Abonnentenstand in Deutschland heute mehr als viermal so hoch sei wie zur Zeit des Wydener Kongresses.

Ein Redner bestätigt, daß der gegebene Bericht mit den Büchern des Geschäftes, die in entsprechenden Zwischenräumen revidirt würden, übereinstimme.

Man rügt die Höhe der Rückstände und erwartet, daß jeder Parteigenoffe dafür sorge, daß dieselben vollständig beseitigt wür den. Den Wünschen auf Ermäßigung des Preises könne nicht entsprochen werden, da sonst ein Defizit entstehen würde; man solle nicht vergessen, daß mit der wachsenden Verbreitung auch die Kosten und Gefahren derselben wachsen. Wo es möglich sei, werde die Administration des Blattes, der man in dieser Hinsicht freie Hand lassen müsse, selbst Ermäßigungen eintreten lassen. Verschiedene Redner konstatiren, daß seit Aufstellung des ver­leſenen Berichtes sich in ihrer Heimath der Abonnentenstand wiederum erheblich gehoben habe. Andere erklären die Ursache der Rückstände an ihren Orten.

Nach Kenntnißnahme des Berichtes und Erledigung der kurzen Debatte geht man zum 7. Punkt der Tagesordnung über: Stellung der deutschen Sozialdemokratie zur Sozialreform.

Einmüthig kommt man überein, in Rücksicht auf die kurz zu­gemessene Zeit von Entgegennahme eines Referates und von einer Debatte abzustehen.

Von mehreren Seiten hat man sich über folgende Resolution geeinigt, die zur Abstimmung kommt und einstimmig ange­nommen wird:

Der Kongreß erklärt, daß er in Bezug auf die soge nannte Sozialreform im deutschen Reiche weber an die ehrlichen Absichten noch an die Fähigkeit der herrschenden Klaffen nach deren bisherigem Verhalten glaubt, sondern der Ueberzeugung ist, daß die sogenannte Sozialreform nur als taktisches Mittel benützt wird, um die Arbeiter vom wahren Wege abzulenken.

Der Kongreß hält es aber für die Pflicht der Partei, resp. deren Vertreter in den Parlamenten, bei allen auf die ökonomische Lage des Volkes gerichteten Vorschlägen, gleich viel welchen Motiven sie entspringen, die Interessen der Arbeiterklasse energisch wahrzunehmen, selbstverständlich ohne dabei auch nur einen Augenblick auf die Gesammtheit der sozialistischen Forderungen zu verzichten. Hierauf wird zum nächstfolgenden Gegenstand der Tages­ordnung: Bericht über die Thätigkeit der Reichs­tagsabgeordneten folgende Resolution eingebracht und ohne Debatte angenommen:

" In Erwägung, daß der Kongreß in seinen Verhand­lungen und Debatten genugsam die Thätigkeit unserer Abgeordneten berührt hat, beschließt derselbe, auf eine Berichterstattung hierüber zu verzichten." Ebenso findet ein weiterer Antrag ohne Debatte Zustimmung welcher lautet:

Die Gesammthaltung der Reichstagsabgeordneten unserer Partei entspricht dem Programm der Partei, weshalb der Kongreß mit derselben sich einverstanden erklärt."

Die weiteren noch unerledigten Anträge werden der Partei­vertretung soweit als möglich zur Erledigung und Berücksichtigung überwiesen.

Der Delegirte des Sozialdemokrat" theilt dem Kongreß den Inhalt der von russischen Sozialisten in Zürich und Genf an den Kongreß gerichteten Adresse mit, desgleichen berichtet der Delegirte aus Paris über die Adresse des Nationalkomites der sozialistisch- revolutionären Arbeiterpartei Frankreichs und beantragte die Beantwortung derselben durch die Parteivertretung.

Nach einer kurzen Debatte über die Frage, in welcher Weise der Kongreß das Andenken von Mary am besten ehren könne, wurde beschlossen, daß die Parteivertretung mit Friedrich Engels und der Familie von Mary, sowie den Vertretern der auslän­dischen sozialistischen Parteien in Verbindung treten solle, um das Andenken der Verstorbenen in einer seiner Bedeutung und seiner Dentweise würdigen Weise zu ehren.

Damit waren die Verhandlungsgegenstände erledigt.

Der Vorsigende nahm das Schlußwort, um zunächst den dänischen Parteifreunden und speziell dem Vorstand des For­bund" den herzlichsten Dank auszusprechen für die überaus gastfreundliche und zuvorkommende Weise, womit dieselben den Vertretern der geächteten Bruderpartei entgegengekommen seien und die Verhandlungen möglich gemacht haben. Diesem Danke schlossen sich sämmtliche Delegirte durch Erheben von den Plätzen an. Dann warf der Vorfißende einen furzen Rüblick auf die Verhandlungen, die, vom besten Geiste beseelt, sicher zur gün­stigsten Weiterentwicklung der Partei beitragen würden. Sache jedes Einzelnen sei es, nach der Heimath zurückgekehrt, im Sinne und Geist dieser Verhandlungen zu wirken. Mit dem Wunsche, daß Alle glücklich die Heimreise vollenden mögen, erklärte er den Kongreß für geschlossen.

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Hierauf erhoben sich sämmtliche Delegirte und stimmten be­geistert die Arbeiter- Marseillaise an, der ein stürmisches dreifaches Hoch auf die Sozialdemokratie folgte.l

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von Marr und Laffalle genommen. Er schloß mit einem drei­fachen Hoch auf die deutschen Gäste.

Seitens der letteren ergriff zunächst der Vorsitzende des Rongresses das Wort, dankte in herzlichen Worten für die gaftliche Aufnahme, die man in dieser Weise nun und nimmer erwartet, und die Alle aufs Höchste und Angenehmste überrascht habe. Er spielte alsdann auf die Ereignisse an, welche zwischen Deutschen und Dänen vielfach Feindschaft und Anti­pathien erweckt hätten der heutige Abend zeige aber, daß derartige Gefühle in der Arbeiterklasse der beiden Länder keinen Boden finden. Er schloß mit einem Hoch auf die fortdauernde freundschaftliche und brüderliche Gesinnung der Arbeiter beider Länder.

Die Festtheilnehmer, die sich Anfangs noch etwas fremd gegenüberfaßen, wurden als bald wärmer, und es dauerte nicht lange, so befanden sich Alle in der animirtesten Stimmung. Reden wechselten ab mit Maffengefängen und Einzelvorträgen von mit besonders günstiger Stimme Begabten. Dem deutschen Massengesang folgte der dänische, dazwischen ertönten die Jodler eines nach Dänemark verschlagenen älteren Schweizer Parteigenoffen aus dem Glarnerland.

Die Feststimmung wurde noch wesentlich erhöht, als nach Mitternacht mehrere riesige Punschterrinen hereintransportirt wurden und ein besonders guter dänischer Grog die ziemlich strapazirten Kehlen beider Nationalitäten erfrischte. Erst spät trennte man sich, und wird allen Theilnehmern unserseits das schöne Fest und die Gastfreundschaft der dänischen Genossen unvergeßlich bleiben.

Die Sozialreform" vor dem Reichstage.

Aus Berlin , 22. April.

Seit vorgestern beschäftigt der Reichstag sich mit dem ersten der soge­nannten großen Arbeitergesetze" des gleichfalls großen" Fürsten Bis­marc- der Krankenversicherungsvorlage, welche die Bafts der famosen, mit Barnum'scher Reklamen- Unverschämtheit ausposaunten und als die einzig richtige Lösung" der sozialen Frage angepriesenen und und verherrlichten Sozialreform in Gänsefütßchen bilden soll. Unten

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die Krankenversicherung, darüber die Unfallversicherung und hoch oben drauf die im Brillantfeuerwerk der kaiserlichen Botschaft" prangende, geheimnißvoll aus einer lieblichen blauen Dunstwolke hervorschauende Invalidenversicherung, die von besagter blauer Dunstwolfe gerade genug verhüllt wird, um nicht erkennen zu lassen, ob wir eine wirkliche Mahl­zeit für den armen Mann", wirkliches Roastbeef, wirkliche Zuckererbsen und wirklichen Kuchen vor uns haben, oder blos ein Theaterschaugericht von bemaltem Pappdeckel, der bekanntlich ein ziemlich mangelhaftes Nähr­mittel ist.

Im Reichstag herrscht teineswege eine andächtige Stimmung. Die Botschaft hat man wohl gehört, allein es fehlt der Glaube". Natürlich nicht an die Ernsthaftigkeit des Kaisers und seiner Botschaft, denn das wäre Majestätsbeleidigung, deren ein Reichsbote sich ebensowenig schuldig machen kann als ein Minister, Staatsmann oder Reichskanzler einer ig e- pardon: einer amtlichen Lüge. Wenn ich amtlich rede, muß ich die Wahrheit sagen" verkündete einft Fürst Bismarck , der es mit derartigem Muß nicht allzuernst nimmt. Der Glaube, welcher durch Abwesenheit glänzt, ist der Glaube an die Ernsthaftigkeit der, Sozialreform."

Sogar Herr Eugen Richte, in deffen manchesterlichem Herz und Gemüthe doch eine entsetzliche Angst vor dem Wauwau des Staatssozia­lismus wohnt, hat begriffen, daß die Bismard'sche Sozialreform ein sehr harmloser Artikel ist, der den berühmten Vers aus, Reinete Fuch 8" zum Motto haben sollte:

" Hilft nichts und schadet auch nichts, man muß die Gläubigen ſtärken."

Schade nur, daß die Gläubigen entweder ausgestorben oder noch nicht geboren find. Und auch das schadet nichts", ist cum grano salis zu nehmen. Also nicht einmal Herr Richter gehört zu den Gläubigen, und meinte, mit solcher Waffersuppe" würden sich die Sozialdemokraten nicht abspeisen und für den Staatssozialismus gewinnen lassen- wovor Herr Eugen Richter eine heidenmäßige Angst hat. Die Kritit, welche der fortschrittliche Bielredner an das Regierungs- und Kommissionsmachwert legte, war recht lahm, und noch lahmer, ja geradezu feig war seine Kritik der kaiserlichen Botschaft. Es trat da so recht deutlich die klägliche Halbheit der Herren Fortschrittler zu Tage, die, als gute Bourgeois, den brutalften Absolutismus nicht halb so verabscheuungswürdig finden, wie sie die echte, tonsequente Demokratie, d. h. die Sozialdemo fratie, fürchten.

Herr Richter fand keine andächtige Zuhörerschaft. Der Mann hat sich allmälig aus geredet, und das Epitheton: Waffersuppe", das er auf das Krankenkaffengesetz anwandte, paßt mindestens ebensogut auf seine Reden, die er vergeblich durch einige grobe Pfefferkörner pikant zu machen sucht. Und außerdem hat der Reichstag noch die Gewerbeordnungs­debatte in den Knochen mit ihren Massenabstimmungen und Zwangs­promenaden, wobei die Reichsböten im wahrsten Sinne des Wortes als Stimmviehe zu figuriren und zu fungiren hatten. Die Bänke find geleert, und die Abgeordneten, welche im Saale find, tragen fast ausnahmslos Abgespanntheit und Gleichgiltigkeit zur Schau. Handelt es sich doch blos um ein Arbeitergesetz! Ja, wenn es sich um eine Zoll-, Steuer­oder sonstige Vorlage handelte, welche das Tascheninteresse" der Herren berührte, welch' ein anderes Leben würde jezt im Haus" herrschen!

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Aus der bisherigen Debatte seien nur die vorspringenden Punkte" herausgegriffen was zur Signatur dient. Bertheidigt wurde die Re­gierungsvorlage nur von Herrn Geheimrath Lohmann, der auf dem Gebiete der Arbeitergesetzgebung Bescheid weiß, aber weil er darauf Bescheid weiß, die Erbärmlichkeit der Vorlage auch so genau fennt, daß er fie nur pro forma und ,, von Amtswegen" vertheidigte- wie ein Armen­advokat für eine schlechte und unsympathische Sache eintritt. Argumente hatte leichtes Spiel mit dem unglücklichen Regierungsbevollmächttgten. Er zerpflückte unbarmherzig dessen Verlegenheitssophistereien und die Hauptbestimmungen der Borlage und ging mit der Sozialreform" des Fürsten Bismard in's Gericht, die alles Andere sei, nur keine Sozial.

Ueber das am Abend des 31. März stattgehabte Bankett brachte er nicht vor, und Grillenberger, der unserseits sprach, fei kurz folgendes berichtet:

Das Versammlungslofal war zu diesem Zweck seitens der dänischen Parteifreunde aufs Prächtigste dekorirt worden. Sämmtliche Fahnen der Kopenhagener Gewerkschaften hingen von den Gallerien herab, die rothe Fahne der dänischen Inter­nationale prangte über der Rednertribüne, Inschriften und Embleme zierten die Wände. An der Tafel, die Abends nach 9 Uhr begann, nahmen die dänischen Parteifreunde in fast gleicher Zahl wie die Delegirten Theil. Im Namen der dänischen Parteifreunde begrüßte noch einmal der in Dänemark lebende Parteigenosse Böhm die Delegirten. Diesem war auch das Amt des Uebersezers zugefallen, da die dänischen Redner weder des Deutschen genügend mächtig waren, noch die deut­ schen Redner des Dänischen .

Der Vorstand des" Forbund", Parteigenosse Holm, nahm alsdann das Wort, um in längerer Rede darzulegen, wie die Bewegung fich in Dänemark entwickelt und welch günstigen Antheil daran die Deutschen insbesondere durch die Arbeiten

reform und nichts Gutes für die Arbeiter. Zugleich widerlegte er, unter Hinweis auf die Abänderungsanträge der Sozialdemokraten zum Krantentaffengefeß und auf frühere Anträge derselben, namentlich auf das ,, Arbeiterschutzgesetz", den albernen und lügenhaften Vorwurf, als ver­ständen die Sozialdemokraten es nicht, praktisch" zu sein. In die Ein­zelheiten der Grillenberger'schen Rede kann ich nicht eingehen, aber be­merken muß ich, daß fie mit größerer Aufmerksamkeit angehört wurde das ward schon früher in als jede andere Rede. Unsere Gegner unferem Organ angedeutet haben bei aller Gegnerschaft das Bewußt sein, daß wir allein von Arbeiterangelegenheiten und der sozialen Frage etwas verstehen, und daß wir auf diesem Gebiete eine aus­schlag und maßgebende Partei find.

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Eine überaus klägliche Rolle spielte der Volksparteiler Sonne. mann, der sich wie ein Wurm wand, weil er die sozialdemokratischen Anträge nicht bekämpfen konnte und doch auch nicht für sie stimmen wollte. Sie seien zu spät eingebracht worden man förne sich in

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diesem Stadium der Verhandlungen nicht mehr für ganz neue Grundsätze entscheiden" stotterte dieser traurige Opportunist. Hätte er ehrlich, von der Leber weg gesprochen, so hätte er einfach erklärt: Die Anträge der Sozialdemokraten sind gut, die einzig guten als Feind der Sozial­demokraten und Führer" der parti introuvable ber unfindbaren Partei, benamset Bolkspartei" darf ich dies aber nicht zugestehen! Schwamm darüber!

Die längste Rede hat Herr Max Hirsch gehalten oder hält sie viel­mehr noch. Die längste und natürlich auch die langweiligste ist doch Herr Dr. Mar Hirsch unbestritten der erfolgreifte Hausleerer" im Reichstag, was bei der großen Konkurrenz in diesem parlamentarischen Geschäftszweige viel sagen will. Was nicht vor ihm flieht, wenn er die Schleußen seiner Morphiumberedsamkeit öffnet, das schläft! Gesunder Schlummer!

Korruptionspädagogik

oder

Die Staatsretter an der Arbeit. ( Aus dem Wupperthal .)

Nachdem in Elberfeld bei der Hezjagd auf Rothwild ein halb Duzend Kommissare oder Wachtmeister auf die eine oder die andere Art den Hals gebrochen hatten, und infolge dessen unser Oberbürgermeister seufzend geklagt hatte, baß es schwer hält, Jemand zu der Annahme solches Amtes zu bewegen", tam unser Reichsspigelminister zu der Erkenntniß, daß die Sache anders angegriffen werden müsse und zwar durch in diesem Fach erfahrenere bewährte" Beamte. Wie dies geschah und mit welchem Er­folge wollen wir in Nachstehendem berichten.

Ende vorigen Jahres tauchten eines schönen Tages zwei Herren von auswärts hier auf, welche sich zuerst dadurch bemerkbar machten, daß sie in Barmen eine Kifte mit Büchern naturwissenschaftlichen Inhalts unter der Form einer Haussuchung wegstahlen. Die Bücher find Eigenthum Haffelmann's oder gehören deffen früherem Hauswirth. Diese Bücher lagen nun ca. acht Wochen in den Privatwohnungen der Herren auf den Tischen, zu dem Zweck, die Hausleute irre zu führen; die fremden Herren gaben nämlich an, sich mit dem Inhalt derselben zu beschäftigen. Nach einigen Wochen, und nachdem sich die Herren durch ihre Bierreisen in Begleitung von zwei Schußengeln in Barmen genug bekannt gemacht hatten, begannen fie ihre gesellschaftsretterische Thätigkeit damit, unserm hier woh­nenden aus Berliner ausgewiesenen Genossen Ulbricht durch die Post folgenden Brief zukommen zu lassen:

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Berlin , 1. Februar 1883.

,, Lieber Herr Ulbricht! ,, Wundern Sie sich nicht, von mir einen Brief zu erhalten; ich habe eine Bitte und hoffe, daß Sie diese erfüllen werden. Vor allen Dingen fönnen Sie mir vollständig trauen, denn ich schreibe im Auftrage meines Vorgesetzten. Wir wissen, daß Sie dort als thätiges Mitglied in der Partei bekannt sind und wünschen, von Ihnen über alle wichtigen Vorkommniffe benachrichtigt zu werden. Ich verspreche Ihnen, daß Sie für jede Nachricht, die Sie an meine Adresse gelangen lassen, anständig honorirt werden. Nochmals bitte ich Sie, seien Sie klug und nehmen dieses Anerbieten an, denn heut zu Tage gelten alle Vortheile. ( Welch' charakteristisches Geständniß von einer Stütze des heutigen christlichen Staates!) Außerdem verspreche ich Ihnen im Voraus, daß ich Alles für Sie thun werde, im Falle Sie wieder nach Berlin tommen wollen. In der Hoffnung, daß Sie dieses vortheilhafte Ge schäft( Heißt' n Geschäft!) nicht zurückweisen und mir recht bald Nachricht zukommen laffen werden, zeichnet sich unter bestem Gruß

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F. Torner, Polizei- Wachtmeister, Berlin , Reinickendorferstr. 3."

Solche edle Seelen sind es wohl gewohnt, daß ihresgleichen für Geld zu Allem fähig ist, sonst hätten sie ein derartiges Anerbieten nicht so un­verfroren machen können. Aber sie kam diesmal an den Unrechten; Ulbricht zeigte den Brief mehreren anderen Genoffen, und man kam überein, daß er auf das Anerbieten scheinbar eingehen solle. Erstens, um die Pläne des Herrn möglichst genau kennen zu lernen und zweitens, um nochmals zu sehen, wie die von Gott eingesetzte Obrigkeit es anfängt, arme, durch ihre Ausweisung fast zur Verzweiflung getriebene Leute durch Vorspiegelung falscher Thatsachen und Versprechungen zu Ver­räthern an ihrer eigenen Sache zu machen. Es ging daher einige Tage nachher folgender Brief von hier ab:

Geehrter Herr!

" Ihr geschätztes Schreiben vom 1. d. M. habe ich erhalten. Wenn ich auch die Groschen nöthiger brauche, so will ich Ihrem Wunsche doch nach tommen. Was meine Thätigkeit in der Partei anbelangt, so ist dieses von Ihnen doch gewiß eine Schmeichelei, denn mein Verdienst ist hier nicht wie in Berlin , und ich habe zu kämpfen, daß ich meine Familie durchbringe. Also werden Sie hierans sehen, daß ich Ihnen vorläufig nichts berichten kann. Ich kenne ja wohl einige Leute, habe aber, wie gesagt, die Mittel nicht dazu, um mit den Leuten zu verkehren. Es grüßt achtungsvoll

"

R. U."

Der Köder zog, die Herren bissen an. Bald erschien einer derselben in der Wohnung unseres Genoffen und lief schier über vor Freundlichkeit und Gemüthlichkeit, er versprach auf Ehrenwort", daß Hunderte von Mart gar teine Rolle spielen wirden, wenn Ulbricht ihnen Dienste leifte. Ulbricht ging abfichtlich nicht sofort auf das Anerbieten ein, da aber der Herr wohl glaubte, daß sich Alles beim Bier besser machen ließe, so bestellte er Ulbricht Abends in eine Restauration, vergaß aber nicht, ihm noch für die Bemühung 20 Mart zurückzulaffen, welche natürlicher­weise auch dankbar angenommen wurden. Zu dieser Zusammenkunft hatte sich( außer einigen Genossen, welche aber nicht erkannt wurden), noch ein zweiter Herr eingefunden.

Es würde zu weit führen, die Unterhaltungen, welche an diesem Abend und an noch späteren stattfanden, hier ausführlich mitzutheilen, obgleich es interessant genug wäre. Wir wollen hier nur mittheilen, daß es unserem Genoffen gelang, die Herren ganz sicher zu machen, und ihnen vieles zu entlocken, was zu wiffen uns sehr lieb war. Besonders darf nicht unerwähnt bleiben, daß aus den Anerbietungen und Versprechungen, die man Ulbricht machte, es sich aufklärte, warum einzelne Ausgewiesene die Erlaubniß erhalten hatten, nach Berlin zurückkehren zu dürfen.

Auch stellte sich heraus, daß im Wupperthal schon mehrere andere, sehr radikal" thuende Personen als Spigel im Dienste der Polizei standen, und auch schon berichtet hatten.

"

Ulbricht selbst wurde, da er vorgab, mit den hiesigen Genossen nicht bekannt zu sein, beauftragt, in dem Elberfelder Verein Vereinigte Sachsen zu spitzeln. Diesem Auftrage kam Ulbricht auch zur vollen Befriedigung nach; schade nur, daß die Spielberichte", die unter Zu­ftimmung anderer Genoffen verfaßt wurden, theilweise den nächsten Tag in der Zeitung gedruckt standen und ganz unschuldiger Natur waren. Mittlerweile waren die Herren ziemlich bekannt geworden. Einige Kölner Freunde, die von denselben gehört hatten, wollten sie auch gerne fennen lernen; fie arrangirten deshalb eine Wahl zum Kongreß" in einer bekannten, größeren Restauration.

"

Am Tage vor der Kölner geheimen" Versammlung waren die in ihrem Fach so geriebenen Beamten von hier verschwunden.

Zur festgesetzten Zeit saß der Eine, hier der Dice " benannt,( welcher von dem Glatten" meist als Unterknäs und eventuell Prügeljunge be­nugt wurde) in Köln in Arbeiterkleidern im Saale an der richtigen Stelle, wo er von allen Anwesenden gesehen werden konnte. Es sammelten sich bald 60-70 Personen um ihn, Alle im besten Humor. Lange gab er sich den An­schein, als wenn er die beständigen Sticheleien gar nicht verstanden hätte, doch änderte sich die Sache, als einer aus der Gesellschaft sich vor ihn hinstellte, ein Signalement aus der Tasche zog und dasselbe laut vorlas, wobei der Chor bei jedem Charakteristikum das stimmt" rief. Also etwa folgendermaßen: