für einen Zustand, der seinem bisherigen Wesen so grund­sätzlich widerspricht!

Also keine Täuschung über unser Endziel, aber auch keinen Irrthum über den Weg zu diesem Ziel!

Er heißt: die Macht im Staat erobern.

Leo.

Landes eine kräftige Organisation der Arbeiterklasse nicht ermöglichen. Was nügt den Arbeitern da die politische Freiheit, wo die Arbeitgeber durch besondere Umstände in den Stand gesezt sind, jede Organisation der Arbeiter zu verhindern? Wie, fragen wir, sollen die Arbeiter die Mittel zu einer kräftigen Organisation erübrigen, wo die Ausbeutung, durch keinerlei Gesetze eingeschränkt, die Löhne auf das denkbar geringe Niveau herabdrückt unter Ausdehnung der Arbeitszeit auf ein uner­hörtes Maximum, wo die Frauen- und Kinderarbeit immer mehr um sich greift? Mit Bewunderung blicken wir auf die mächtigen Organi­

An die organisirten Arbeiter aller Länder! fationen unserer englischen Brüder, aber wenn sie uns durch den Mund

Genossen! Brüder!

Am 9. September d. J. versammelten sich in Zürich   die Delegirten von 250 Arbeitervereinen der Schweiz  , 176 an Zahl, als Allgemeiner schweizerischer Arbeitertag, um über die Lage der Arbeiter in der Schweiz  , sowie über diejenigen Maßregeln zu berathen, welche in erster Linie erforderlich sind, den Uebelständen, unter denen die Arbeiterklasse leidet, abzuhelfen.

Einstimmig waren die Delegirten der Ansicht, daß unter der Herr­schaft des bestehenden Systems der kapitalistischen   Ausbeutung und des internationalen Konkurrenzkampfes eine wirksame Fabrikgesetzgebung zum Schuße der wirthschaftlich Schwachen, der Arbeiterklasse, gegen die wirthschaftlich Starken, die Kapitalisten, eine unbedingte Nothwendigkeit sei, und daß die Fabrikgesetzgebung nur dann den Anforderungen, welche die Arbeiter an sie zu stellen das Recht und die Pflicht haben, ent­sprochen werde, wenn sie eine internationale, auf alle Länder, in denen die moderne Produktionsweise herrscht, sich erstreckende sein

wird.

Von dieser Ueberzeugung durchbrungen, nahmen die Delgirten der organisirten schweizerischen Arbeiterschaft folgende zwei Resolutionen an:

1. ,, Der schweizerische Arbeitertag ersucht den Bundesrath, die Unter­handlungen mit den hauptsächlichsten Industriestaaten zum Zwede der Anbahnung einer internationalen Fabrikgesetzgebung weiter fort­zuführen und jenen Staaten bestimmte Vorschläge in Sachen vorzu­OTER Tegen."

2. ,, Der Arbeitertag fordert das Aktionskomite auf, mit den Arbeiterparteien anderer Länder behufs gemeinsamer Agitation für die internationale Fabrikgesetzgebung iu Verbindung zu treten." Dieser lettere Beschluß ist es, der das unterzeichnete Komite veranlaßt, das vorliegende Rundschreiben an Euch zu richten. Denn mit unseren Mandatgebern sind wir der Ansicht, daß nur wenn die Arbeiterklasse der verschiedenen Länder im gleichen Sinne ihre Stimme erhebt, auch die Regierungen und Volksvertretungen auf die Erörterung dieser so wich­tigen Frage eintreten werden.

Mit großer Spannung sahen wir deshalb der internationalen Konferenz entgegen, welche auf Ende Oktober von dem Nationalkomite der sozia­zialistisch- revolutionären Arbeiterpartei Frankreichs   nach Paris   einberufen war, und auf deren Tagesordnung gleichfalls diese Frage der inter­nationalen Arbeitsgesetzgebung figurirte. Leider aber hat diese Kon­ferenz, an der außer den Delegirten der einladenden Partei Delegirte der englischen   Trades- Unions, drei Delegirte eines großen Theils der italienischen und drei Delegirte spanischer sozialistischer Arbeiter Theil nahmen, ein der Sache keineswegs förderliches Resultat ergeben. Unter dem Einfluß der englischen Delegirten ward, trotzdem die Vertreter der anderen Nationalitäten sich für eine internationale Arbeitsgesetzgebung erklärt hatten, folgende Resolution angenommen:

,, Die Konferenz ist der Ansicht, daß das Hauptziel ist, die Arbeits­zeit zu beschränken und die Lage der Arbeiter aller Länder er= träglicher zu gestalten. Zwei Mittel gibt es, dieses Ziel zu erreichen: Die Gesetzgebung für Diejenigen, welche zu schwach sind, sich gegen die üblen Folgen des Systems der Konkurrenz zu vertheidigen; und die Organisation der einigen und disziplinirten Arbeiter. Angesichts der Thatsache, daß in gewissen Ländern die Organisation durch un­gerechte Gesetze unmöglich gemacht ist, ist es die Pflicht der Arbeiter aller Länder, alle ihre Anstrengungen gegen die Gesetze zu richten, welche die nationale und internationale Gesetzgebung einschränken, die nothwendig ist, um das oben bezeichnete Ziel wie sämmtliche der Arbeiterklasse günstigen Verbesserungen zu erlangen." Diese Resolution, werthe Genossen, verlegt die Frage auf ein durchaus anderes Gebiet, nämlich auf das der politischen Gesetzgebung. So richtig So richtig es nun ist, daß alle die Arbeiterorganisation hemmenden Gesetze mit äußerster Energie zu bekämpfen sind, so müssen wir es doch als einen bebauernswerthen Irrthum bezeichnen, nur in diesen Gesetzen die Schutz­losigkeit der Arbeiterklasse zu erblicken. Selbst unter den freiesten poli­tischen Einrichtungen ist es den Arbeitern oft nicht möglich, mittels ihrer Organisation die nothwendig gewordenen Schutzmaßregeln zu er­kämpfen, wenn die allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnisse des betreffenden

Feuilleton.

Das Recht auf Faulheit.

II.

Der Segen" der Arbeit.

"

Im Jahre 1770 erschien in London   eine anonyme Schrift, betitelt: An essay on trade and commerce"( Ein Essai   über Industrie und Handel), die zu ihrer Zeit ein gewiffes Aufsehen machte. Ihr Verfasser, ein großer Philanthrop, erboste sich darüber, daß der englische   Manu­fakturpöbel es sich in den Kopf gesetzt, daß ihm als Engländer durch das Recht der Geburt das Privilegium zukommt, freier und unabhängiger zu sein als das Arbeitervolk in irgend einem Lande von Europa  ." Nun, fährt der Biedermann fort, diese Idee, soweit sie auf die Tapferkeit unserer Soldaten einwirkt, mag von einigem Nußen sein; aber je weniger die Manufakturarbeiter davon haben, desto besser für sie selbst und für den Staat. Arbeiter sollten sich nie für unabhängig von ihren Vor­gesetzten halten.... Es ist außerordentlich gefährlich, Mobs in einem kom­merziellen Staat wie dem unserigen zu ermuthigen, wo vielleicht sieben Theile von der Gesammtbevölkerung Leute mit wenig oder keinem Eigen­thum sind.... Die Kur wird nicht vollständig sein, bis unsere indu­striellen Armen sich bescheiden, 6 Tage für dieselbe Summe zu arbeiten, die sie jetzt in 4 Tagen verdienen."

So predigte man bereits hundert Jahre vor Guizot die Arbeit als einen Zügel für die edleren menschlichen Leidenschaften. Je mehr meine Völker arbeiten, um so weniger Laster wird es geben", schrieb Napoleon  am 5. Mai 1807 aus Osterode.  ( Begeisterte ihn die Lage der dor­Ich bin die Autorität, tigen Landsklaven zu seinem Ausspruch?)

und ich wäre geneigt zu verfügen, daß Sonntags nach vollzogenem Gottesdienst die Läden wieder geöffnet werden und die Arbeiter wieder ihrer Beschäftigung nachgehen sollen." Um die Faulheit auszurotten und um den Stolz und Unabhängigkeitssinn zu beugen, schlug der Verfasser des Essais   über Industrie 2c." vor, die Armen in ideale Ar­beitshäuser"( ideal workhouses) einzusperren, die Häuser des Schreckens sein müßten, in denen man 14 Stunden pro Tag in der Weise arbeiten solle, daß nach Abzug der Mahlzeiten volle 12 Arbeits­stunden übrig bleiben.

12 Arbeitsstunden pro Tag, das Jdeal der Philanthropen und Mora­listen des 18. Jahrhunderts! Wie weit sind wir über dieses non plus ultra hinaus! Die modernen Werkstätten sind ideale Zuchthäuser geworden, in welche man die Arbeitermassen einsperrt, und in denen man nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen und Kinder zu zwölf- und vierzehnstündiger Zwangsarbeit verdammt.*)

*) Auf dem ersten europäischen Wohlthätigkeitskongreß( Brüssel 1857) erzählte ein Herr Scrive, einer der reichsten Manufakturisten von

ihrer Delegirten zurufen: Macht es uns gleich! Dann müssen wir ihnen zur Antwort geben, daß sie nicht vergessen mögen, daß die Basis ihrer mächtigen Drganisationen zu einer Zeit gelegt wurde, wo England einer

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fast unbeschränkten Suprematie auf dem Weltmarkte sich erfreute, wo immer neue Absatzgebiete seine Erzeugnisse aufnahmen. Und trotz dieser relativ günstigen Verhältnisse ist es in diesem Lande dahin gekommen, daß während in dem Zeitraum von 1861-1868 die Zahl der Arbeiter männliche und weibliche) die in den dem Fabrikgesetz unterstellten Fabriken thätig waren, von 775,534 auf 857,964 stieg, die Zahl der betr. männlichen Arbeiter im gleichen Zeitraum von 467,261 auf 332,810 gefallen ist, während die Zahl der in diesem Zeitraum beschäftigten Frauen von 308,273 auf 525,124 anwuchs. Wo ist der Ueberschuß der Männer geblieben? Sie sind größtentheils ausgewandert, um ihren zurückgebliebenen Kameraden von jenseits des Ozeans her Konkurrenz zu machen. Aber die Zeiten, wo die Auswanderung nach Amerika   im ge­wissen Sinne regulirend auf den industriellen Arbeitsmarkt in Europa  zu wirken vermochte und wie wir gesehen haben, durchaus nicht im Interesse der Arbeiterklasse, sie gehören nachgerade der Vergangenheit an. Auch Amerika   hat seine Großindustrie und in ihrem Gefolge die großartigsten Arbeitsstockungen. Schon haben wir gesehen, wie hinüber­gewanderte Industriearbeiter nach Europa   zurückkehren mußten, weil sie drüben noch schlechtere Arbeitsverhältnisse, noch größeres Arbeits­angebot vorfanden, als sie in der Heimath zurückgelassen. Die Supre­matie Englands auf dem Weltmarkte ist im Schwinden begriffen an gesichts der wachsenden industriellen Entwickelung der übrigen Länder, aber dieses Wachsthum der Industrie ward, weil es sich im mörderischen Konkurrenzkampfe entwickelte, nicht von einer Verbesserung der Arbeiter­verhältnisse begleitet, sondern von einer Verschlechterung. Die allgemeine Tendenz der kapitalistischen   Produktionsweise ist auf Verringerung der Produktionskosten gerichtet, und wo dies nicht durch Einführung neuer Maschinen geht, da sind es die Arbeiter, auf welche die Kosten des Konkurrenzkampfes abgewälzt werden.

Jm Konkurrenzkampf mit der bereits entwickelten englischen Groß­industrie gingen die selbständigen Weber in Sachsen   und Schlesien  schaarenweis zu Grunde, denn die englische Konkurrenz drückte ihr Einkommen auf ein Niveau von bis unter einer Mark pro Tag bei 14-17stündiger Arbeitszeit. Heute sind sie ruinirt und gehen als Ar­beiter in die seitdem entstandenen Fabriken, aber ihre Löhne sind unter dem Einfluß der internationalen Konkurrenz und der steigenden Frauen­und Kinderarbeit auf demselben Niveau geblieben. Wie will man von diesen Proletariern, die außerdem in kürzesten Zwischenräumen unter den in ihrer Branche eintretenden Stockungen zu leiden haben, verlangen, daß sie sich Gewerkvereine gründen sollen mit Millionen von Mark als Reservefonds?

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und wir Nein, Genossen, was den englischen Arbeitern möglich war das erkennen es hoch an, daß sie die Gelegenheit so trefflich ausnutten ist heutzutage nur einer verhältnißmäßig geringen Anzahl von euro­ päischen   Arbeitern möglich, die große Masse vermag sich auf diese Weise -selbst die politische Freiheit vorausgesetzt nicht zu helfen. Die nationale Arbeitsgesetzgebung aber stößt selbst da, wo sie ernsthaft versucht wird, auf den Widerspruch seitens der Fabrikanten, daß die internationale Konkurrenz die geforderten Schuhmaßregeln nicht vertrage.

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Noch kürzlich hat im deutschen Reichstage Fürst Bismarck mit diesem Vorwande die Einführung gewisser Schußmaßregeln bekämpft; in der Gewerbeenquetekommission des österreichischen Reichsrathes spielten die Fabrikanten selbst den bescheidensten Forderungen auf Arbeiterschutz gegenüber diesen Trumpf aus; und auch in der Schweiz  , wo die Arbeiter­Klasse eine Fabrikgesetzgebung erfämpft hat, welche wohl die beste aller bestehenden genannt zu werden verdient, wird unter dieser Parole auf Beseitigung oder Außerwirksamkeitsetzung derselben hingearbeitet. Was kann die Arbeiterklasse unter solchen Umständen anders thun, so lange sie nicht im Stande ist, dem ganzen heutigen Wirthschaftssystem ein Ende zu bereiten, als die Nothwendigkeit einer internationalen Fabriksgesetzgebung zu betonen? Und ist diese Forderung denn so unerhört? Sehen wir nicht eine ganze Reihe internationaler Ver­träge sich vollziehen, welche den Interessen der herrschenden Klasse dienen,

Und die Söhne des Schreckenshelden haben sich durch die Religion der Arbeit so weit degradiren lassen, daß sie 1848 das Gesetz, welches die Arbeit in den Fabriken auf 12 Stunden täglich beschränkte, als eine revolutionäre Errungenschaft entgegennahmen; sie proklamirten das Recht auf Arbeit als ein revolutionäres Prinzip. Schande über das französische   Proletariat! Sklaven nur sind einer solchen Erniedrigung fähig. 20 Jahre kapitalistischer Zivilisation müßte man aufwenden, um einem Griechen des Alterthums eine solche Entwürdigung begreiflich zu zu machen!

Und wenn die Leiden der Zwangsarbeit über das Proletariat herein­gebrochen sind, zahlreicher wie die Heuschrecken der Bibel, so ist es dieses selbst gewesen, das sie heraufbeschworen.

Dieselbe Arbeit, welche die Proletarier 1848 mit den Waffen in der Hand forderten, haben sie ihrer Familie auferlegt; sie haben ihre Frauen, ihre Kinder den Fabrifbaronen ausgeliefert. Mit eigener Hand haben sie ihre häuslichen Herde zerstört, mit eigener Hand die Brüste ihrer Frauen trocken gelegt. Schwangere und stillende Frauen ließen sie in die Fabriken, in die Bergwerke gehen, wo dieselben ihre Nerven zer rütteten, ihr Rückgrat marterten; mit eigener Hand haben sie das Leben und die Lebenskraft ihrer Kinder untergraben. Schande üder Euch, Proletarier! Wo sind jene Fraubasen hin mit feckem Mundwerk, frischem Humor und der Liebe zur göttlichen Flasche, von denen unsere alten Märchen und Erzählungen berichten? Wo sind die Uebermüthigen, die, stets kochend, stets herumtrippelnd, Leben säend, wenn sie sich dem Ge­nusse hingaben, ohne Schmerzen gesunde und kräftige Junge zur Welt brachten? Heute haben wir Frauen und Mädchen aus der Fabrik, ver­kümmerte Blumen mit blassem Teint, mit Blut ohne Röthe, mit frankem Magen und erschöpften Gliedmassen. Ein gesundes Vergnügen ist ihnen unbekannt. Und die Kinder? 12 Stunden Arbeit für die Kinder! O Elend! Alle Jules Simon   von der Akademie der moralischen Wissen­schaften, alle tugendhaften Stöcker von der Geistlichkeit, hätten kein den Geist der Kinder mehr verdummendes, ihr Gemüth mehr verderbendes, ihren Organismus mehr zerrüttendes Lafter ersinnen können, als die Arbeit in der verpesteten Atmosphäre der kapitalistischen   Werkstätten!

Unser Jahrhundert wird das Jahrhundert der Arbeit genannt; that­sächlich ist es das Jahrhundert des Schmerzes, des Glends und der Korruption.

Und doch haben die bürgerlichen Dekonomen und Philosophen, von dem langweilig konfusen August Comte bis zum lächerlich klaren

Verträge, deren Durchführung durchaus nicht leichter ist als die einer internationalen Fabriksgesetzgebung sein würde? Selbstverständlich kann es sich ja bei derselben nicht um bis ins kleinste Detail sich erstreckende gleichartige Vorschriften für alle Länder handeln, als vielmehr um gewisse generelle Bestimmungen durchgreifender Natur. Als solche würden wir zum Beispiel zunächst ins Auge fassen:

a) Einen Marimalarbeitstag, dessen Dauer nach unserer Ansicht mit acht Stunden bei einer Arbeitswoche von sechs Tagen ( wie er in verschiedenen Ländern in einzelnen Branchen bereits be­steht und sich vortrefflich bewährt hat, durchaus nicht zu hoch an­angesett wäre.)

b) Verbot der Kinderarbeit.

c) Beschränkung der Arbeit für Frauen und Minderjährige. d) Berbot gewisser gesundheitsschädlicher Betriebe und Fabrikations­arten.

Diese Vorschriften, international durchgeführt, würden nicht verfehlen, die moralische Kraft der Arbeiterklasse bedeutend zu erhöhen, würden sie in den Stand sehen, auch eine bessere Bezahlung, sowie alle jene Rechte zu erkämpfen, welche zu ihrer vollen Emanzipation unerläßlich sind. Ihre Durchführung ist möglich, ohne den Bestand der heutigen Gesell­schaft in Frage zu stellen; ihre Nothwendigkeit, soll die Arbeiterklasse, die Schöpferin aller Werthe, nicht physisch und moralisch zu Grunde gehen, ist unleugbar; sie verweigern unter welchen Ausflüchten immer, heißt nichts anderes als das Zugeständniß, daß die herrschenden Klassen über­haupt keine durchgreifende Besserung der Lage der arbeitenden Klassen

wollen.

So lange aber die organisirten Arbeiter aller Länder sich nicht auf­raffen, um einmüthig diese Forderung zu stellen, so lange sogar sich noch Arbeitervertreter finden, welche, ohne von ihren Mandatgebern auf das Entschiedenste desavouirt zu werden, diese Forderungen im Intereffe der Freiheit bekämpfen, einer Freiheit, die unter der Herrschaft des Kapitalismus nichts ist als die Freiheit des Ausbeutens und Ausgebeutet­werdens, so lange werden auch die herrschenden Klassen sich nicht ver­anlaßt sehen, ernsthafte Maßregeln im Interesse der Arbeiterklasse in die Hand zu nehmen.

Darum, Genossen aller Länder, wenden wir uns an Euch mit der Bitte, in unserem gemeinsamen Interesse die Frage der internatio nalen Arbeitsgesetzgebung nicht fallen zu lassen, sondern sie vielmehr eifrigst zu diskutiren, für sie, wo Ihr nur immer könnt, Eure Stimme zu erheben und sie als dringende Forderungen an Eure Regie­rungen zu stellen, damit, wenn der schweizerische Bundesrath wiederum bei denselben anfragt, sie sich nicht hinter die Ausflucht verbergen können: unsere eigenen Arbeiter wollen nichts davon wissen.

Desgleichen, Genossen, ersuchen wir Euch, den Gedanken an einen inter­nationalen allgemeinen Arbeitertag behufs Erörterung dieser für unser aller Wohl so wichtigen Frage ins Auge zu fassen. Wir wollen damit feiner von anderer Seite ausgehenden Iniziative entgegenarbeiten, wie uns überhaupt jedes persönliche Motiv fernliegt. Wir bekämpfen Frr­thimer, aber keine Personen, wir wenden uns an alle Arbeiter, die, welcher Richtung sie auch sonst angehören mögen, die Nothwendigkeit der Stellung von Arbeiterforderungen einsehen, die mit uns der An­sicht sind, daß ein ausgehungerter abgerackerter Arbeiterstand wohl zu gelegentlichen Hungerrevolten, nie und nimmer aber dazu im Stande ist, die endliche Befreiung der Arbeit vom Joche kapitalistischer Bedrückung durchzuführen.

Genossen, wir sehen mit gespanntester Erwartung Eurer Antwort auf dieses unser Rundschreiben entgegen und schließen dasselbe mit einem Hoch auf die Sache der Arbeiter! Proletarier aller Länder, vereinigt Euch! Mit Brudergruß!

Zürich  , im Dezember 1883.

Das Aktionsfomite

des schweizerischen Arbeitertages.

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich  , 19. Dezember.

Wie man in Preußen die Unterthanen seines besten Freundes behandelt: Jn Breslau hat die Polizei den seit 10 Jahren dort ansässigen Arbeiter A. Wesely, geborenen Desterreicher, aus ganz Preußen ausgewiesen, weil Wesely Abonnements auf die nicht verbotene Süddeutsche Post" entgegennahm. Be

Leroy- Beaulieu, die bürgerlichen Schriftsteller, von dem charlatanhaft romantischen Viktor Hugo bis zum naiv albernen Paul de Kock  , sammt und sonders ekelerregende Loblieder auf den Gott   Fortschritt, den ältesten Sohn der Arbeit, angestimmt. Hört man sie, so meint man, das Glück werde auf Erden herrschen, so fühlt man schon seine Nähe. Sie durch­wanderten die Jahrhunderte der früheren Zeiten, den Staub und das Elend des Feudalismus zu durchwühlen und die Wonne der Gegenwart desto heller erstrahlen zu lassen. Wie sie uns gelangweilt haben, diese Gesättigten jüngst noch Mitglieder der Dienerschaft der großen Herren, heute fett besoldete Preßknechte der Bourgeoisie mit ihrem Landmann des Schönredners La Bruyère  ! Nun, wir wollen ihnen das glänzende Bild der proletarischen Genüsse im Fortschrittsjahre 1840 zeigen, wie es von einem der ihrigen geschildert wird, dem Akademiker de Villermé  , der 1848 zu jenem Kreis von Gelehrten gehörte, die in den Massen die Plattheiten der bürgerlichen Moral und der bürgerlichen Dekonomie ver­breiteten.

Es ist das industrielle Elsaß, von dem Herr Villermé   spricht, das Elsaß   der Kästner und Dollfuß, dieser Blüthen der Philanthropie und des bürgerlichen Republikanismus. Ehe wir ihm das Wort geben, wollen wir erst hören, wie ein elsässischer Manufakturist, Herr Th. Mieg vom Hause Dollfuß, Mieg u. Cie., die Lage des Handwerkers unter dem früheren Industriesystem beschreibt:

Vor 50 Jahren( 1813) als die moderne Maschinenindustrie im Ent­stehen begriffen war, waren in Mülhausen   alle Arbeiter Kinder des Landes, sie bewohnten die Stadt und die umliegenden Dörfer und hatten fast jeder ein Häuschen und oft ein Stückchen Land."*)

,, Das war das goldene Zeitalter des Arbeiters. Indeß damals hatte die elsässer Industrie noch nicht die Welt mit ihrem Kattun über­schwemmt und ihre Dollfuß und Köchlin zu Millionären gemacht. Aber 25 Jahre nachher, als Dr. Villermé das Elsaß   besuchte, hatte der moderne Minotauros, die kapitalistische Fabrik, bereits das Land erobert; in seinem Heißhunger nach menschlicher Arbeit hatte er die Arbeiter aus ihrem Heim gerissen, um sie besser zu schinden, ihnen besser die Arbeit, die sie enthielten, auspressen zu können. Zu Tausenden liefen die Ar­beiter dem Pfeifen der Maschine nach. Eine große Zahl, sagt Villermé  , fünftausend von siebzehntausend, waren infolge der theueren Miethen ge­zwungen, in den Nachbardörfern Wohnung zu nehmen. Einige wohnten 2 Stunden, ja sogar 24 Stunden weit von der Fabrik entfernt, wo fie arbeiteten."

Marquette   bei Lille  , unter dem Beifall der Kongreßmitglieder aus und endete um acht Uhr Abends, Sommer und Winter... Man

und mit der Genugthuung erfüllter Pflicht: Wir haben einige Zer­streuungsmittel für die Kinder eingeführt. Wir lehren sie während der Arbeit singen, während der Arbeit zählen. Das unterhält sie und läßt fie muthig die zwölf Stunden Arbeit antreten, welche nöthig sind, um ihnen ihren Lebensunterhalt zu verschaffen. 12 Stunden Arbeit, und welcher Arbeit! Kindern aufgebürdet, die noch nicht 12 Jahre alt sind! Die Materialisten Die Materialisten werden ewig bedauern, daß es keine Hölle gibt, wo man diese Christen, diese Philanthropen, diese Henker der Kindheit, hinschicken kann!

"

" In Mülhausen  , in Dornach begann die Arbeit um fünf Uhr Mor­gens jeden Morgen in die Stadt kommen und jeden Abend abmar­schiren sehen. Es gibt unter ihnen eine Menge bleicher, magerer Frauen, die barfüßig durch den Koth laufen und, wenn es regnet oder schneit, Mangels eines Regenschirms, ihre Schürzen oder Unteröcke über den Kopf ziehen, um Hals und Gesicht zu schüßen, und eine noch erheblichere

*) Rede, gehalten im Mai 1863 in der Pariser internationalen Ge­sellschaft für praktische sozialökonomische Studien, und veröffentlicht im ,, Economist Français  " desselben Jahres.