machung von 400 Morgen abgeforstetem Wald. Dieses nasse, morastige, sumpfige und sandige, voll Baumstumpfe stehende Land—-- wird nach 15 Jahren ein hübsches Rittergut abgeben, welches schon einen Liebhaber finden wird, welchen das mit unserem Schweiß und unseren Thränen gedüngte Land zum Millionär machen wird."—-- „Das Essen besteht etwa aus den Bestandtheilen, wie in jeder andern Gefangenenanstalt, ebenso die Hausordnung."--„Dabei die härteste Arbeit, wie Stumpferoden und Erdefahre.r mit dem Schieb- karren u. s. w. Des Sonntags aber gibt es weder Frühstück noch Vesper- brod, da müssen die Leute vom Singen und Ve en satt werden." Das ward sogar an beiden Weihnachtsfeiertagen eingehalten. „In der Woche gibt's dreimal„Fleisch". Das Fleisch für 93 Kolonisten habe ich, als ich Küchendienst versah, gewogen. Es betrug gerade 8'/, Pfund, obwohl 15 Psund Fleisch geholt waren. Die fehlenden 6'/, Psd. waren für den Hausvater und für die zwei„Brüder", welche die Anstalt leiten. Entlafiene Zuchthaussträflinge versicherten, daß das Effen im Zuchthaus bester gewesen." Beim Eintritt in die Kolonie wird ein Jeder von der Anstalt einge- kleidet, wofür ihm 27 Mk. 50 Psg. angerechnet werden, die der„Kolo- nistensträsling" alsdann abzuverdienen hat. Und nun höre man, wie dies geschieht! „In den ersten 14 Tagen ist er nur zur Probe da, erhält also gar keinen Verdienst gutgeschrieben swird menschenfreundlichen Arbeitgebern zur Nacheiferung empfohlen!). Nach 14 Tagen wird der Verdienst des freiwilligen Sträflings vom Hausvater M e u s e l abgeschätzt. Der niedrigste Verdienst ist pro Tag— nichts, der allerhöchste Verdienst täglich 25 Pfennige. Alle Stufen von 5 bis 20 Psg. täglichen Ver- dienstes sind ebenfalls vertreten. Wer bejahrt oder schwächlich ist, ver- dient eben nichts— wer stark und kräftig ist, 25 Pf. täglich, allein das Resultat für den Sträfling ist dasselbe." Er kann in den 13 Wochen, die als das Maximum der„Erholung" in Sepda festgesetzt sind, unter keinen Um st änden die obig- Schuld abverdienen.„Nach saurer Arbeit für lachende Erben erhält er sein altes Zeug zurück und wird ohne einen Psennig Geld wieder seinem Schicksal preisgegebe.t!" Allem setzt jedoch die Krone auf die vielgerühmte„Arbeitsnach- Weisung". „Irgend ein Gutsbesitzer braucht Arbeiter, wendet sich an die Kolonie und bietet einen Hundelohn. Da wird ihm denn der„Vorschuß" für die Kleidungsstücke des„Vagabunden" derart überwiesen, daß er ihn am Lohn abziehen und der Anstalt bezahlen muß."———— „Daß Handwerker in ihrer Profestion untergebracht werden, ist mir nicht bekannt." „Das, deutsches Volk"— schließt der Einsender—„ist die vielgepriesene Menschenfreundlichkeit Deiner Vagabondenkolonien. Das Ganze ist e ne Ausbeutung der Aermsten und Elendesten unter Euch zu Gunsten einiger Pfaffen, Betbrüder und zukünftiger Rittergutsbesitzer. Fried r. Bartolomäus, (Kolonist Nr. 2 der Vagabundenkolonie Sepda)." Wenn dieser Bericht noch einen Kommentar bedürste, so hat ihn die Regierung von Magdeburg geliefert. Sie hat das„H a l b e r st ä d t e r Sonntagsblatt" auf Grund des Sozialistengesetzes ver- boten'. Das ist praktisches Christenthum! — Kindliches Vergnügen. Es ist daS glückliche Privileg der Impotenz, daß sie sich für ihre thatsächliche Leistungsunfähigkeit durch eingebildete Leistungen zu entschädigen weiß. Impotente Parteien ver- wandeln i.iaterielle Fußtritte regelmäßig in moralische Erfolge. So eilte z. B. die nattoualliberale Partei von einem moralischen Erfolge zu� andern, bis sie zuletzt in den bekannten Sumpf gerieth, aus dem es kein Entrinnen gibt, und in dem sie nun v e r s i e ch e n und ver- faulen muß. Aehnlich suchen die reaktionären Parteien sich über das nicht mehr wegzuleugnende Fiasko des Sozialistengesetzes dadurch hinwegzuhelfen, daß sie— in ihrer Phantasie— die sozialdemokratische Partei„ g e- spalten" sein lasten.„Die Spaltungen innerhalb der Sozialdemo- kratie" sind— schreibt man uns— seit längerer Zeit, das heißt: genau seit der Zeit, wo das Fiasko des Sozialistengesetzes der trüben Hirnmaterie unserer(liberalen und konservativen) Reaktionäre zwar nicht kW, aber doch in unabweislicher Greifbarkeit zum Bewußtsein gekommen ist— eine stehende Rubrik der gesammten Reaktionspreffe. Die Spaltungen innerhalb der Sozialdemokratte gehören zu jenen Wür- mern, die nicht sterben können; heute widerlegt, tauchen die Gerüchte morgen wieder aus, hundertfach wechselnd, bald in dieser, bald in jener Gestalt, nach Art der Nebelbilder, was übrigens ganz natürlich ist, da es doch nur Nebel und blauer Dunst. Jede Aeußerung eines Parteimitgliedes oder„Parteiführers, die nicht dem genau zu entsprechen scheint, was die Gegner sich nach Willkür und Laune als unser Parteiprogramm oder unsere Parteitaktik zurecht- gelegt haben, wird triumphirend als„Beweis der Spaltung" ausgeführt; und hat ma.l keine wirkliche Aeußerung, je nun, so erfindet man eine oder auch gleich ein halbes Schock, ja ein ganzes„Pronunziamento". Wir können die Herren Gegner nicht hindern, sich diesem kindlichen Bergnügen hinzugeben, und— offen gestanden— haben wir auch keine Lust, sie daran zu hindern, denn ihr kindliches Vergnügen hat die vor- treffliche Doppeleigenschast, uns zu amüsiren und zu gleicher Ze't uns zu nützen. Und beides in hohem Grade. Wenn unsere Gegner Uns bester kennten, würden sie uns mehr schaden können. Je krasser Man täuschte sich in Pfuel . Der Sieg der Kroaten zu Wien machte selbst einen Brandenburg zu einem brauchbaren Werkzeuge. Unter dem Ministerium Brandenburg wurde die Vereinbarerversamm- lung schmählich auseinandergejagt, gefoppt, verhöhnt, gedemüthigt, ver- folgt und das Volk blieb gleichgiltig im entscheidenden Auge.r- blicke. Ihre Niederlage war die Niederlage der preußischen Bourgeoisie, der Konstitutionellen, also ein Sieg der demokrati chen Partei, wie theuer diese den Sieg auch bezahlen mußte! Aber die okttoyirte Verfaffung? Einst hieß es, nie werde ein„Stück Papier " sich zwischen den König und s e i n Volk drängen. Jetzt heißt es: N u r e i n S t ü ck P a p i e r soll sich zwischen den König und sein Volk drängen. Die wirkliche Verfassung Preußens ist der— Belagerungszustand. Die okttoyirte französische Verfassung enthielt nur einen§ 14, welcher sie�aufhob. Jeder Paragraph der oktroyirten preußischen Verfassung ist ein§ 14. Die Krone oktroyirt durch diese Verfassung neue Privilegien— nämlich sich selbst. Sie gibt sich selbst frei, die Kammern in iodsfinitum aufzulösen. Sie gibt den Ministern frei, in der Zwischenzeit beliebige Gesetze(auch über Eigenthum u. dgl.) zu erlassen. Sie gibt den Deputtrten frei, die Mi- nister deswegen anzuklagen, auf die Gefahr hin, als„innere Feinde" in Belagerungszustand erklärt zu werden. Sie gibt endlich sich selbst frei, wenn im Frühling die Aktien der Kontrerevolution hochstehen, an die Stelle dieses in der Lust schwebenden„Stück Papiers" eine aus den mittelaltrigen Ständeunterschieden organisch herauswachsende christlich-germanische Magna charta zu setzen oder das Verfassungsspiel überhaupt aufzugeben. Selbst in dem letzten Falle würde der konservattve Theil der Bourgeoisie die Hände falten und beten: „Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genom- men, der Name des Herrn sei gelobt!" Die Geschichte des preußischen Bürgerthums wie überhaupt des deutschen Bürgerthums von März bis Dezember beweist, daß in Deutschland eine rein bürgerliche Revolution und die Gründung der B o u r- geoisherrschaft unter der Form der konstitutionellen Monarchie unmöglich, daß nur die feudale absolutistische Kontrerevolution möglich ist oder die sozialrepublikanische Revolution. Daß aber selbst der lebensfähige Theil der Bourgeoisie wieder aus seiner Apathie erwachen muß, dafür bürgt vor Allem die M o n st r e- r e ch n u n g, mit der die Kontterevolutton ihn im Frühjahr überraschen wird und— wie unser Hansemann so sinnig sagt: „Meine Herren! In Geldfragen hört die Gemüth- lichkeit auf!" ihre Ignoranz, je hartnäckiger ihre Selbsttäuschung, desto größer iher Selbsttäuschung. Nur eine Bemerkung sei noch bei dieser Gelegenheit gemacht. Die Disziplin unserer Partei hat seitens unserer Gegner wiederholt bewundernde Anerkennung gesunden: diese Disziplin ist glücklicherweise eine Thatsache, um welche die Gegner freilich, mit ihrer Unfähigkeit, die Dinge zu sehen, wie sie sind, einen dichten Schleier von Mythen gewoben haben. Auf Grund dieser Thatsache haben sie nun die Schlußfolgerung auf- gebaut, daß diese Disziplin sich auch auf das Denken und Reden der Parteimitglieder erstrecke. Die Herren beurtheilen uns eben nach sich selbst. Da sie selber schablonenmäßig denken, eine geistige Uniform und Livree ttagen und alle über einen Kamm geschoren sind, meinen sie, das müsse auch bei uns der Fall sein. Sie verrathen hiermit wieder nur ihre kolossale Unkenntniß der Sozialdemokratie, deren Wesen ihnen mit sieben Siegeln verschlossen ist. Daß die Sozialdemokratie die freieste Entwicklung der Individualität und das freie und harmonische Zusammenwirken der freien und frei entwickelten Individualitäten er- strebt, davon haben diese Leute keine Ahnung, die zwar für den Jndi- dualismus, das heißt das Recht des Individuums auf individuelle Ent- Wicklung, in die Schranken treten, jedoch— mit der ihnen eigenen Wort- falschmünzerei— unter Individualismus in Wirklichkeit das verstehen, daß eine winzige Minorität von Individuen die ungeheure Majorität der Individuen unter der Walze der kapitalistischen Produktion aus- preßt, plattdrückt und der Individualität vollständig enttleidet. Gerade bei der sozialdemokratischen Partei geht mit der strammsten Parteidis- ziplin die individualistischste Auffassung des Parteiprogramms Hand in Hand— wohlgemerkt des Parteiprogramms— denn außerhalb seines Rahmens gibt es keine Sozialdemokratie. Die Wissenschast muß frei sein, und da der Sozialismus auf der Wissenschaft fußt, ja in seiner Ausbildung die höchste Entwicklung ver Wissenschaft bedeutet, so kann die sozialdemokratische Partei in Anbetracht ihres Ursprungs und ihrer Ziele ihre Mitglieder nicht in das Prokustes- bett eines ehernen Dogmas hineinpressen, sondern muß ihnen— immer innerhalb des Programms und unbeschadet der Parteidisziplin— abso- lute Freiheit des individuellen Denkens und Handelns einräumen. Wäre dem nicht so, dann würden wir auf das Niveau einer ohnmächtigen Sekte herabsinken und nicht die weltbewegende Partei sein, welche schon heute das politisch-soziale Leben der modernen Külturstaaten bestimmt, und welche es morgen beherrschen wird. — Die letzte Session des Reichstags scheint sich recht hübsch zu gestalten. Ist schon das Unfallgesetz ein Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter, so ist als Zugabe noch eine Novelle zum Hilss- kassengesetz am Montag zur Berathung gelangt, die keinen andern Zweck hat, als die der Regierung und dem Fabrikantenthum so unbe- quemen freien Hilsskassen der Arbeiter zu meucheln. Und am Donnerstag, d. h. heute, soll die Verlängerung des Sozia- l i st e n g e s e tz e s zur Verhandlung kommen. Ein nettes Trifolium! Wenn nun die deutschen Arbeiter aus lauter Erkenntlichkeit bei den nächsten Reichstagswahlen nicht ausschließlich Regierungskandi- d a t e n wählen, so sind sie die undankbarsten Kreaturen, die je die Erde gesehen. Oder kann ihnen die Regierung ihre Achtung und Liebe etwa mehr beweisen, als wenn sie das alte Spiel mit Zuckerbrod und Peitsche als unwürdig fallen läßt und ihnen nur noch Peitsche und— Knebel entgegenhält? Sicherlich nicht! Und deshalb ein Hoch auf Stöcker, Wagner und C r e m e r— diese heilige bismarckverherrlichende Drei- einigkeit! — Etwas für christlich-konservative Sozialrefor- mer. Man ist gewöhnt, schreibt man uns aus Mittweida , es als eine Eigenthümlichkeit der modernen Bourgeoisie anzusehen, sich ihrer Arbeitskräfte, sobald sie alt und abgenutzt sind, zu entledigen. Früher mag dies ja auch im Allgemeinen bei den altadeligen Großgrundbesitzern nicht der Fall gewesen sein. Man hielt sich ehrenhalber für verpflichtet, das dienende und arbeitende Personal, wenn es alt und arbeitsunfähig geworden, nicht hilflos fortzuschicken. Daß aber die heutige Generation der adeligen Großgrundbesitzer in dieser Beziehung andere Ehrbegriffe hat, zeigt recht deutlich folgender Fall. Der sächsische Gesandte a m p r e u ß is ch e n H o f e, von N o st i z- W a l l w i tz,-in Bruder des sächsischen Ministers, hatte von seinem Vater in der Nähe von Mittweida eine schöne Besitzung ererbt und mit dieser auch einen Gärtner Namens K a u l f u ß. Dieser Kaulfuß hatte, nachdem er über 10 Jahre lang auf dieser Stelle seinen Dienst versehen, das Unglück, eines Tages bei der Arbeit von einem Baume zu fallen und sich dabei einen bedeutenden Bruchschaden zuzuziehen. Am andern Tage kam Exzellenz zu ihm in den Garten und erkundigte sich theilnehmend, was ihm passirt sei. Als Kaulfuß sagte, daß er einen Bruch bekommen habe, erwiderte Exzellenz:„Da kaufen Sie sich nur ein Bruchband." Wovon, sagte Exzellenz nicht, obwohl der Lohn des Gärtners ein sehr bescheidener war. Jndeß wollte es trotz Bruchband mit der anstrengenden Arbeit nicht mehr recht gehen. Das mußte auch Exzellenz v. Nostiz-Wallwitz gemerkt haben, denn— eines Tages wurde Kaulsuß entlassen und soll nach Dresden verzogen sein, wo er Verwandte hat, die mehr Einsicht und mehr Noblesse besitzen als Exzellenz von Nostiz-Wallwitz! — Nicht wirthschaftlich.„Die Führer der sozialdemokratischen Partei, die ich auch nur für eine politische, nicht für eine wirthschast- liche halte", sagte Bismarck in seiner Rede vom 15. März. Das ist eine wahrhaft geniale Entdeckung. Weil unsere Partei, welche wie keine zweite ihren wirthschaftlichen Charakter bei jeder Gelegenheit betont, ihm nicht den Gefallen thut, die durch und durch reaktionäre Trennung der politischen von der wirthschaftlichen Frage zu proklamiren, ist sie für den Mann, welcher gleichzeitig preußischer Handelsminister und deutscher Reichskanzler ist, überhaupt keine wirthschaftliche Partei. Nun, wir werden diesen Schlag wohl noch überwinden. — Bei der Nachwahl im zweiten Meiningischen Wahlkreis(Sonneberg-Pösneck) erhielt, soweit bis Redaktionsschluß bekannt, Genosse Viereck 2532, der liberale Kandidat, Senator Witte, 4104 und der konservative, Lötz, 1283 Sttmmen. Nur im Jahr 1877, in der Zeit der größten Agitation, war das Resultat für unsere Partei ein günstigeres gewesen, 1878 wurden für uns nur 809 Sttmmen ab- gegeben, während 1881 die dortigen Genossen gar nicht in die Wahl- agitation einttaten. Die Leute waren dort ganz entmuthigt, und es war schon als ein hochersreuliches Zeichen zu begrüßen, daß sie überhaupt in den Wahlkampf eintraten. Um so glänzender das Resultat! — Vorboten für die kommende Reichstagswahl. Man schreibt uns aus Heilbronn : Am 12. März wurde hier ein Landtagsabgeordneter gewählt zum Ersatz für den verstorbenen Abgeord- neten Wust. Unter der Parole: Nur keine Aufregung! nur kein Wahl- kämpf, nur Friede! vereinigte sich die ganze reaktionäre Masse— Volks- parteiler, Nationalliberale und Konservative— auf einen gewissen Herrn Adolf Feyerabend, der weiter gar nichts ist, als der Schwieger- söhn eines vielfachen Millionärs. Nachdem dieser große Mann zu erklären geruht hatte, daß er das Mandat gnädigst anzunehmen geruhe, posaunte die reaktionäre Masse in alle Winde hinaus: Hosiannah! Hosiannah! Diesmal bleibt uns ein Wahlkampf erspart, Herr Feyerabend ist der Kandidat aller Parteien! W i r ließen die Gegner ruhig schwatzen und suchten in aller Stille einen Gegenkandidaten. Diesen fanden wir aber erst nach langem Suchen, und erst acht Tage vor der Wahl, in der Person des Genossen Theo- d o r Lutz, Apotheker in Stuttgart . So konnten wir erst vier Tage vor der Wahl losschlagen. In diesen vier Tagen aber geschah Alles, was möglich war. Es wurden drei stark besuchte Wählerversammlungen abgehalten und zwei Flugblätter vertheilt. Wir haben die Reaktionäre schwitzen gemacht. Das Resultat war folgendes: Feyerabend 1501, Lutz 721 Sttmmen. Um diesen unseren Erfolg recht zu würdigen, mögen die Genossen be- rücksichtigen, daß wir bei der letzten Reichstagswahl nur etwas über 100 Stimmen für Bebel zusammenbrachten, daß für Feyerabend auch der Reichstagsabgeordnete Härle eingetreten ist, der bisher von den hie- sigen Arbeiter wie eine Art Halbgott verehrt wurde, und daß Genosse Lutz vor seinem Aufttettn als Kandidat im hiesigen Kreise gänzlich unbekannt war. Seit acht Jahren agitiren wir hier für die Sozialdemokratie; bisher schien Alles vergeblich. Jetzt aber haben die hiesigen Arbeiter Feuer ge- fangen, und in der letzten Wählerversammlung, die am Vorabend des Wahltages stattfand, waren die Leute bereits so begeistert, daß sie sich an einem volksparteilichen Advokaten, der für Feyerabend sprach, thätlich vergriffen hätten, wenn unser Genosse K i t t l e r nicht energisch dazwischen getteten wäre. Summa Summarum: wir können zufrieden sein, es geht vorwärts! — Puttkämerchen will, schreibt man uns, im Reichstag den Antrag auf Verlängerung des Sozialistengesetzes vertreten und dabei— wie seine Organe schmunzelnd verkünden— mit „massenhaftem Material" aufwarten. Nun, das„massenhafte Material" des Puttkämerchen kennen wir; wir kennen auch massenhaftes Material, welches Puttkämerchen nicht kennt, und wir kennen weiter massenhaftes Material, welches sich gegen Puttkämerchen verwenden läßt. Also nur zu: die Geigen sind gestimmt, und will Puttkämerchen ein Tänzchen wagen, wir spielen ihm auf und tanzen mit! — Ein Mr. Warren, der neulich in Bernardstown v e r st a r b, hinterläßt sein ganzes Vermögen zu dem Zwecke,„um jenes schreckliche alte Ungeheuer im Dienste des Königthums, Religion genannt, anzufechten." Er war einmal orthodox gewesen, wurde aber durch an ihm verübte Betrügereien der Frommen ungläubig. Ein Gegenstück dazu— bemerkt die„Newyorker Volkszeitung"— ist Herbert Spencer , der vormalige Agnostiker und Philosoph, der jetzt an Gehirnerweichung leidet und die Religion für nöthig und heil- sam erklärt. Denn da die Wissenschaft doch niemals die letzten Gründe aller Dinge erforschen könne, so sei die Religion mit ihren Tröstungen dafür ein Ersatz. Ebenso denkrichtig hätte er behaupten können, da doch einmal für den Tod kein Kraut gewachsen ist, sei der allgemeine Selbstmord das einzig Richtige, um glücklich zu leben." Ganz unsere Ansicht, die wir um so energischer betonen, als es in Deutschland selbst in radikalen Kreisen zum guten Ton zu gehören be- ginnt, auf den„unwissenschaftlichen" Atheismus loszupauken. Als ob der Atheismus überhaupt bewiesen zu werden brauchte! — Die Brod frage zeittgt auch in England wunderbare Erschei- nungen.„Vor wenigen Jahren"— schreibt die Londoner „Justice"— kostete das Mehl 60 Sh. der Sack, während die Bäcker denselben Preis für das Brod forderten wie jetzt, wobei sie ganz gut zu leben hatten. Jetzt ist der Preis für Mehl 32 Sh. pro Sack, so daß die Zwischen« Händler bei jedem Sack Mehl 28 Sh. einstecken, abgesehen von dem Profit, den sie früher machten. Ehe Produktion und Distributton nicht vollständig anders organisirt sind, werden die Arbeiter nicht zu dem Ihrigen kommen. — Zum zweiten Male hingerichtet wurde der berüchttgtt „Sozialistentödter" und nationalliberale„Agitator" Bruno Sparig am 9. März in der Generalversammlung der„Leipziger Spar- und Kreditbank", zu deren Aufsichtsrath er bisher gehört hatte — das einzige„Ehrenamt", welches ihm noch verblieben war. Es wurde Herrn S p a r i g bei dieser Gelegenheit vorgeworfen, daß er seine Stel- lung zu Geldgeschästen zweifelhaftester Art(Nehmen von Extraprovisionen für amtliche Bemühungen) mißbraucht habe, und die angeführten Thal- fachen waren so schwerwiegender und so kompromittirender Art, daß Herr Bruno Sparig seines Amtes enthoben werden mußte! Da es ihm unmöglich sein wird, sich reinzuwaschen, so dürfte seine Rolle nun endgiltig ausgespielt sein. Für die„Ordnungsparteien" im 13. sächsischen Wahlkreis(Leipzig Land), der nur durch die unsauberen Kniffe dieses traurigen Subjekts den Sozialdemokraten bei den letzten Reichstagswahlen entrissen, oder richtiger gesagt: gestohlen ward, ist das ein um so härterer Schlag, als Herr Dietze-Pommsen, der jetzige gleich traurige Reichstags abgeordnete, in Folge der skandalösen Spekula- tionen um sein Vermögen gekommen ist und daher nicht wieder kandi- diren kann. Unter solchen Umständen läßt sich mit Gewißheit darauf rechnen, daß der Leipziger Landkreis bei den bevorstehenden Reichstagswahlen wieder unserer Partei zufallen muß, der er von Rechtswegen gehört, weil sie unzweifelhaft die Majorität darin hat. — England. Die Demonstration, welche unsere L o n- doner Genossen zur Feier des 18. März veranstaltet hatten, ist, wie wir englischen Bourgeoiszeitungen entnehmen, wohlgelungen, ttotzdem man ihr in letzter Stunde noch dadurch ein Bein zu stellen suchte, daß die Verwaltung des Highate-Kirchhofes, auf welchem Marx begraben liegt, bekannt machte, daß sie den Zutritt nicht gestatten würde, sondern daß derselbe die ganze Zeit der Demonstration über geschlossen bleiben werde. Nach der„Daily News" nahmen über fünftausend Mann an dem Zuge Theil. Die Ansprachen hielten Dr. A v e l i n g in englischer, La lande in französischer und Genosse Volkmar in deutscher Sprache. Soviel für heute. Einen eingehenderen Bericht denken wir in nächster Nummer zu bringen. — Zur Verständigung. Unsere Leser werden sich eines Artikels in Nr. 6 des„Sozialdemokrat" erinnern, der, an eine Notiz der„Newyorker Volkszeitung" anknüpfend, von letzterer eine Erklärung darüber verlangte, an welche Adresse diese Notiz gerichtet sei. Die gewünschte Erklärung wird uns nun in der„Newyorker Volks- Zeiwng vom 27. Februar bereitwilligstZgegeben, und glauben wir uns verpflichtet, sie ihrem Wortlaute nach abzudrucken— von der rein for- mellen Einleitung natürlich abgesehen. Sie lautet: „Der„Sozialdemokrat" meint, wir hätten damit die sozialdemo- krattsche Partei in Deutschland verdächtigen wollen, als„denunzire" sie andere Bruchtheile der Partei. Nichts hat uns ferner gelegen, als eine solche Unwahrheit, und der„Sozialdemokrat" hätte ein wenig zwischen unseren Zeilen lesen können. Er hätte gewahr werden müssen, daß unsere Taktik von jeher die gewesen ist, A n- griffe, Verlästerungen und Denunziationen der Anarchisten, Internationalen u. s. w. entweder mit Stillschweigen zu übergehen, oder— wo dies der Wahrheit wegen nicht anging— in möglichst sachlicher Weise ruhig zu widerlegen. Unserer Partei hierzulande wegen war unser Artikel ebensowenig nöthig, als der sozialdemokrattschen Deutschlands wegen. Er war blos an die Adresse der obengenannten Gegner gerichtet, nannte aber keine Namen, sondern predigte ganz im Allgemeinen die Einigkeit Allen, die— wenigstens bis zu einem gewissen Grade— dasselbe Ziel erstreben. Unsere wirklichen Sozial- demokraten haben das wohl gewürdigt und gegen den Artikel keine Einsprache erhoben, als gäben wir ihnen unwahr„Denunziation" schuld. Wir sind mit allen grundsätzlichen Gesichtspunkten der Cntgeg- nung des„Sozialdemokrat" einverstanden. Wir behaupten im All- gemeinen, daß bei einem Zeitungskrieg zwischen Gestnnungsver- wandten kein Vortheil herausspringt. Er verfeindet, was doch viel- leicht Bundesgenossen hätten bleiben können. Es genügt, Verschieden- heiten in der Taktik unter verwandten Richtungen einfach zu kon- statiren und unser Pulver an die gemeinsamenGeg- ner zu verwenden. Dabei kann man recht wohl überführte Verräther ausstoßen, des Verraths Verdächtige warnen oder vor ihnen warnen, Denunziationen züchtigen. Wir haben gegen das jetzige Verhalten unserer Partei in der Alten Welt nichts einzuwenden und behalten uns nur das Recht vor, in unseren Kreisen unsere Taktik zu verheidigen und sie da zu empfehlen anderwärts, wo sie den Genossen anwendbar er- scheint," Das ist eine loyale Erklärung, mit der wir uns in der Sache durchaus befriedigt erklären können. Nur feien uns einige beiläufige Bemerkungen gestattet über die Motive, welche u n s zu dem obener- wähnten Arttkel veranlaßten. Daß die Notiz der„Newyorker Volkszeitung" sich nicht gegen uns richtete, davon waren wir von vorneherein über- zeugt, aber unser geschätztes Bruderorgan gibt selbst zu, daß man zwischen den Zeilen lesen mußte, um zu ermitteln, an wessen Adresse die freundliche Einladung,„nicht zu verlästern, nicht zu denun- ziren" u. s. w. gerichtet war. Nun wird der„N. Volksztg." nicht unbekannt sein, daß gerade d i e Stelle, der ihre Ermahnung galt, nach der Praxis und mit der Un
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6 (20.3.1884) 12
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