für begangene Sünden und Verbrechen ab, erwirbt sich aber mitunter Anspruch auf mildernde Umstände."

Von unserer Seite wurde durch Hasenclever auf den Doppel­Uebelstand aufmerksam gemacht, daß die Wahlprüfungskommission, trot angeftrengtester Arbeit der Mitglieder, in Folge von Ueberbürbung und mangelhafter Organisation mit ihren Prüfungen und Berichten zu lang­sam von der Stelle tam, und daß die, bei Beanstandungen von Wahlen angeordneten Untersuchungen zu langsam geführt würden, so daß meistens der größte Theil der Session, wo nicht die ganze Session vorübergehe, ohne daß eine Ungiltigkeitserklärung ausgesprochen werden könne. Man gab allseitig die Mängel des jezigen Systems zu, und wir werden bei der ersten sich bietenden Gelegentheil auf den wichtigen Punkt zurüc

tommen.

Die dritte Lesung des Etats hat drei Tage gedauert. Jn der General­debatte sprach Geiser und polemifirte gegen die fortschrittliche Spar theorie und Praxis, welche das Große schont und das Kleine mit Ber­ferterwuth angreift. Außerdem zeigte er durch genaue Berechnungen, daß eine vernünftige Progressiv Einkommensteuer die von den Wirth­schafts- und Sozialreformern erstrebten indirekten Steuern und Mono­pole überflüssig machen, und die Befriedigung aller vernünftigen Staats­bedürfnisse ermöglichen würde.

Ein furioses Soldatenabenteuer, das Hasenclever gehabt, wurde von diesem dem Reichstag erzählt und gab Anlaß zu einiger Heiterkeit", so wenig heiter es im Grunde war. Jm stenographischen Bericht werden Sie das Nähere finden.

Die Fälle von Verlegung des Briefgeheimnisses, welche im Partei­organ gerügt worden sind, wurden von uns beim Postetat nicht zur Sprache gebracht, weil sie sich bei weitem vortheilhafter und wirksamer bei einer anderen Gelegenheit behandeln lassen, wo das herrschende Polizei und Spigelsystem in seiner Gesammtheit und im Zusammenhang mit dem Sozialistengesetz gegeißelt werden kann. Wird bloß die Post angegriffen, so bleibt Herrn Stephan in allen Fällen der Ausweg und die Ausrede, die Poft sei ganz unschuldig und die Polizei allein habe die Verantwortlichkeit. Dieser Ausweg muß verstopft, dieser Ausrede muß von vornherein vorgebeugt werden.

Mit Hilfe einer Abendsizung wurde die dritte Lesung des Etats heute beendigt. Natürlich stimmten die sozialdemokratischen Abgeordneten und nur sie gegen den Etat in seiner Gesammtheit.

-

Erst am 3. April wird der Reichstag   wieder zusammentreten und sofort die Berathung über die Gewerbeordnungsnovelle und des Kranken­taffen Pfuschgesetzes beginnen. Die für beide Gesetzesentwürfe erwählten Kommissionen haben ihre Arbeiten zu Ende geführt, und die Berichte werden in diesen Tagen veröffentlicht werden.

Die Nationalliberalen und andere parlamentarische Hasenfüße fabeln von einer drohenden Auflösung des Reichstags. Offenbar ist dieses Schreckgespenst die Ausgeburt der Angst vor der eigenen Oppositions­tühnheit, welche diesen Herren sicherlich gefährlicher erscheint als dem Fürsten Bismard.

-

-

Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, wohl aber die Kranten. So heißt es im Neuen Testament  , die christlichen Lenker des neuen preußisch deutschen Reichs aber denken umgekehrt: erst die Gesunden und dann die Kranken. Das zeigt sich wieder einmal ganz besonders deutlich in der Behandlung der Militärpensionsfrage. Gesunde, häftige Leute aus dem Offiziersstande werden massenhaft pen­fionirt, angeblich, um einen schneidigen" Offiziersstand zu erhalten, that­sächlich aber nur aus dem einzigen Grunde, damit sie dem Avancements­bedürfniß ihrer ,, Kameraden" nicht im Wege stehen, besonders denen vom Adel. Ein bürgerlicher Hauptmann, das läßt sich noch bei dem großen Bedürfniß nicht vermeiden, ein bürgerlicher Major aber, das ist ein sehr fatales Ding, weshalb von 100 bürgerlichen Hauptleuten 99 an der Majorsecke, umfallen" und auf Kosten des Staates, d. h. der Steuer­zahler, pensionirt werden. Aber auch adelige Offiziere müssen daran glauben, und so kommt es denn, daß schon heute unter der Wirkung des bestehenden Militärpensionsgesetzes die aktive Dienstzeit der Offiziere durchschnittlich 22 Jahre, der Pensionsstand durch­schnittlich 15 Jahre dauert. So erklärt es sich ferner, daß das deutsche   Volk ein penfionirtes Offizierkorps erhalten muß von

537 Generalen,

659 Obersten,

659 Oberfilieutenants,

1622 Majors,

1770 Hauptleuten und Rittmeistern,

1949 Lieutenants.

Dabei ist der nicht auf dem Juvalidenfonds stehende bayerische  Pensionsstand noch nicht mit eingerechnet. Die Pensionen für jene Offiziere betragen jährlich 23 Millionen Mart. Das ist eine Summe, größer als diejenige, welche die deutschen   Einzelstaaten an Zuschuß für die Unterhaltung der Volksschule und Boltsschullehrer

leisten.

-

Aber das genügt Wilhelm und seinen militärischen Rathgebern noch nicht. Und so haben sie denn eine Novelle zum Militärpensionsgesetz ein­gebracht, nach welcher die Pensionen der Offiziere natürlich auf steigend um zirka 25 Prozent er höht werden sollen. Das würde jährlich ungefähr 2-3 Millionen mehr betragen, als heute schon bezahlt wird, bezahlt wird an Lente  , die meist noch sehr arbeitsfähig find: denn das durchschnittliche Pensionsalter im Offiziersstande beträgt 39 Jahre. Haben die Premierlieutenants, Hauptleute a. D." Geld, so amilfiren fie fich als Staatsfaullenzer, haben sie keines, so melden sie sich zu allen, standesgemäßen" Beschäftigungen zu wahren Jammerpreisen, da fie ja ihre Penfion nebenbeibeziehen, d. h. machen den Zivilpersonen Schmutzkonkurrenz.

-

Der Unwille über diesen Unfug ist im Lande ziemlich allgemein, und so zeigte sich auch der Reichstag der Novelle gar nicht sehr günstig, trot dem die konservativen und klerikalen Junker über diese Schädigung der Wehr kraft*) Zeter schrieen. Aber Wilhelm läßt nicht so leicht locker, wenn es sich um sein jeliebtes Militär handelt. Der Reichstag   war in der Streichlaune hat er doch vom ganzen Etat, der mehr als 500 Mil­lionen beträgt, wirklich ca. 13 Millionen abgestrichen! da galt es also zunächst, Zeit zu gewinnen. Und wer erwiesen sich da wiederum als die allezeit gefügigen Diener? Die Ultramontanen, Windthorst voran. Es war eine herrliche Komödie, die da aufgeführt wurde, unter dem Motto: Der Kaiser wünscht es. Der Kaiser wünschte", daß der Ent­wurf ganz unverändert nach der Vorlage angenommen werde, und der Kaiser wünschte ferner, daß der Antrag, nach welchem auch die höheren Militärs, die pensionirten Offiziere zu den Kommunallaften herangezogen werden können, abgelehnt werde, und weil es der Kaiser wünschte, darum drohte der Kriegsminister mit Eutlassung, darnm ward hinter den Koulissen des Reichstags getuschelt und gezischelt, und weil es der Kaiser wünschte, darum beantragte Windthorst in der Sitzung vom 12. Februar Zurück gabe dieser im Prinzip bereits erledigten Gesetze an die Kommission und Verstärkung dieser um fieben Mitglieder, damit die neu hinzukommenden Vertreter des Zentrums und der Nationalliberalen den Ausschlag im Sinne des Kaisers geben können. Und Konservative, Zentrum und Nationalliberale ftimmten einmüthig für die Vertagung. So wird auch wenn die Osterferien vorüber, während deren der Apparat" arbeiten kann, der Schlußentscheid fallen, das Volk wird wieder neue Laften aufgehalst bekommen, den Kommunen wird die gewünschte Entlastung verweigert weil der Kaiser es wünscht. Und wieder ist es das Zentrum, find es die Streiter für Wahrheit, Freiheit und Recht, welche nach

werden

-

*) Man sieht, die patentirte Ehre hält in unserem materiellen Zeitalter gleichfalls sehr auf gute Bezahlung!

rechts einschwenken. In der That, Genosse Kayser hat den Nagel auf den Kopf getroffen, als er den Herren jüngst zurief: sie werden von Tag zu Tag nationalliberaler.

Die Herren Offiziere a. D. aber, und Diejenigen, welche es werden wollen, find schön heraus.

Dies die eine Seite der Frage, nun aber die Kehrseite der Me­daille. Von Berlin   geht uns der nachstehende Brief zur Veröffent­lichung im Parteiorgan zu:

,, Als sich nach dem Kriege von 1870-71 auf Schritt und Tritt die tiefen Wunden offenbarten, die derselbe auch dem fiegreichen Volke geschlagen, be­eilten sich die Mordspatrioten. durch Einbringen und Annahme des Reichs­invalidengesetzes und Gründung des Invalidenfonds zn beweisen, daß das Vaterland" nicht nur Opfer an Gut und Blut seitens der Ange­hörigen verlange, sondern daß es auch die in seinem Dienst empfangenen Wunden wieder heile, daß es für die Invaliden und die Hinterbliebenen der Gefallenen glänzend sorge und ihnen eine sichere und sorgenfreie Zu­tunft gewähre. Wenn sich auch schon manches Fragezeichen erhoben hat gegenüber dieser Behauptung von der gesicherten und sorgenfreien Zukunft der Jnvaliden, und Mancher mit seinen Ansprüchen auf Pension abge­wiesen wurde, der sein einziges Gut, seine Gesundheit und seine Arbeits­kraft vor Sedan   oder vor Paris   für immer verloren hat, weil er die Ursache seines Siechthums formell nicht genügend nachweisen konnte, so ist es doch geradezu unerhört und eine Schande für unsere Machthaber, daß Denjenigen, welche die größten Qualen ausgestanden haben, welche die schrecklichsten und entsetzlichsten Folgen aus dem Kriege heimbrachten, meist jegliche Unterstützung versagt wurde. Und wer kann wohl größere Leiden und Qualen ausgeftanden haben als die Aermsten, die von den selben so erschüttert wurden, daß sie darüber ihren Verstand verloren, die in Folge der schrecklichen Ereignisse, der Ueberanstrengungen und Entbehrungen des Krieges irrfinnig wurden? Nun, die meisten dieser Allerärmsten find thatsächlich von den Wohlthaten" des Reichsinvaliden­fonds ausgeschlossen!

Der Oberarzt an der Frrenanstalt Werneck   in Bayern  , Dr. Schwaab, führte auf der diesjährigen Versammlung der deutschen   Jrrenärzte in Eisenach   den Nachweis, daß zwei Drittel der geiftestranten Kriegsinva­liden ohne eigenes Verschulden deshalb teine Pension, resp. Unterstützung erhalten haben, weil sie entweder ihres Zustandes wegen nicht in der Lage waren, vor dem Ablauf des im Reichsinvalidengesetz auf den 20. Mai 1875 festgesetzten Präflufivtermins überhaupt Gesuche einzureichen, oder weil die schleichende Krankheit erst nach Ablauf dieses Termins zum vollen Ausbruch gekommen ist.

Nur in Württemberg ist in einzelnen Fällen geisteskranken Invaliden auch nachträglich die Pension gewährt worden, wenn der Nachweis ge­führt werden konnte, daß Geistesstörung zur Zeit des Präklusivtermins bereits ausgebrochen oder in der Entwicklung begriffen war. Daß auch dies bei dem traurigen Zustand der Betreffenden oft nicht möglich ist, liegt auf der Hand; daher auch hier nur in einzelnen Fällen das Ver­säumte nachgeholt wurde.

-

Für die Schmaroßer am kaiserlichen Hoflager, für die Bülow, Biechler, Monk, v. d. Golz, Albedyll, Verdy du Vernois  , Lehndorff, Radziwill, Lindequist, Wedell, Waldersee  , Brauchitsch  , Brösicke, Wilmowski 2c. 2c. für Diese wird gewiß auf's Beste gesorgt, und Denen werden die ungeheuerlichsten Liquidationen ohne allen Anstand honorirt. Daß sich aber für die armen irrfinnigen Invaliden bis jetzt auch nur eine dieser Säulen des Reiches oder der milde Wilhelm oder der milde Fritz selbst verwendet, davon hat man noch nie etwas gehört.

Die Gesammteinkünfte des preußischen Könighauses belaufen sich gegen­wärtig, abgesehen von dem Privatvermögen der einzelnen fürstlichen Per­sönlichkeiten blos auf 16,719,000 Mt. jährlich.

Möchte doch einer unserer Reichstagsabgeordneten bei den Budgetbe­rathungen sich dieser beklagenswerthen Opfer des Krieges annehmen, ihre traurige Lage zur Sprache bringen und darauf dringen, daß auch ihnen gesetzlich die Unterstützung gewährt werde, auf die sie und ihre Angehöri­gen thatsächlich doch vollen Anspruch haben."

Soweit der Brief, der trotz oder gerade wegen seiner einfachen Sprache feines Kommentars bedarf.

Für die gesunden Pensionäre, d. h. die Offiziere, wird gesorgt, die franken Invaliden aber läßt man verkommen.

Und das renommirt noch mit seinem praktischen Christenthum

"

Aus der guten Gesellschaft." Anfangs dieses Monats ,, beglückten Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen  " das belagerungszuständliche Leipzig   mit ihrem allerhöchsten Besuch" und statteten einen solchen auch dem Theater ab. Natürlich war dasselbe an dem betreffenden Abend von der Geburts- und Finanzaristokratie und der hohen Bureaukratie überfüllt, und glänzte Alles, insbesondere die ,, Damenwelt", in den reichsten Toiletten. Man hätte entsprechend einer solchen Versammlung gebildeter und geistreicher Elemente", der ,, Trême der Gesellschaft", auch eine geistig anregende Aufführung erwarten sollen, etwa ein klassisches Drama, ein feines Luftspiel oder eine unserer besseren Opern. Statt dessen ward, auf allerhöchsten Befehl", wie der Theaterzettel ausdrücklich ankündigte, eine geistlose Posse, Kyrit Pyriz", ein ganz erbärmliches Machwerk, vorgeführt, woran sich die hohe Versammlung erbaute und ergötte.

"

Kann die geistige Verkommenheit unserer höchsten und allerhöchsten Gesellschaft sich niederschmetternder charakterisiren?

In Berlin   besucht Se. Majestät der Heldengreis mit Vorliebe das Ballet, das sächsische Königspaar amüsirt sich auf einer Festreise an einer erbärmlichen Boffe!

Das entspricht genau dem Durchschnittsgrad von Bildung und Moral, den unsere herrschenden Klassen befißen. Das Dresdner   Hoftheater hat die Gepflogenheit, an einem bestimmten Tage jeder Woche ein klassisches Drama( Tragödie oder Schauspiel) zu geben, aber diese Vorstellungen, von einem gut geschulten und ausgebildeten Personal aufgeführt, find von Seiten des Hofes, der Aristokratie und Bourgeoisie meist äußerst schwach besucht, nur die oberen Galerien, wo der Plebs sitzt, find dicht besetzt. Ganz natürlich. Das Volk allein hat Jdeale, Sinn für edle, ge­haltvolle Sprache und Gefühle, höhere Gerechtigkeit, diese Grundzüge der Handlung, die das Drama zur Darstellung bringt. Wie können die herr­schenden Klaffen sich für Eigenschaften begeistern, die ihre Herrschafts­stellung ausschließen, untergraben?

Wie nach dem berüchtigten Worte von Dr. Dubois- Reymond die Uni­versitäten die Stätten find, wo die geistige Leibgarde der Hohenzollern  herangebildet wird, so sollen die Theater die Stätten sein, wo die Kor­ruption der Bourgeoisie und der herrschenden Klaffen überhaupt dem Bolte eingeimpft wird. Daß man ab und zu der Klassizität ein wenig Rechnung trägt, ist nur Brimborium, Zuthat, die man anwendet, um die wahre Absicht zu bemänteln.

Aber es naht die Zeit, wo das Volt, wie einst Christus die Händler wirft, die Kirchen schließt und sich neue, lebensfreudige Bildungsstätten und Schacherer aus dem Tempel, die Korruption aus den Theatern

öffnet.

-

Die Frankfurter Zeitung  ", schreibt uns ein Genoffe, mannschaft der Menschen schon an deren Aeußerem, und zwar stellt sie hat einen merkwürdigen Scharfblic. Sie entdeckt die Lands­kratische Erfolge zu verkleinern. Waren da in Köln   zwei Arbeiterversamm­solche Forschungen an, um im Interesse der klerikalen Partei sozialdemo lungen, in welchen der katholische Gesellenverein unter Führerschaft kleri­taler Abgeordneten mit den Sozialdemokraten focht, und in welchen den Klerikalen eklatante Niederlagen bereitet wurden was thut nun die " Frankfurter Zeitung  "? Sie tann natürlich den Erfolg der Sozialdemo traten nicht ableugnen, deshalb macht sie die Versammlungsbesucher zu Ausländern", indem sie behauptet, daß die Mehrheit jener Bersamm­

"

-

lungen aus Sachsen und Schwaben" bestanden habe. Ganz nach be­rühmten nationalliberalen Mustern, die früher die unreifen jungen Burschen" aufmarschiren ließen, läßt jetzt das Organ Sonnemann's die Sachsen   und Schwaben" aufmarschiren. Da Sachsen   und Schwaben überwiegend protestantisch find, so sollte durch die Frankfurter Zeitung  " Stimmung dafür gemacht werden, daß die Sozialdemokraten unter den katholischen Arbeitern keinen Erfolg erzielen können. Die Wahrheit sollte so in ihr Gegentheil verkehrt werden. Hinzu kommt noch, daß jener Berichterstatter wahrscheinlich gar nicht in jenen Versammlungen war, son­dern einfach eine Photographie nach der ultramontanen Köln  . Volks­zeitung" geliefert hat.

Es ist überhaupt ein merkwürdiges Ding mit der Berichterstattung der Frankfurter Zeitung  " und mit dem Demokraten  " Sonnemann. Dieser Demokrat" ist ganz Fortschrittsmann geworden und zaubert auf sein Gesicht das füßlichste Lächeln, wenn ihn der Fortschrittsdiktator Richter einiger Worte würdigt. Spricht einmal Herr Sonnemann, so wird, auch wenn im Reichstag kein Mensch Bantierweisheit hören will, seine Rede in den Zeitungen Wort für Wort mitgetheilt, weil die Bericht­erstatter erhoffen, schließlich auch einmal an Sonnemann's Frankfurter Zeitung  " ein paar Mark verdienen zu können. So ist die Rede Sonnes mann's über die Cimbria"-Affäre zu einem großen Erfolge aufgebauscht worden. Die Sache lag aber so, daß Eugen Richter  , der erkannt hatte, daß die ganze Jnterpellation verfehlt war, zurücktrat und Sonne­mann vortreten ließ, der sich glücklich fühlte, im Namen der vereinigten Fortschrittspartei und Demokratie", recte Börsendemokratie, zu reden. Und schön" war diese Rede. Nach der Frks. 3tg." soll Herr Sonnemann das in den Zeitungen vorhandene Material brillant beherrscht haben, im Reichstag   aber wurde be­hauptet, daß er sogar die Zeitungsausschnitte, welche die " Frankf. 3tg." nicht brauchen konnte, zu seiner Rede verwendet habe. Man denke, welcher Hochgenuß!

-

"

Preußisches aus Sachsen  . Vorigen Donnerstag mußte Genosse Preißer sich im Bezirksgefängniß Grimma   stellen, um die ihm auf Kommando des sauberen Reichsgerichts nachträglich zudiktirten zwei Monate für das bekannte Auer'sche Flugblatt zu ,, verbüßen." Er hatte an die zustehenden Behörden das Gesuch gerichtet, die Strafe in Leipzig  abfißen zu dürfen, weil er dort Verwandte und Freunde hat, die ihn mit Bettzeug, Wäsche, Büchern u. s. w. versehen könnten. Das Gesuch wurde jedoch abgeschlagen, wodurch der Justiz und den Behörden absolut kein Vortheil, dem Genossen Preißer aber bedeutender Nachtheil er­wächst. Es gehört das zur fächsischen Gemüthlichkeit", die neuerdings zu so hoher Berühmtheit gelangt ist und zu noch höherer gelangen wird. Genosse Bebel wird am 9. März sein Strafpenfum absolvirt haben.

-

-

-

Aus Diesden, den 16. Februar, schreibt man uns: Unsere gemüthliche" Regierung hat Bech vor 14 Tagen mit dem Lumpazius Schmidt, vor drei Tagen die Plamage mit den beanstandeten Wahlen. Herr v. Nostiz- Wallwitz hat es glücklich soweit gebracht, daß Sachsen  wieder einmal, wie zur Blüthezeit des Herrn Beust, der verrufenste Staat Deutschlands   ist. Für die Justizfarce mit Schmidt ist es übrigens bezeichnend, daß hier Niemand glaubt, der biedere Schmidt werde seine Strafe bis zu Ende absitzen, sondern vielmehr alle Welt der Ansicht ist, der Edle werde gelegentlich, unter anderem Namen und mit gefüllter Tasche, drüben in den Vereinigten Staaten auftauchen. Es ist dies sehr wahrscheinlich und man wird wohl thun, den amerikanischen  Genoffen eine Photographie und den Steckbrief des königlich sächsischen Polizei- Vertrauensmannes, Spitzels, Spitzbuben und Betrügers Schmidt zu übermitteln.

9

Unser Paul, der Freund des Schmidt, befindet sich in einem Zu­ftand hochgradiger Aufregung. Jedesmal, wenn er einem Parteigenossen begegnet, wird er feuerroth und grüßt entweder verlegen oder blickt anderswohin. Wird er im Amte bleiben? fragen optimistische Lente. Warum nicht? Wird Herr v. Nostiz Wallwitz im Amt bleiben? Das wäre die richtige Frage. Herr Nostiz- Wallwitz ist der Hauptschuldige - und Herr Nostiz Wallwitz denkt nicht daran, zurückzutreten. Sache unserer Landtagsabgeordneten ist es, ihm in der nächsten Kammerfession den Standpunkt klar zu machen und den Spiegel seiner Noblesse und Kavalierstugend vorzuhalten.

-

-

Was ist ritterlich? In der Reichstagssigung vom 14. Februar zeigte der schneidige" Kürassier von Schorlemer Alft engerer Kamerad des in unserem zweiten Leitartikel gekennzeichneten Herrn von Krosigk daß es sich mit seiner Offizier sehre, seinem ritterlichen Sinne und seinem bekannten Programme für Wahr­heit, Freiheit und Recht" sehr wohl verträgt, ganz erbärmlich zu denun­ziren. Der ultramontane Junker renommirte nämlich damit, daß er den guten Kastengeift noch von 1849 her habe, wo er unter dem Prinzen von Preußen gegen die Revolution gekämpft habe", und setzte dann hinzu, eine Thätigkeit, die allerdings ein Parteigenosse des Herrn Richter als den Dienst des Satelliten des Tyrannen bezeichnete". Hört! hört riefen Zentrumsleute und Konservative in scheinheiliger Entrüßung, während Genosse Kayser, und die Manen der gefallenen Freiheits­kämpfer hatten diese Genugthuung verdient, Sehr richtig!" rief. Sofort wandte sich der westfälische Junter gegen ihn: Der Herr Abgeordnete Kayser sagt: sehr richtig! ich gratulire ihm zu dieser Bemerkung"- Bravo  ! rechts und im Zentrum verzeichnet der Bericht ,, er wird viel leicht wissen, daß der damalige Prinz von Preußen jetzt Seine Majestät der Kaiser ist."

-

Allerdings wußte Kayser das, und daß er trotzdem sehr richtig! rief, macht ihm alle Ehre. Das ist aber für die Beurtheilung der Handlungs­weise des edlen Freiherrn von Schorlemer- Alst gleichgiltig. Er hatte die Absicht, zu denunziren, nach oben hin zu denunziren, denn er weiß, daß Wilhelm diese Debatte( es handelt sich ja um's liebe Militär!) eifrigst studirt. Deshalb dieser ganz unmotivirte Ausfall gegen Eugen Richter   und die Schwenkung gegen Kayser, als Richter schwieg. Die Be­siegten beschimpfen und vor dem Sieger kriechen in der That, sehr tapfer, sehr ritterlich!

-

Vorwärts, immer vorwärts! Jn Limmer bei Han­ nover   wurden am 31. Januar bei der Gemeindeausschußwahl zwei Parteigenoffen einstimmig, bei der Schulvorsteher- Ersatzwahl eben­falls zwei Genossen mit absoluter Mehrheit gewählt. Bravo!

-

Lerne was, dann kannst Du was! Die Kaiserin von Desterreich nimmt jeßt, wie die Zeitungen melden, Unterricht im Fechten Verschiedene Zeitungen halten sich darüber auf und meinen, das sei doch eigentlich recht unweiblich. Wir dagegen finden es von der Amazone auf dem Throne" sehr vernünftig, daß sie sich bei Zeiten darauf einübt, ihren Lebensunterhalt einmal durch Fechten zu gewinnen.

-

-

- England. Es geht vorwärts! Aus Newcastle   on Tyne   erhalten wir folgende Zuschrift:

"

Seit einigen Tagen spielen sich hier Dinge ab, die einer Erwähnung im Parteiorgan werth sein dürften, da sie der erste Versuch englischer Arbeiter sind, der liberalen Partei selbstständig gegenüberzutreten, und vielleicht eine Wendung in der englischen Arbeiterbewegung herbeiführen

werden.

Einer der Vertreter der Stadt Newcastle  , Asthon Dilte, hatte frankheitshalber sein Mandat niedergelegt, und der hiesige liberale Verein hatte nichts Eiligeres zu thun, als einen der liberalen Wortführer, John Morley  , Besitzer der Londoner   Pall Mall Gazette  ", sich zu verschreiben, wähnend, in den Arbeitern wie immer ein williges Stimmvieh zu finden. Allein schon längere Zeit hat sich bei einem Theil der englischen Arbeiter