„Wenn Marx aber ferner seine Normalarbeitstagstheorie darauf stützt, daß jeder Arbeiter durch einen Theil seiner Arbeitszeit seinen Arbeitslohn, durch die übrige Arbeitszeit den„Mehrwerth" hervorbringe, welcher den Gewinn des Unternehmers darstellt, und nun meint, es handle sich darum, jene beiden Theile des Arbeitstages„in ein festes Verhältniß zu einander bringen", so fehlt diesem ganzen Gedankengange so lange jeder praktische Werth, als wir keine feste Grenze jener beiden Theile angeben können." Welch ein„gebildeter" Herr, dieser Herr Fränkel, vor dessen Logik selbst ein Karl Marx in sein verdientes Nichts zurücksinkt. Schade nur, daß von„dem ganzen Gedankengang", von dem Herr Fränkel behauptet, daß ihm jeder„praktische Werth" fehlt, sich bei Karl Marx auch nicht die Spur vorfindet. Doppelt schade, weil Herr Fränkel sogar die Worte„in ein festes Verhältniß zu einander zu bringen", in A n f ü h- rungszeichen setzt, was bei seinen Lesern den Eindruck hervor- bringen muß, es sei wirklich Marx , der diesen Unsinn heraussteckt. Das ist natürlich Marx auch nicht im Traume eingefallen, was Jeder wissen muß, der das„Kapital" je in der Hand gehabt und lesen gelernt, was, wie gesagt, für gewisse deutsche Gelehrte nicht erforderlich zu sein scheint. In Wirklichkeit läßt Marx an der von Herrn Fränkel zitirten Stelle einen Arbeiter einem Kapitalisten, der sich auf das Gesetz des Waaren- austausches berust, um sein Recht zu erweisen, aus der von ihm ge- kauften Waare Arbeit den größtmöglichsten Nutzen herauszuschlagen, das obige Exempel vorhalten: „Du zahlst mir eintägige Arbeitskrast, wo du dreitägige verbrauchst. Das ist wider unfern Vertrag und das Gesetz des Waarenaustauschs. Ich verlange also einen Arbeitstag von normaler Länge und ich ver- lange ihn ohne Appell an dein Herz, denn in Geldsachen hört die Ge- müthlichkeit auf. Du magst ein Musterbürger sein, vielleicht ein Mit- glied des Vereins zur Abschaffung der Thierquälerei und obendrein im Geruch der Heiligkeit stehn, aber dem Ding, das du mir gegenüber repräsentirst, schlägt kein Herz in seiner Brust. Was darin zu pochen scheint, ist mein eigner Herzschlag. Ich verlange den Normalarbeitstag, weil ich den Werth meiner Waare verlange, wie jeder andere Ber- käufer." Nachdem er den Arbeiter dergestalt hat sprechen lassen, fährt Marx fort: „Man sieht: von ganz elastischen Schranken abgesehn, ergibt sich aus der Natur des Waarenaustauschs selbst keine Grenze des Arbeitstags, also keine Grenze der Mehrarbeit. Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lange als möglich und wo möglich aus Einem Arbeitstag zwei zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Waare eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normal- größe beschränken will. Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Waarenaustauschs besiegelt. Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt. Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normi- rung des Arbeitstags als Kamps um die Schranken des Arbeitstags dar— ein Kamps zwischen dem Gesammtkapitalisten, d. h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesammtarbeiter, oder der Arbeiterklasse." Auch in den Kapiteln, in denen Marx später den„Kampf um den Normalarbeitstag" schildert, wird man vergeblich eine Stelle suchen, die auch nur eine Auslegung in dem Sinn zuließe, den Herr Fränkel Marx unverzagt unterschiebt. Ueberall finden wir D a r st e l l u n g, Kritik des Kampfes, wie es in einem Buche, das den Titel führt, „Kritik der politischen Oekonomie" gar nicht anders sein kann— nota- bene wenn der Verfasser ein simpler Kommunist und kein„Mann der Wifienschast" ist— nirgends aber ein Postulat, das, wie das obige, die bürgerliche kapitalistische Produktion als etwas Unvergängliches und Er- haltenswerthes voraussetzt. Entweder kann Herr Fränkel nicht lesen oder er lügt wie ein— Gelehrter. So sagt er an einer andern Stelle: „Marx freilich hält es für einen„eigenthümlichen Vorzug" des fran- zösischen Arbeitsgesetzes von 1848, daß es mit einem Schlage„allen Werkstätten und Fabriken ohne Unterschied dieselbe Schranke des Ar- beitstages" diktirt,„während die englische Gesetzgebung bald an diesem Punkte, bald an jenem dem Drucke der Verhältnisse weicht". Nun, die englische Gesetzgebung hat bald an diesem, bald an jenem Punkte und schließlich überall feste Wurzel geschlagen, jenes französische Gesetz war aber bekanntlich jahrelang wirkungslos. Und doch spricht es nur von 12 Stunden, während Marx ganz allgemein 8 Stunden fordert." (S. 48.) Nun fordert erstens Marx nicht„ganz allgemein" acht Stunden, son- dern in einem ganz speziellen Falle schlug der Londoner General- rath der„Internationalen Arbeiterassoziation ", die eben wegen der Ver- schiedenheit ihrer Elemente nur ganz allgemeine Arbeiterforderungen auf- stellen konnte, eine auf den achtstündigen Arbeitstag zielende Resolution vor, und zweitens konstatirt Marx an der von Herrn Fränkel zitirten Stelle lediglich, daß trotzdem es in Frankreich der Februarrevolution bedarf„zur Geburt des Zwölsstundengesetzes, das viel mangel- haster ist als sein englisches Original",...„die französische revolutionäre Methode auch ihre eigenthümlichen Vorzüge geltend" macht. „Mit einem Schlage ic. ic." Was Marx also als einen Vorzug hinstellt gegenüber anderen Nach- theilen, läßt Herr Fränkel ihn schlechtweg ein- für allemal behaupten, um späterhin mit großer Ueberlegenheit doziren zu können, was er Feuilleton. Der„lange Aasching" von 1848. in. „Meine Herren! In Geldfragen hört die Gemüth« l i ch k e i t aus! So sehr Hansemann darüber lächeln mag, sein Programm war ein ehrliches Programm, ein bravgemeintes Programm. Er wollte die Staatsmacht stärken, nicht nur gegen die Anarchie, d. h. gegen das Volk, er wollte sie auch stärken gegen die Reaktion, d. h. gegen die Krone und die feudalen Interessen, soweit sie dem Geldsäckel und den„n o t h w e n d i g st e n", d. h. den bescheidensten politischen Prätensionen der Bourgeoisie gegenüber sich durchzusetzen versuchen sollten. Das Ministerium der That war seiner ganzen Zusammensetzung nach schon ein Protest gegen diese„Reaktion". Vor allen früheren preußischen Ministerien zeichnete es sich nämlich dadurch aus, daß sein wirklicher Ministerpräsident der Finanz- minister war. Der preußische Staat hatte Jahrhunderte lang auf's sorgfältigst« verheimlicht, daß Krieg und Inneres und auswärtige An- gelegenheiten und Kirchen- und Schulsachen und sogar das königliche Hausministerium und Glaube, Liebe und Hoffnung den profanen Finanzen untergeordnet sind. Das Ministerium der That stellte diese verdrießlich-bürgerliche Wahrheit an seine Spitze, indem es Herrn Hansemann an seine Spitze stellte, den Mann, deffen ministerielles Programm gleich seinem Oppositionsprogramme sich dahin resümirte: „Meine Herren! In Geldfragen hört dieGemüth- lichkeit auf! Die Monarchie war in Preußen zu einer„Geldfrage" geworden. Gehen wir nun von dem Programme des Ministeriums der That zu seinen Thaten über. Mit der Drohung der„v e r st ä r k t e n Staatsmacht" gegen die „A n a r ch i e", d. h. gegen die Arbeiterklasse und alle Fraktionen des Bürgerthums, die nicht bei dem Programme des Herrn Hansemann stehen blieben, wurde Ernst gemacht. Man kann sogar sagen, daß, mit Ausnahme der Erhöhung der Rübenzucker- und Branntweinsteuer, diese Reaktion gegen die sogenannte Anarchie, d. h. gegen die revo- lutionäre Bewegung, die einzige ernsthaste That des Ministeriums der That war.--- Kühlwetter resümirte diese Seite der Bestrebungen des Mini- steriums der That in seiner Aeußerung:„Ein Staat, der recht frei sein wolle, müsse ein recht großes Polizeipersonal als exekutive Macht haben", wozu Hansemann selbst die bei ihm stabil gewordene Gloffe murmelte: „Es werde dies auch zur Herstellung des Vertrauens, zur. Belebung der darniederliegenden Handelsthätigkeit wesentlich beitragen." größtentheils aus Marx entnommen. Auch eine Eigenthümlichkeit deutscher Gelehrsamkett! Darf es da Wunder nehmen, daß Herr Fränkel in seiner Note Nr. 85 mit tugendhafter Entrüstung von der„Fälschung" spricht, die der böse Marx in seiner Jnauguraladreffe an den Worten des Herrn Gladstone vorgenommen haben soll? Nun, Marx hat bereits seinerzeit im„Volksstaat" Nr. 63, Jahrg. 1872*) den Nachweis geliefert, daß dieses an- geblich gefälschte Zitat durchaus mit den Berichten der größeren englischen Zeitungen über die betr. Rede Gladstones übereinstimmte; und einen englischen Schriftsteller, Herrn Sedley Taylor , der neuerdings mit demselben aus der gleichen Quelle geschöpften Vorwurfe gegen Marx herausrückte, hat Fräulein Eleonor Marx in so schlagender Weise abge- führt, daß Herr Taylor sich mit einer lahmen Entschuldigung zurück- ziehen mußte. Englische Gelehrte pflegen zu widerrufen oder wenigstens zu s ch w e i- gen, wenn sie überführt sind,. in Deutschland , wo man sich aus seine Objektivität so viel zu Gute thut, ist man weniger„pedantisch". Es war eine Verleumdung, als Herr Lujo Brentano , jetzt Professor in Straßburg , im Fabrikantenblatt„Konkordia" Marx der Fälschung zieh, aber der Herr Profeffor hat sich, trotz der Marx'schen Widerlegung, nicht bemüssigt gefunden, zu widerrrufen. Im Gegentheil, die Verleumdung wird lustig weiter kolportirt. Vom Brentano auf den Mehring, vom Mehring auf Fränkel. Damit wären wir vorderhand mit unserem„gebildeten" Agitator ferttg. Sozialpolitische Rundschau. Zürich , IS. März 1884. — Die erste Lesung des Unfallversicherungsge- s e tz e s, dritter gründlich verschlechterter Auflage, ist vorüber, und hat das ResulM ergeben, welches vorauszusehen war: fast alle Vertreter bürgerlich-kapitalistischer Interessen nahmen dem neuen Entwurf gegen- über eine sympathische Haltung ein, während ihn der Vertreter der Sozialdemokratie, d. h. der Zlrbeiterklasse, Gen. Volkmar, rundweg als unannehmbar bezeichnete. Das ist für die sogenannte Sozialreform so bezeichnend, daß alle schönen Redensarten, mit denen Bismarck in höchsteigener Person das Gesetz anempfehlen zu müssen glaubte, darüber nicht hinwegtäuschen können. Das Gesetz ist ein Betrug an der arbei- tenden Klasse, ein schamloser, nichtswürdiger Betrug, dem Niemand seine Zustimmung geben darf, der noch einen Funken von Rechtsgefühl in sich trägt. Es nimmt den Arbeitern, ohne ihnen zu geben, es legt ihnen Pflichten auf, ohne ihnen Rechte zu gewähren— es ist ein Klasse n- g e s e tz, wie nur je eines geschaffen wurde. Und was hatte der große Staatsmann auf die vernichtende Kritik, die Volkmar diesem Machwerke hatte angedeihen laffen, zu erwidern? Neben einigen schnodderigen Bemerkungen, wie Vellmar sei ja zweifelsohne viel klüger wie er und seine Regierungen, nur die banale Verdächtigung, daß „die Führer der Sozialdemokratie" diesem Gesetz nur deshalb keinen Vortheil wünschen, weil„sie unzufriedene Arbeiter brauchen." Nun, darüber kann der gute Mann ruhig sein, von diesem bornirten Standpunkt aus, der seiner Denkart allerdings sehr nahezuliegen scheint, könnten wir nur die Annahme dieses Gesetzes wünschen, denn, wie Vollmar richtig hervorhob, es wird mehr Unzufriedenheit säen, als unsere Agitation je zu erregen vermöchte. Und die Möglichkeit, daß es mit unwesentlichen Aenderungen angenommen werden wird, ist nicht ausgeschloffen. Die Neuwahlen stehen vor der Thüre, und da wollen die Herren— und in dieser Beziehung treffen sie sich mit Bismarck — ihrer Wählerschaft gern zeigen, daß sie doch etwas zu Stande gebracht. Daß sie auf die ausgeklärte, klassenbewußte Arbeiterschaft nicht rechnen können, wissen sie ohnehin. Viele der Herren haben auch ein großes Interesse daran, daß dieses Gesetz unter Dach und Fach kommt. Ein günstigeres für die Jntereffen der Kapitalistenklaffe werden sie schwerlich vorgelegt bekommen— also nur zugegriffen, ehe es zu spät ist! Und Herr S o nn e m a n n, der Führer der„demokrattschen" Volks- Partei, war in seinem staatsmännischen Drang, positiv zu wirken— wir wollen nichts Schlimmeres annehmen— noch so liebenswürdig, den Herren das Spiel zu erleichtern. Er gab zwar zu, daß die Ausstellungen Vollmar's größtentheils berechtigt seien, aber es sei doch der Boden ge- geben, auf dem später weitergearbeitet werden könne. Eine schöne Logik, mit der man jeden Verrath bemänteln kann! In Preußen-Deutschland weiterausbauen! Das haben Lasker und Konsorten bei Annahme der Reichsverfassung, der Justizgesetze ja auch gesagt, Herr Sonnemann! und wie haben sich die Dinge jetzt gestaltet? Kein Mensch spricht mehr von Weiterbauen, nur das Verschlimmbeffern ist an der Tagesordnung! Im Großen und Ganzen bot die Debatte übrigens kein besonderes Jntereffe. Bismarck sprach über alles Mögliche und verschiedenes Andere, machte auch über die neue freisinnige Partei ein paar gute, wenn auch ziemlich billige Kalauer, und spielte sich, wie schon zwei Tage vorher, wo er in Sachen der amerikanischen Adresse klein beigab— d. h. den *) In seiner Antwort auf einen anoymen Angriff in der„Concordia", der, wie sich später ergab, Herrn L. Brentano zum Verfaffer hatte. Unter dem Ministerium der That„stärkten" sich also die altpreu- ßische Polizei, das Parket, die Büreaukratie, die Armee— weil im Solde, auch im D i e n st e der Bourgeoisie, wähnte Hansemann.— Genug, sie„st ä r k t e n" sich. Die Stimmung des Proletariats und der bürgerlichen Demokratie dagegen wird durch ein Faktum charakterisirt. Weil einige Reaktionäre einige Demokraten in Charlottenburg mißhandelten, stürmte das Volk das Hotel des Ministerpräsidiums in Berlin . So populär war das Ministerium der That geworden. Am andern Tage schlug Hansemann ein Gesetz gegen die Zusammenrottungen und öffentlichen Versammlungen vor. So schlau intriguirte er gegen die Reaktion. Die wirkliche, greisbare, populäre Thättgkeit des Ministeriums der That war also eine rein polizeiliche. In den Augen des Prole- tariats und der städtischen Demokratie, verttat dies Ministerium und die Vereinbarerversammlung, deren Majorität im Ministerium vertreten war, und die preußische Bourgeoisie, deren Majorität in der Verein- barungsversammlung die Majorität bildete, nichts anders als den alten, wieder aufgefrischten Polizei- und Beamten st aat. Die Er- bitterung gegen die Bourgeoisie war hinzugekommen, weil die Bourgeoisie herrschte und in der B ü r g e r w e h r zu einem integrirenden Theil der Polizei sich herangebildet hatte. Das war die„Märzerrungenschaft" in den Augen des Volks, daß auch die liberalen Herren von der Bourgeoisie— polizeiliche Funktionen übernahmen. Also eine verdoppelte Polizei! Nicht in den Thaten des Ministeriums der That, sondern in seinen organischen Gesetzvorschlägen tritt es erst hervor, daß es die„Polizei", den letzten Ausdruck des alten Staats, nur im bürgerlichen Jntereffe „stärkte" und zu Thaten anspornte. In den von dem Ministerium Hansemann vorgelegten Entwürfen zur Gemeindeordnung, den Geschorneng«richten, dem Bürgerwehrgesetze ist der Besitz in einer oder der andern Form stets die Grenze zwischen dem gesetzlichen und dem u n- gesetzlichen Lande. In allen diesen G-setzvorschlägen sind der königlichen Macht zwar die servilsten Konzessionen gemacht, denn nach dieser Seite hin glaubte das bürgerliche Ministerium einen unschädlich gewordenen Bundesgenossen zu besitzen, aber zur Entschädigung tritt die Herrschaft des Kapitals über die Arbeit desto rücksichtsloser hervor.-- Für das Volk also resümirte sich das Ministerium Hansemann prak- tisch in dem altpreußischen Polizeibüttelthum, theoretisch in belgisch beleidigenden Unterscheidungen zwischen Bourgeois und Nichtbourgeois. Gehen wir zum andern Theil des ministeriellen Programms über, zu der Anarchie gegen die Reaktion. Nach dieser Seite hin hat das Ministerium mehr fromme Wünsche als Thaten aufzuweisen. Zu den frommen bürgerlichen Wünschen gehört der var""enweise Verkauf der Domänen Priratbesitzer, d..es Ban' Amerikanern gegenüber, auf die verkannte Tugend hinaus. B a> b e r g e r' s Antwort aus Bismarck's Attake war in demselben elegift Ton gehalten wie diese— keine Spur von einem frisch, fröhlichen Kaa die ehemaligen Kameraden im Kulturkampfe gaben sich gefühlvolle O feigen, natürlich moralische, sehr moralische. Das Endresultat war: Ueberweisung der Vorlage an eii Kommission von 28 Mitgliedern. — Die Gründung der„Deutschen freisinnigt Parte i", wie s i e sich— der K r o n p r i n z e n p a r t e i, wie der Voh witz sie nennt, ist auf den„Parteitagen" der Fortschrittler und Sezessi nisten, die am 16. März in Berlin stattfanden,„begeistert" gutgeheis worden. Nur die Herren Mendt und L e n z m a n n von der Fe schrittspartei erklärten, wegen des manchesterlichen Programms der nee Verbindung nicht beitreten zu können, desgleichen einige bisher sezesf nisttsche Abgeordnete. Das that aber dem Jubel der„Vereinigten" kei» Abbruch! Wir gönnen ihnen die Freude. Wenn nur dem Rausch kein Kasg jammer folgt! Wer sich über den Freisinn dieser„freisinnigen" Partei o- irgendwie Illusionen hingeben mochte, dem ist auf dem Bankett dersell gründlich der Staar gestochen worden. Natürlich ward dasselbe mit ein „donnernden" Hoch auf den Kaiser eröffnet, dem, nach R i ck e r t,„< alle unsere Kräfte widmen", und den„wir" in Wirklichkeit lieber h« als morgen zu seinen Vätern versammelt sehen möchten. DaS geht» einmal nicht ohne ein bischen Heuchelei! Dann aber beginnt Herr H ä n e l(wir zittren nach der Berlii „Volkszeitung"): „So haben wir denn, die Liberale Vereinigung uud die Den Fortschrittspartei, endgiltig den Bund geschlossen zum Schutz Trutz, zum Schutz verfassungsmäßiger Rechte, volksthümlicher i heit und der Gesellschaftsordnung, auf welcher das deutsche Bükt thum emporgeblüht ist(Bestall), zum Trutz gegen alle Feind- de Güter des deustchen Volkes, mögen sie rechts oder links von stehen!" Der„Freisinn" ist also nicht einmal im Stande, den Gedanken fassen, daß die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht letzte, höchste Stufe der Entwickelung der menschlichen Gesellschaft! Ihm gilt eine Gesellschaft, in der die Massenarmuth Naturgesetz ist, I heilig und unantastbar! Sehr„sinnig!" um mit Bismarck zu reden. Nach Hänel kommt Richter, der, weniger verblümt als sein jetzig Intimus,„So stehen wir im Kampf gegen die Sozialdemokratie N links zusammen!" herauspoltert. Und wieder erfolgt stürmisches Hl rufen der begeisterten Festeffer. Bei solcher Entschiedenheit nach— links, wäre es ein Verbrechen/ H o f f ä h i g k e i t der deutschen „Freisinnigen" bezweifeln zu wolle» — Das„Recht auf Arbeit " findet in Preußen seine 2 wirklichung bekanntlich in den famosen Arbeitskolonien, d» Musterschöpfung christkich-konservativ-sozialer Nächstenliebe. Wir hck diese, von dem Pastor Bodelschwingh zuerst in's Leben geruft Institute von Anfang an— als sogar sonst vorsichttge Leute noch mein etwas sei vielleicht doch gut daran— bereits als das gekennzeichnet, i sie nach der aus den(Muster-) Statuten herausschauenden Gesinn ihrer Gründer werden mußten: als unter zuchthausmäßige S t r kolonien für Arbeitslose, als Steine, wo B r o d von Nöthen! Was seitdem über diese Kolonien in die Oeffentlichkeit gedrungen,' unsere Vorhersage vollauf gerechtfertigt; aber bis zum letzten Tüpfel bestättgt, ja noch weit in den Schatten gestellt wird dieselbe durch e» Bericht über die Arbeitskolonie Seyda(Provinz Sachis den die„Halberstädter Sonntagszeiwng" von einem gewesenen Ins« derselben erhalten hat und zur Veröffentlichung bringt. Wir beda» wirklich, daß uns der Raum mangelt, diesen Bericht wörtlich abzudruä die Haupsttellen glauben wir jedoch unsern Lesern nicht vorenthalten dürfen. „Bei der Einweihung", heißt es da,„waren eine Anzahl Pastol Bürgermeister, Schulzen u. s. w. anwesend, und der Generalsuperi« dent Müller aus Magdeburg hielt die Eröffnungsrede. Aber 1 bereits eingetretenen 17 Sträflinge— bitte um Entschuldigung, nisten"— wurden währenddem abseits in eine Stube»erwiesen 1 durften uns während der Feier nicht sehen laffen."— Dagegen hielt der Oberpräsident von D i e st später den Ins» bei einem Besuch, wo er Alles vorttefflich fand, eine schöne Rede,„\f' uns zu Gemüthe, daß wir nur aus Gnade und Barmherzigkeit O> gefunden, daß wir nunmehr aber auch fromm und gottesfürchttg sollten. Wer aber sich weigere, Sonntags nachSr in die Kirche zu gehen, d e r w ür o e s o s o r t entlas werde n." „Diese väterliche Ermahnung ging uns Allen sehr zu Herzen; ich' nämlich dabei erwähnen, daß wir in unserer braunen Sträslingskleid alle Sonntage nach Seyda in die Kirche transporttrt wurden, wo Kinder schaarenweise hinter uns herliefen und riefen:„Da komme»' braunen Vagabunden." „Einige von uns, die noch nicht so hart in der Schule des El» gesotten waren, fühlten dadurch sich so beschämt, daß sie lieber „irdische Paradies Seyda" verließen, als wieder solchen Spießruthei� mitmachten."—--- „Die Arbeit für die Kolonisten, soweit sie nicht für die Anstatt Schuhmacher, Schneider u. s. w. beschäfttgt sind, besteht in der Ur instituts an die freie Konkurrenz, die Verwandlung der Seehandlu»' ein Privatinstitut u. s. w.—--- Wie es dem bürgerlichen Ministerium gelungen war, das stäM Proletariat, die bürgerliche Demokratie und die Feudalen gleicht» gegen sich zu erbittern, so wußte es selbst die vom Feudalismus jochte B a u e r n k l a s s e sich zu entfren>den und zu verfeinden, 1 Eifrigste darin unterstützt von der Vereinbarerversammlung. Man geffe überhaupt nicht, daß während der Hälfte ihrer Lebenssrist' Versammlung in dem Ministerium Hansemann ihren sachgemäßen R< sentanten fand, und daß die bürgerlichen Märtyrer von heute& mann's Schleppträger von gestern waren. Der unter Hansemann durch Platow vorgelegte Entwurf zur' freiung von den Feudallasten war das jämmerlichste Machwerk mächtigen bürgerlichen Gelüstes, die Feudalprivilegien, diese mit „neuen Staatsverfassung unerttäglichen Verhältnisse" abzuschaffen, bürgerlicher Angst, sich revolutionär an irgend einer Sorte des 6 thums zu vergreifen. Der jämmerliche, bange, engherzige Egois verblendete die preußische Bourgeoisie in dem Grade, daß sie nothwendigsten Bundesgenossen— dieBauernkl» von sich zurückstieß. Am 3. Juni stellte der Abgeordnete Hanow den Antrag,„daß schwebenden Verhandlungen behufs der Auseinandersetzung der guft lich-bäuerlichen Verhältnisse und behufs der Dienstablösungen bis Erlaß eines neuen, aus billigen Grundsätzen gebauten Gesetzes über Angelegenheit sogleich auf einseitigen Antrag eingestellt werden möch' -- Im August, wenn wir nicht irren, erkannte die Vereinbarervers« lung R e n st i e l' s Antrag auf„sofortige Aushebung Robotdienste" für„nicht dringlich"—.und die B« hätten es als dringlich erkennen sollen, sich für dieselbe Vereinbar» sammlung zu schlagen, die sie hinter den sakttschen Zustand, den sie' dem März erobert hatten, zurückschleuderte? Die französische Bourgeoisie begann mit der Befreiung der Ba< Mit den Bauern eroberte sie Europa . Die preußische Bourgeoisie� so sehr in ihren engsten, nächstliegenden Jntereffen besangen, das selbst diesen Bundesgenossen verscherzte und zu einem Werkzeuge i» Hand der feudalen Kontrerevolution machte. Die offizielle Geschichte von der Auflösung des Bürgerm� riums ist bekannt.-- Hansemann wurde einfach düpirt, wie er überhaupt die düpirte$ geoifie darstellte. Man ließ ihn glauben, die Krone werde ihn" keinen Umständen fallen lassen. Man lieh ihn den letzten Schei» Popularität verlieren, um ihn endlich den Rankünen der Kraut/ hinopfern und sich von der bürgerlichen Vormundschaft befreien zu nen. Ueberdem erforderte der mit Rußland und Oesterreich verad» Feldzugsplan einen von der Kamarilla außer der Verei.lbarerversaini» ernannten General an der Spitze des Kabinets. Unter dem Bürger» sterium war die alte„Staatsmacht" hinreichend„erstarkt", um � wagen zu dürfen.
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6 (20.3.1884) 12
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