iJndeß, dieser Verlust von 1l> Prozent ließe sich noch verschmerzen,wenn nur sonst Alles richtig wäre um's Nierenstück. Da hapert's aber.Die„neue Partei" zeigt schon heute überall Risse, die nur noch noth-dürftig verkleistert werden. In erster Linie ist es die brennende Frageder Verlängerung oder NichtVerlängerung des Sozialistengesetzes, welcheeinen Krach herbeizuführen droht. Die Mehrheit der Partei ist aus deneinen oder anderen Gründen, die meist dem Gebiete der politischenHeuchelei entsproffen sind, gegen die Verlängerung— in derstillschweigenden Hoffnung, daß die Verlängerung ja doch durchgehenwird; allein ein Theil der„Genossen", die als Nationalliberale 1878tapfer für das Gesetz und 1881 ebenso tapfer für dessen Verlänge-rung stimmten, sind in der„politischen Heuchelei" noch nicht so weitfortgeschritten, wie ihre fortschrittlichen„Kollegen" in der„neuen Partei",und sie haben umsoweniger Lust, gegen ihre innersten Herzenswünschekin verneinendes Votum abzugeben, als sie nach den jüngsten Reden der„Perle von Meppen" allen Ernstes die komische Befürchtung hegen, durch«in einhelliges Votum der„neuen Partei" könne das öffentlich denun-i>tte, im Geheimen aber heißgeliebte Sozialistengesetz zu Falle gebrachtwerden. Sie verhinderten bei Konstituirung der„neuen Partei", daß«in Beschluß zu Stande kam, welcher die Mitglieder zu geschlossenerAbstimmung gegen das Sozialistengesetz verpflichtete; und jetzt habenst« es glücklich soweit gebracht, daß das Hauptorgan der ehemaligen Se-Zeffionisten, die„Nationalzeitung" des Offenbacher Schlangentödtersund kronprinzlichen Fartcatchers**) Dernburg, direkt für das Sozia-listengesetz in die Schranken tritt und dessen Verlängerung als politischeUnd patriotische Pflicht hinstellt.Etwa ein Dutzend exnationalliberaler und exsezessionistischer Mitgliederder„neuen Partei" wollen für die Verlängerung des Sozialistengesetzesstimmen und ungefähr eben so viele wollen sich der Abstimmung e n t-galten.Eines weiteren Beweises für die Wurmstichigkett und Prinzipienlosigkeitder„neuen Partei" bedarf es nicht.Freilich, da auch die übrigen Mitglieder der„neuen Partei" imHerzensgrund die Verlängerung des Sozialistengesetzes wünschen, so wirddiese Differenz zu einer Spaltung nicht führen.Gefährlicher, wenn auch nicht ernsthaiter, sind die persönlichenStreitigkeiten zwischen den„Führern" und die Differenzen in Bezug aufdie wirthschaftlichen Fragen. Eugen Richter, der sehr herrschsüchtigerNatur ist und seinen diktatorischen Hang nicht bezähmen kann, fühlt sichUicht wohl in der untergeordneten Stellung, zu der ihn seine neuen„Kollegen" Bamberger, Forckenbeck u. s. w. verurtheilt haben;und das spezifisch freihändlerische Gepräge, welches die Richter, Rickert,Bamberger und Konsorten der„neuen Partei" aufdrücken, sindet ander-seits nicht den Beifall zahlreicher Mttglieder, welche theils aus Klugheits-ttitt sichten, theils aus persönlichen Interessen zum Schutzzöllnerthum hin-»eigen. Außerdem ist durch den Beitritt der„Sächsischen Fortschritts-Partei", dieses polittschen Unikums, in die„neue Partei" ein Gährungs-«lement hineingetragen worden, das den Auslösungsprozeß sicher be-schleunigen wird.— Ein staatsgefährlicher Antrag. Der sozialistische Stadt-verordnete Paul Singer hatte in der Berliner Stadtverordneten-Versammlung beantragt, dieselbe möge beim Reichstag dafür petitioniren,baß die Stadt Berlin eine ihrer Bevölkerungsziffer entsprechende An-Zahl von Reichstagswahlkreisen erhalte. Dieser Antrag hat den preußi-ichen Staat und daö Deutsche Reich so in's Wanken gebracht, daß derOberpräsident der Provinz Brandenburg, Herr Achenbach, dem Stadt-verordnetenvorsteher Straßmann bei Strafe von 300 Mark»»tersagt Hai, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, denn„erbttnffl keine Angelegenheit der Gemeinde." Daß die Vertretung einerin den gesetzgebenden Körperschaften sie nichts angeht, ist eine so«cht preußische Logik, daß man sich selbst dann nicht darüber wun-bern dürste, wenn man die besondere Vorliebe der preußischen Regierungfür Berlin nicht kennte. Ja, wenn es sich um eine ZustimmungsadresseZur Bismarck'schen Wirthschaftsresorm handelte! Das wäre ganz etwasAnderes.Wir sind übrigens neugierig, ob sich die Vertretung der Intelligenz-stadt diese Ohrfeige so ruhig gefallen lassen wird.�Eine bemerkenswerthe Erklärung. Wir erhieltenvorige Woche unmittelbar nach Schluß der Redaktion eine Zuschrift ausChemnitz, die wir nebst einigen, aus sofort eingezogene Erkundigungenhin uns zugegangenen erklärenden oder berichtigenden Bemerkungen nach-stehend zum Abdruck bringen:„Chemnitz. In einer in Nr. 29 der„Süddeutschen Post"vom 6. Niärz d. I. enthaltenen Korrespondenz aus Chemnitz wirdüber eine am 1. ds. Mts. unter Vorsitz deS Herrn Riemannstattgefundene Versammlung des„Vereins zur Belehrung über Volks-und Weltwirthschast" berichtet. Wir erfahren da, daß vom Referentender Versammlung, H. Kühn, eine Resolution eingebracht und dieseeinstimmig angenommen wurde, die folgendermaßen lautete:„Die heutige öffentliche Versammlung erklärt:In Erwägung, daß die sozialdemokrattsche Arbeiterpartei keinerevoluttonäre, sondern eine radikale Reformpartei ist, welche ihrZiel auf dem Wege der gesetzlichen Propaganda zu erreichen sucht,weist dieselbe alle Gemeinschaft mit der sogenannten Anarchisten-partei zurück, weil deren Ziele unausführbar und deren Ätittelunmoralisch und abscheulich sind."Unsere Genossen in Deutschland werden beim Lesen jener Zeilensich wohl etwas gewundert haben, doch sei hier zur Beruhigung be-merkt, daß jene Versammlung nur von ca. 100 Personen besuchtwar, daß die Resolution rein der Initiative des Antragstellers ent-sprang und beim Verlesen von den Wenigsten der Anwesenden genauverstanden werden konnte.Wir fühlen uns daher veranlaßt zu erklären, daß wir mtt jenerResolution nichts gemein haben, vielmehr voll und ganz aus dem Bodendes sozialistischen Programms stehen und somit vollständig revolutionärin dem Sinne unseres Programms sind. Obgleich wir mit demletzteren Theile der Resolution einverstanden sind, indem wir jedeGemeinschaft mit den Anarchisten ebenfalls von uns weisen, so bleibtdessenungeachtet unser letztes Ziel die vollständige Beseitigung dergegenwärtigen sozialen wie politischen Mißstände. Wenn wir trotz-dem bereit sind, zu vernünftigen Reformen die Hand zu bieten,so geschieht dies, wie durch unsere Wortführer schon zu wiederholtenMalen betont worden ist, nur deshalb, um das Volk vor der trau-«igen Eventualität zu bewahren, sich mit der Waffe in der Handdas erkämpfen zu müssen, was es zu seiner Existenz unbedingtnöthig hat.Die Sozialisten allerorts können versichert sein, daß Chemnitznach wie vor das ist, was es vordem war, und daß wir nichtgesonnen sind, aus Furcht vor den Anarchisten einerseits und demPolizeisäbel anderseits unser Programm zu verwässern."(Die von uns eingezogenen Erkundigungen haben ergeben— was zumTheil auch schon aus dem Proteste selbst hervorgeht— daß der Vorgang, um den es sich handelt, ziemlich geringfügiger Art war. Die Ver-sammlung war nur schwach besucht und der Antragsteller sowohl, alsDie, welche für die Resolution stimmten, gingen von der damals unterdein frischen Eindruck der Stellmacher'schen Schießerei und deren Frukti-flzirung hervorgerufenen und unter diesen Umständen sehr erklärlichen An-fchauung aus, daß es nothwendig sei, die Anarchisten um jeden Preisvon unS abzuschütteln. In diesem Abschüttelungsbestreben ist man beidieser, wie bei anderen Gelegenheiten, allerdings etwas zu weit gegangen.Und das wird jetzt auch zugegeben. Von einer Rleinungsdifsereiiz kannkeine Rede sein. Daß die Chemnitzer fest und einig zur Sache stehen,wußten wir auch vor Empfang des Protestes, und wir wissen auch, daßdie Chemnitzer— die in der Versammlung Anwescndeneingeschlossen— keineBerwässerung des Programmes dulden werden.(Die Redaktion des„Sozialdemokrat".)— Aus Sachsen, 27. März, schreibt man uns: Der Landtagwird heute endgiltig geschlossen, nachdem der offizielle Schluß durchkönigliches Dekret bereits auf den gestrigen Tag angesetzt war. Jndeß,königliche Dekrete sind heutzutage nicht mehr ganz maßgebend, nicht ein-Wal für Landtage und andere Froschteiche, die früher, wie männiglich**) Der richtige deutsche Ausdruck für dieses bezeichnende, im„prüdenEngland" durchaus erlaubte Wort läßt sich nicht wiedergeben, ohne den„Anstand" auf's Schnödeste zu verletzen. Sagen wir daher: Speichel-lecker.bekannt, wenigstens iv puncto des Froschgequakes dem droit seigneu-rial(Herrenrecht) unterworfen waren.In den letzten Wochen wurden die Arbeiten über's Knie gebrochen,wobei es wieder„gemüthlich" herging, weil die sozialdemokratischen Ab-geordneten im Reichstage zu thun hatten und also den ruhigen und ge-sunden Pflanzenschlaf ihrer zufriedenen Kollegen nicht stören konnten.Von den zufriedenen Herren Kollegen, die manchmal auch schlau seinkönnen, war dieser Umstand sehr pfiffig in Betracht gezogen und aus-genutzt worden, indem sie einen der wichttgsten Gegenstände zur endgil-tigen Entscheidung hübsch auf die Zeit verschoben, wo die bösen Sozial-demokraten durch das Unfall- und Sozialistengesetz in Berlin festgehaltenwurden.So führte z. B. die Frage des allgemeinen Stimmrechtsfür Landtags- und Gemeindewahlen trotz der massenhaft eingelaufenenProteste gegen die berüchttgte Lindenauer Petition nicht einmal zu einerDiskussion, geschweige denn zu einer prinzipiellen Debatte, wie es sonstsicher geschehen wäre. Man ging ohne ein Wort zur Tages-ordnung über.Dasselbe Schicksal hatte eine auf sehr umfangreiches Material gestütztePetition um Verstaatlichung des Armenwesens. Als Lieb-knecht, der, um diese Petition zu vertreten, expreß von Berlin nachDresden gereist war, eine halbe Stunde nach Beginn der Sitzung imLandhaus eintraf, fand er den Gegenstand schon erledigt(man hatte diePetition„auf sich beruhen laffen"), obgleich noch drei andere, darunterzwei wichtige Materien, auf der Tagesordnung standen.Mit dem Gesammtergebniß der Seffion kann unsere Partei im Allge-meinen zufrieden sein, die Vertreter der Sozialdemokratie haben von denGelegenheiten, unsere Prinzipien zu entwickeln und die Verrottetheit derherrschenden Zustände und Personen zu kennzeichnen, vollen Gebrauchgemacht und sind dabei durchweg praktisch zu Werke gegangen. Es istihnen nicht eingefallen, Unmögliches zu fordern, Utopistisches als ihr Zielhinzustellen; ihre Anträge und Vorschläge bewegten sich stets auf demBoden des Realen und Zweckmäßigen. Daß trotzdem jeder Vorschlag,jeder Anttag zurückgewiesen wurde— idas uns und unseren Vertreternnatürlich nichts Unerwartetes war— das spricht nur für die vollkom-mene Verranntheit und Unfähigkeit unserer Gegner— die Regierungenobenan.Die„reaktionäre Masse" des sächsischen Landtags scheint es sich förm-lich zur Aufgabe gemacht zu haben, die Opttmisten, welche an eine Sozial-reform von Oben glauben, ad absurdum zu führen.Was die parlamentarische Thätigkeit unserer Genossenim sächsischen Landtag betrifft, so entzog sich dieselbe aus naheliegendenGründen einer ausführlichen Behandlung im Parteiorgan. Verschiedeneder wichtigeren Debatten sind den Genossen durch Separatabruck derstenographischen Berichte zugänglich gemacht worden oder werden esnoch werden. Mit solchen Veröffentlichungen, die von zahlreichen Genossenin ausgedehnterem Maße gewünscht worden sind, muß man etwas spar-sam und vorsichtig sein, weil bei den obwaltenden Preßverhältniffen dieReden unserer Abgeordneten nicht veröffentlicht werden dürfen ohne denganzen Ballast der übrigen Verhandlungen.Doch nun zu einem anderen Punkt: zu einer sehr heilsamen Wirkungdes Auftretens unserer Genoffen.Gegenüber dem Sozialismus mit seinen prinzipiellen und praktischenForderungen sind die Parteiunterschiede unserer Gegner verschwundenwie Schnee in der Aprilsonne. Die„eine reaktionäre Masse" ist zueiner so greifbaren Thasache geworden, daß der sanattschste Optimistund Idealist sie nicht mehr ableugnen lann. Und wenn bei den verschiedenen Bruchtheilen der„reaktionären Maffe" noch eine Verschieden-heit der Schattirung zu entdecken ist, so muß konstatirt werden, daß diesogenannte Fortschrittspartei die dunkelste Schattirung gezeigthat. Nicht nur war die Fortschrittspartei in ihren Angriffen auf dieSozialdemokratie gemeiner als irgend eine andere Partei, sie bekundeteauch durch ihre„positiven Maßregeln"— wir erinnern blas anden berüchtigten„Antrag Schreck"—, daß sie an reaktionärem Eiferalle anderen reaktionären Parteien oder Fraktionen übertrifft. Es ist dasbeiläufig nicht zum Verwundern. Gerade weil die Fortschrittspartei aufpolitischem Gebiete uns näher steht als die sogenannte konservativePartei, fühlt sie sich durch uns auch am meisten bedroht und bekämpftuns deshalb am eifrigsten und gehässigsten.Für die deutsche Parteientwicklung im Allgemeinen und die sächsischeim Besonderen ist es von großem Borths>l, doß die sächsische Fortschritts-partei die Maske der Demokratie so rücksichtslos abgeworfen hat. Beiden künftigen Reichstags- und sächsischen Landtagswahlen werden diepraktischen Folgen zu Tage treten.Interessant, obgleich keineswegs erstaunlich ist, daß die sächsische Fort-schrittspartei sich dem großen liberalen Brei, genannt„deutsch-sreisinnigePartei", angeschlossen hat. Anläßlich des Schreck'schen Antrages wurdebekanntlich das Gerücht kolportirt, der„Berliner" Fortschritt werdeseinen entarteten sächsischen Namensvetter desavouiren, und Herr EugenRichter gab auch auf einer Volksversammlung in Plauen eine Er-klärung ab, die so gedeutet werden konnte. Jndeß, der tapfere Eugenhat sich der Logik der Thatsachen gefügt, er hat die Konsequenzen derSituation akzeptirt und Eugen Richter und Schreck stecken beide,in brüderlicher Eintracht, in dem großen liberalen Brei.Wohl bekomm's!— Ja Bauer, das ist ganz was Anderes! Wenn dieHerren Agrarier, Konservative, Christlich-Sozialen und ähnliches Gelichterkommen und wollen Euch Bauern und Landleute für ihre Partei ködern,dann möge Euch einfallen, was Ihr dem Herrn und Kaiser WilhelmAlles verdankt!Ihr müßt das Roth- und Schwarzwild der großen Nachbarn unent-schädigt zum Jagdvergnügen der gestrengen Herren auf Eurem bischenLande füttern. Ihr säet für Euch und die Eurigen, Ihr säet und arbeitet,um dem Staate die hohen Abgaben bezahlen zu können— Eure Arbeitvertilgen aber zum großen Theile, manchmal auch ganz, die äsendenHirsche, Rehe und Schweine des Herrn Nachbars.Und wenn Ihr, um fehlende Nahrungsmittel oder durch Cure KinderEuch einen Nebenverdienst zu schaffen, den Wald der großen Herren be-tretet oder betreten laßt, um Pilze oder Beeren zu suchen, die der Besitzernicht gesäet hat, auch nicht einmal erntet, so werdet Ihr bestrast,„vonRechts Wegen" laut Gesetz, das dieselben Herren mit Kaiser Wilhelmvereinbart haben.Das Wild ist Nationalreichthum, sagt man, darum muß es erhalten,von Euch ernährt werden! Arbeit schafft auch Nationalreichthum, abervom Wilde habt Ihr so wenig, wie der Arbeiter von dem, was er ge-schaffen hat!Bauern, schickt die Agrarier, Christlich-Konservativen und ähnlichesGelichter zum Teufel, reicht dem Arbeiter die Bruderhand und wähltund wirkt mit ihm! Gleiche Brüder, gleiche Kappen!— Beileibe kein Ausnahmegesetz! rufen die Herren—Nationalliberalen, und fügen hinzu:„Das Sozialistengesetz ist keinAusnahmegesetz."„Ein Ausnahmegesetz", so argumentiren sie,„ist einGesetz, welches eine Partei oder eine Klasse der Bevölkerung außerhalbdes gemeinen Rechtes stellt. Das Sozialistengesetz thut dies aber nicht;es weist den Sozialdemokraten keine Ausnahmestellung an, sondern richtetsich nur gegen gewisse strafbare und gemeingefährliche Bestrebungen. DasSozialistengesetz ist also im Grunde nur eine Ergänzung des ge-meinen Rechts."Die Herren Nationalliberalen vergessen, daß eine„Ergänzung" desgemeinen Rechts nur durch Einfügung neuer oder Erweiterung, bezw.Abänderung alter Paragraphen des Strafgesetzbuches erreichtwerden kann und nimmermehr durch ein Spezialgesetz. Und sie vergessenweiter, daß durch das Sozialistengesetz die Polizei, also die Will-kür, zur Richterin über die angeblich strafbaren und gemeinschädlicheuBestrebungen gemacht ist.Doch nein, sie vergessen es nicht, sie wollen sich und Anderen blasetwas vorlügen. Uebrigens bedarf es derarttger Sophismen gar nicht:für das Sozialistengesetz wird sich eine Majorität finden, und wennJeder, der dafür stimmt, als Gesinnungsprobe von Bismarck's höchst-eigenen Füßen vor versammeltem Reichstag einen Tritt auf den klassischen„Sitz der Ehre" hinnehmen müßte.— Erwiderung. Die Londoner„Justice" schreibt in ihrer Notizüber die Sozialistengesetzdebatte:„Es scheint uns jedoch, daß die Angriffe der Leiter der Sozialdemo-kratte auf die Anarchisten des Guten zu viel waren. Wir stehen derganzen anarchisttschen Theorie so feindlich gegenüber als nur irgende-cht'sJemand, wenn aber Leute so behandelt werden, wie z. B. heute dieWiener Arbeiter, was sollen sie da thun? Sie befinden sich im Kriegs-zustand. Vergessen wir nicht, daß unsere eigenen Trades-Unionisten, alssie in ähnlicher Weise behandelt wurden, sehr bald zu geheimer Gewalt-thätigkeit übergingen. Wenn eine räuberische Klasse die Gesetze, die sieselbst fabrizirt hat, und die Gewalt, die sie besitzt, dazu benutzt, dieunterdrückten Klassen aller Freiheit zu berauben und selbst Gelder, diegesetzlich zu gesetzlichen Zwecken gesammelt wurden, zu konfisziren,—dann haben in unseren Augen Diejenigen, die da leiden, das Recht, sichauf jede Art, wie sie können, zu rächen. Wenn der zehnte Theil vondem, was täglich in St. Petersburg, Wien und Madrid gegen Anar-chisten geschieht, gegen Trades-Unionisten und andere Arbeiter Londonsversucht würde, so würden diese auch sehr bald zu den„Hilfsmitteln derZivilisatton" ihre Zuflucht nehmen."Wir haben darauf Folgendes zu erwidern:Aus den von uns nach dem amtlichen stenographischenr i ch t reproduzirten Stellen aus B e b e l' s und L i e b k n e l.Reden wird die„Justice" ersehen haben, daß ihre Vorwürfe gegenunsere Genoffen unbegründet sind, daß die Worte, welche die Tagespressedenselben in den Mund legte, just das Gegentheil von dem sind, wassie wirklich gesagt.Es bedarf wohl nur dieses Hinweises, um eine Richtigstellung vonSeiten der„Justice" zu veranlassen.Wenn unsere Genossen im Reichstage Dinge von sich abweisen, dieunserer Partei zu Unrecht in die Schuhe geschoben werden, und obendreinzu dem Zwecke in die Schuhe geschoben werden, um damit die Verlängerungeines infamen Ausnahmegesetzes zu rechtfertigen, so befinden sie sich da-mit durchaus in ihrem guten Rechte. Anders würde es ihnen gar nichtmöglich sein, unsere Feinde zu entlarven.Ferner haben unsere Genossen nicht nur das Recht, sondern auch diePflicht, diejenigen Personen öffentlich zu kennzeichnen, die in derArbeiterbewegung die Rolle der Agents Provokateurs spielen— in demDienste der Polizei. Und auch das ist geschehen. Aber, wir wiederholenes, nicht im Traume ist es ihnen eingefallen, einen Stein auf die WienerArbeiter zu werfen in ihrem Vertheidigungskampfe gegen Willkürherr-schaft und Polizeibrutalität. Ein solcher Akt der Feigheit ist bei unsunmöglich, er würde sofort von der Gesammtpartci einstimmig verur-theilt werden.Was die„Justice" sonst noch sagt, können sich gewisse Leute inDeutschland ad notam nehmen.Reichstagskandidaturen*):Baden-Baden-Ra statt:T h. Lutz; Apotheker in Stuttgart;Frankfurta. M.:Ad. Sabor,Lehrer; Glauchau-Meerane: Jgn. Auer. Stuttgart:Dr. Alb. Dulk. Magdeburg(Landkreis): M. Habermann.Neuhaldenslebe n-W olmirstädt: I. Götsch in Oschers-leben.— Oesterreich. In Nordböhmen(Bodenbach, Tetschen ic.)liegen zirka 7000 Arbeiter der Textil-Jndustrie(meist Spinner)im Streik. Durch allerhand Maßregelungen veranlaßt, stellten die Ar-beiter der Preidel'schen Fabriken in Rebstein die Arbeit ein und ver-langten eine Herabsetzung des Arbeitstages von 12 auf 10 Stundenund Lohnerhöhungen von 10— 40 Prozent. Da die Fabrikanten desganzen Jndustriebezirkes mit Herrn Preidel gemeinsame Sache machten,so schloffen sich die Arbeiter gleichfalls ihren Kollegen an.Die Stimmung der Streikenden ist eine vortreffliche, doch fehlt essehr an Mitteln zur Unter st ützung.Leider fehlt es uns an geeigneten Adressen, sollten unsere Genossensolche wissen, so werden sie hoffentlich die Gelegenheit nicht versäumen,ihren Brüdern in Oesterreich zu Hülse zu kommen.— Frankreich. Der Streik in A n z i n dauert noch immer fort.Die Grubenarbeiter ertragen willig das größte Elend, um den For-derungen der Kompagnie nicht nachgeben zu müssen. In den zahlreichenVersammlungen der Streikenden werden die Gewaltthaten, welche nachden Berichten der Bourgeoispresse gegen Nichtstreiker hier und da ver-übt worden sind, entschieden gemißbilligt und als das Werk bezahlterAgenten hingestellt, da nicht den Arbeitern, sondern der Kompagniedaran gelegen ist, Tumulte zu provoziren, und damit die Heranziehungvon Truppen zu veranlassen.Die Stimmung gegen die Nichtstreiker ist natürlich eine sehr gereizte,namentlich zeigen ihnen die Frauen offen ihre Verachtung.—Am 29. März ist in R o u b a i x der Kongreß der Arbeiterpartei miteiner öffentlichen Versammlung eröffnet wordeH. EineAdresse der auswärtigen Verkehrsstelle unserer Partei, in welcherauf die Solidarität der Arbeiter aller Länder hingewiesen und im Hin-blick auf die Märztage die Stelle aus der Rede Liebknecht's, wo er vondeutschen Vendomesäulen spricht, zitirt wurde, ward mit stürmischem Bei-fall und fortgesetzten Rufen:„Es leben die deutschen Sozialisten!"„Hoch die Internationale!" begrüßt. Vergebens versuchten einige chau-vinistische Bourgeois, zu protestiren, man antwortete ihnen mit wieder-holten demonstrativen Hochs auf unsere Partei.In geschlossener Sitzung beschloß der Kongreß, die Adresse sofort zubeantworten und sendet uns durch sein Bureau folgende Zuschrift:An die sozialistische Partei Deutschlands!Werthe Bürger und Kampfgenossen!Der siebente nationale Kongreß der sranzösischen Arbeiterpartei istüber Eure brüderliche Adresse hoch erfreut. Mit Euch bedauert er, daßes Euch nicht möglich war, Euch, gleich der englischen demokratischenFederation, durch eine Delegation vertreten zu lassen. Wenn es Euchmöglich gewesen wäre, einen Augenblick Euer Schlachtfeld daheim zuverlassen und der öffentlichen Sitzung von gestern Abend beizuwohnen, in derEure Adresse wiederholt von Tausenden von Arbeitern mit lebhaftenZurufen begrüßt wurde, so würdet Ihr Euch überzeugt haben, daß estrotz allen Manövern unserer beiderseitigen Regierer für das französischeund deutsche Proletariat keine nationalen Grenzen mehr gibt, daß beidesich ausschließlich dem gleichen Klassenkampf für die politische und wirth-schaftliche Expropriirung�der Bourgeoisie widmen.Es lebe die deutsche Sozialdemokratie!Es lebe die soziale Revolution!Im Auftrage des Kongresses:Das Sekretariat:Charles M clin e. Paul Lafargue.♦) Unter dieser Rubrik verzeichnen wir nur die Kandidaturen, die unsdirekt und mit dem Wunsche der Veröffentlichung gemeldet werden.Korrespondenzen.— Meerane i. S., 25. März. In einer am Sonntag abgehaltenenKonferenz des 17. sächsischen Wahlkreises ist Genosse Auer einstimmigals Reichstagskandidat proklamirt worden.— Magdeburg. Nachgerade ist es auch für uns wieder an derZeit, über die hiesigen Parteiverhältnisse in unserem Organe Etwas hörenzu lassen.Im Großen und Ganzen geht unsere Bewegung ihren ruhigen sicherenGang; die allgemeine mißliche Lage arbeitet uns sehr günstig in dieHände, am allermeisten thut jedoch die Hochwohllöbliche ihre Pflicht.Herr von Arnim, unser Polizeipräsident, verfährt im Bunde mitseinen Schergen so willkürlich und frech, daß jeder vernünftige und recht-lich denkende Mensch sich unseren Reihen anschließen muß.Alan hätte glauben dürfen, der hochgeborne Polizeipräsident hättenachgerade einiges Verständniß für unsere Verhältnisse erworben dadurch,daß er selbst erfahren, wie's zugeht. Als nämlich genannter Herr mttseiner Gattin dem hiesigen Großsabrikanten Kominerzienrath G r u s s o n,Ritter vieler Orden für gelieferte Atordwerkzeuge an alle Staaten, einenBesuch abstattete, um die Fabrik in Augenschein zu nehmen, trieb dieNeugierde die Dame auch an den großen Dampfhammer. Zufällig oderjedenfalls um sie nicht etwa zu kompromittiren, befahl Herr Grusson,den Hammer gehen zu lassen und ein Stück Holz darunter zu legen;doch was geschah? Das, was einem Arbeiter stündlich passiren kann,jedoch meistens mit„Unvorsichtigkeit" bezeichnet wird: ein Splitter flogab und der P lizeipräsidentin in s Auge, welches sofort erblindete. Balddaraus ward auch das andere Auge in Nlitleidenschaft gezogen und er-blindete gleichfalls.