kämpfen, und es siegte die national- konservative Minorität. So etwas ist auch nur bei dem heutigen Parlamentarismus möglich. Die Regierung, die bei den Reichstagswahlen von 1881 gründlich in die Pfanne gehauen wurde, stellt von Tag zu Tag unverschämtere Forderungen an den Reichstag , die Sieger" aber wagen es nicht, eine der Regierung unbequeme Forderung zu stellen.
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Die politische Heuchelei der sogenannten, Rechtsparteien" blosgestellt zu haben, das ist das positive Resultat der Reichstagsdebatte vom 11. Janar .
Wir können damit zufrieden sein.
Aber auch sonst können wir nur unserer vollen Befriedigung über die Debatte jenes Tages Ausdruck geben. Liebknecht's Rede gehört zu den besten, die überhaupt noch unserseits im Reichstage gehalten worden sind. Die Zeitungen haben sie grauenhaft verstümmelt. Kein Zeichen von Schwäche, keine Konzession, wozu, wenn unserseits Jllusion über das Schicksal unseres Antages obgewaltet hätte, die Versuchung so nahe lag, ist in ihr zu finden, wohl aber rücksichtslose Kritik der Gegner und der Regierung, rückhaltlose Proklamirung unserer Grundsätze. Und alles Das durchweht von jener echt revolutionären Leidenschaft, die den Leser wie den Hörer hinreißt mögen unsere Leser selbst urtheilen, ob wir oben zuviel gesagt.
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Hierauf nahm der ultramontane Prinzipienschacherer Windthorst das Wort und versuchte zunächst, aus der Rede Liebknecht's, weil dieser erklärt hatte, daß die Sozialdemokratie den Weg wirklicher raditaler Reform nicht verschmähe, eine Desavouirung von Vollmar's jüngster Rede zu konstatiren, womit er aber schlecht ankam. Das werde ich nie thun! rief ihm Liebknecht entgegen. Und nun begann die„ kleine Erzellenz" den bekannten Eiertanz und versuchte die mangelnde Wuchtigkeit ihrer Argumente durch hohles Pathos zu ergänzen, was sich urtomisch ausnahm. Es wurde dem Volksparteiler Payer leicht, Herrn Windthorst auf den Sand zu setzen.
Eugen Richter wußte auch einen artigen Vorwurf gegen unseren Antrag vorzubringen, um seine und seiner Fraktion Ablehnung zu beschönigen: er sei nicht vollständig; das Militärstrafrecht sei auch eine Ausnahmegesetzgebung. Gewiß, tapferer Eugen, ist es das! Aber es ist nur ein Glied in der Kette des ganzen heute herrschenden Militärsystems, für welches Sie jahraus jahrein die nöthigen Millionen bewilligen, selbstverständlich nicht ohne vorher eine Jhrer glänzenden Etatsreden vom Stapel gelaffen zu haben. Das Militärftrafrecht betrifft eine Kategorie von Leuten, die überhaupt aus der bürgerlichen Gesellschaft herausgeriffen werden, mit Bewilligung aller Ordnungsparteien im Reichstage. Den Herren die Möglichkeit zu liefern, ihre Ablehnung mit dem verschoffenen Mantel des Patriotismus decken zu können, diesen Gefallen haben unsere Genoffen im Reichstage mit Recht den oppofitionellen" Fraktionen nicht gethan.
Nachdem noch ein Pole und ein Elsässer erklärt hatten, daß sie für unseren Antrag stimmen werden, wurde die erste Lesung geschlossen und gleich darauf die zweite Lesung eröffnet.
In dieser widerlegte zunächst Liebknecht die Herren Richter und Windthorst in einer Rede, von der alles Das, was wir von der ersten gefagt, in noch verstärktem Maße gilt.
Kräftiger und energischer als Liebknecht die elenden Zumuthungen Windthorst's zurückwies, konnte es gar nicht geschehen.„ Wir stehen auf dem Boden des Prinzips", so schloß er, wir verlangen, daß auch Sie fich darauf stellen" ,, wer gegen unseren Antrag flimmt, in dem tönnen wir nur einen prinzipiellen Anhänger der Ausnahmegesetze ertennen."
Die Frattion Laster- Stauffenberg ftellte nunmehr durch ihren Abgeordneten Lipfe den Antrag auf motivirte Tagesordnung, ,, weil die Gesetze, deren Aufhebung beantragt wird, nicht in dem Zusammenhang stehen, daß die Aufhebung des einen Gesetzes auch die Aufhebung des andern bedingt", und die Behandlung verschiedener Rechtsmaterien in einer und derselben Gesetzesvorlage sich nicht empfiehlt." Damit war der Stein der Weisen gefunden, und in demselben Athemzuge,