wuchs und ihr eine gute Stüße zu werden versprach, sie gab ihm die Klassiker, die Philosophie und die Naturwissenschaft als Spielzeug in die Hand. Aber der Junge nahm das Spielzeug ernst und machte eine Waffe daraus, womit er im Meinungsstreit die Gründe seines eigenen Vaters bekämpfte. Die Bourgeoiste erfaßt Todesschreck, denn sie kennt die Schneidigkeit dieser Waffen, sie hat sie in ihrer Jugend, wo sie noch lange nicht so scharf waren, selbst geführt. Daher ihr plögliches Losungs­wort: Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo; wieder in die große Ver­dummungsanstalt, in die Kirche mit dem Jungen!

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Aber die Sozialdemokratie denn das ist Travailleur lacht, sie läßt sich von Ammenmärchen und Heren nicht schrecken, sie kennt ihre Waffe, und sie benutzt sie rücksichtslos. Der Tag kommt, wo sie als Sieger auf dem Schlachtfeld stehen wird, und er kommt um so rascher, je dümmer und ungeschickter ihre Gegner find.

Höret!

Da tritt ein Pastor hin, Pank heißt der Mann wir reden von Leipzig  - und fordert zur Gründung eines Kirchenbauvereins auf. Während das Pfäfflein flennt und sein Latein hersagt, fizzen als andäch­tige Zuhörer um es herum: Der Reichsgerichts- Präsident Dr. Simson ( Saul unter den Propheten, er ist bekanntlich wie sein Urahn im alten Testament semitischer Abstammung), der Oberbürgermeister und der Oberstaatsanwalt von Leipzig  , ein Polizeirath nicht zur Ueberwachung, sondern zur Erbauung anwesend Reichsgerichtsräthe, Profefforen und Doktoren der Universität, noch einige höhere Beamte, ein paar reiche Kaufleute und als weißer Sperling unter den Raben ein Schneider­meisterlein. Im Ganzen ungefähr drei Dutzend Menschen, alle bis auf den letzt genannten, der Crème der Gesellschaft angehörig.

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Der Pfaff singt ein trauriges, für uns gar erbaulich Lied. Er klagt, wie üblich, über die Verderbtheit der Welt( die in deren Augen stets verderbt war), über die zunehmende Unkirchlichkeit und deren angebliche Ursache, den Mangel an Kirchen und Seinesgleichen.( Sind denn alle Kirchen voll?) Jn Berlin   kommen auf 10-20,000) Seelen eine Kirche, in Leipzig   erst auf 30-40,000. Das sei ein schreiendes Mißverhältniß". ( Das uns freut.) Die Zahl der Kirchen sei nicht größer als zu Luther's Zeit; was würde dieser sagen, wenn er wieder käme?( Gott sei Dank, daß er nicht wieder kommt.) Leipzig's Kirchen seien sonntäglich, eher zu hoch als zu niedrig, von 10,000 Köpfen besucht.( Darunter die Kinder, die durch die Schule gezwungen werden, Beamte, die Rücksichten zwingen, zahlreiche Frauen und namentlich Mädchen, die nur ihre Garderobe zeigen oder die Gelegenheit benutzen wollen, ihre häusliche Klausur zu brechen, amtsfromme Studenten der Theologie, endlich die große Zahl der Frauen und Männer, die aus Stiftungen, mildthätigen Vereinen 2c. Wohlthaten empfangen, wofür der Kirchenbesuch der Dank ist.)

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Der weitaus größere Theil dieser Kirchenbesucher, die im Ganzen 8 Proz. der protestantischen Bevölkerung, 16 Proz. der Erwach senen bildeten gehöre den gebildeten Kreisen an( hört!) das Kontingent, das nach Verhältniß der Seelenzahl die arme Bevölkerung ftelle, sei augenscheinlich ein verschwindendes( Bravo  !), betrage wohl kaum über 3 Proz.( Bravo  !) Die Gebildeten und zwar in gegenwärtiger 3eit in offenbarer Zunahme( hört! Hört!) brächten sich die Pflicht kirchlicher Gemeinschaft zum Bewußtsein. ( Mit Spec fängt man Mäuse!) Den sichersten Maßstab für den kirch­lichen Sinn gebe die Betheiligung an der Kommunion; diese solle in einer normalen Gemeinde 100 Prozent betragen; in Leipzig   betrage sie 18( Bravo  !), in seiner früheren Gemeinde, auf dem Lande, sei fie auf 150 gestiegen.( Die armen Bauern wissen vor langer Weile nicht, was fie Sonntags machen sollen, da gehen fie eben in die Kirche.)

Nirgends sei, so fährt Herr Pank fort, die religiöse Empfängniß größer als in großen Städten(?), oft genüge ein freundlich tröstendes Wort, um eine Seele oder eine ganze Familie, die an das Wort, Liebe" in der kalten großen Stadt nicht mehr glaube, dauernd zu gewinnen. ( Große Armuth, viel Elend ist für Hilfe empfänglich, man heuchelt um ein Stückchen Brod.) Könne die Kirche ihres hohen Berufs nicht mehr walten, so träten andere geistige Mächte auf, und man wisse welche. Diekirche sei außer Stande gesezt, ihren heilsamen Einfluß auszuüben, wo die Sozialdemokratie er­obernd auftrete( Bravo  !) Die soziale Frage sei die brennendste unseres Geschlechts geworden.( Das seht Ihr endlich auch ein), hier gälte es, an der Wurzel anzufassen.( Faßt nur zu, aber wirklich an der Wurzel!)

" Jede neue Kirche ist hier im buchstäblichen Sinne ein Baustein. zum großen Wert. Schon ihr bloßes Dasein( sic!) in dem Hänsermeer eine gewaltige Predigt(!), ihr Thurm ein Finger, der nach oben weist, ( deren recht schlanke auch die Schornsteine der Fabriken bilden), ein Prediger des Jdealismus( Spiritualismus, Herr Pfarrer!) wider den Materialismus: ihr Glöcklein ein Ruf aus der Ewigkeit(!) in Joch und Jammer des zeitlichen Lebens( wovon die Pfaffen und Reichen nichts spüren) und wenn dann drinnen im Gotteshaus die Reichen neben den Armen und die Armen neben den Reichen fizzen( was bekanntlich nicht vorkommt, weil auch in der Kirche bei Predigt, Taufe, Trauung und Beerdigung der Standesunterschied erhalten wird und die Reichen ihre besonderen bezahlten Pläße genießen, wie deren z. B. jede Herrschaft auf dem Lande hat), am Altar beide zusammen von einem Brod essen und aus einem Kelch trinken( bekanntlich ist gesorgt, daß bei diesem Geschäft erst die Reichen und dann die Armen als Schwanz kommen), ja, wo in aller Welt geschieht denn das noch, daß Reiche und Arme so nebeneinander fißen und trinken?( Jm Münchner Hofbräuhaus.) Es gibt keine Macht, die so versöhnend wirkt als die Kirche, schon von äußerlich genommen.( Das hat sie seit 18 Jahrhunderten bewiesen, aber fragt mich nur nicht, wie!)

Professor Luthardt habe vor Jahresfrist im kaufmännischen Berein ge­sagt: Sehen Sie die Sozialdemokratie als ihren Hauptfeind an, so gibt es dagegen nur ein durchschlagendes Mittel, die ausreichende kirchliche Versorgung.( Die Mahnung soll den frivolen, leichtsinnigen Kaufmanns­bürschchen sehr nahe gegangen sein.)

Doch wozu länger rekapituliren! Das Ende des Sermons war ein Appell an die werkthätige Liebe"; zum 400jährigen Jubiläum von Luthers   Geburtstag müsse man den Grundstein zu einer neuen Kirche legen.( Und die Steine werden zu Brod.") Schon rege es sich; ein armer Student habe ihm anonym 10 Mt., seine ganze Habe, gesandt ( Einfaltspinsel!), aber im Vertrauen, daß der alte Gott einen deutschen Studenten nicht darum( das darum" ist unbezahlbar) werde umkommen lassen. Einige Kommunikanten hätten ihm 500 Mt. gesandt( sicher keine Proletarierkinder),- und siehe, da springt ein reicher Kaufmann auf und legt 10,000 mt. von seinem Ueberfluß auf den Tisch. Der Mann darbt, darum" nicht.

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Alle Anwesenden waren sehr gerührt, schüttelten dem Herrn Pfarrer die Hände, die meisten suchten sich aber vor dem Zahlen zu drücken. Der Herr Oberbürgermeister hielt eine herzbrechende Danfrede, und damit war der Sput aus.

Nun weiß der Proletarier wieder einmal, wodurch die soziale Frage, jene brennendste unseres Geschlechts"(!), gelöst wird.

Man baut große Steinhaufen aufeinander, führt die Massen wie Schafe hinein und predigt dem leeren Magen etwas vor. Kyrie   eleison! Schafe find, die daran noch glauben.

Da haben wir die Bourgeoisie, wie sie leibt und lebt.

Wie dort in Leipzig  , so ist sie überall. Ueberall schreit sie nach der Kirche, wird sie, die alte Sünderin, fromm. Selbst den Kulturkampf, der vor wenig Jahren noch ihr Steckenpferd war und ein Täuschungsmittel werden sollte hat sie satt. Sie hat den Katholizismus, was sie nicht wollte, gestärkt und den Protestantismus, was sie nicht sollte, geschmächt. Das Zentrum ward politisch und sozial gegen die neue liberale Wirth­schaft oppofitionell, es ward mit Eifer sogar scheinbar sozialistisch und demokratisch, und gewann so die religiös gesinnten katholischen Maffen.

Der Pfaff versprach ihnen neben dem irdischen auch das himm­lische Paradies und übertrumpfte so die Sozialdemokratie, die nur das irdische versprechen konnte.

Umgekehrt ließen sich die proteftantischen Maffen durch das religiöse Scheingefecht der Bourgeoisie nicht irre machen, fie pfiffen darauf und entschieden sich für die Erde, indem sie sozialistisch wurden.

Heute wird der katholischen Klerisei und der katholischen Bourgeoisie vor ihren eigenen einftmaligen Versprechungen Bange. Die Massen be­stehen auf ihrem Schein, erst die Erde und dann den Himmel als an­genehme Zugabe. Was thun? Sie können der Masse nicht gewähren, was sie in der Hitze des Kampfes versprochen, und mit dem himmlischen Manna begnügt diese sich nicht.

Wenn Herr Windthorst ruft: Geben Sie uns den kirchlichen Frieden, und ich garantire mit meinem Kopf, die Sozialdemokratie kommt nicht auf", so ist das entweder auf Täuschung berechnet oder das Geschwätz eines alten, ftumpf gewordenen Mannes. Das Ende des Kultur­tampfs bedeutet das Ende des Zentrums. Darum das Diplo matifiren und Hinhalten gegenüber den Maffen, das Opponiren und wieder Schmeicheln gegenüber der Regierung. Die römische Klerisei fühlt sich schwach, und darum greist sie nach einer Stüße, dem Staat; die Bourgeoisie fühlt sich schwach, und sie greift nach Kirche und Staat. Der Staat fühlt sich aber auch schwach, und so ftützt er sich wieder auf die Beiden. So sehen wir die heilige Dreieinigkeit, und zwar die wirk­liche, greifbare, Thron, Altar und Geldsack sich umarmen und gegenseitig fügen. Alle drei suchen die Aufmerksamkeit der Massen von der Erde auf den Himmel zu lenken.

Es ist das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einfullt, wenn es greint,

Das Volk, den großen Lümmel.

Aber der Himmel hat seine Wunderkraft verloren, und er gewinnt nicht dadurch, daß man die Pfaffen überall in's Spiel zieht. Bei Fahnenweihen halten fie die Weihereden und müssen den Segen" spenden, bei patriotischen Festen sind sie die Festredner, in weltliche Vereine und Gesellschaften schmuggelt man sie als Mitglieder und Vor­tragende ein. So sieht man heute den Schwarzrock in Kreisen, wo vor anderthalb Jahrzehnten das Wort Pfaff" die verächtlichste Bedeutung hatte.

Alles schon dagewesen, und es hat doch nichts genügt. Das alte Spiel, aber diesmal ist's das lette.

Als die große französische   Revolution nahte und ihr Odem sich an­kündigte, wurde die früher so liederliche und religions gleichgültige fran­ zösische   Aristokratie solid und fromm. Sie warf sich der Mystik in die Arme, der Mesmerismus blühte, und Cagliostro   trieb seine Schwinde­leien.

Vor Achtundvierzig war es ganz ähnlich. Am preußischen Königshof und bei der Aristokratie kam die mittelalterliche Romantik und der Myftizismus in Schwang und ward um so üppiger, je näher die Katastrophe tam.

Heute leben wir in der dritten und letzten Periode. Schon säu­selts und pfeift's in den Lüften, während scheinbar unten noch tiefe Ruhe herrscht. Die oben auf der gesellschaftlichen Pyramide stehen, sehen weiter und merken eher was tommt, als jene unten. So wird die einst atheistisch und materialistisch gesinnte Bourgeoisie, die, wie das fommu­nistische Manifest so ausgezeichnet sagt, alle alten religiösen, politischen und sozialen Vorurtheile untergraben und über den Haufen geworfen hat", wieder fromm. Sie läuft in die Kirche, betet und opfert. Und der Myftizismus stellt sich in der Form des Spiritismus wieder ein und findet oben seine zahlreichsten Gläubigen. Junge Huren, alte Bet­schwestern."

Aber die Buße rettet sie nicht.

Es kommt das jüngste Gericht, wo die Schafe von den Böcken ge­schieden werden. Und dann werden die niedergetretenen und ausgefogenen Völker Europas   sich erheben, werden sich die Hände reichen und werden statt der Psalmen und Litaneien die neue Marseillaise   anstimmen und Jubelrufe ausstoßen, daß die Herrschenden ringsum entsetzt von ihren Seffeln springen und sich in die entferntesten Enden der Welt verkriechen. Und dann wird man einen großen Scheiterhaufen errichten, darauf das alte Gerümpel der alten Gesellschaft verbrennen und darnach einen Bau für die neue Gesellschaft aufführen, in dem es weder Throne noch Altare, noch Geldsäcke gibt, wohl aber freie, gleiche, glückliche Menschen.

Oesterreichische Justiz.

Konstantin.

Wie man in der gepriesenen Habsburger   Monarchie mit dem Recht. und den Staatsverträgen umzuspringen weiß, dafür liefert der Fall Belli und Genosse" ein recht eklatantes Beispiel!

Am 17. September letzten Jahres wurden auf der auf schweizerischem Boden( Kanton St. Gallen  ) liegenden österreichischen Zollstation St. Mar­garethen die Genoffen Belli und Bluch von österreichischen Zollbeamten wegen versuchten Einschmuggelns verbotener Druckschriften verhaftet und unter Mitwirkung eines schweizerischen Landjägers über die Grenze nach Desterreich geschafft. In dem österreichischen Dorfe Höchst wurden die beiden Malefikanten in einem Raume untergebracht, der ein angenehmer Aufenthalt für manch' freuchendes Gethier" fein mag, nicht aber für Menschen. Es war eben weiter nichts als ein dunkler feuchter Keller und keinenfalls ein Aufenthalt für Männer, deren einziges Verbrechen" darin besteht, einer Weltanschauung zu huldigen, die der herrschenden Gesellschaft nicht genehm ist.

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Tags darauf führte man die beiden Genossen, gleich gemeinen Berbrechern gefesselt, nach Feldkirch   in das Kreisgefäng­nämlich am niß. Im ersten Verhöre, welches denn auch recht bald fünften Tage stattfand, machte Belli darauf aufmerksam, daß eine Verhaftung auf schweizerischeia Gebiete wohl schwerlich zulässig sei, worauf der Untersuchungsrichter erwiderte: Ja, dies ist kein Beschwerde­grund, denn die Schweiz   hat Sie ja ausgeliefert! Auf Belli's Erwide­rung, daß die Schweiz   wegen politischer Bergehen doch nicht ausliefere, erklärte der scharfsinnige Jurist: ,, er kenne die schweizerischen Gesetze nicht!"

Belli schrieb seiner in Zürich   sich befindenden Frau den Thatbestand der Verhaftung mit dem Bemerken, sie möchte die Sache zur Kenntniß der schweizerischen Behörden bringen, um an kompetenter Stelle einen Entscheid über die Berechtigung der Haftnahme herbeizuführen. Der Brief wurde aber von dem Untersuchungsrichter einfach zurüdgehalten. Auf die spätere Bitte Belli's, man möchte ihm doch den Sachverhalt an seine Frau berichten laffen behufs Weiterbeförderung, hatte der Bieder­mann von Untersuchungsrichter die unverfrorene Antwort: Sie haben ja schon geschrieben! während der Brief noch in seinem Bulte lag. Aeußerst nett, nicht wahr? Daran reiht sich die für einen Juristen äußerst geistreiche Bemerkung: Die Schweizer   werden sich um Sie als Deutschen  nicht viel fümmern! Uebrigens sei dem, wie ihm wolle, Sie sind einmal hier und herausgegeben werden Sie nimmer!" Famos! Demnach können also die österreichischen Grenzbeamten unbedenklich die Staatsverträge und Gesetzes bestimmungen verletzen, der Billigung ihrer Behörden find fie ficher. Der Zwed heiligt eben die Mittel. Nicht umsonst residiren die Epigonen dieses Grundsages in Feldkirch  !

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Unterbeffen waren die schweizerischen Behörden auf den Fall aufmerksam geworden, verfügten die Entlassung des Landjägers, der bei der Ver­haftung mitgewirkt, und verlangten durch die Gesandtschaft in Wien  die Freigabe der Verhafteten, welche aber nicht erfolgte, vielmehr wurden die Verhandlungen anscheinend erst recht in die Länge gezogen. Wenig

stens wurden endlich die Briefe des Belli in die Schweiz   geschickt, nicht aber ohne eine nochmalige Verzögerung von 8 Tagen. Die Verhafteten wurden indeß über die schwebenden Verhandlungen absichtlich in Unwiffen­heit gehalten; erst unmittelbar vor der Verhandlung ward Belli mitge­theilt, daß zwischen der Schweiz   und Oesterreich   Verhandlungen gepflogen werden, daß die Verhaftung allerdings eine ungesetzliche sei, dies jedoch den Feldkirchner Gerichtshof jedoch nichts angehe. Nach dreimonat­licher Untersuchung wurde nun wegen versuchter Einschmugge lung verbotener Druckschriften Anklage erhoben. Als Belli Beschwerde erheben wollte wegen ungesetzlicher Verhaftung, bedeutete man ihm, die Sache sei nicht politisch" und das Verfahren ein mildes, da er ja nicht wegen seiner sozialistischen Ideen verfolgt werde!

Also während drei Monaten schrieb man nach allen Windrichtungen ( wie nämlich aus den Akten ersichtlich war), um Material gegen Belli in die Hände zu bekommen, als es aber trotz alledem nicht möglich war, demselben eine Agitation in Oesterreich   nachzuweisen, da war die Sache nicht politisch" und das Verfahren ein mildes"! Wahrscheinlich, um auch den Schweizern gegenüber die Hafthaltung motiviren zu fönnen.

Belli wurde also nicht politisch" zu drei Wochen, Bluch zu zehn Tagen Gefängniß verurtheilt. Da nun nach dem Staatsvertrag für eine auf schweizerischem Boden verübte Handlung keine Anklage aufrecht er­halten werden konnte, mußte ein am Abend des 16. September in St. Gallen   an, Bluch in Lustenau  " aufgegebenes Telegramm ohne Unter­schrift die Anklage begründen, indem dadurch ein Theil der Hand­lung auf österreichisches Gebiet verpflanzt worden sei! Zweck und Absender des Tegrammes konnten nicht ermittelt wer­den, da das Telegraphenamt jede Auskunft verweigerte. Belli konnte dasselbe nicht aufgegeben haben, da er erst am Morgen des 17. Sept. von Zürich   weggefahren war. Der Gerichtshof aber nahm an", das Telegramm sei von Belli, undauf diese ganz unerwiesene Thatsache erfolgte dann die Verurtheilung. Der Staatsanwalt beantragte in Anbetracht der ungewöhnlich langen Untersuchungshaft mildernde Umstände, was auch zur Folge hatte, daß bei Belli ganze acht Tage unter dem Straf­maximum erkannt wurde. Also über drei Monate Untersuchungshaft und dann drei Wochen Haft, welch' letztere überdies auch noch abgesessen werden mußten!

Zur Jllustrirung des nichtpolitischen" Charakters der Sache mögen auch die aus allen Ecken gesammelten Spitzelberichte dienen, die man bei der Verhandlung gleichsam zur Parade aufmarschiren ließ. Nach den­selben ist Belli ein seit Jahren äußerst gefährlicher sozialistischer Agitator, ein steckbrieflich verfolgter, bald den Bodensee   durchrudernder, bald im Lande sozialistische Schriften zerlegender, verpackender und versendender Ueberall und Nirgends! Wen gruselt's da nicht? Ja, sein seit Jahren in Amerika   sich befindender Bruder sei auch ein Sozialist, und zu dem Bürgermeister seiner Heimathgemeinde( bei Offenburg  ) soll Belli auch schon vor 10 Jahren einmal gesagt haben: Die Sozialisten fiegen doch noch!( Hu! hu!)

Bei der Verhandlung war auch öfter von Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Staate die Rede. Was verstehen denn die Herren unter Ruhe und Ordnung? Die österreichischen Gefängnisse find( wir sprechen aus Erfahrung) voll von Leuten, die mit den Begriffen von Mein und und Dein auf gespanntem Fuße stehen, mit dem Messer sehr gut umzu­gehen wissen, das Leben ihrer Mitmenschen gering achten, den Bettel als ihr geheiligtes Privilegium betrachten, in ihrer Unwissenheit und Rohheit feine blaffe Ahnung von Sozialismus besitzen, trotzdem aber oder gerade deshalb den Reichen und der Obrigkeit lieber heute als morgen den Kragen umdrehen möchten und diesen Ideen in Reden Ausdruck ver­leihen, über welche jeder halbwegs denkende Mensch sich entsetzt!

Ist da Ruhe und Ordnung im Staat," wo solche Zustände herschen? Freilich, mag das arme, unwissende und dem Schnaps sich ergebende Bolt sich auch zerfleischen, die Herren wissen doch, daß ein derart vom Denten abgekommenes Volf sich nie zum Bewußtsein seiner Rechte und seiner Menschenwürde erheben wird, und daß sie deshalb um so unge. störter herrschen und sich von der Ausbeutung des Volkes und vom Raube an demselben mästen können. Hand auf's Herz, Ihr Herren! Wo trefft Ihr unter wirklichen Sozialisten eine solche Bestialität und Unwissen­heit?! Und was haben erst die intelligenten Glieder dieser Ge­fängnißbevölkerung für Ansichten! Da hört man unverholen die Ansicht, jeder sei ein Dummkopf, der nicht seine Erfahrung und Intelligenz zum Schwindel, Betrug und Uebervortheilung seines Nächsten benütze; die Großen machen es ja auch so! Auch der Mord sei schließlich nicht schlimmer als die Kriege der Fürsten  ! Und was kann dieser Argu­mentirung anderes entgegengehalten werden als unsere Grundsätze. Ziehen diese verkommenen Subjekte nicht nur die Konsequenzen der ihnen von der herrschenden Klasse gegebenen Beispiele? Die Männer aber, die solche Auswüchse und deren Ursachen beseitigen wollen, verfolgt ihr und behandelt sie gleich Verbtechern! Ihr seid klug und weise!

Und dann tritt noch irgend ein bornirter Handlanger Eurer Justiz auf und behauptet, wie der biedere Wachtmeister von Dornbirn   in seinem Rapport über Bluch, die Sozialisten seien eine Brut", wäh rend er in demselben Aktenstück die Tüchtigkeit und Solidität des Bluch anerkennen mußte. Wo steckt da die Logik, Herr Wachtmeister? Dem Bluch wurde auch vorgehalten, daß er verschiedenen Arbeitervereinen in Oesterreich   angehört habe. Was diese Vereine für Zwecke verfolgen, sei ja zur Genüge bekannt." Bluch hat es aber gerade diesen Vereinen zu verdanken, daß er überhaupt lesen und schreiben lernte, wie auch Schreiber dieses während seiner Wanderjahre in Oesterreich   die Erfahrung machte, daß viele der Söhne Auftria's erst in diesen Vereinen sich die elemen­tarsten Bildung aneignen mußten. Wie schlimm es in Desterreich steht in diesem Fach, beweist auch der Umstand, daß über die Hälfte der Ge fangenen in Feldkirch   weder lesen noch schreiben konnten! Weil nun die Arbeitervereine nachzuholen streben, was der Staat versäumt, deshalb sollen sie staatsgefährlich sein! Seid doch offen, Ihr Herren, und erklärt einfach, daß Bildung und Aufklärung Euch nicht passen. Das dürfte der Wahrheit wohl eher entsprechen!

Das Beste aber kommt noch. Bluch hatte die besten Zeugnisse, seine Ausweisschriften waren in Ordnung, er war mit Geld versehen und hatte mit seinem früheren Arbeitgeber eine nicht unerhebliche Rechnung betreffs Arbeitsleistung noch auszugleichen. Trozzalledem wollte man ihn ohne Weiteres in seine Heimath nach Kärnthen abschieben, während ein gleichzeitig mit ihm entlassener Dieb und Raufbold ohne Umstände seiner Wege gehen durfte. Auf Bluch's Bemerkung, woraufhin man ihn denn abschieben könne, mußte er die Aeußerung hören: Ja, diese Rothen find gerade die Gefährlichsten! Auf seinen Proteft nahm man Umgang von dem Schub, nicht aber ohne ihn mit einer gebundenen Marschroute zu versehen, unter dem Vermerk, daß er in 14 Tagen in seiner Heimath sein müiffe und an der Grenze in Vorarlberg   nicht mehr arbeiten ditrfe. Wer lacht da nicht? Ist es mit dem Bestand der österreichischen Mon­archie wirklich so schlecht bestellt, daß ein an der Grenze sich aufhaltender armer Arbeiter ihren Bestand gefährdet? Uns kann's recht sein!

Aber die Sache hat auch ihre ernste Seite. Bluch ist Sticker und tann in seiner Branche nur in Vorarlberg   oder der benachbarten Schweiz  Arbeit finden, wo dieser Industriezweig zu Hause ist. Er ist also von den Behörden seines Vaterlandes direkt in seinem ehrlichen Fortkommen geschädigt!

Für solch niederträchtige Handlungsweise fehlen uns die Worte zur genügenden Charakterifirung. Uns beherrscht dabei nur ein Gefühl, das des tiefften Efels. di

Zum Schluß noch Einiges über die Zustände im Gefängniß zu Feld­firch. In engen, dumpfen Zellen, deren Raum für eine Person berechnet ist, werden zwei, drei und oft noch mehr Personen untergebracht. Ju der Belle befindet sich weder Bank noch Tisch, oder was dem ähnlich Strafgefangene fommen im Sommer wöchentlich eine