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schüttet Eberhard aber zeigte, daß er ein Mann von Ehre sei. Edel und großmüthig zahlte er 500 Thaler als Beweis, wie hoch er seine Schwitre taxire, und daß er Tugend, Sitte und Moral für unschät bare Güter halte!
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Damit war dieser Fall" für ihn erledigt." Nun zu einem andern Fall":
Der Hauptwache gegenüber wohnte der Gastwirth Wettengel, und bald hatte der kühne Eberhard entdeckt, daß dieser ein blühendes, erst 15 Sommer zählendes Töchterlein besaß. Der Eroberungsplan war bald entworfen der Herr Lieutenant ließ sich vom benannten Wirth das Frühstück zur Wache schicken, und zwar mußte die schöne Bertha Wettengel selber das Frühstück dem Eberhard serviren. Es dauerte auch nicht lange, und der kühne Eberhard hatte dem jungen Mädchen eine feurige Liebeserklärung gemacht. Daß es ihm sehr leicht fiel, ein unerfahrenes Mädchen zu entflammen, ist erklärlich; aus Schüchternheit verschwieg dieses den Eltern den Vorfall und trug nach wie vor das Frühstück zur Wache. Eberhard setzte natürlich die Liebeswerbung ungestüm fort; als aber das Mädchen doch standhaft blieb, warf er sich eines schönen Tages ihr zu Füßen und erklärte es für sein Unglück, wenn sie ihn nicht erhöre. Auf den Einwand, sie sei, ja nur eine gewöhnliche Bürgerstochter", rief der Herr Eberhard liebeglühend aus:„ Ich werde Sie nie verlassen, darauf gebe ich Ihnen das Höchste, was ich befize, mein Ehrenwort als Offizier! Bertha, wissen Sie nicht, was das Ehrenwort eines Offiziers zu bedeuten hat?" Als die Frage mit einem naiven Nein! beantwortet wurde, rief Eberhard emphatisch aus:„ Ich würde von meinen Kameraden in die Acht erklärt werden, wenn ich dieses in dieser heiligen Stunde gegebene Ehrenwort als Offizier nicht einlösen würde."( Wörtlich.)
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Kurz: Bertha Wettengel wurde gleichfalls ein Opfer der Verführungskniffe des schuftigen Eberhard v. Krosigk; ehe ein Jahr verging, schenkte fie einem Mädchen das Leben. Und nun zeigte es sich, was das Ehrenwort eines Offiziers zu bedeuten hat. Umsonst wurde an das Ehrenwort des Eberhard von Krosigk appellirt, er verduftete mitsammt demselben nach Münster . Der Vater der Verführten begab sich dorthin und forderte Eberhard auf, als Ehrenmann sein Wort zu halten. Eberhard aber zeigte sich wiederum standhaft als Kavalier und erklärte, hierauf nicht einzugehen. Nicht einmal seinen Namen dürfe das Kind führen; auch sollte ihm keine standesgemäße Erziehung zu Theil werden. Und wenn Sie, Herr Wettengel, darauf bestehen," rief Eberhard drohend aus, und es soweit treiben, gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, dann werde ich mit Ihnen ein anderes Wort reden!"
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Glaubte dieser Schuft etwa, das Mädchen einer feilen Dirne gleich stellen zu dürfen, sich sagend, Du hast sie mit Geschenken bedacht, nun kannst Du, wenn alle Stränge reißen, es ristiren? Oder verließ er sich auf das:„ Es gibt noch Richter in Preußen? Wir wissen es nicht; genug, der Vater ging unverrichteter Sache wieder ab, das Mädchen bleibt seinem Schmerze überlassen, und Eberhard stolzirt mit seiner sauberen Offizier sehre in Münster herum und hat sich jetzt mit einem Fräulein von Löpel, einer Dame seines Geblütes", Tochter des einstmaligen Kommandeurs des 16. Ulanenregiments, verlobt. Ob Fräulein v. Löpel wohl stolz ist auf die Ehre ihres Zukünftigen? Ob sie wohl dieselbe Meinung von Ehre, Sitte u. dgl. hat?
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Co der Einsender. Was seine letzte Frage anbetrifft, so haben wir als Antwort nur die Gegenfrage: Warum nicht? In den blaublütigen Kreisen, deren Sitten das geadelte und nichtgeadelte, das beschnittene und unbeschnittene Geldproßenthum sflavisch nachzuäffen sich bemüht, nimmt man an solch' galanten" Abenteuern keinen Anstoß. Man heirathet ja doch nicht aus Liebe, sondern um eine standesgemäße Partie zu machen und die edle Rasse fortzupflanzen. Im Uebrigen wahrt man die„ Dehors", den äußeren Schein, und kümmert sich nicht viel um einander. Namentlich dem Herrn Gemahl ist Alles erlaubt, vor und nach der Trauung. Das wird den Mädchen„ vom Stande" von Jugend auf eingeprägt.
Aber die Offiziersehre, das gebrochene Ehrenwort?
Gewiß, die Offizier sehre, das ist auch so ein Erzhumbug! Ja, wenn der Bursche Eberhard sich geweigert hätte, mit irgend einem fatisfaktionsfähigen Raufbold ein Duell einzugehen, das wäre etwas Anderes gewesen, aber so einer ,, bürgerlichen Gans gegenüber", da kann ja im Ernst von Ehrenwort nicht die Rede sein. O, es ist ein ganz eigenthümliches Ding, diese Offiziersehre. Da hüten sie ihr Corps nach Unten hin mit rührender Sorgfalt vor jedem„ unwürdigen Eindringling", da wird bei jedem bürgerlichen Aspiranten auf's Peinlichste untersucht, ob auf der Familie auch nur der leiseste Matel hafte, nie aber hört man, daß ein Mitglied eines Offiziertorps gegen die skandalöse Aufführung eines hochstehenden„ Kameraden" Protest eingelegt hätte, und wäre dieselbe auch so weltbekannt, wie die des Generallieutenants Prinz Karl von Preußen . Nicht Einem Mitglied des Offizierkorps, dem dieser Wüstling angehörte, hat sein Ehrgefühl" vorgeschrieben, aus einer solchen Gemeinschaft auszutreten, da er den, der sie entehrte, nicht entfernen konnte. Bornirtes Vorurtheil auf der einen und äußerer Schliff auf der anderen Seite das allein find die Grundlagen dieser patentirten Ehre, die keine Schurkerei verhindert, keiner Brutalität vorbeugt, die den Splitter bemerkt, den Balken aber vornehm ignorirt.
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Sage man uns nicht, wir schütten das Kind mit dem Bade aus. Wir wollen den Beweis für unsere Behauptung liefern. Von dieser Nummer werden dem Offizierkorps des westfälischen Kütrassierregiments, welchem Eberhard von Krosigk angehört, mehrere Exemplare zugestellt werden; und sobald wir erfahren, daß der wortbrüchige Schurke aus demselben mit Schimpf und Schande ausgestoßen worden ist, wollen wir offen betennen, daß wir uns geirrt, daß man auch in jenen Kreisen Verständniß besitzt für Das, was der„ Pöbel", das„ gemeine Volt", unter Ehre und Pflicht versteht."
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„ Aus dem Lande der Gistra und Prazats. Vom 4. bis zum 23. Dezember v. J. war das Prager Landesgericht wiederum der Schauplatz einer jener jetzt so häufigen Gerichtskomödien, welche eigentlich eine Schande für unsere Zeit sind, deren Vorhandensein aber deutlich beweist, wie herrlich weit wir es schon in der Kultur gebracht haben. Seit die Anschauung des verstorbenen Trinkgelderministers Dr. Gistra:„ Die Sozialdemokratie ist staatsgefährlich" von unserer allezeit verdammenswerthen Justiz zum Grundsatz erhoben worden ist, entwickeln unsere Themispriester dieselbe unheimliche Rührigkeit in der Verfolgung der Sozialdemokraten, wie im Mittelalter ihre hochnothpeinlichen Kollegen gegen die Ketzer, die Zauberer und Heren entfaltet haben.
Man kann uns zwar nicht mehr foltern, rädern, rösten und verbrennen, denn die göttliche Themis steht den fanatischen in ,, Nächstenliebe" machenden Braffen nicht mehr wie früher zu Gebote, dagegen ist sie bei uns in Defterreich, wie in allen anderen Staaten, in Dienst der Regierungen und der herrschenden Klassen getreten und muß nun in allen Landen Schwert und Wage eifrigst handhaben gegen die bösen Sozialisten Anarchisten, Nihilisten und noch einigen anderen isten, gleichwie ein altes Fischweib mit Wage und Meffer hantiert, d. h. unsere hohen und niedern Justizlakeien lassen sich für Geld, Beförderungen im Range und andere sonstige besondere Auszeichnungen herbei, die scheußlichsten Gewaltthaten gegen die persönliche Freiheit und Sicherheit der Staatsbürger und die verfassungsmäßigen Rechte derselben, als da sind: Meinungs, Wissens und Preßfreiheit, Vereins- und Versammlungsrechte, Koalitionsfreiheit und dergl., zu verüben.
In dem Monftreprozeß gegen 50 Sozialisten des nordwestlichen Böhmen , deffen Hauptverhandlung vom 4.- 23. Dezember v. J. dauerte und wie gewöhnlich mit der Verurtheilung der meisten Angeklagten endete, lantete die Anklage bei Allen bekanntlich auf das Vergehen der Geheimbündelei, Verbreitung verbotener Druckschriften aufreizenden Inhalts 2c. Um, des lieben Publikums wegen, der Geschichte einen gehörigen Aufputz zu geben, waren überdies Wenzel Weiz wegen des Verbrechens der versuchten Verleitung zur öffentlichen Gewaltthätigkeit und Genoffe Teuchert wegen versuchter Majestätsbeleidigung, begangen durch Verbreitung der Nr. 19 des„ Sozialdemokrat", und durch die versuchte Verbreitung einer selbstverfaßten Gedichtsammlung:„ An das von fürstlich- päpstlichen Schergen geknechtete Volk" angeklagt.
Es würde hier zu viel Raum beanspruchen, eine detailirte Schilderung dieser denkwürdigen Verhandlung zu geben; ich beschränke mich daher nur auf einige allgemeine Bemerkungen.
Die Anregung zu diesem modernen politischen Autodafé, wie alles Gute, kam von oben. Das Material zum Scheiterhaufen lieferte unsere wohlbezahlte und daher übereifrige Polizei mit ihrer berühmten Gewissenhaftigkeit, und das Brimborium mit Kruzifix und goldenen Kragen machte ein speziell zu diesem Zweck für ganz Böhmen ( glückliches Böhmen ) delegirter viergliedriger Gerichtshof oder, wie der Staatsanwalt das Ding immer bedeutsam nannte: ein geprüfter Erkenntnißsenat", welcher aus den Landgerichtsräthen Swoboda( Präses), Bartl, Dr. Tischer bestand; als öffentlicher Ankläger fungirte der bekannte Sozialistenvertilger Staatsanwaltsubstitut Schneider Swoboda. Die Voruntersuchung hatte der alte Sünder Landgerichtsrath Rostotschil geführt, mit welchen sich die Sozialrevolutionäre den schlechten Witz gemacht haben sollen, ihm in einem Drohbrief fein Todesurtheil zu übersenden.
Um die Sache in den Augen der Philister recht gruslich zu machen und sich selber das viele„ Erröthenmüssen" vor dem Publikum zu ersparen, beschloß der hohe Gerichtshof die Geheimhaltung der Verhandlung und schützte wie gewöhnlich Gründe der öffentlichen Ruhe und Ordnung vor.
Die Vertheidigung hatten Herr Dr. Sigismund Wolf Eppinger und Dr. Heinrich Glaser aus Wien für die deutschen Angeklagten, Herr Dr. Adolf Stransky aus Brünn für die czechischen, übernommen. Gleich Eingangs der Verhandlung beftritt Dr. Wolf- Eppinger die Kompetenz des Gerichtshofes im Falle Teuchert( Majestätsbeleidigung durch Verbreitung des„ Sozialdemokrat"), weil dieses Delikt nach Art. 2, lit A. Einführungsgesetz der Str. Proz Ordnung vor die Geschworenen gehöre. Der Staatsanwalt zog daher auch nach kurzer Auseinandersetzung diesen Theil seiner Anklage zurück; im Uebrigen gab er fich redlich Mühe, seine Anklage juristisch zu begründen, was ihm jedoch schlecht gelang; obwohl man sich die meisten Belastungszeugen geradezu präparirt hatte und beispielsweise nicht schämte, einen gemeinen zur Zeit in Strafhaft befindlichen Dieb als Zeugen vorzuführen, der mit Genosse Heller in einer Inquisitionszelle gesessen, sich mit ihm entzweit und ihn seinerzeit denunzirt hatte; wie man überhaupt behufs Aushorchung der Sozialisten auf die Mitgefangenen derselben einen lebhaften Druck ausübte. Die übrigen Zeugen, unter denen sich neun Gensdarmen, zwei Bezirkshauptleute, ein Polizeikommiffär und etwa ein Dutzend Zivilpersonen befanden, brachten durchweg, Dank der vortrefflichen Bertheidigung, mehr den Staatsanwalt als die Angeklagten in Verlegenheit. Daffelbe Malheur hatte der Staatsanwalt mit den Polizeinoten, gens, darmlichen Relationen und sonstigen Personalzeugnissen.
Die Polizeinoten erwiesen sich als notorisch falsch, indem sie z. B. Personen als äußerst verdächtig bezeichneten, und welche man dieserhalb in Untersuchung ziehen wollte, die schon Jahre lang im Grabe schlummern oder in Amerika weilen. Ferner bezichtigten sie einen Genossen, am 6. Mai vorigen Jahres einer geheimen Zusammenkunft in Prag beigewohnt zu haben, welcher damals schon seit Wochen im Kreisgerichtsgefängnisse zu Leitmerit inhaftirt war u. s. w. Die Noten der Behörden und Gensdarmen, welche sich auf dem Papier so schrecklich ausnahmen, wurden durch die mündlichen Aussagen ihrer Verfasser ganz bedeutend reduzirt und abgeschwächt. Einem Bürgermeister war das Sittenzeugniß eines Angeklagten, aufgesetzt von Seiten der Bezirksbehörde, zur Unterschrift vorgelegt worden; er unterschrieb das seinen Ortsangehörigen belaftende Zeugniß, ohne es gelesen zu haben. Nach Vorhalt desselben wunderte er sich, daß er so etwas habe unterschreiben können, und stellte dem Angeklagten ein besseres aus, auf Grund dessen dieser freigesprochen wurde, nachdem er zwei Monate in Untersuchungshaft gewesen. Den Bürgermeister für seinen Leichtsinn zur Verantwortung zu ziehen, fiel natürlich Niemand ein. Auch die auf„ vertraulichem Wege" den Behörden zugegangenen verläßlichen Mittheilungen jener dunklen Ehrenmännner, die man sonst Spitzel, Denunzianten 2c. nennt, erwiesen sich dort, wo ihre Verläßlichkeit eigentlich Probe halten sollte, als unwahr und unbestimmt.
Das bei mehr als 100 Haussuchungen saisirte Beweismaterial lieferte zwar den Beweis, daß der Sozialismus im nordwestlichen Böhmen eifrigst propagirt wird, aber nichts, womit sich die Existenz eines Geheimbundes erweisen ließ; denn die Adressen und Listen bezogen sich auf Krankenkassenwesen, Unterstügung, Kolportage u. s. w.
Keiner der 50 Angeklagten machte bei der Verhandlung eine Aussage, mit welcher er eine Theilnahme an einem Geheimbunde, oder die Existenz eines solchen zugestanden hätte, was doch viel heißen will.
Also Pech und nichts als Pech auf Seite des Staatsanwaltes! Um nichts und wieder nichts hatte man verschiedene von den streikenden Bergleuten in Ketten von Dur und Umgebung nach Prag geschafft, wie wilde Thiere zusammengefeffelt. Familienväter, Ernährer von 4 und 5 Kindern über ein halbes Jahr in Untersuchungshaft behalten, ihr Geschäft, ihre Familien gründlich ruinirt und so eine Summe von Elend geschaffen. Die Dynamitpatronen, die alten Pistolen, die Chiffrirtafeln, die geheimen Exekutivkomites, die unsichtbaren Tinten und dergl. das Alles war umsonst in die Anklage verflochten worden. Nirgends die Spur von einer Verschwörung oder einem Geheimbunde, desto mehr Beweise aber von einer rührigen Propaganda der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, welche stets und immer die größmögliche Deffentlichkeit
suchte und ihrer Natur nach suchen muß, welcher aber stets und immer seitens der f. t. Behörden durch reaktionäre Auslegung des Vereinsund Versammlungsgesetzes, sowie der Preßgesetze und des Koalitionsgesetzes, das Oeffentlichkeitsrecht systematisch entzogen wird.
Aber weswegen die Sozialdemokraten verbrannt werden müssen, das ist ja gerade dieses eifrige Agitiren für ihr Programm, dieses Agitiren verursacht ja dem reaktionären Geiichter die Kopfschmerzen; deswegen wurden auch auf höheren Befehl"*) die meisten der Angeklagten verurtheilt, trotzdem die Herren Bertheidiger die Unstichhaltigkeit der Auflage auf das Schlagendste bewiesen hatten.
Während der Verhandlung weigerten sich einige Angeklagte, Entlastungszeugen anzuführen, weil der Staatsanwalt Anfangs etliche derselben sofort als sozialistischer Umtriebe verdächtig notirt hatte. Die Angeklagten verzichteten also Angesichts solcher Jnfamie auf ihr Recht, weil sie die Betreffenden nicht den Unannehmlichkeiten einer Hausdurchsuchung oder gar der Jnhaftirung aussehen wollten.
Wenn im Verlaufe der Verhandlung von dieser oder jener Seite auch nur andeutungsweise im Entferntesten die Unparteilichkeit oder die Gewissenhaftigkeit des hohen Gerichtshofes in Frage gestellt wurde, dann fuhren diese sauberen Richter, höchstwahrscheinlich von ihren Gewissen gefoltert, in die Höhe, wurden zinnoberroth vor Wuth und verwahrten sich auf's Eifrigfte vor solchen Anzüglichkeiten.
O, Ihr armen Richter!
Die Untersuchung dauerte, bei dem absichtlichen Schneckengange des Prozesses, bei den meisten Inhaftirten 5-6 Monate und darüber. Während
*) Wos muß, dos muß meh, dos is Buseht!"
derselben wurden ihnen die eigenen Bücher unter einem nichtigen Vorwande auf Befehl des Präsidenten abgenommen; man ließ sie also quafi geistig hungern. Aus dem Benehmen eines Menschen gegen die seiner Obhut anvertrauten Personen, namentlich wenn fie, wie in diesem Falle, unglücklich und ohnmächtig sind, kann man erkennen, ob er ein fittlich gebildeter Charakter, ein Kulturmensch, oder ob er eben ein Barbar ist. Ist schon das Aeußere des Herrn Landgerichtspräsidenten von Jantowsky ein wenig vertrauenerweckendes, so war dennoch Jeder, der fich genöthigt sah, ihm irgend eine Beschwerde vorzubringen, geradezu erstaunt über die zynische Rohheit und büffelmäßige Grobheit dieses Batrons; und es gab oft heftige Auftritte seitens unserer Genossen mit diesem Bullenbeißer von einem Menschen, wobei ihm die Meinung immer gut und derb gesagt wurde, was bei seinem Hochmuthe recht beschämend für ihn sein mußte.
Ich will indeß nichts weiter darüber sagen, denn kommt es höheren Orts zur Kenntniß, so kriegt er vielleicht gar noch einen Orden, was ich gern verhüten möchte; deshalb breite ich den Mantel sozialdemokratischer Nächstenliebe über seine anderen Miffethaten. Aber der arme Mann muß vielleicht auch nur im höheren Auftrage so brutal handeln; er soll früher nicht so gewesen sein.
Sollte da nicht vielleicht unser Justizminister, ein Herr von Pra zat, der unter den österreichischen Justizlakeien ungefähr denselben Rang einnimmt wie der Stallmeister im Zirkus, bei seinem letzten Besuche in Prag seinen gewichtigen Einfluß geltend gemacht haben? Dem Vernehmen nach wenigstens soll diese edle Bedientenseele der Reaktion verordnet haben, daß die verurtheilten Sozialisten nicht als politische Verbrecher behandelt werden sollen. Kommentar überflüssig.
Wenn man die höheren Kategorien der österreichischen Beamtenwelt betrachtet, so wundert man sich über die vielen„ Excellenzen", die vielen ,, bon " und die vielen Orden. Wie sind diese Leute zu ihrem Adel getommen? Wofür bekommen sie ihre Orden? Je nun, die Meisten erhielten all' dies für Dienstleistungen, die einer Schurkerei so ähnlich sehen wie ein Ei dem andern. Es würde mich wundern, wenn infolge solcher Monftreprozesse nicht wieder einige neugebackene Edelleute geschaffen würden; oder sollen unsere Prager „ Unabhängigen" so genitgsam sein, dafür, daß sie ungerechter Weise etliche dreißig Familien in's Unglück stürzten, sich mit einem Orden oder einer geringfügigen Dotation zufrieden zu geben?
Früher konnte ich nicht begreifen, warum der alte Adel so stolz auf eine große Reihe von Ahnen ist. Jezt geht mir allgemach ein Licht auf! Früher, in alten Zeiten, soll man nämlich zuweilen infolge muthiger und ritterlicher Großthaten geadelt worden sein.
Da man aber heute dagegen meist charakterlose, aber desto eitlere Schurken adelt, so sehen sich die alten Aristokraten genöthigt, mit peinlichster Hartnädigkeit auf ihren alten Stammbaum zu verweisen, damit man sie nicht so mir nichts, dir nichts mit ihrem neugebackenen Standesgenossen, dem P. T. Herrn Schuft von Schuftinsky, in einen Topf werfen möge.
Alles begreifen, heißt Alles verzeihen.
Jm Uebrigen sympathisirt in Folge dieses Prozesses die Bevölkerung mehr als je mit unseren Bestrebungen; Viele, die sich früher nicht um uns fümmerten, sind in Folge der vielen sensationellen Verhaftungen, Hausdurchsuchungen u. s. w. erst recht aufmerksam geworden, und gewinnen wir täglich aus diesen Reihen neue Anhänger. Derartige Verfolgungen tonnen nur den betroffenen Personen schaden, sie schrecken Niemand, und nützen der Bewegung, indem sie dieselbe nur noch mehr anfachen. Luzifer II.
Sozialpolitische Rundschau.
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Aus dem deutschen Reichstag. Aus Berlin , 15. Februar, wird uns geschrieben: Die Zahl 13 ist eine Unglückszahl. Das hat die sächsische Regierung am 13. ds. erfahren. Gelegentlich der Wahlprüfungen wurde sie auf die Anklagebant gesetzt, und die plumpe Vertheidigungsrede des traurigen Wechselprotest- Ackermann, der die Stelle des freiwilligen advocatus diaboli( Anwalt des Teufels) spielte, diente nur dazu, die Sache der Angeklagten so heillos zu verschlimmern, daß dieselbe vom Reichstag fast einstimmig der nichtswürdigsten Handlungen schuldig befunden und vor ganz Deutschland gebrandmarkt wurde.„ Die sächsischen Beamten haben es weit schlimmer getrieben als die preußischen Landräthe" ,, den sächsischen Behörden und der sächsischen Regierung muß tüchtig auf die Finger geklopft werden. ,, Das ist ja ein abscheulicher Unfug" ertönte es von fortschrittlicher, sezessionistischer und nationalliberaler Seite wir Sozialdemokraten sahen der Prozedur lachend zu und Niemand, Niemand, mit Ausnahme des in jeder Hinsicht bedenklichen Ackermann, hatte ein Wort für die angeklagte sächsische Regierung. Herr von Nostiz- Wallwitz, der Bundesraths Kommissar Better des gleichnamigen Ministers, der sich wohlweislich fern gehalten hatte saß wie auf einem glühenden Rost und rückte unruhig hin und her, verlegene, verzweifelte Blicke nach seinen„ Kollegen" an den Bundesrathstischen und seinen Freunden auf den Bänken der Rechten werfend ein Bild des Jammers. Er stammelte ein paar Entschuldigungen, und wollte u. A. die skandalösen Wahl Beeinflussungen durch die Beamten auf Konto der Wahlfreiheit" bringen, welche auch den Beamten nicht verkürzt werden dürfe allein durch seine albernen Entschuldigungen verschlechterte er nur noch seine Position. Und was ihn am ärgsten wurmen möchte, war die Gleichgültigkeit seiner Kollegen und Freunde, die ihn nicht ohne sichtbare Spuren der Schadenfreundein der Patsche ließen. Den preußischen Herren Landräthen und deren Gönnern war es ein gefundenes Fressen, daß der sächsische Amts- und Kreishauptmann zum Sündenbock gemacht wurde, und die parlamentarischen Bornesblige von ihren Häuptern ablenkte.
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Ju einer Sitzung des Reichstage vier sächsische Wahlen wegen der traffeßten Unregelmäßigkeiten und Beamtenübergriffe beanstandet das ist unerhört! Und von der Wahlprüfungskommission find schon zwei weitere sächsische Wahlen beanstandet, und werden zweifellos auch von dem Plenum beanstandet werden.( Bereits geschehen. Red.) Die Wahlprüfungskommission hat diesmal sehr gut gearbeitet, und die Berichte, welche sie veröffentlicht hat, lassen an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Mit besonderem Eifer trat für die Beanstandung der Leuschner'schen Wahl( Glauchau Meerane) Herr Wölfel ein. Das muß hier anerkannt werden, da oder obgleich Wölfel bei den Lesern des " Sozialdemokrat" wegen der bekannten Affäre mit Rödiger( nach dem Nobiling- Attentat) in schlechtem Andenken steht. Uebrigens das sei hier erwähnt behauptet Herr Wölfel auf das Entschiedenste, daß er
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an jener Affaire vollkommen unschuldig sei, und keinerlei Vorwurf verdiene. Weit entfernt, zur Mißhandlung Rödiger's provozirt zu haben, sei er nach Kräften bemüht gewesen, denselben gegen gewisse rohe Patrone zu schützen. Ich bin natürlich nicht imStand, Hrn. Wölfel ins Herz zu sehen, und auch mit den Einzelheiten jenes Vorganges nicht genügend vertraut, um die Behauptungen des Herrn Wölfel einer thatsächlichen Kritik zu unterziehen allein auch den Fall gesezt, Herr Wölfel schildere die Vorgänge mehr seinen heutigen als seinen damaligen Auffaffungen gemäß, so ist man ihm doch die Gerechtigkeit schuldig, von seiner jeßigen Darlegung des Sachverhalts Att zu nehmen. Herr Wölfel gehört zu den„ Bekehrten", die, gleich Lasker und Braun, über ihre Haltung im Jahr 1878, speziell ihre Geburtshelferdienste beim Sozialistengesetz, Neue und Zerknirschung ausdrücken. Immerhin ein nicht unerfreuliches Zeichen der Zeit. Durch Reue und Zertnirschung schüttelt man zwar nicht die Verantwortlichkeit