Schreiner sind, beurlaubte, damit sie ihre im Kampf um die Existenz befindlichen Brüder aushungern helfen, ist die Fortführung des allge­meinen Streits vorderhand eine Unmöglichkeit. Es sind daher zunächst partielle Streits in Aussicht genommen. Zuzug ist also nach wie bor fernzuhalten. Interessant oder vielmehr charakteristisch ist die Haltung des fortschrittlichen Fränkischen Kourier" gegen­über dem Tischlerstreit. Nicht nur, daß dieses Organ des entschiedenen Liberalismus", wie es von einem Organ der Bourgeoisie übrigens nicht anders zu erwarten war, die streitenden Arbeiter auf's Infamste be­schimpfte und denunzirte, war es auch der ,, Gegner jeder Staatshilfe", der mit einem wahren Triumphgeheul die obige ausbeuterfreundliche Einmischung des Staates in den Lohntampf begrüßte. Da kann man wirklich singen:

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Doch wo sie( der antistaatlerische Fortschrittler und der Racker von Staat") im Koth sich fanden,

Da verstanden sie sich gleich. Sie sind aber auch einander werth.

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Schrecklich! Dem ultramontanen Münchener Fremdenblatt" wurde vor einigen Tagen aus Nürnberg geschrieben: Am ver­gangenen Sonntag befand sich der nengewählte Reichstagsabgeordnete A. Bebel hier und konnte un behelligt mit einer größeren Anzahl Gesinnungsgenossen in einem öffentlichen Restaurations totale verkehren."

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Wahrhaft unerhört! Man denke, im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts, 12 Jahre nach Gründung des freien deutschen Reiches" darf ein deutscher Reichstagsabgeordneter in einem öffentlichen Lo­tale unbehelligt mit einigen Fremden beisammensitzen! Das verdient in der That besonders notifizirt zu werden. Die Nachwelt wird eine so lare Handhabung der Polizeifuchtel nicht für möglich halten. Ein Reichs­tagsabgeordneter unbehelligt in einem Lokale, was hätte da nicht Alles pasfiren können!

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Nachträgliches von der Stichwahl in Hamburg . Sehr belustigend ist es, den Bericht der Hamburger Bürgerzeitung" zu lesen, wie es am Abend des in jeder Beziehung heißen Wahltages bei den Fortschrittlern zuging. Wir lassen denselben daher hier folgen:

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,, Die Fortschrittspartei wartete das Resultat im Konventgarden ab unter Vorsitz des Dr. Gieschen. Die Versammlung war sehr steges­gewiß, und da sich das Zahlenverhältniß beim Einlaufen der Einzelbe­richte fortdauernd günstig für Rabe stellte, so schien kein Zweifel mehr erlaubt, und man trant schon träftig auf den Triumph des Erkorenen. Bereits war aus allen Bezirken bis auf einen der Rapport gekommen und Rabe hatte circa 400 Stimmen Majorität. Die Sache konnte nicht mehr schief gehen! Seidel auf Seidel wurde von den Glück­lichen vertilgt, die nach homöopathischem Grundsatz einen Rausch durch den andern zu vertreiben suchten da traf die letzte Meldung ein Bezirk 43: Rabe 76, Bebel 586"( am 15. Juni: Bebel 460, Rabe 51, Roscher 12) und die Welt hatte sich umgekehrt! Die kurze entlassende Ansprache des Vorsitzenden verhallte fast völlig unter dem Hurrahrufen der zahlreich eingedrungenen rothen Gäste". Der Jubel setzte sich natür­lich vor der Thür fort und fand in der dicht gedrängten Menschenmenge vielfach Widerhall. Selbstverständlich herrschte bei einem anderen Theile unserer Bevölkerung eine recht deprimirte Stimmung. Darüber mag man nun denken, wie man will; in Einem müssen alle Unbefangenen zusammenstimmen: Nicht Wahlenthaltung der Gemäßig, ten, sondern verstärkte Energie der Sozialdemokraten hat den Ausschlag gegeben. Die Ordnungsparteien waren einigim Kampfe gegen Bebel, das beweist eine Vergleichung der diesmaligen Abstim­mung mit der vom 15. Juni unwiderleglich und das mag für Manche der Unterlegenen ein gewiffer Trost sein."

Die Begeisterung, welche die Wahl bei den Genossen in Deutschland erregt hat, ist unbeschreiblich. Kein Brief kommt an uns, der nicht ein " Hoch die Hamburger!" enthält.

Fobrikantenübermuth. Um unsern Arbeitern zu zeigen, in welch gemeiner lügenhafter Weise von sozialdemokratischer Seite aus Thatsachen entstellt werden, um sie( die Thatsachen?) gegen ihre Vor­gesetzten aufzubezen, übergeben wir folgenden Artikel, der uns zugeschickt worden ist, der Deffentlichkeit und fügen einen Auszug aus Schaffe's Lohnbuch hinzu. Die Lohnreduzirung sollte Schaffe in teiner Weise treffen, darüber kann der Aufseher Ebeling Auskunft ertheilen."

Also beginnt eine Publikation der Hannover 'schen Gummitamm­Fabrikations Kompagnie, und darauf folgt ein Abdruck des ersten Theils aus unserem Artikel in Nr. 20: Wer macht Revolutionen?" worin ein Arbeiter der Fabrik mittheilt, wie sein Kollege Schasse, ein in der Fabrik alt gewordener Arbeiter, sich erhängt habe, weil man ihm den Lohn auf neun Mart pro Woche reduziren wollte.

Nach Angabe der Herren, schreibt uns ein Arbeiter dieser Fabrit, habe der Durchschnittslohn Mark 14,60 pro Woche betragen( welch' Heiden­geld! Die Redaktion), ich kann mir aber nicht erklären, wie viel Arbeits­tage diese Leute in der Woche haben, und wie viel Arbeitsstunden auf einen Tag fallen, denn soviel steht fest, Schaffe bekam 12 Mart. Der Lohnreduzirung hat er nur durch sein Erhängen vorgebeugt, im Uebrigen aber ist sie durchgeführt worden, wie jeder Arbeiter bezeugen kann. Die Leute bringen es jetzt mit Ach und Krach auf 11 Mart pro Woche; wenn fie mehr verdienen wollen, müssen sie nach Feierabend arbeiten. Wahr­lich, ein Lohn zum Verhungern!

Der obengenannte Ebeling ist einfach getauft; ich habe es aus seinem eigenen Munde gehört, daß die Lohnreduzirung Alle trifft, wenn er die Sache jetzt beschönigen will, so muß er einfach ligen.

Uebrigens, Ihr Herren, warum hat sich Schaffe denn erhängt, wenn nicht aus Verzweiflung über eure Hartherzigkeit? Vielleicht weil es ihm zu gut ging? Und was bedeuten denn die von seiner Hand an seinem Arbeitsplatze an die Wand geschriebenen Worte: ,, Für neun Mark nicht!? Antwort, Ihr Herren!

Wir ersuchen deshalb die geehrte Redaktion, diese Antwort im Sozial­demokrat" abzudrucken, damit bewiesen wird, daß wir nicht gemein und lügnerisch vorgehen, sondern Jedem frei und frank ins Geficht sehen sehen können.

( Folgen Unterschriften.)

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Wenn diese Zuschrift nicht in jeder Beziehung den Stempel der Wahr­haftigkeit an fich trüge und nicht durch unsern Vertrauensmann be­glaubigt wäre, so würden wir in der That auf die Vermuthung tom­men müssen, es läge eine Mystifikation vor. Oder klingt es nicht un­glaublich, daß Fabrikanten die Stirn haben, ihren Arbeitern eine der artige Komödie vorzuspielen? Arbeitern, die knapp 11 Mart pro Woche verdienen, einreden zu wollen, ihre Lage sei bedeutend günstiger, ihnen zuzumuthen, die Wahrheit, die sich ihnen täglich nur zu sehr fühlbar oder vielmehr von macht, als Lüge, die Lüge für Wahrheit zu halten denn darauf ihnen zu verlangen, daß sie sich den Anschein geben als hielten sie die Wahrheit für läuft die Geschichte sicherlich hinaus Lüge und umgekehrt- das ist in der That der Gipfel des Uebermuthes. Der Stlave, und in diesen modernen Zuchthäusern, Fabriken genannt, ist der Arbeiter wahrhaftig nicht besser dran als ehedem der Sklave, soll nicht nur nicht murren, er soll auch nicht einmal das Geficht ver­ziehen, es sei denn zu einem unterthänigen Lächeln, wenn einer der " Herren" sich ihm naht. Und leider, leider, gibt es noch immer Arbeiter, welche dieses Stlavenleben für ganz in der Ordnung, für göttliche Weltordnung" halten.

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Nun, es wird auch der Tag kommen, da selbst diesen Elementen die Geduld reißt!

Der Klassenstaat als Arbeitgeber. Im christlich. fozialen, wohlgemerkt im, christlich- sozialen korrespon

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denzblatt" führt ein Einsender Klage über den anstrengenden Dienst der Billetverkäuferinnen der Königlichen Eisenbahn ,, zur War­nung der Töchter von Parteigenossen, die etwa auf eine derartige Stelle reflektiren." Eine solche Billetverkäuferin aus der Bekanntschaft des Ein­senders habe seit dem 6. Mai teinen einzigen freien Sonn­tag gehabt. Erst der neunte Sonntag sei vielleicht wieder dienstfrei. In welcher Weise die Arbeitskräfte angespannt wer­den, geht aus Folgendem hervor: Nachdem die betreffende Dame am 14. Juni von 6 Uhr Morgens bis 3/12 Nachts- d. h. volle 17 Stunden Dienst gehabt, mußte dieselbe am 15. von Morgens 11 Ur bis Abends 6 Uhr, am 16. von Mittags 1 Uhr bis Abends halb 9 Uhr, am 17. von 11 Uhr Mittags bis Abends halb 7 Uhr, am 18. früh von 8 bis Mittags halb 1 und Abends halb 8 bis früh halb 9 Uhr Dienst thun und in was für einem Lokale! Das in spärlicher Menge von Außen hereinfallende Licht concurrirt mit dem fortwährend brennenden Gaslicht; frischer Luft ist der Zutritt gehemmt, und an den Wänden kann man nach Be­lieben seinen Durst stillen! Da tröpfelt das Wasser recht gemüthlich! Aber die Bezahlung ist gewiß recht angemessen? Gewiß, pro Tag zwei Mart!!! die aber in Fällen der Krankheit auch in Wegfall kommen, und sei es auch nur für einen Tag! Ich be­merte nochmals, daß alles der Wahrheit gemäß ist. Ob wohl eine Dame gesund bleiben kann, die, wie oben angegeben, 17 Stunden hinterein­ander steht und mit großer Kraftanstrengung Billets stempelt, dabei aber auch sehr aufmerksam sein muß, um nicht etwa, wie es einer andern Dame kürzlich paffirt ist, für den Verdienst von 2 Mark ein Manto von 3 Mark decken zu müssen, bezweifeln wir start. Und wenn die Dame es nicht aushält? Entlassung ohne Umstände, zehn andere Be­werberinnen harren schon der freiwerdenden Stelle!"

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Und zu diesem Beispiel aus hyperloyaler Feder noch eine Ergänzung aus der Berliner Volkszeitung":

,, Ueber die königliche Verwaltung der verstaatlichten Berlin- Stettiner Eisenbahn klagen, wie man uns mittheilt, die als permanente Lente" bezeichneten Arbeiter des Zentralgüterbahnhofes in Berlin , daß ihnen namentlich durch Abzüge auf die freien Sonntags- und Festtags nachmittage der Monatslohn auf 14-16 Thaler her­abgedrückt sei, während sie unter der Privatverwaltung einen festen Lohnsatz von 20 Thalern gehabt hätten.

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,, Erkrankt ferner ein Arbeiter, so hört auch sosort die Zahlung des Lohnes auf, während früher bei der Privatverwaltung bis zum vierten Tage der ganze Lohn, und bis zur Wiederherstellung die Hälfte gezahlt wurde."

Auch hier also wieder, setzt die Bolkszeitung" triumphirend hinzu, scheint der Privatarbeitgeber dem nach den Aussprüchen der Reichs­regierung vorzugsweise zur humanen und chriftlichen Handlungsweise verpflichteten Staate in humaner und christlicher Behandlung der Arbeiter weit voraus zu sein."

Was das Letztere anbetrifft, so wird wohl das Richtige sein, daß Klaffenstaat und Privatarbeitgeber in der Regel Ausbeuter gleichen Ka­libers sind; nur daß hier und da unter den Letzteren sich Leute finden, die aus irgend welchen Gründen das Leuteschinden etwas weniger virtuos betreiben, als ihre ehrenwerthen Mitausbeuter. Jedenfalls aber zeigt es sich bei jeder Gelegenheit, daß die Arbeiter absolut kein Interesse daran haben, dem heutigen Staat irgend welche Industriezweige in die Hand zu spielen. Ihre materielle Lage wird nichts weniger als ver­bessert, wenn sie königliche Beamte" werden, dagegen werden ihnen ihre geringen politischen Rechte noch vollends genommen. Wer dem heutigen Staat, unter welchem Vorwand immer, neue Machtmittel in die Hände spielt, der handelt direkt gegen das Interesse der Arbeiterklasse, gegen die Befreiung derselben vom Joche der kapitalistischen Ausbeutung.

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Aus Leipzig , Anfang Juli, wird uns geschrieben: Unser neuer Polizeidirektor er heißt bekanntlich Bretschneider- hat es fertig gebracht, innerhalb weniger Monate seinen Vorgänger und ftaatsanwaltlichen Erkollegen durch streberhaften Eifer und dienstliche Strammheit" in Schatten zu stellen. Da nun die Fähigkeiten des Mannes mit seinem Eifer nicht ganz auf gleicher Stufe stehen, so ist es ihm gelungen, sich bei seinen" Beamten weit verhaßter zu machen, als bei den Sozialdemokraten, deren Ausrottung er sich zur Lebens­aufgabe" erwählt hat, denen er aber ebenso wenig gefährlich zu werden vermochte, wie weiland der unglückliche Richter. Während er von den bösen Sozialdemokraten, welchen er, trotz bester Absichten zu schaden, noch nichts zu Leide gethan hat und auch nichts zu Leide thun wird, mit ironischer Gleichgültigkeit betrachtet, oder richtiger ignorirt wird( ver­achtet will ich aus sächsischer Höflichkeit" nicht sagen), kann man unter dem Polizeipersonal nicht selten Aeußerungen über ihn hören, welche in Alberti's Komplimentirbuch vergeblich gesucht würden. Gut ein Dutzend tüchtiger, altbewährter Beamten find, weil sie nicht die nöthige ,, Stramm­heit" an den Tag legten, Knall und Fall entlassen, und durch neue Leute ersetzt worden. Das wäre nun vom Standpunkt des strammen Dienstes" und der Dienststrammheit" beurtheilt, ganz praktisch, wenn nicht durch diese Maßregelungen im gesammten subalternen Polizei­personal große Unzufriedenheit erzeugt, und statt des erstrebten maschinen­mäßigen Gehorsams eine Loderung der Disziplin herbeigeführt würde, über die wir jedenfalls keinen Grund haben, uns zu beschweren. That­sache ist, unsere gute Seestadt hat noch nie einen so unpopulären Polizei­direktor gehabt, und wer Herrn Bretschneider mit seinen zwei Vor­gängern Richter und Rüder vergleicht, tann jenem Stadtvater nicht Unrecht geben, der neulich in indiskretem Gosenhumor meinte, in puncto der Polizeileitung seien wir vom Gaul auf den Esel gekommen".

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Der einzige Beamte, dem das Bretschneider'sche Regiment behagt, und der in Folge deffen auch bei dem" Chef" die Rolle des Hahns im Korb" spielt, ist der brave Polizeiassessor und Kriminalkommissar Hohl­feld. Wie der Herr so der Diener" nnd verwandte Seelen finden fich zu Wasser und zu Land" auch in der Polizei, sagt das Sprich­wort. Herr Hohlfeld ist des Herrn Bretschneider rechter Arm", ja, wie von Verschiedenen behauptet wird, sein Kopf, was freilich feine Schmeichelei wäre. Ob Arm oder Kopf, genug Beide passen vortrefflich zusammen und werden hoffentlich noch recht lange zusammen arbeiten. Denn beffere Mitarbeiter und Agitatoren für unsere Sache können wir uns nicht wünschen. Wenn diese Zwei nicht vorzeitig von der Richter Krankheit gepackt werden, haben wir die begründetste Aussicht, schon bei der nächsten Wahl hier zu fiegen. Am wirksamsten zu unsern Gunsten war Hohlfeld's letzter Streich die Auflösung einer Versamm­lung des Arbeiterfortbildungsvereins und die nachherige Ausweisung des Studenten einsfurter, der durch einen tathedersozia­listischen Vortrag über die Folgen der heutigen wirthschaftlichen Zentralisation" Herrn Hohlfeld zu der Auflösung veranlaßt hatte. Herr Hohlfeld ist nämlich nicht blos ein Streber, sondern auch. was ja man verzeihe uns den nicht selten Hand in Hand gehen soll ein Ausdruck! polizeiwidriger Ignorant. Speziell von Sozialismus und Nationalökonomie versteht er so viel wie die Kuh vom Spanischen , und ich könnte Ihnen in dieser Beziehung wunderbare Anekdoten er­zählen, wenn ich nicht fürchten müßte, den rachsüchtigen Herrn auf Spuren zu leiten und ihm frisches Ausweisungsmaterial zu verschaffen. Hat doch Herr Hohlfeld im Bund mit seinem Grünäugigen" die abso­lute Entscheidung darüber, wer auszuweisen ist und wer nicht. Seine ,, diesbezüglichen" Vorschläge sind für den Herrn Polizeidirektor maß­gebend, und gelangen durch diesen an den Amts- und Kreishauptmann, für welchen sie ditto maßgebend find. Denn die Mühe, selbst zu unter­suchen, ist für diese höher- und hochgestellten Beamten zu groß. Das zeigte sich wieder recht deutlich vor einigen Tagen, wo dem jungen Künzel, der zur Ordnung des Nachlasses seines verstorbenen Bruders einen Urlaub" von drei Tagen beantragt hatte, blos ein Tag bewilligt

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wurde, weil Herr Grünauge mit seinem Taufnamen heißt er Döbler­erklärte, 24 Stunden genügten vollkommen. Umsonst stellte Künzel vor, daß die flüchtige Durchsicht der zahlreich vorhandenen Manuskripte, Korrespondenzen 2c. schon mehr als einen Tag beanspruchen würde Grünauge behielt aber beim Polizeidirektor und beim Kreishauptmann Recht.

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Doch zurück zu dem letzten Streich unseres Hohlfeld. Der hiesige Arbeiterfortbildungsverein ist demokratisch und wird von der Polizei mit unsympathischen Blicken angesehen, weil sie der Meinung ist, oder zu sein behauptet, der Verein sei mit etlichen Tropfen sozialdemokratischen Dels getauft. Er hat eine bedeutende stets wachsende Mitgliederzahl gegenwärtig wohl über 350, wohingegen der mit dem Fort bildungsverein konturrirende ,, Verein für Volkswohl" eine Schöpfung des nationalliberalen Stadtrings" der Biedermänner und Nichtbieder­männer, an unheilbarer Mitgliederschwindsucht leidet und nicht leben und nicht sterben tann. Gelänge es, dem mißliebigen Fortbildungsverein ein Bein zu stellen, oder ihm gar auf Grund des famosen Sozialistengesetzes den Garaus zu machen, dann müßten die Arbeiter in den nationalliberalen Stall es sei denn, daß fie es vorzögen, bis auf Weiteres sich ganz ohne Verein zu behelfen.

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Man sieht, Herr Hohlfeld hatte nicht umsonst seine Augen auf dem Arbeiterfortbildungsverein; und als neulich der vorhin erwähnte Vortrag in dem Vereine gehalten wurde, da glaubte er die Gelegenheit endlich gekommen. Ich war selbst in der kritischen Vereinsversammlung an­wesend und hörte den Vortrag bis zur Katastrophe. Wohlan es war die tathedersozialistische Weisheit, welche jetzt so ziemlich auf allen deut schen Universitäten verzapft wird versetzt, ich sagte vielleicht beffer: verwässert mit einiger Roscherei, wie sie hier an der Stätte, wo der gelehrteste und tonfusefte aller deutschen Nationalökonomen( sit venia verbo) seit Jahrzehnten seine Gelehrsamkeit und Konfusion unter die Leute bringt, als Lokalkrankheit, auch für den gescheidesten Bruder Studio, unvermeidlich ist. Kein Sazz in dem übrigens sorgfältig ausgearbei­Vortrag, welcher nicht, und obendrein weit schärfer, von Roscher, Brentano, Conrad, Schmoller und Andern schriftlich und mündlich zu hunderten von Malen ausgesprochen worden wäre. Allein der Votrag behandelte die Uebel der heutigen Produktionsweise und richtete seine Spitze gegen den modernen Kapitalismus, und da Herr Hohlfeld sein Leben lang kein nationalökonomisches Buch, nicht einmal eine national­ökonomische Broschüre gelesen hat, so entdeckte er in der heute von der offiziellen Wissenschaft fast allgemein adoptirten Terminologie( Ausdrucks­form) sozialdemokratisches Gift und löfte die Bersammlung auf, wobei er hoffte, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: eine gesellschafts­retterische That zu verrichten und dem nationalliberalen Konkurrenzverein einen Dienst zu leisten( und natürlich auch seine Ansprüche auf Rang­und Gehaltserhöhung stark zu kräftigen).

Freilich, als der unterbrochene Vortragende den Herrn Hohlfeld darauf aufmerksam machte, daß der vermeintlich umstürzlerische Vortrag in Wirk­lichkeit höchst harmloser Natur und bereits in einer ganz unpolitischen, mit vollewirthschaftlichen Fragen sich befassenden Gesellschaft gehalten worden sei, ohne Anstoß zu erregen, da wurde Herr Hohlfeld etwas stubig. Indeß die Polizei ist unfehlbar, und hat sie einmal auf irgend eine unerklärliche Weise, durch irgend einen räthselhaften, nicht vorher zu berechnenden Zufall einen Bock geschossen, so gibt es ja allerhand Mittel, den Frrthum wieder gut zu machen. Die Polizei ist eine ge­lehrige Schülerin des edlen Herrn Riccant de la Marlinière( in Minna von Barnhelm)- sie hat eine wahre Virtuofität in der Kunst, das Glück zu korrigiren. Hat man sich lächerlich gemacht, so gilt es, das Lächerliche durch etwas Ernsthaftes zu verwischen. Wer kennt nicht das berühmte Napoleon le Petit, wo Victor Hugo den Nachweis liefert, daß Louis Bonaparte , um dem Fluch der Lächerlichkeit zu entgehen, der seinen Staatsstreich( vom 2. Dezember 1850) mit Mißlingen bedrohte, die gräuliche Boulevardmezelei in Szene setzte?

Ganz so tragisch korrigirte Herr Hohlfeld das Glück allerdings nicht zwischen ihm, dem großen Kriminalkommissar, und Napoleon dem Kleinen ist doch noch ein kleiner Unterschied, obgleich der große Hohl­feld ebenso gut wie weiland der kleine Napoleon ein großer Gesellschafts­retter vor dem Herrn ist. Aber Herr Hohlfeld hat praktisches Christen. thum im Leib, und die Mitglied des Arbeiterfortbildungsvereins todt­schießen zu laffen, um die Verwerflichkeit eines Bortrags zu demonstriren, das würde vermuthlich auch keinen Orden und auch keine Beförderung eingebracht haben. Aber einen Menschen zu Grunde richten das geht eher. Nur kein Blutvergießen! Das macht so viel Aufsehen. Herr Hohlfeld schlug die Ausweisung des Studenten Heinsfurter vor, und, wie gesagt, die Vorschläge des Herrn Hohlfeld find für die Kreis­hauptmannschaft Befehl. Vergebens betheuerte das arme Opfer der Hohlfeld'schen Ignoranz seine Unschuld, vergebens zeigte er dem Herrn Kreishauptmann das Manuskript seines Vortrags und wies nach, daß die Stellen, welche Herrn Hohlfeld choquirt hatten, den unschuldigen Büchern unschuldiger Profefforen entnommen waren half nichts, die Ignoranz des Herrn Hohlfeld bedurfte der Satisfattion der Ausweisung.

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es blieb bei

Und wenn nicht ein Wunder geschieht, wird auch der Arbeiter fortbildungsverein aufgelöst*) und damit ein äußerst nützliches und segensreiches Bildungsinstitut zerstört Alles, weil die Eltern des Polizeiassessors und Kriminalkommissarius Hohlfeld es versäumt haben, ihn das ABC der Nationalökonomie lernen zu lassen!

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Das frither berichtete Polizeiwunder hat wirklich nicht Stand gehalten der zur Strafe für seine Unschuld ausgewiesene und nach­her begnadigte"" Handelsmann" ist von Neuem ausgewiesen worden. Es hätte uns aber auch zu große Verlegenheit bereitet, wenn die Polizei einmal anständig gewesen wäre. Also: schön Dank!

,, Ein Ausbeuter, Erzhallunke und Betrüger erster Klasse", so schreibt man uns aus Wolgast ( Pommern ) ,,, ist der frühere Mitdirektor der Stralsunder Dampfmühlen- Aktien- Gesell­schaft Lehl und zwar haben wir durch folgenden Vorfall von dem Vorhandensein dieses Spitzbuben Kenntniß erhalten.

Im November 1876 verunglückte der als Kutscher bei der vor­genannten Aktien- Gesellschaft angestellte Arbeiter Karl Stridde dadurch, daß er in einer der Gesellschaft gehörenden Lehmgrube von herunter­rutschenden Lehmmassen verschüttet wurde und dabei seinen Tod durch Ersticken fand. Die Gesellschaft hatte ihre Arbeiter bei einer Unfallver­ficherungsanstalt gegen haftpflichtige und nichthaftpflichtige Unfälle ver­sichert. Der betr. Unfall wurde von der Versicherungsanstalt nicht als haftpflichtig beurtheilt und die Versicherungssumme wurde mit 4000 Mr. baar anstandelos an die Stralsunder Dampfmühlen- Aktien- Gesellschaft ausgezahlt, zu dem Zwecke, dieselbe der Wittwe Stridde zukommen zu laffen. Letzteres that aber die Aktien- Gesellschaft nicht, sondern ste zahlte der Wittwe für sie und ihre Kinder jährlich 300 Mark aus, mit der Angabe, daß das Kapital von 4000 Mt. hypothekarisch sicher gestellt werden würde.

Fm vorigen Jahre liquidirte die Dampfmühlen- Attien- Gesellschaft, und der frühere Direktor Leht kaufte die Mühlen an. Vor einigen Wochen Tieß nun Lehl die Wittwe Stridde zu sich kommen und hieß sie eine Erklärung unterzeichnen, in der sie sich mit ihren Ansprüchen an die Aktien- Gesellschaft befriedigt erklärte, da ihr gleichzeitig in dieser Erklä

*) Aufgelöst ist er nicht worden, man hat nämlich ein viel unauffäl­ligeres Mittel entdeckt, dem mißliebigen Verein den Todesstoß zu ver­sezen: man erklärte ihn für einen politischen Verein, und als solcher darf er weder Lehrlinge noch überhaupt junge Leute unter 21 Jahren aufnehmen. Man denke, ein Fortbildungsverein! Wozu hat man aber Geseze, wenn man sie nicht gegen das Volk anwenden wollte!