daß unser Bauernstand allmälig verschwinden wird und daß selbst die Rittergüter des Ostens noch zu klein sich erweisen werden für die Art von Wirthschaftsbetrieb, der die Zukunft und zwar eine nicht ferne

gehört.... Der Erdrusch mit dem Flegel ist theuer und ergibt nicht so viel Korn als Maschinendrusch. Beispielsweise zahlt man den Dreschern in Pommern , etwa 10 Meilen östlich von Stettin , bei Handdrusch den 16. Scheffel, bei Erdrusch mit der Pferde- Dreschmaschine den 21. und mit der Dampfmaschine den 24. Scheffel. Man erspart also bei Dampf­drusch gegen Handdrusch gerade die Hälfte des Dreschlohnes. Die Zinsen des Anlagekapitals für die Maschine kommen mehr als reichlich heraus durch die größere Reinheit des Dreschens. Es hat aber eine solche Ma­schine nur Sinn auf einem großen Grundkomplex, auf dem sie den größeren Theil des Jahres gebraucht werden tann. Große, einheitlich bewirthschaftete Komplexe gestatten eine zweckentsprechende Nutzung der Ackergrundstücke nach ihrer natürlichen Beschaffenheit, während der kleine Besitzer auch ungeeignete Parzellen in seinen Schlagturnus hineinziehen muß. Sie geftatten die Anlage von großen Koppeln und Weideschlägen, das Anschonen und Anlegen von Wäldern auf Boden, den der kleine Besitzer durchaus beadern muß. Große Güter brauchen verhältnißmäßig wenig Gebäude und gestatten eine sparsamere Anlage als bei kleinen Gütern. Man kann besseres Vieh auf ihnen erzeugen, indem man für Veredelung der Raffe mehr aufwenden darf. Endlich kommt nun auch noch der Dampfpflug. Sehr bald werden wir so weit sein, daß mit dem Besitzer eines Dampfpfluges Niemand konkurriren kann. Mißernten find viel seltener auf tiefgelockertem Boden, die Ernten reichlicher genug, der Vortheile sind viele. Endlich hört der Versicherungszwang für ganz große Komplexe auf, indem niemals durch Hagel- oder Feuerschaden der ganze Ernteertrag oder die sämmtlichen Gebäude zerstört werden. Und zum Schluß sei noch erwähnt, daß die Kreditverhältnisse, sowohl für Immobiliarkredit, aber vielmehr noch für Personalkredit viel günstiger für den großen Besitzer sind als für den kleinen Mann. Genug: mir scheint, die Tage des kleinen Betriebes der sandwirthschaft sind gezählt; der fleine Grundbe­sit wird verschwinden, wie das Handwerk es thut. Ein Fehler also wäre es, ihn künstlich schaffen zu wollen."

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Soll aber damit etwa gesagt sein, daß wir mit verschränkten Armen zusehen sollen, wie das Ackerbauproletariat von Tag zu Tag zu­nimmt und das Proletariat der Industriestädte vermehren hilft? Mit nichten. Wie die gegenwärtige Produktionsweise den Kleinbetrieb über­flügelt und ihn immer unmöglicher macht, gibt es eine andere, höhere Produktionsform, die einst die kapitalistische Produktionsform überflügeln wird, und das ist die gesellschaftlich- tooperative( genossen­schaftliche) Produktion.

Wenn die Desterr. Monatsschrift für Gesellschaftswissenschaft" den Umstand hervorhebt, daß sich die Konferenz katholischer Sozialpolitiker ,, an dem Orte der segensreichen Wirksamkeit eines Mannes( Landeshaupt­mann Graf Chorinsky) befand, deffen eminente Kenntniß und tiefes Ver­ständniß für die soziale Gesetzgebung der Vergangenheit, deffen praktische Erfahrung in den agrarischen Zuständen neuerer Zeit geradezu als ein Unikum bezeichnet werden muß", dann sollte sie auch wissen, daß der Bauernstand, lange bevor der Kapitalismus auf die Weltbühne trat, von dem Adel und Klerus aus seinem Besitz verdrängt wurde. Einerseits zwangen die Normannenzüge, die ewigen Kriege der Großen einen freien Bauer nach dem andern, sich einen Schutzherrn zu suchen; anderseits zwangen ihn Adel und Kirche, theils durch Gewalt, theils durch Lift, einen Besitz abzutreten.

So schreibt selbst der katholische Sozialpolitiker Dr. E. Jäger in seiner Agrarfrage der Gegenwart":

Einst war der deutsche Bauer stolz auf seine Freiheit, stolz auf seine Unabhängigkeit gewesen; frei saß er auf seiner Väter Grund und Boden, und nahm im Gefühl seiner Selbstständigkeit Theil an den Volksversamm­lungen, welche über die Gesetzgebung und die übrigen öffentlichen Ange­legenheiten entschieden.... Jetzt aber( d. i. zur Zeit der Karolinger ) wirkten fast alle Einrichtungen darauf hin, diesen Stand der gemeinen Freien in feudale Abhängigkeit von den Großgrund­besitzern, dem Adel, den Klöstern und Bischöfen zu drängen.... Besonders zahlreich begab sich der kleine Bauer in die Abhängigkeit von der Geistlichkeit, so daß die Kirche rasch großen Grund­besitz erhielt..... Wo aber der Bauer zögerte, sich dem mächtigen Nachbar zu unterwerfen, da wurde dem Widerwilligen so lange zugesezt, bis er nach gab, seinem Peiniger den Hof schenkte und ihn sich von demselben wieder als Lehen, mit Diensten und Ab­gaben belastet, zurüderbat."

So ward der Bauer aus einem freien Mann in einen zinszahlenden und frohnenden Hörigen oder gar Leibeigenen verwandelt, der immer härter bedrückt wurde.

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Anfangs" sagt Jäger weiter ,, hatte man diesen( den Bauern) die Uebergabe ihrer Güter, den Verzicht auf ihre Freiheit leicht gemacht, einmal aber im Netze der Feudalabhängigkeit, wurde dieses immer enger zugezogen und der Bauer oft furchtbar gedrückt und ausgeplündert. Gegen diese Räubereien und Plackereien lehnten sich die Bauern in immer häufiger werdenden Aufständen auf, bis endlich der große Bauerntrieg ausbrach, nach dessen Unterdrückung die Bauern überall leibeigen

wurden."

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Wollen also Adel und Klerus dem Bauernstand wirklich aufhelfen, so brauchen sie nichts Anderes zu thun, als ihr altes Unrecht wieder gut zu machen, d. h. ihren Besitz, der ehemals allen Bauern der Markgenoffen­schaft gehörte Näheres hierüber im Anhang zur Entwicklung des Sozialismus von Fr. Engels tooperativen Ackerbau­genossenschaften zuzuführen. Das würden wenigftens die ewigen Moralgefege" erfordern, worauf sich die Herren katholischen Sozialpolitiker gar so gerne berufen.

Alles Andere ist eitel Humbug!

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Sozialwirthschaftliche Skizzen.

I. Bom Südharz.

L. Fr.

Nicht eine spezialisirte Darstellung der industriellen Verhältnisse, sondern ein mit einigen Strichen umrissenes Situationsbild will ich geben. Bleicherode , an der Halle- Kaffeler Bahn gelegen, ist der Sitz einer bedeutenden Leinen und Baumwollenindustrie. Nicht allein für den größten Theil der Einwohner ist direkt oder mittelbar dieselbe zur Existenz­bafis geworden, sie hat auch die umliegenden Orte tributpflichtig ge­macht. Die schönen fruchtbaren Abhänge des Südharzes sind von Dör­fern besetzt, deren Bewohner in hohem Prozentsazz aus Webern bestehen. Es ist auch bei uns die dem Industrialismus eingeborene Neigung handgreiflich zu fühlen, die Kleingrundbefizer und Zwergkapitalisten zu entkapitalisiren und sie zu Rekruten der kapitallosen Arbeiterarmee zu machen. Man fann mit statistischer Genauigkeit den Hergang verfolgen. In dem reichsten Dorf bei Bleicherode , in Oberdorf z. B., hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte die Zahl der Großbauern vermindert; entweder sind ihre Güter vom Großgrundbesitz aufgeschluckt oder sie sind in einzelne Parzellen ausgeschlachtet worden. Der Rest wird über kurz oder lang denselben Weg gehen. Die bereits aus der Reihe der Bauern­gutsbesitzer Getretenen ziehen entweder als kleine Rentiers in die Städte; find Kinder vorhanden, so wird durch Vermögenstheilung daffelbe zer­splittert und das Proletariat früher oder später dadurch einen Zuwachs erhalten oder sie wenden sich mit dem Kauftapital der Jndustrie zu; sei es daß fie Arbeiter beschäftigen, sei es daß sie einen Handel mit fertigen Waaren nach auswärts betreiben.

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Gerade in diesem Dorfe ist der Uebergang von einer klassischen An­schaulichkeit. Es gibt hier Webereibefizer, die neben der Fabrikation noch eine ziemlich große Aderwirthschaft selbstständig betreiben, andere, die nur noch für ihren eigenen Bedarf landwirthschaftlich produziren, und endlich solche, die ihre Grundstücke in Pacht gegeben haben: drei Phasen, in denen sich die Vorwärtsbewegung zur allein betriebenen Fabrikthätigkeit offenbart. Die kleinen Bauern, die Häusler und ländlichen Arbeiter ver­fallen mit unerbittlicher Nothwendigkeit dem Moloch der Industrie. Ihr Grundeigenthum wird ihnen nach und nach enteignet, da sie die Kontur­renz der größeren Besitzer auf dem Markt nicht aushalten können; es unterliegt der Handbetrieb dem modernen Maschinenbetrieb. Hypothet auf Hypothek wird aufgenommen, und eines Tages ist der Kleinbauer sub­haftirt oder muß um jeden Preis an die großen Güter sein Stück Land losschlagen. Was bleibt ihm anders übrig als der Eintritt in die Reihen des ländlichen Proletariats oder der Fabrikarbeiter.

In Oberdorf gibt es nun eine Anzahl von Webern, die mit 4-10 und noch mehr Stühlen arbeiten; dann kommt das Gros der kleinen, so­genannten selbstständigen Weber, die den Leinewandkönigen in Bleicherode sammt und sonders frohnpflichtig find?

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Je mehr also durch die oben entwickelten Vorgänge die Zahl dieser letzteren wächst, und sie steigt in geometrischer Progression, desto größer wird das Angebot von Händen, und die hiesigen Fabrikanten haben es wohl verstanden, die Verhältnisse zu ihrem Vortheile auszunuzen. Die Ausbeutung der Arbeitskräfte ist eine ganz systematische. Die Löhne ich diene das nächste Mal mit Zahlen find in unserem herrlichen Thale erbärmlich und die Arbeiter sind völlig in den Händen ihrer Herren, welche durch Vorschüsse sie ganz an sich fesseln. Wie dann diese Hörigkeit ausgebeutet wird, ist klar. Abzüge bei der Abrechnung, schlechtes Meffen der abgelieferten Waare, Chikaniren bei etwaigem schwachen Widerspruch durch Auffinden minimalfter Fehler" find an der Tages­ordnung.

Die üblen Folgen für die wirthschaftliche Lebenshaltung der Bevölke rung machen sich Schritt für Schritt geltend. Die schlechtgenährten Weber find ein vortreffliches Material für das Entstehen erblicher Krankheiten und die Erzeugung einer heruntergekommenen Nachkommenschaft. Jetzt lassen sich die Wirkungen natürlich noch nicht so klar erkennen, wie viel­leicht nach Jahrzehnten, wenn der Industrialismus hier ausschließlich die Herrschaft gewonnen hat. Daß aber die Nothlage wirklich vorhanden ift, dafür sind verschiedene symptomatische Erscheinungen der beste Beweis. Wenn die ländliche Bevölkerung sich vom Ackerbau abwendet und den Fa­briken zuströmt, ist stets eine Unterbilanz im volkswirthschaftlichen Haus­halte anzunehmen.(? Die Red.) Nun besteht bei Oberdorf ein großes Fa­briketablissement, Mühlenwert, Weberei 2c., dessen Befizer ein fleißiger Kirch­gänger und noch eifrigerer Arbeiter für die tonservative Sache ist, und die Kinder- und Frauenarbeit fich vollauf zu Nutzen gemacht hat, also selbstverständlich billig produzirt. Dorthin strömen die arbeitsuchenden Dörfler in Schaaren, und die Konsequenz ist: Ueberschußbevölkerung in der schlimmsten Weise. Die dauernde Beschäftigung lockt, und die Jammer­löhne werden von den Arbeitern ohne Murren genommen.

Auf der anderen Seite steht die landwirthschaftliche Großproduktion mit Fabritbetrieb. Namentlich hat der bekannte Kommerzienrath Schrei ber aus Nordhausen sich um dieselbe ein großes Verdienst erworben. Die von seinen Söhnen bewirthschafteten Güter benutzen in ausgedehnter Weise die Maschinenkräfte und brechen dadurch nach und nach die groß­bäuerlichen Existenzen. Es ist ja eine volkswirthschaftliche Thatsache, daß die Kleinen expropriirt werden, und wir konstatiren sie, als für sich sprechend, ohne Gloffe.

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Der Zuderrübenbau wird im Großen betrieben, und was die Fabrik und Webereien an Händen nicht brauchen, wird zur Lohnarbeit auf den Gütern herangezogen trot erbärmlicher Bezahlung, drakonisch strenger Arbeitsordnung, trotz durchgehenden Mangels einer Kündigungsfrist, weil das ganze Jahr hindurch gearbeitet wird. Ich versichere Sie und die Belege find sofort zu erbringen, daß die Großbauern, trotzdem sie bei Weitem höhere Löhne zahlen, zur Zeit der Feldarbeiten oft in Ver­legenheit wegen Arbeitermangel kommen. Großindustrie und Großgrund­besitz im frohen Vereine reichen sich die Hände, und der Arbeiter muß fich geduldig in sein Schicksal fügen. Dies Letztere ist nicht wunderbar, wenn man erwägt, daß der schwerfällige Bauerncharakter nicht so rasch einer Umänderung unterliegt wie die bewegliche Natur der Städter. Die große Masse ist politisch ganz indifferent. Wir haben hier Konservative und Liberale, lettere in mehrfachen Schattirungen, und ziemlich viel Fortschrittler. Man weiß aber, wie's bei den Wahlen gemacht wird. Die Städte, Bleicherode und Nordhausen , be­arbeiten den Bruder Bauer, und einige rührige Köpfe gibt's ja immer, die die beliebte Bierbankpolitik in den Schenken treiben. Stimmvieh, nichts als Stimmvieh braucht man, und dem Leithammel folgt die Heerde. Die ganze behördliche Maschinerie wird, wohlverstanden, offiziös in Anwendung gebracht: Landrath, Ortsschulze, Gensdarm die ein­gesetzte Obrigkeit ist zu ehren und der durchaus konservative Groß­grundbesitz, der seine Untergebenen an die Wahlurne treibt- nolentes, volentes.

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Bei den letzten preußischen Landtagwahlen wurde der Regierungskan­didat, ein Sohn des Kommerzienrathes Schreiber, durchgedrückt. Dabei pafsirte in Oberdorf eine ergötzliche Geschichte. Das gute Dorf hatte bisher liberal gewählt, und auch von den dortigen Fortschrittlern wurde ein Vertrauensmann durchgebracht. Frohlockend ziehen die ländlichen Liberalen nach Nordhausen zu Freibier und zur Wahl. Der Vertrauens­mann aus Oberndorf wird aufgerufen, tritt vor und nennt den Namen fonservativen Kandidaten. Tableau!

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Sozialpolitische Rundschau.

3ürich, 12. September 1883. Ein Tag der Arbeit in des Wortes voller Bedeutung ist es, über den wir heute in erster Linie zu berichten haben. Der 9. Sep­tember 1883 wird nicht nur in der Geschichte der schweizerischen Arbeiter­bewegung, sondern auch in den Annalen der großen internationalen Bewegung zur Befreiung des Proletariats einen hervorragenden Platz einnehmen. Was die Einberufer des schweizerischen Arbeiter- tages zu hoffen kaum gewagt, das ist erreicht, ja übertroffen worden: Ein Bund ist geschaffen worden, der sämmtliche Vereinigungen in der Schweiz , welche die Befreiung der Arbeit auf ihre Fahne ge­schrieben haben, zu gemeinsamem Wirken zu verbinden geeignet ist, ohne sie in ihrem besonderen Wirkungskreis zu stören ein Bund, der nicht beruht auf einem neuen Dogma, der keine neue alleinseligmachende Heils­lebre proklamirt, sondern der einzig und allein beruht auf der Erkenntniß der Solidarität der Arbeiterinteressen!

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Mehr als 170 Delegirte von Arbeiterorganisationen waren es, welche auf die Frage: Wollt Ihr, daß eine solche Vereinigung geschaffen werde? einstimmig mit Ja! antworteten. Die Vertreter der Grütlivereine, welche man gewöhnlich als den rechten Flügel der schweizerischen Arbeiter­bewegung zu bezeichnen pflegt, was aber bei den Verhandlungen durch­aus nicht zu merken war, reichten den Delegirten der deutschen Sozial­demokratie rückhaltlos die Bruderhand, die Vertreter der deutschen Ar­beitervereine in der Schweiz , des schweizerischen Gewerkschaftsbundes fie alle schlugen begeistert ein- es war in Wahrheit ein internationales Berbrüderungsfest, welches im Schwurgerichtssaal zu Zürich , den der zürcherische Regierungsrath anerkennenswerther Weise zur Verfügung gestellt hatte, gefeiert wurde!

Mit kurzen Worten er öffnete der Präfident des Organisationskomite's Bodmer zur festgesetzten Zeit den Arbeitertag, zu dessen Ehren die

Gesangvereine des Grütlivereins und des deutschen Arbeitervereins je ein Begrüßungslied vortrugen. Dann ward das Bureau bestellt, und zwar aus den Genossen Conzett und Bernstein ( Vorsitzende), Vogel­sanger, Redakteur des Grütlianer", Mettier, Bächtold, Mit­glied des Berner Verfassungsrathes,( Schriftführer).

Einen eingehenden Bericht über die hochinteressanten Debatten des Tages müffen wir uns leider mit Rücksicht auf den beschränkten Raum unferes Blattes versagen. Kernig wies Conzett im Einleitungs­referat nach, daß die Lage der Arbeiter in der republikanischen Schweiz in materieller Beziehung keineswegs besser sei, als in den monarchischen Ländern, daß die Herrschaft des Kapitals, die international sei, auch hier auf dem Volke lafte, und daß daher die schweizerische Arbeiterschaft vor dieselbe Aufgabe sich gestellt sehe wie die Arbeiterschaft anderwärts. Sie müsse lernen, die politischen Rechte zur Erkämpfung der sozialen Befreiung auszunuzen. Nicht zum brutalen Kampf mit Dynamit und Petroleum rufe er die Arbeiter auf, es gelte den Kampf mit den Waffen der Belehrung, der Ueberzeugung, der Organisation. So lange wir auf dem Boden des Gesetzes wirken können, ziehen wir diesen Kampf vor, wenn man aber versuchen sollte, uns außerhalb des Gesetzes zu stellen, dann werden wir zeigen, daß wir das Wetterligewehr zu gebrauchen verstehen!" Alsdann entwickelte Conzett die Grundzüge, wie das Orga­nisationskomite des Arbeitertages sich die neuzuschaffende Vereinigung vor­stelle. Er schloß unter großem Beifall mit den Worten: Proleta rier aller Länder, vereinigt Euch!

Als Vertreter der deutschen Arbeiter in der Schweiz hielt nunmehr Genosse Tauscher im gleichen Sinne wie Conzett eine kräftige An­sprache zur Vereinigung im Kampf für Freiheit und Brod!"

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Die Debatte über die Organisationsfrage war schnell erledigt, da wie wir bereits oben erwähnt, prinzipielle Einstimmigkeit herrschte. Wenn fich in Spezialfragen eine Minderheit zeigte, dann war es, weil sie mehr geben wollte, als verlangt wurde. Beschlossen wurde Folgendes:

Es wird ein Verband der in der Schweiz bestehenden Arbeiterver­einigungen geschlossen, der seinen Ausdruck in einem aus Vertretern der fünf bestehenden Landesorganisationen zu bildenden Komite findet. Das­selbe wird, wie später festgestellt wurde, den Titel Aktionskomite des schweizerischen Arbeitertags" führen. Jede Organisation, die sich diesem Verbande anschließt, zahlt pro Mitglied einen Beitrag von 5 Centimes per Vierteljahr. Als Vorort, bezw. Sitz dieses Komites ward mit bei­nahe Stimmeneinheit Zürich bestimmt. Dem Komite obliegt die Für­forge für gemeinsame Agitation im Sinne der Beschliffe des Arbeiter­tages.

Den zweiten Theil der Verhandlungen bildete eine Anzahl von Refe­raten über verschiedene wichtige Fragen auf dem Gebiet der Arbeits­gesetzgebung. Wir werden auf dieselben in nächster Nummer zurüc tommen; für heute sei nur noch des trefflichen Vortrages des National­raths, Profeffor Vögelin, gedacht, der das Schicksal der s. 3. auf Antrag des Oberst Frei an die verschiedenen europäischen Regierungen ergangenen Anfrage des schweizerischen Bundesrathes, die Anbahnung ein er internationalen Fabrikgesetzgebung betreffend, in sarkastischer Weise beleuchtete, und eine Resolution empfahl, die den Bundesrath auffordert, die Anfrage zu wiederholen ,,, damit die Sache nicht einschlafe". Um dem Bundesrath dabei in die Hand zu arbeiten, und dafür zu sorgen, daß die betr. Regierungen sich weniger spröde" zeigen mögen, beschloß der Arbeitertag neben dieser Resolution eine zweite, welche das Aktions­tomite des Arbeitertags beauftragt, mit den Arbeiterorganisationen an derer Länder behuss nachhaltiger Agitation zu diesem Zwecke in Ver bindung zu treten.

Von ähnlichem Geiste zeugten die übrigen Resolutionen, und um über den Geist, der die Versammlung beseelte, teinen Zweifel aufkommen zu laffen, drückte sie zum Schluß einstimmig den Freiheitskämpfern in allen Ländern ihre volle Sympathie aus.

Soviel für heute. Wir schließen mit dem Wunsche, daß der neu­geschaffene Bund sich kräftig entwickeln und der Arbeiterschaft in der Schweiz ein mächtiger Rückhalt werden möge in ihrem Kampfe gegen Ausbeutung und Willkür, in ihrem Streben auf Erringung der vollen Freiheit und Gleichheit in wirthschaftlicher wie in politischer Be­ziehung.

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Im Anschluß an den Arbeitertag fand auch eine Konferenz der Mitgliedschaften der deutschen Sozialdemokratie in der Schweiz statt. Dieselbe war gleichfalls sehr gut besucht nur ein Ort war nicht vertreten. Das Werk der Organisation ward neu befestigt, und wurden verschiedene wichtige Beschlüsse in Bezug auf die Rege­lung des Unterstützungswesens gefaßt. Einstimmig wurde beschlossen, die Genossen im Reich im bevorstehenden Wahlkampf, so weit es nur irgend möglich, durch Ausbringung von Geldmitteln zu unterstützen, und einigte man sich über verschiedene Maßnahmen zu diesem Zwecke. Nach mehr­ftündiger Berathung trennten sich die Delegirten unter dem Gesang der Marseillaise und einem Hoch auf unsere Genossen in Deutschland .

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- Der frivole Hezartikel der Norddeutschen Att gemeinen" gegen Frankreich hätte von Rechtswegen im deut­ schen Reichstag besprochen, und dem deutschen Volke von der dortigen Tribüne herab das frevelhafte Spiel denunzirt werden sollen, welches gewissenlose Politiker mit ihm treiben. Aber", schreibt uns einer unserer Abgeordneten, es ging nicht". Die Reichsboten wollten so schnell als möglich wieder fort, keine Fraktion hätte zu einer Interpellation- die einzig mögliche Form, die Sache diesmal zur Sprache zu bringen ihre Unterschriften gegeben, und zu einer Interpellation gehören nicht wie zu einem einfachen Antrag 15, sondern doppelt so viel: 30 Unter­schriften. Diese Abneigung des Reichstags, sich mit andern Gegenstän­den zu befassen, schloß auch die Hoffnung aus, eine Diskussion über den Leipziger Belagerungszustand zu erwirken. Keine andere Partei hätte ein Wort gesagt, und für die sächsische Regierung wäre dies entschieden ein Triumph gewesen. Indeß war das nicht der aus­fchlaggebende Grund, warum unsere Abgeordneten von einer Debatte absaben. Bestimmt wurden dieselben durch den Mangel an positivem Material. Auf die Denkschrift" selbst zu antworten, hatte schon deshalb keinen Sinn, weil sie absolut inhaltlos ist, blos frither Gesagtes wiederholt und sich im übrigen mit allgemeinen Phrasen be­gnügt. Um in würdiger Weise zu antworten, mußte man, die Verthei­digung verschmähend, überwältigendes Anklagematerial gegen die Regierung vorbringen. Dazu fehlte es aber an Zeit. Niemand hatte an den Leipziger Belagerungszustand gedacht. Der Regierung selbst fiel es erst am 30. Auguft ein, daß nach dem Buchstaben des Sozialistenge­setzes die Denkschrift" dem Reichstag in dieser Session als der näch­ften" vorgelegt werden mußte. Die Session sollte das war ausge macht bereits am 1. September geschlossen worden. Bis dahin war aber das, massenhaft vorhandene, Material nicht zur Stelle zu schaffen. Da es unserer Partei nicht geziemt hätte, den Mangel an Thatsachen durch Gemeinpläge" und Phrasen zu verdecken, so blieb weiter nichts übrig als eine Kollektiverklärung, wie die am 1. September abgegebene. Von einer Debatte konnte übrigens um so leichter abge­standen werden, weil der Leipziger Belagerungszustand bemnächst im sächsischen Landtag, sei es in Form einer Jnterpellation oder bei der regelmäßigen Budgetberathung zur Sprache tommen wird.

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Betreffe der Vertheilung der Ueberschwem­mungsgelder, welche unserer Partei von amerikanischen Genossen übergeben worden find, ging neulich durch die nationalliberale Preffe eine Notiz, dahin lautend, diese Gelder würden in der parteiischsten Weise vertheilt, wer nicht Sozialdemokrat sei, erhalte nichts, das propagandistische Intereffe sei maßgebend. Und hieran wurden dann allerlei boshafte Be

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